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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 15.03.2005
Aktenzeichen: 12 K 3837/02 E, G
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
EStG § 4 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 15.03.2005, an der teilgenommen haben:

Vizepräsident des Finanzgerichts ...

Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtliche Richterin ...

Ehrenamtliche Richterin ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin (Klin.) durch die Veräußerung von Geschäftsanteilen einer GmbH im Streitjahr einen Entnahmegewinn erzielt hat.

Der am ...1995 verstorbene Ehemann der Klin., N, führte seit dem 01.01.1970 einen Betrieb für Sanitär-, Heizungs- und Elektrotechnik. Im Kalenderjahr 1994 (Streitjahr) wurden er und die Klin., die seine Gesamtrechtsnachfolgerin ist, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag (Nr. ... der Urkundenrolle für 1993) errichtete N am 30.12.1993 die N GmbH (N-GmbH). Die N-GmbH hatte den gleichen Unternehmensgegenstand wie das Einzelunternehmen. N übernahm aus dem Stammkapital der GmbH von 50.000 DM einen Geschäftsanteil in dieser Höhe und bestellte sich zum alleinigen Geschäftsführer.

Mit notarieller Urkunde vom 30.12.1993 (Nr. ... der Urkundenrolle für 1993) beantragte N beim zuständigen Amtsgericht die Eintragung der N-GmbH in das Handelsregister. Die Eintragung erfolgte am 14.02.1994.

Mit einem weiteren notariell beurkundetem Vertrag vom 30.12.1993 (Nr. ... der Urkundenrolle für 1993) verkaufte N seinen beiden Brüdern und seinem Sohn jeweils einen "Teilgeschäftsanteil" der N-GmbH im Nominalwert von 7.500 DM für 7.500 DM. Der Vertrag enthält unter anderem die Erklärung des N, er habe mit Urkunde "vom heutigen Tage" die N-GmbH errichtet. Aus dem Stammkapital der Gesellschaft von 50.000 DM habe er einen Geschäftsanteil in gleicher Höhe übernommen. Mit Wirkung auf den Tag der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister wolle er von dem vorgenannten Geschäftsanteil drei "Teilgeschäftsanteile" im Nominalwert von je 7.500 DM verkaufen und "übertragen". Nach der Regelung unter 1. des Vertrages verkaufte N den drei Käufern je einen "Teilgeschäftsanteil" im Nominalwert von 7.500 DM an der neu errichteten GmbH und das hierauf entfallende Gewinnbezugsrecht für das laufende Geschäftsjahr. Die Kaufpreise wurden mit der Wirksamkeit der Abtretung der "Teilgeschäftsanteile" fällig (Nr. 2 des Vertrages). Außerdem trat N den Käufern je einen künftigen "Teilgeschäftsanteil" an der N-GmbH im Nominalwert von 7.500 DM ab. Diese nahmen die Abtretung an (Nr. 3 Abs. 1 des Vertrages). Nr. 3 Abs. 2 des Vertrages sieht vor, dass die Abtretungen der künftigen Geschäftsanteile wirksam werden sollten, sobald die N-GmbH im Handelsregister eingetragen werde.

Die Vertragsurkunde enthält zudem den Hinweis des Notars, dass die Geschäftsanteile nicht mit Abschluss dieses Vertrages, sondern erst mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister des Amtsgerichts C übergehen sollten.

Seit dem 01.01.1994 überließ N der N-GmbH die wesentlichen Betriebsgrundlagen seines Einzelunternehmens. Die N-GmbH führte den Betrieb des Einzelunternehmens fort. Die Modalitäten der Überlassung wurden in einem Pacht- und Kaufvertrag geregelt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, wann dieser Vertrag tatsächlich abgeschlossen wurde. Die Vertragsurkunde benennt als Datum den 30.12.1993. Nach § 13 des Vertrages wurde er mit "wirtschaftlicher Wirkung zum 01.01.1994" geschlossen. Die Klin. legt das Datum des Vertragsschlusses auf den 15.03.1994.

