Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 28.08.2008
Aktenzeichen: 14 K 1337/07 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 11
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7
EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

14 K 1337/07 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 60 v.H. und der Beklagte zu 40 v.H.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für sog. Stückzinsen.

Der Kläger erwarb im März 1997 Bundesschatzbriefe Typ B im Nennwert von 50.000,00 DM. Hierfür bezahlte er insgesamt 50.291,67 DM. Der Betrag von 291,67 DM (= 149,13 EUR) entfiel auf Zinsen, die für die Zeit von Beginn des Zinslaufes bis zum Erwerbszeitpunkt (=70 Tage) angefallen waren. Wegen der Einzelheiten wird auf den Zeichnungsschein vom 7. März 1997 Bezug genommen.

Der Kläger erklärte in seiner Einkommensteuererklärung 2004 (Streitjahr) die Zinserträge aus den Bundesschatzbriefen in Höhe von insgesamt 10.987,66 EUR. Zugleich begehrte er den Abzug des im Jahr 1997 gezahlten Entgeltes in Höhe von 291,67 DM (= 149,13 EUR).

Der Beklagte berücksichtigte das Entgelt im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 20. Januar 2006 nicht. Hiergegen richtete sich der Einspruch des Klägers, der im Einspruchsverfahren zwei weitere Wertpapierabrechnungen über Bundesschatzbriefe Typ B aus den Jahren 2004 und 2005 vorgelegt hat. Hiernach hat er weitere Entgelte für nach Beginn des Zinslaufes angefallene Zinsen in Höhe von 101,43 EUR (2004) und 65,21 EUR (2005) gezahlt.

Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 1. März 2007).

Seine hiergegen gerichtete Klage begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Die Berücksichtigung des Entgeltes für die sog. Stückzinsen habe im Streitjahr und nicht im Jahr der Anschaffung der Bundesschatzbriefe zu erfolgen. § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei nicht anwendbar. Dies ergebe sich aus der "Handmappe Bundeswertpapiere", dem Schreiben der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH vom 19. April 2007 sowie den Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 3. April 1996 (IV B 4 - S 2252 - 67/96) und 12. April 1996 (IV B 4 - S2400 - 28/96).

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte Aufwendungen für nach Beginn des Zinslaufes angefallene Zinsen in Höhe von 101,00 EUR als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen anerkannt und am 12. April 2007 einen gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid 2004 erlassen.

Der Kläger beantragt,

den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. April 2007 erneut zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von um 149,13 EUR geminderten Einkünften aus Kapitalvermögen niedriger festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus: Das im Jahr 1997 gezahlte Entgelt für die sog. Stückzinsen sei als vorweggenommene negative Einnahme im Jahr der Zahlung zu berücksichtigen. Dies ergebe sich im Umkehrschluss aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG bzw. § 11 EStG. Die bis einschließlich 1993 geltende Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 EStG sei durch das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Missbrauchs- und Steuerbereinigungsgesetz - StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I, 2310, BStBl I 1994, 50) geändert worden. Die Streichung des Satzes 2 der Regelung ändere zwar nichts an der Einstufung der gezahlten Stückzinsen als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen; jedoch gelte ab 1994 das in § 11 EStG normierte Zu- bzw. Abflussprinzip (vgl. H 154 Einkommensteuer-Richtlinie - EStR 1996).

Wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. August 2008 Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Der streitige Einkommensteueränderungsbescheid vom 12. April 2007 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat der Besteuerung des Klägers Einkünfte aus Kapitalvermögen in zutreffender Höhe zugrunde gelegt.

Der Kläger hat aus den im Jahr 1997 angeschafften Bundesschatzbriefen Typ B im Streitjahr Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Höhe von 10.987 EUR erzielt.

Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.

