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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 24.07.2009
Aktenzeichen: 14 K 5107/07 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 19
EStG § 24
EStG § 34 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine im Jahr 2005 (Streitjahr) aufgrund einer Sozialplanregelung an den Kläger geleistete Zahlung in Höhe von ... EUR ermäßigt zu besteuern ist.

Der am xx. Mai 1948 geborene Kläger war ursprünglich als angestellter Orchestermusiker für den Q e.V. (Verein) tätig. Über das Vermögen des Vereins wurde mit Beschluss des Amtsgerichts F-Stadt vom xx. März 2001 (Az xxx IN xx/01) das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger wurde im Streitjahr zusammen mit seiner Ehefrau, der Klägerin, zur Einkommensteuer veranlagt. In seiner Einkommensteuererklärung 2005 gab er an, unter anderem Entschädigungen/Arbeitslohn für mehrere Jahre in Höhe von ... EUR erhalten zu haben.

Diese Zahlung beruhte auf einem am xx. August 2001 zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat des Vereins geschlossenen sog. Sozialplan. Aufgrund dieses Sozialplanes hatte der Kläger bereits in den Jahren 2001 bis 2004 Zahlungen erhalten (2001: 20.000 DM steuerfrei sowie weitere, der Lohnsteuer unterworfene Zahlungen in Höhe von: 6.270,61 EUR - 2001, 20.210,00 EUR - 2002, 21.972,00 EUR - 2003, 22.584,00 EUR - 2004).

Der Sozialplan sollte - ausweislich der Präambel - der sozialverträglichen Abwicklung, insbesondere dem Ausgleich bzw. der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile dienen, die den betroffenen Mitarbeitern des Vereins durch die Einstellung des Orchesterbetriebes und die damit verbundenen Kündigungen zum 1. September 2001 entstehen. Zwischen den Vertragsschließenden bestand Einigkeit, dass es sich hierbei nicht um einen Sozialplan im Sinne der §§ 123 ff. der Insolvenzordnung (InsO) handelte. Die Ansprüche aus dem Sozialplan - so stellten die Vertragsbeteiligten klar - bestünden nur außerhalb der Insolvenzmasse und wenn die bisherigen Zuschussgeber des Vereins hierfür Mittel im erforderlichen Umfang mit der entsprechenden Zweckbindung zur Verfügung stellten.

Die Verteilung dieser von dritter Seite zur Verfügung gestellten Mittel sollte nach Maßgabe der vertraglichen Regelungen erfolgen (§ 2). Dabei sollte zunächst versucht werden, die Arbeitnehmer, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 53. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, auf bestehende Kulturorchester zu verteilten. Den übernehmenden Orchestern sollten für die Übernahme von Orchestermitgliedern unter bestimmten Voraussetzungen Fördermittel zufließen (§ 2 Abschnitt A Ziff. 1, Anlage A). Die Arbeitnehmer, für die bis zum 31. Oktober 2001 kein neuer Arbeitsvertrag geschlossen werden konnte, sollten eine Abfindung erhalten, deren Höhe nach näher festgeschriebenen Kriterien zu ermitteln war (§ 2 Abschnitt A Ziff. 2 Buchst. a). Die im Jahr 2001 zu zahlende Abfindung ergab sich aus der Anlage C zum Sozialplan. Die in den Jahren 2002 bis 2004 zu zahlenden Abfindungen zielten auf die Aufstockung der den Arbeitnehmern zustehenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung auf 82 v.H. einer (Brutto-)Jahresvergütung.

Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - am 1. September 2001 das 53. Lebensjahr bereits vollendet hatten und die nicht in andere Arbeitsverhältnisse vermittelt werden konnten, sollten ebenfalls eine Abfindung erhalten (§ 2 Abschnitt B). Die im Jahr 2001 zu zahlende Abfindung ergab sich aus der Anlage D zum Sozialplan. Diesen Arbeitnehmern wurde außerdem für die Zeit des Bezuges und unter Anrechnung von Arbeitslosengeld für die Geltungsdauer des Sozialplanes ein monatliches Einkommen in Höhe von 1/12 von 82 v.H. einer Jahresvergütung garantiert (§ 2 Abschnitt C Ziff. 3). Darüber hinaus sollten jene Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 2004 noch nicht das 63. (Schwerbehinderte das 60.) Lebensjahr vollendet hätten, die zu diesem Zeitpunkt noch keine Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten und die am 30. Mai 2004 nicht in einem Anstellungsverhältnis stehen würden, eine sog. ergänzende Abfindung erhalten (§ 2 Abschnitt B Ziff. 4). Die Höhe der sog. ergänzenden Abfindung sollte nach einem näher festgelegten Punktesystem ermittelt werden und aus den - nach Abzug der nach dem Sozialplan im Übrigen zu erbringenden Abfindungen und Kosten - verbleibenden Mitteln gezahlt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Sozialplan vom xx. August 2001 verwiesen.