Nach § 1 I. des Vertrages verpachtete N der N-GmbH den betrieblich genutzten Grundbesitz und den Fuhrpark seines Einzelunternehmens zu einem monatlichen Pachtzins von 12.000 DM (§ 9 Abs. 1 des Vertrages). Außerdem verkaufte N der N-GmbH alle anderen Anlagen, die Betriebs- und Geschäftsausstattung mit Ausnahme der Kraftfahrzeuge, das gesamte Umlaufvermögen sowie die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten mit ihrem Bestand zum 31.12.1993, soweit sie nicht die Pachtgegenstände betreffen (§ 1 II. des Vertrages). § 9 Abs. 3 des Vertrages sieht vor, dass die zum 5. eines Monats im Voraus zu entrichtende Pacht für die Monate Januar und Februar 1994 aufgrund der Neueinrichtung der Konten und Buchführung zusammen mit der Pacht für den Monat März zu zahlen sei.

In den Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen für das Streitjahr gaben die Klin. und ihr Ehemann für das Einzelunternehmen einen Gewinn von 85.169 DM an. Bei der Berechnung dieses Gewinns berücksichtigten sie den Verkauf und die Abtretung der Anteile an der N-GmbH nicht.

Der Beklagte (Bekl.) setzte für das Streitjahr einen einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag und mit Bescheid 28.10.1996 die Einkommensteuer der Klin. und ihres Ehemanns entsprechend den Angaben in den Steuererklärungen fest. Die Bescheide ergingen gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Am 25.03.1997 erließ der Bekl. einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem er lediglich den zuvor festgesetzten Verspätungszuschlag minderte. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Nachdem der Bekl. von den Verträgen Kenntnis erhalten hatte, setzte er nach vorheriger Anhörung die Einkommensteuer der Klin. und ihres Ehemannes und den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr mit nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO geänderten Bescheiden unter Berücksichtigung von Einkünften aus Gewerbebetrieb von insgesamt 229.619 DM erhöht fest. Er vertrat die Auffassung, N habe im Streitjahr drei Geschäftsanteile an der N-GmbH teilentgeltlich übertragen. Die drei Geschäftsanteile seien entsprechend den Ansätzen bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zum 01.01.1994 mit einem gemeinen Wert von 188.550 DM zu bewerten. Der Bekl. errechnete nach Abzug eines Buchwerts der drei Geschäftsanteile von 22.500 DM und einer Gewerbesteuerrückstellung von 21.600 DM einen Mehrgewinn von 144.450 DM.

Die Klin. legte gegen diese Änderungsbescheide Einsprüche ein, die der Bekl. mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 17.06.2002 als unbegründet zurückwies.

Am 16.07.2002 hat die Klin. Klage erhoben.

Sie behauptet: Der Pacht- und Betriebsüberlassungsvertrag sei nicht am 30.12.1993 unterschrieben worden. Vielmehr sei der ursprüngliche Entwurf wegen der darin zunächst geplanten variablen Pachthöhe von den Parteien als zu kompliziert empfunden und auf der Grundlage einer Besprechung zwischen dem damaligen steuerlichen Berater und ihrem Ehemann am 15.03.1994 neu gefasst worden. Die erste Pachtzahlung sei am 23.03.1994 in Höhe von 36.000 DM, d. h. rückwirkend für die Monate Januar, Februar und März 1994, erfolgt.

Darüber hinaus meint die Klin., die mit Vertrag vom 30.12.1993 verkauften Anteile an der N-GmbH seien kein Betriebsvermögen des Einzelunternehmens geworden. Insbesondere hätten sie sich am 30.12.1993 nicht aufgrund der Grundsätze über die Betriebsaufspaltung im notwendigen Betriebsvermögen befunden, weil die sachliche Verflechtung zwischen dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen erst danach eingetreten sei. Bereits durch den Abschluss des Kauf- und Abtretungsvertrages am 30.12.1993 hätten die Erwerber Anwartschaftsrechte an den Anteilen der N-GmbH erworben, weil die Veräußerungen vorbehaltlos und ohne Vereinbarung eines Rücktrittsrechts erfolgt seien. Das Anwartschaftsrecht sei mit der Eintragung der GmbH in das Handelsregister zum Vollrecht erstarkt. Nach dem Rechtsgedanken des § 39 Abs. 2 Satz 1 AO seien die Anteile an der N-GmbH den Erwerbern bereits ab dem 30.12.1993 wirtschaftlich zuzurechnen. Dies entspreche auch den Vorstellungen der an dem Vertrag beteiligten Parteien. N habe den Erwerbern in dem Vertrag für das gesamte Kalenderjahr 1994 ein Bezugsrecht eingeräumt. Er habe sich in dem Pacht- und Betriebsüberlassungsvertrag als "Mehrheitsgesellschafter" und nicht als "Alleingesellschafter" bezeichnet.