Hiernach handelt es sich bei den im Streitjahr an den Kläger ausgezahlten 10.987 EUR um Erträge im vorgenannten Sinn. Im Wesentlichen hat der Kläger im Streitjahr Zinsen, d.h. eine nach der Laufzeit bemessene Vergütung für die Nutzung des Nennkapitals in Höhe von 50.000 DM erhalten. Soweit der ausgezahlte Betrag bei wirtschaftlicher Betrachtung auf den Zeitraum Januar bis März 1997 entfällt (291,67 DM = 149,13 EUR), handelt es sich - mangels Kapitalüberlassung - nicht um Zinsen, sondern um sonstige, durch die Überlassung des Kapitals veranlasste Erträge im Sinne des 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Der an den Kläger gezahlte Betrag von 10.987 EUR enthält nach Auffassung des Senates weder eine Erstattung von beim Erwerb der Bundesschatzbriefe angefallenen Anschaffungs- bzw. Anschaffungsnebenkosten des Klägers noch von - unverzinslichem - Kapital in Höhe von 291,67 DM (=149,13 EUR).

Der Kläger hat den Betrag von 291,67 DM (= 149,13 EUR) im Jahr 1997 aufgewendet, um die bis zum Zeitpunkt des Erwerbes bereits angefallenen Zinsen zu vergüten.

Hierbei handelt es sich um negative Einkünfte aus Kapitalvermögen. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG.

Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung von Zinsscheinen und Zinsforderungen, wenn die dazugehörigen Schuldverschreibungen mitveräußert werden und das Entgelt für die auf den Zeitraum bis zur Veräußerung der Schuldverschreibung entfallenden Zinsen des laufenden Zinszahlungszeitraums (Stückzinsen) besonders in Rechnung gestellt ist.

Hieraus folgt im Umkehrschluss: Gesondert in Rechnung gestellte Entgelte des Erwerbers einer Schuldverschreibung, die für die auf den Zeitraum von Beginn des Zinslaufes bis zum Erwerbszeitpunkt entfallenden Zinsen des laufenden Zinszahlungszeitraumes entstehen, stellen (vorweggenommene) negative Einnahmen aus Kapitalvermögen dar (vgl. z. B. BFH Urteil vom 27. Juli 1999 VIII R 36/98, BStBl II 1999, 769; BFH Urteil vom 27. Juli 1999 VIII R 79/98, BFH/NV 2000, 188, vgl. auch BT-Drucks. 12/5630, S. 59, H 154 Einkommensteuer-Richtlinie - EStR - 2004).

So ist es auch im Streitfall. Entgegen der vom Kläger unter Berufung auf das Schreiben der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH vom 19. April 2007 vertretenen Auffassung handelt es sich bei der im Jahr 1997 vom Kläger erbrachten Zahlung in Höhe von 291,67 DM (= 149,13 EUR) um ein beim Erwerb einer Schuldverschreibung gesondert in Rechnung gestelltes Entgelt für Stückzinsen und damit um vorweggenommene negative Einnahmen aus Kapitalvermögen.

Bundesschatzbriefe Typ B sind Inhaberschuldverschreibungen, deren Verbriefung durch einen Eintrag im Bundesschuldbuch ersetzt wird (vgl. z.B. OLG Stuttgart Urteil vom 6. Dezember 2000 9 U 103/00, OLGR Stuttgart 2001, 92).

Ausweislich des Ankaufscheines entfällt das vom Kläger beim Erwerb der Schuldverschreibung gezahlte Entgelt in Höhe von 291,67 DM (=149,13 EUR) auf die für den Zeitraum vom 1. Januar 1997 bis zum Erwerbszeitpunkt angefallenen Stückzinsen.

Demgegenüber kann der Senat weder erkennen, dass das Bundesministerium der Finanzen etwas anderes in Bezug auf den Erwerb von Bundesschatzbriefen Typ B definiert hat, noch dass es hierzu - mit bindender Wirkung für das Gericht - berechtigt wäre.

Auch der Umstand, dass die Sparkasse dem Kläger über die negativen Einkünfte keine Bescheinigung ausgestellt hat bzw. ausstellen konnte, lässt die rechtliche Einordnung der Zahlung des Klägers im Jahr 1997 unberührt. Zudem lag mit dem Zeichnungsschein vom 7. März 1997 ein Nachweis zu den Aufwendungen des Klägers vor.