Am xx. August 2001 kam es außerdem zu einer gemeinsamen Niederschrift zum Sozialplan. In dieser richtete der Betriebsrat des Vereins an den Bund den dringenden Apell, für das Jahr 2005 noch einmal die Summe von 3.405.773 DM (=1.741.344,08 Euro) für den Kreis der ab 53-Jährigen zur Verfügung zu stellen. Bis zum Jahr 2004 seien alle ehemaligen Angestellten des Vereins sozialverträglich abgesichert worden. Allerdings stünden 18 Personen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis das 53. Lebensjahr vollendet hätten, ab 2005 vor dem absoluten sozialen Aus, da sowohl das Arbeitslosengeld als auch die Arbeitslosenhilfe bereits mit den Abfindungen bis 2004 verrechnet worden seien und daher kein Anspruch auf solche Leistungen mehr bestehe. Wegen des Inhalts wird auf die Niederschrift vom xx. August 2001 verwiesen.

Zu der erbetenen Mittelaufstockung kam es im Weiteren nicht.

Auf gerichtliche Anfrage hat der vom Insolvenzverwalter mit der Abwicklung des Sozialplanes beauftragte Buchhalter C. zu den Hintergründen der Sozialplanregelungen erläutert:

Die Bundesrepublik Deutschland, das Land Nordrhein Westfalen, die Stadt N-Stadt und die Fördergesellschaft hätten für den Zeitraum 1. September 2001 bis 31. Dezember 2004 insgesamt 16.210.000,00 DM (= ca. 8.288.000,00 EUR) für die Erfüllung des Sozialplanes zur Verfügung gestellt. Sechs Orchester hätten zwischen dem 1. Oktober 2001 und dem 14. März 2002 zugestimmt, insgesamt 26 Musiker des Vereins zu übernehmen. Hierfür seien Mittel aus dem Sozialplan an die übernehmenden Träger gezahlt worden. Da nicht abzusehen gewesen sei, wie viele Musiker insgesamt in andere Arbeitsverhältnisse vermittelt werden könnten, seien im Sozialplan vorsorglich Gelder in Höhe der zu zahlenden Abfindungen eingerechnet worden. Die tatsächlich eingesparten Gelder seien für die sog. ergänzende Abfindung verwendet worden. Bereits ab 2001 hätten Mittel für die sog. ergänzende Abfindung eingespart werden können. In den Gesprächen, die er selbst zu Beginn der Laufzeit des Sozialplanes mit Herrn I. von der E-Vereinigung geführt habe, habe dieser bestätigt, dass dies beabsichtigt gewesen sei. Den Arbeitnehmern des Vereins sei die Gesamtsumme, die von den Geldgebern zur Verfügung gestellt worden war, bekannt gewesen, allerdings nicht die Aufteilung auf die einzelnen Arbeitnehmer. Erst im September 2004 habe man Aussagen zur Höhe der ergänzenden Abfindung machen können. Die Gruppe der über 53 Jahre alten Arbeitnehmer habe nicht wissen können, wie hoch die ergänzende Abfindung ausfallen würde. Anspruch auf die Zahlung der ergänzenden Abfindung hätten 17 Musiker gehabt. Die Höhe der im Jahr 2005 gezahlten Abfindungen habe zwischen 1.700 EUR und 174.000 EUR gelegen.

In dem Einkommensteuerbescheid 2005 vom 21. Juli 2006 behandelte der Beklagte die aufgrund des Sozialplanes an den Kläger im Streitjahr erfolgte Zahlung in Höhe von ... EUR als Einnahme bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 13. November 2007). Allerdings erließ der Beklagte am 12. November 2007 - aus hier unstreitigen Gründen - einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2005.