Die Klin. beantragt,

1. den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 11.02.2000 und den geänderten Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1994 vom 06.03.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.06.2002 aufzuheben,

2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Er ist der Auffassung, N habe mit Wirkung vom 14.02.1994 die Anteile an der N-GmbH teilentgeltlich übertragen. Dieser hier maßgebliche Zeitpunkt der Veräußerung ergebe sich aus den Vereinbarungen in dem "Kauf- und Übertragungsvertrag" vom 30.12.1993 zwischen N und den Erwerbern der Geschäftsanteile. Danach sollte die "Übertragung" der Geschäftsanteile ausdrücklich erst mit der Eintragung der N-GmbH in das Handelsregister wirksam werden. Im Zeitpunkt der Eintragung der GmbH in das Handelsregister am 14.02.1994 hätten sich die Anteile an der N-GmbH im notwendigen Betriebsvermögen des Einzelunternehmens befunden, weil N durch die Verpachtung von wesentlichen Betriebsgrundlagen an die N-GmbH zum 01.01.1994 eine Betriebsaufspaltung begründet habe. Die Veräußerung sei teilentgeltlich, weil der gemeine Wert der Anteile an der N-GmbH, der sich an dem im Rahmen der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zum 01.01.1994 zugrundegelegten Berechnung orientiere, 838 % des Nominalwerts betrage. In Höhe der Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Geschäftsanteile (188.550 DM) und ihrem Nominalwert (22.500 DM) sei im Streitjahr unter Berücksichtigung der anzusetzenden Gewerbesteuerrückstellung (21.600 DM) ein Entnahmegewinn von 144.450 DM entstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Bekl. Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Bekl. hat in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht angenommen, dass der Ehemann der Klin. durch eine teilentgeltliche Veräußerung von Geschäftsanteilen an der N-GmbH im Streitjahr in Höhe des unentgeltlichen Teils einen Entnahmegewinn erzielt hat.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Entnahmen alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb für betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. Bei der teilentgeltlichen Veräußerung eines Wirtschaftsguts aus privaten Gründen erzielt der Steuerpflichtige neben dem auf den entgeltlichen Teil entfallenden Veräußerungsgewinn auch einen Gewinn durch eine Entnahme hinsichtlich des unentgeltlichen Teils (Weber-Grellet in Schmidt, EStG, Kommentar, 23. Auflage 2004, § 5 Rdnrn. 653, 750).

Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht erfüllt, weil die von N verkauften und abgetretenen Geschäftsanteile an der N-GmbH kein Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens waren.

Die gesamten Anteile an der N-GmbH gehörten steuerrechtlich zunächst zum Privatvermögen des N.

Nach Auffassung des Senats waren nach der Errichtung und Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister am 30.12.1993 sämtliche Anteile an der N-GmbH steuerrechtlich existent, obwohl in diesem Zeitpunkt noch nicht die N-GmbH, sondern lediglich die Vorgesellschaft der N-GmbH bestand.

Dies ergibt sich aus der im Steuerrecht anerkannten wirtschaftlichen einheitlichen Betrachtungsweise einer neu errichteten GmbH und ihrer Vorgesellschaft. Nach überwiegender Auffassung besteht zwischen einer GmbH-Vorgesellschaft und der später tatsächlich in das Handelsregister eingetragenen GmbH steuerrechtlich Identität, weil die Vorgesellschaft ein allein auf die künftige juristische Person GmbH angelegtes Rechtsgebilde und bereits körperschaftlich strukturiert ist und mit der Eintragung der GmbH in das Handelsregister in dieser aufgeht (Bundesfinanzhof (BFH), Urteile vom 20.04.2004 VIII R 4/02, Sammlung der Entscheidungen des BFH (BFHE) 205, 292, Bundessteuerblatt (BStBl.) II 2004, 597; vom 14.10.1992 I R 17/92, BFHE 169, 343, BStBl. II 1993, 352; Frotscher, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 1 Rdnrn. 65ff. mit weiteren Nachweisen).

Da die N-GmbH am 14.02.1994 in das Handelsregister eingetragen wurde, waren sämtliche Anteile an der N-GmbH nach dem Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrags und der Anmeldung zum Handelsregister am 30.12.1993 steuerrechtlich existent und zunächst N zuzurechnen. Diese Rechtsauffassung hat auch der Bekl. in seinem Bescheid vom 31.01.2000 zugrundegelegt, mit dem er den gemeinen Wert der Anteile der N-GmbH zum 01.01.1994 gesondert und einheitlich feststellte.