Der Betrag in Höhe von 10.987 EUR ist dem Kläger im Streitjahr zugeflossen (§ 11 EStG; vgl. zum Zufluss der Erträge aus Bundesschatzbriefen Typ B im Zeitpunkt der Endfälligkeit z.B. FG Düsseldorf Urteil vom 18. März 1999 14 K 6849/98 Kg, EFG 1999, 713, Weber-Grellet in Schmidt EStG § 20 RdNr. 32).

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Streitjahr weitere negative Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Die streitigen Aufwendungen des Klägers sind nicht im Streitjahr, sondern im Jahr der Zahlung - hier 1997 - als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.

Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. § 11 EStG gilt - unter anderem - für den Zufluss von Einnahmen aus den in § 2 Abs. 1 EStG genannten Einkunftsarten, insbesondere auch für Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5, § 20 EStG) sowie für den Abzug von zur Erzielung solcher Einkünfte aufgewendeter Werbungskosten (vgl. z.B. Heinicke in Schmidt EStG § 11 RdNr. 2, 5). Auch auf vorab entstandene und nachträgliche Einnahmen und Ausgaben ist § 11 EStG anwendbar (z. B. Heinicke aaO RdNr. 8).

Hiernach sind die vorab entstandenen negativen Einnahmen des Klägers nicht im Streitjahr zu berücksichtigen. Der Kläger hat das Entgelt für die Stückzinsen nicht im Streitjahr, sondern im Jahr 1997 geleistet.

Eine Sonderregelung, die der Anwendung des § 11 EStG im Streitfall entgegen steht, fehlt. Zwar waren nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 EStG in der bis einschließlich 1993 gültigen Fassung (vgl. § 52 Abs. 20 Satz 4 EStG in der Fassung des StMBG) die beim Erwerb von festverzinslichen Wertpapieren gezahlten Entgelte für Stückzinsen als negative Einnahmen erst im Zeitpunkt des Zuflusses der vom Steuerpflichtigen aus den entsprechenden Wertpapieren erzielten Zinseinnahmen zu berücksichtigen (z. B. BFH Urteil vom 19. März 1996 VIII R 56/94 , BFH/NV 1997, 17). Satz 2 des § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG ist jedoch durch das StMBG aufgehoben worden, so dass seither hinsichtlich der Berücksichtigung von Entgelten für Stückzinsen (wieder) das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG gilt (z. B. BFH Urteil vom 27. Juli 1999 VIII R 36/98, BStBl II 1999, 769; BFH Urteil vom 27. Juli 1999 VIII R 79/98, BFH/NV 2000, 188, Scheuerle DB 1994, 502; Dötsch in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG § 20 RdNr. N4, N30, N33; vgl. auch BTDrucks. 12/5630, S. 59, H 154 EStR 2004).

Die - weder für den Beklagten noch für das Gericht bindenden - Darlegungen in der "Handmappe über Bundeswertpapiere", wonach beim Erwerb von Bundesschatzbriefen Typ B anfallende Stückzinsen erst bei der Veranlagung zur Einkommensteuer des Veranlagungszeitraumes, in dem die Einnahmen aus der vorzeitigen Rückgabe oder der Einlösung bei Fälligkeit zugeflossen sind, berücksichtigt werden, verkennen, dass mit der Neufassung des § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG ab dem Jahr 1994 (auch) für die vom Kläger gezahlten Entgelte für Stückzinsen das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG gilt. Gleiches gilt für das Schreiben der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH vom 19. April 2007, das für das Gericht ebenfalls keine Bindungswirkung entfaltet.

Schließlich kann der Kläger auch aus den Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 3. und 12. April 1996 kein anderes Ergebnis herleiten. Auch diese Auskunftsschreiben an den Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V. bzw. die Bundesschuldenverwaltung (heute: Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH), denen nicht der Charakter einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift zukommt, binden weder das Gericht noch den Beklagten. Aus diesem Grunde kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutzgrundsätze berufen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Kläger hat obsiegt, soweit der Beklagte der Klage mit Bescheid vom 12. April 2007 teilweise abgeholfen hat.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzlich Bedeutung hat. Eine höchstrichterliche Klarstellung zur steuerlichen Behandlung der Entgelte für Stückzinsen beim Erwerb von Bundesschatzbriefen Typ B erscheint geboten.



Ende der Entscheidung

Zurück