In ihrer Klage vertreten die Kläger weiterhin die Auffassung, dass die hier streitige, im Jahr 2005 gezahlte Abfindung als außerordentlicher Ertrag gem. § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) ermäßigt zu besteuern sei.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei letztlich erst zum 31. Dezember 2004 beendet worden. Aus diesem Grunde seien die bis dahin erfolgten Zahlungen nicht als Entschädigungszahlungen im Sinne des § 24 EStG anzusehen. Anders verhalte es sich hingegen mit der hier streitigen Zahlung. Dieser Abfindungsbetrag habe für die Gruppe der "über 53-jährigen Arbeitnehmer" zur Überbrückung des Zeitraumes bis zum Erreichen der Altersrente gedient. Es habe keine Rückzahlungspflicht bestanden, und zwar selbst dann nicht, wenn der Arbeitnehmer nach dem 31. Dezember 2004 eine neue Arbeitsstelle gefunden hätte. Es handele sich um einen echten Ersatz für entgangene Einnahmen. Die Zahlungen bis Ende 2004 seien aus anderen Gründen erfolgt. Sie stünden nicht im Zusammenhang mit dem späteren Bezug der Altersrente.

Doch selbst wenn die in den Jahren 2001 bis 2004 gezahlten Beträge ebenfalls als Abfindungszahlungen anzusehen seien, müsse die hier streitige Abfindung aus dem Jahr 2005 ermäßigt besteuert werden. Denn diese Zahlung sei als Hauptleistung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu qualifizieren. Im Insolvenzverfahren habe bereits relativ früh Klarheit darüber bestanden, dass ein Großteil der zu vermittelnden Musiker tatsächlich neue Arbeitgeber gefunden habe. Bereits im Dezember 2001 sei auf einer Pressekonferenz mitgeteilt worden, dass 25 Musiker in andere Orchester vermittelt worden seien, und zwar teilweise bereits ab dem 1. September 2001. Daher sei letztlich bereits bei Abschluss des Sozialplanes klar gewesen, dass nicht unerhebliche Beträge für die Abfindung der Arbeitnehmer, die älter als 53 Jahre gewesen seien, zur Verfügung stehen würden. Dies bestätige auch die tatsächlich eingesparte Summe von 2,6 Mio DM. Den betroffenen Musikern sei sehr wohl bewusst gewesen, dass nach dem Jahr 2004 noch eine größere Summe gezahlt werden würde. Demgegenüber stellten die in den Jahren zuvor erbrachten Leistungen aus Gründen sozialer Fürsorge gewährte, steuerunschädliche Zusatzleistungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes dar. Die Zahlungen in den Jahren 2001 bis 2004 beliefen sich auf insgesamt 71.036 EUR bzw. 35,35 v.H. der Gesamtentschädigung oder 54,68 v.H. der Hauptleistung.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 12. November 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 13. November 2007 zu ändern und die Einkommensteuer unter Zugrundelegung eines gem. § 34 EStG ermäßigten Steuersatzes für die Zahlung in Höhe von ... EUR niedriger festzusetzen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, eine ermäßigte Besteuerung der hier in Rede stehenden Zahlung komme nicht in Betracht.

Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sei zum 1. September 2001 wirksam beendet worden. Ab diesem Zeitpunkt habe kein Anspruch mehr auf Zahlung von Arbeitslohn bestanden. Der Sozialplan habe keine Fortführung des Arbeitsverhältnisses bewirkt. Er habe vielmehr der sozialverträglichen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses gedient. Da die Förderer des Vereins nur bereit gewesen seien, für einen begrenzten Zeitraum eine begrenzte Summe an Fördermitteln zur sozialverträglichen Abwicklung der Arbeitsverhältnisse bereit zu stellen, sei die Laufzeit des Sozialplanes bis zum 31. Dezember 2004 begrenzt gewesen. Die aufgrund des Sozialplanes an den Kläger erbrachten Zahlungen seien mithin nach der Kündigung, aufgrund eines neuen Rechtsgrundes erfolgt. Es handele sich nicht um die Zahlung rückständigen Lohns. Die Leistungen stellten begrifflich Abfindungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG dar. Die Zahlungen seien daher einheitlich zu beurteilen.