Die von N an seine Brüder und seinen Sohn veräußerten und abgetretenen Anteile an der N-GmbH sind kein Betriebsvermögen des N geworden. Zum Zeitpunkt der Begründung der Betriebsaufspaltung waren die abgetretenen Anteile dem N nicht mehr zuzurechnen.

Nach den Grundsätzen über die Betriebsaufspaltung wurden am 01.01.1994 die dem N zuzurechnenden Anteile an der Vorgesellschaft der N-GmbH bzw. ab dem 14.02.1994 die Anteile an der N-GmbH mit der Überlassung der wesentlichen Betriebsgrundlagen notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens. Erst ab diesem Zeitpunkt lag neben der personellen Verflechtung zwischen dem Einzelunternehmen und der Vorgesellschaft bzw. seit dem 14.02.1994 zwischen dem Einzelunternehmen und der N-GmbH die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche sachliche Verflechtung beider Unternehmen vor. Für den Beginn der Betriebsaufspaltung ist im Streitfall unerheblich, wann N den Pachtvertrag, der als Ausstellungsdatum den 30.12.1993 benennt, tatsächlich unterschrieben hat. Die Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, knüpft für die Frage des Vorliegens einer sachlichen Verflechtung ausschließlich an die Überlassung der wesentlichen Betriebsgrundlagen an. Dabei ist unerheblich, ob die Überlassung (zunächst) unentgeltlich erfolgt und ob sie auf einer schuldrechtlichen oder dinglichen Grundlage beruht (BFH, Urteile vom 19.03.2002 VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl. II 2002, 662; vom 15.01.1998 IV R 8/97, BFHE 185, 500, BStBl. II 1998, 478). Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klin. hat N ab dem 01.01.1994 der Vorgesellschaft der N-GmbH bzw. ab dem 14.02.1994 der N-GmbH wesentliche Betriebsgrundlagen überlassen. Dieser Vortrag wird durch die Pachtzinsvereinbarung in § 9 des Pacht- und Betriebsüberlassungsvertrages bestätigt, die eine Pacht für die Monate Januar und Februar 1994 vorsieht.

Die von N an seine Brüder und seinen Sohn abgetretenen Anteile konnten nicht Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens werden, da sie N zum Zeitpunkt der Begründung der Betriebsaufspaltung steuerrechtlich nicht mehr zuzurechnen waren. N hatte das wirtschaftliche Eigentum an 22,5 % der Anteile an der N-GmbH bereits am 30.12.1993 an seine Brüder und seinen Sohn abgetreten.

Zivilrechtlich sind die Erwerber zwar später, nämlich mit der Eintragung der N-GmbH in das Handelsregister am 14.02.1994, Inhaber der abgetretenen Geschäftsanteile der N-GmbH geworden, denn erst mit der Eintragung begann die N-GmbH als (zivilrechtliches) Rechtssubjekt zu existieren. Gleichwohl war die Abtretung der zukünftigen Geschäftsanteile mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30.12.1993 wirksam. Da das GmbH-Gesetz keine der Regelung des § 41 Abs. 4 Satz 1 des Aktiengesetzes entsprechende Vorschrift über ein Verbot der Anteilsübertragung vor der Eintragung der Gesellschaft enthält, ist die Abtretung eines künftigen Geschäftsanteils einer GmbH zivilrechtlich zulässig, wenn sie entsprechend dem Formerfordernis des § 15 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die GmbH (GmbH-Gesetzes) notariell erfolgt (BFH, Urteil vom 16.05.1995, VIII R 33/94, BFHE 178, 197, BStBl. II 1995, 870; Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 26.09.1994 II ZR 166/93, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1995, 128; Winter in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 9. Auflage 2000, § 15 Rdnr. 3a; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Kommentar, 17. Auflage 2000, § 15 Rdnr. 23; Zutt in Hachenbach, GmbH-Gesetz, Kommentar, 8. Auflage 1992, § 15 Rdnr. 84). Die Abtretung wird allerdings erst im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister wirksam (BGH-Urteile vom 26.09.1994 in NJW 1995, 128, vom 16.02.1959 II ZR 170/57, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen 29, 300; Winter in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, § 15 Rdnr. 3a; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Kommentar, § 15 Rdnr. 23; Zutt in Hachenbach, GmbH-Gesetz, Kommentar, 8. Auflage 1992, § 15 Rdnr. 84).