Die an den Kläger geleistete Entschädigung sei nicht in einem Kalenderjahr ausgezahlt worden, so dass es an einer Zusammenballung der Zahlungen fehle. Zwar habe der Bundesfinanzhof eine Ausnahme zugelassen, wenn in späteren Veranlagungszeiträumen Zahlungen aufgrund sozialer Fürsorge erfolgt seien. Ein solcher Ausnahmefall liege im Streitfall aber nicht vor. Folge man der Auffassung der Kläger, dass die im Streitjahr geleistete Einmalzahlung die Hauptleistung darstelle, so könne man den in den Vorjahren erfolgten Zahlungen zwar grundsätzlich den Charakter von Zahlungen aufgrund sozialer Fürsorge zuerkennen. Jedoch sei im Streitfall - anders als in den vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fällen - die Hauptleistung nach und nicht vor den Zahlungen aufgrund sozialer Fürsorge erfolgt. Darüber hinaus müssten die Zahlungen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes auch betragsmäßig einen ergänzenden Zusatz zur Hauptleistung darstellen. Sie dürften mithin die Höhe der Hauptleistung bei weitem nicht erreichen. Laut BMF Schreiben vom 24. Mai 2004 (BStBl I 2004, 505 ff, 633) sei eine Grenze von 50 v.H. zu beachten. Diese sei im Streitfall überschritten, da die Summe der in den Jahren 2001 bis 2004 erbrachten Zahlungen 54,68 v.H. der im Streitjahr erfolgten Einmalzahlung ausgemacht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der streitige Einkommensteuerbescheid verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die dem Kläger im Streitjahr zugeflossene Zahlung unterliegt als Einnahme bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG keiner ermäßigten Besteuerung gem. § 34 Abs. 1 EStG.

Die streitige Zahlung ist als Einnahme bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG zu berücksichtigten. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Mittel für die streitige Zahlung von dritter Seite zur Verfügung gestellt wurden und die Zahlung auf der Grundlage eines nicht auf §§ 123 ff. InsO beruhenden Sozialplanes erfolgt ist. Denn die Zahlung war durch das Dienstverhältnis des Klägers veranlasst und stellte sich für ihn als Frucht seiner Arbeit dar (vgl. hierzu z.B. BFH Urteil vom 23. April 2009 VI R 39/08, BFH/NV 2009, 1189 m. w. N.).

Eine ermäßigte Besteuerung dieser Einkünfte gem. § 34 EStG scheidet im Streitfall aus. Zwar hat der Kläger außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 EStG bezogen, jedoch sind ihm diese nicht zusammengeballt zugeflossen.

Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 bis 4 EStG).

Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Entschädigungen sind an den Steuerpflichtigen gezahlte Ersatzleistungen, die dieser als Ausgleich für einen Schaden in Gestalt des unfreiwilligen Verlustes von Einnahmen oder einer Einnahmemöglichkeit erhält und die auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen (vgl. Seeger in Schmidt 28. Auflage, EStG § 24 RdNr. 4). Für die Frage, ab wann bei einem Arbeitsverhältnis vertragliche Ansprüche nicht mehr auf der alten Rechtsgrundlage entstehen, ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer das Dienstverhältnis wirksam beenden (BFH Urteil vom 15. Oktober 2003 XI R 17/02, BStBl II 2004, 264; BFH Urteil vom 16. Juni 2004 XI R 55/03, BStBl II 2004, 1055).

Hiernach sind nicht nur die in den Jahren 2001 bis 2004 an den Kläger erbrachten Zahlungen Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG, sondern auch die im Streitjahr erfolgte Zahlung.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund der Kündigung am 31. August 2001 und nicht - wie die Kläger meinen - am 31. Dezember 2004. Die nach Maßgabe des Sozialplanes - und damit auf einer neuen Rechtsgrundlage - an den Kläger gezahlten Gelder dienten dem Ausgleich der mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile. Dies gilt für die im Jahr 2001 gezahlte - teilweise gem. § 3 Nr. 9 EStG steuerfreie - Abfindung ebenso wie für die in den Jahren 2002 bis 2004 erfolgte Aufstockung des Arbeitslosengeldes und die im Streitjahr gezahlte sog. ergänzende Abfindung.

Werden in einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehrere in sachlicher und/oder in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Entschädigungsleistungen zugesagt, sind diese einheitlich zu beurteilen (BFH Urteil vom 14. Mai 2003 XI R 12/00, BFH/NV 2003, 1630, BFH Urteil vom 16. Juni 2004 XI R 55/03, BStBl II 2004, 1055, BFH Urteil vom 14. April 2005 XI R 11/04, BFH/NV 2005, 1772 m. w. N.).

So ist es auch im Streitfall. Die in den Jahren 2001 bis 2005 erbrachten Zahlungen sind aufgrund des Sozialplanes, d.h. aufgrund einer einheitlichen Rechtsgrundlage, erbracht worden und dienten dem Zweck, dem Kläger Ersatz für den durch den Wegfall des Arbeitsplatzes bedingten Einnahmeverlust zu leisten.

Dies gilt für die im Jahr 2001 erfolgte Zahlung ebenso wie für die in den Jahren 2002 bis 2004 erbrachten Leistungen. Auch die bis zum 31. Dezember 2004 garantierte Aufstockung des Arbeitslosengeldes auf 82 v.H. der jeweiligen Jahresvergütung erfolgte aus Gründen der sozialen Fürsorge und für eine bestimmte Übergangszeit. Sie wurden denjenigen Arbeitnehmern gewährt, die aufgrund ihres Alters schlechtere Chancen hatten, einen neuen Arbeitsplatz zu finden und die außerdem langjährig für den Verein tätig waren.

Auch die hier streitige sog. ergänzende Abfindung war sozial motiviert. Sie sollte den betroffenen Arbeitnehmern einen finanziellen Ausgleich für den Zeitraum bis zum Erreichen der Altersrente gewähren und so die Folgen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses abmildern.

Eine ermäßigte Besteuerung der im Streitjahr gezahlten sog. ergänzenden Abfindung scheidet gleichwohl aus, denn es fehlt an der von § 34 EStG vorausgesetzten Zusammenballung der Einkünfte.

Dem Sinn und Zweck der Steuerbegünstigung entsprechend sind außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 und 2 EStG nur dann gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (vgl. z.B. BFH Urteile vom 28. Juli 1993 XI R 74/92, BFH/NV 1994, 368, und vom 2. September 1992 XI R 63/89, BFH/NV 1993, 23, BFH Urteil vom 24. Januar 2002 XI R 43/99, BFH/NV 2002, 717 m. w. N.).

Die einheitlich zu beurteilenden Abfindungszahlungen, die der Kläger aufgrund des Sozialplanes erhalten hat, sind nicht zusammengeballt, sondern über mehrere Jahre verteilt zugeflossen.

Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung ist der über mehrere Jahre verteilte Zufluss der Abfindung im Streitfall nicht (ausnahmsweise) unschädlich, weil die in den Jahren 2001 bis 2004 gewährten Zahlungen als aus Gründen der sozialen Fürsorge erbrachte Nebenleistungen anzusehen sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes steht ein über mehrere Jahre verteilter Zufluss von Abfindungszahlungen der Geltung der Steuerermäßigung des § 34 EStG nicht ausnahmslos entgegen. Unschädlich ist ein solcher ausnahmsweise in den Fällen, in denen - neben der Hauptentschädigungsleistung - in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden (vgl. dazu z.B. BFH Urteile vom 14. August 2001 XI R 22/00, BStBl II 2002, 180 und vom 24. Januar 2002 XI R 43/99, BFH/NV 2002, 717). Dies sind beispielsweise solche Leistungen, die der Arbeitgeber dem entlassenen Arbeitnehmer zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauerhafte Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt. Sie setzen keine Bedürftigkeit des entlassenen Arbeitnehmers voraus. Soziale Fürsorge ist allgemein im Sinne der Fürsorge des Arbeitgebers für seinen früheren Arbeitnehmer zu verstehen. Ob der Arbeitgeber zu der Fürsorge arbeitsrechtlich verpflichtet ist, ist unerheblich. Derartige ergänzende Zusatzleistungen, die Teil der einheitlichen Entschädigung sind, sind unschädlich für die Beurteilung der Hauptleistung als einer zusammengeballten Entschädigung (z.B. BFH Urteil vom 14. April 2005 XI R 11/04, BFH/NV 2005, 1772).

Es widerspräche dem Sinn und Zweck des § 34 EStG, aber auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die anlässlich der Entlassung eines Arbeitnehmers aus Fürsorgegesichtspunkten für eine Übergangszeit erbrachten Zusatzleistungen als für die tarifbegünstigte Besteuerung der Hauptentschädigungsleistung schädlich zu beurteilen. Die Unangemessenheit einer solchen Rechtsfolge wird insbesondere in den Fällen deutlich, in denen die in späteren Veranlagungszeiträumen zugeflossenen Zusatzleistungen niedriger sind als die tarifliche Steuerbegünstigung für die Hauptleistung (z.B. BFH Urteil vom 24. Januar 2002 XI R 43/99, BFH/NV 2002, 717, m. w. N.)

Ein solcher Ausnahmefall liegt hingegen nicht vor. Der Senat kann nicht feststellen, dass die im Streitjahr erfolgte Zahlung und die in den Jahren 2001 bis 2004 erbrachten Zahlungen zueinander im Verhältnis von Haupt- und (sozial motivierter) Nebenleistung stehen.