Der konkrete steuerrechtlich maßgebliche Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile an der N-GmbH bestimmt sich aber nach Auffassung des Senats nicht nach dem Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Abtretung, sondern nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Hiernach veräußerte N die Geschäftsanteile an der N-GmbH bereits am 30.12.1993.

Ausdruck der im Steuerrecht allgemein anerkannt wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist unter anderem die Regelung über das wirtschaftliche Eigentum in § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO (vgl. zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise: Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, AO/Finanzgerichtsordnung (FGO), Kommentar § 4 Tz. 320 ff. mit weiteren Nachweisen). Danach können Rechte, d. h. auch Anteile an Kapitalgesellschaften, nicht dem bürgerlich-rechtlichen, sondern dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen sein. Dies ist der Fall, wenn der Käufer eines Geschäftsanteiles aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und auch die mit den Anteilen verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (BFH, Urteil vom 10.03.1988 IV R 226/85 in BFHE 153, 318, BStBl. II 1988, 832). Zudem darf der Zedent nicht mehr wie bisher auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft einwirken können und der Erwerber muss bereits alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte, insbesondere Dividendenbezugsrechte, Kurs- und Wertpapiersteigerungschancen, Stimmrechte, Verfügungsmacht sowie Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung erlangt haben (Eilers/R. Schmidt in Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 17 Anm. 70).

N nahm mit der notariell beurkundeten Anmeldung der N-GmbH zur Eintragung in das Handelsregister am 30.12.1993 sämtliche Handlungen vor, die von ihm für die rechtliche Entstehung der N-GmbH und damit für die Wirksamkeit der Abtretung der Geschäftsanteile an der Gesellschaft erforderlich waren. Der konkrete Zeitpunkt der Entstehung der N-GmbH hing danach ausschließlich von der Handlung eines Dritten, nämlich von der Eintragung der GmbH in das Handelsregister durch das zuständige Amtsgericht, ab. Damit haben die Erwerber der Geschäftsanteile an der N-GmbH bereits am 30.12.1993 eine Rechtsposition erhalten, die der Veräußerer N nicht mehr einseitig beseitigen konnte. Diese Rechtsposition führte dazu, dass die Erwerber am 30.12.1993 eine Anwartschaft auf die zukünftig entstehenden Geschäftsanteile an der N-GmbH erwarben, die mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister am 14.02.1994 zum Vollrecht erstarkte.

Dieses Ergebnis entspricht auch dem Willen der an dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 30.12.1993 beteiligten Parteien. N wollte die Anteile an der N-GmbH vor der Überlassung der wesentlichen Betriebsgrundlagen am 01.01.1994 und der dadurch entstehenden Betriebsaufspaltung veräußern. Dieser Wille wird bei einer Betrachtung der zeitlichen Reihenfolge der einzelnen Rechtsgeschäfte erkennbar. N hat nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags am 30.12.1993 die Anteile an der N-GmbH abgetreten. Er hat den Beginn der Überlassung der Wirtschaftsgüter in dem Pacht- und Überlassungsvertrag vom 30.12.1993 bewusst auf einen späteren Zeitpunkt, nämlich auf den 01.01.1994 gelegt. Diese Vorgehensweise verdeutlicht den Willen des N, die Abtretung der Geschäftsanteile an der N-GmbH an seine Brüder und seinen Sohn wirtschaftlich gesehen vor dem Beginn der Betriebsauspaltung abzuwickeln, um eine Verstrickung der zivilrechtlich erst mit der Eintragung der N-GmbH in das Handelsregister entstehenden Anteile im Betriebsvermögen des Einzelunternehmens zu vermeiden.

Dieser Betrachtung stehen die Formulierungen im Abtretungsvertrag vom 30.12.1993 nicht entgegen. Zwar hat N dort erklärt, er wolle "mit Wirkung auf den Tag der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister [...] drei Teilgeschäftsanteile [...] übertragen." N konnte in dem Vertrag jedoch keinen früheren Zeitpunkt für die Abtretung bestimmen, weil die Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH nach der zivilrechtlichen Rechtslage erst ab dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem die GmbH in das Handelsregister eingetragen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit § 709 der Zivilprozessordnung.

Der Senat lässt die Revision zu. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Rechtsfrage, welcher Zeitpunkt für die Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer GmbH während des Stadiums der Vorgesellschaft steuerrechtlich maßgeblich ist, ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht geklärt.

Ende der Entscheidung

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