Wann Zahlungen zueinander im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung stehen und welche Leistung als Haupt- bzw. Nebenleistung zu qualifizieren ist, ergibt sich nicht allein aus der Höhe der Zahlung, sondern vielmehr aus einer Gesamtschau der der Zahlung zugrundeliegenden Umstände.

Hiernach stellt sich die streitige Zahlung nicht als Hauptleistung dar.

Zwar spricht die Höhe der streitigen Zahlung durchaus für die Annahme einer Hauptleistung. Jedoch besteht im Streitfall die Besonderheit, dass die Höhe der sog. ergänzenden Abfindung im Zeitpunkt der Vereinbarung des Sozialplanes nicht feststand. Sie war vielmehr von verschiedenen Umständen, die nicht im Einflussbereich des Klägers lagen, abhängig. So hätte die ergänzende Abfindung an den Kläger auch deutlich niedriger ausfallen können, wenn weniger seiner ehemaligen Kollegen in andere Orchester vermittelt worden wären.

Eine Leistung aber, deren Höhe im Zeitpunkt ihrer Zusage in wesentlichem Umfang ungewiss ist, kann nach Auffassung des Senates nicht (allein) dadurch zur Hauptleistung werden, dass sie am Ende tatsächlich höher ausfällt als andere, zuvor erbrachte Zahlungen. Dies gilt selbst dann, wenn der Begünstigte - wie im Streitfall der Kläger - aufgrund seines Alters, der Höhe der vorhandenen Mittel und eines erhofft günstigen Verlaufs der Dinge durchaus eine Zahlung in nennenswerter Höhe erwarten konnte. Denn selbst wenn diese Erwartung dem Grunde nach durchaus berechtigt gewesen sein mag, so war sie doch in Bezug auf die tatsächliche Höhe der Zahlung in erheblichem Maße ungewiss. Das ergibt sich nicht nur daraus, dass der Sozialplan selbst keine Mindesthöhe für die ergänzende Abfindung vorsah. Auch der Apell des Betriebsrates an den Bund vom xx. August 2001 bestätigt dies. Die relativ frühe Vermittlung von Kollegen des Klägers in andere Orchester steht dem nicht entgegen. Zum einen ändert sie nichts an der Situation zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplanes. Zum anderen war die Höhe der ergänzenden Abfindung gleichwohl in wesentlichem Umfang ungewiss.

Auch der Vergleich mit den ergänzenden Abfindungen, die andere über 53-jährige Arbeitnehmer erhalten haben, bestätigt, dass die Anknüpfung an die Höhe der Zahlung zur Bestimmung von Haupt- bzw. Nebenleistung ungeeignet ist. Die an die Gruppe der über 53-jährigen Arbeitnehmer gezahlten ergänzenden Abfindungen lagen zwischen 1.700 EUR und 174.000 EUR. Knüpfte man allein an die Höhe der Zahlung an, so führte dies im Streitfall dazu, dass die ergänzende Abfindung bei einem Teil der Arbeitnehmer als Hauptleistung anzusehen wäre, während sie bei einem anderen Teil offensichtlich nicht als Hauptleistung zu qualifizieren wäre. Eine solche Differenzierung überzeugt angesichts der Tatsache, dass sämtliche dieser Zahlungen auf dem gleichen Rechtsgrund beruhen und von der gleichen Motivation getragen sind, nicht.

Schließlich kann auch aus den Regelungen des Sozialplanes selbst nicht hergeleitet werden, dass die streitige Zahlung eine Hauptleistung darstellt. Der Senat ist zwar davon überzeugt, dass den Vertragsbeteiligten die Absicherung der älteren Arbeitnehmer ein wichtiges Anliegen war. Dass sie die sog. ergänzende Abfindung hingegen als Hauptleistung angesehen haben, ergibt sich aus den vertraglichen Regelungen nicht.

Dies folgt zum einen bereits aus der gewählten Bezeichnung der Zahlung als "ergänzende Abfindung". Zum anderen haben die Vertragsbeteiligten der ergänzenden Abfindung keinerlei Vorrang gegenüber anderen Verpflichtungen aus dem Sozialplan eingeräumt. Die ergänzende Abfindung war vielmehr aus dem - nach Abgeltung der in dem Sozialplan übernommenen weiteren Zahlungsverpflichtungen - verbleibenden Rest der Mittel zu leisten. Demgegenüber war die für die Jahre 2002 bis 2004 zugesagte Aufstockung des Arbeitslosengeldes garantiert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Zulassung der Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts geboten.

Ende der Entscheidung

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