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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 25.09.2007
Aktenzeichen: 15 K 767/04 E
Rechtsgebiete: EStG, SUrlV NW, FGO, AO, BeamtVG


Vorschriften:

EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 19 Abs. 2 S. 2
SUrlV NW § 12 Abs. 1
SUrlV NW § 12 Abs. 4
FGO § 100 Abs. 1 S. 1
FGO § 135 Abs. 1
AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BeamtVG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

15 K 767/04 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) in den Streitjahren Versorgungsbezüge i.S.d. § 19 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erhalten hat und ob die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) vorlagen.

Der am 16. April 1938 geborene Kl., der mit seiner Ehefrau - der Klägerin (Klin.) - zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt wird, war als Beamter in der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) tätig. Am 27. Oktober 1999 beantragte der Kl. unwiderruflich Sonderurlaub nach § 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 der Verordnung über den Sonderurlaub der Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter im Lande Nordrhein-Westfalen (SUrlV NW) und verpflichtete sich zugleich für den Fall der Bewilligung zu dem beamtenrechtlich frühestmöglichen Zeitpunkt seine Versetzung in den Ruhestand zu beantragen. Anlass für diesen Antrag waren zwei Rundschreiben des Finanzministeriums NRW vom 12. August 1999 und vom 2. September 1999 (B 1110 - 45.6 - IV B 2) über die Gewährung von Sonderurlaub für Beamtinnen und Beamte ab dem 58. Lebensjahr, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird.

Mit Schreiben vom 15. November 1999 wurde dem Kl. von der Oberfinanzdirektion N (OFD) mit Zustimmung des Finanzministeriums NRW gemäß § 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SUrlV NW unwiderruflich Sonderurlaub für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis zum Beginn seines Ruhestandes gemäß der für den Kl. im damaligen Zeitpunkt geltenden Antragsaltersgrenze von 63 Jahren unter Fortzahlung von 70 % der im letzten Monat vor der Beurlaubung zustehenden Besoldung bewilligt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der OFD verwiesen.

Am 21. August 2000 beantragte der Kl. seine Versetzung in den Ruhestand ab 1. Mai 2001. Mit Schreiben der OFD vom 23. Januar 2001 wurde der Kl. mit Ablauf des Monats April 2001 in den Ruhestand versetzt. Mit Schreiben des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW (LBV) vom 28. März 2001 wurde das Ruhegehalt des Kl. unter Berücksichtigung der Antragsaltersgrenze 2001 und einer Minderung aufgrund der Versorgungsabschlagsregelung (Zeit vom Eintritt in den Ruhestand am 1. Mai 2001 bis zum Ablauf der Vollendung des 65. Lebensjahres) auf 70,2 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge festgesetzt.

Nachdem seitens des LBV sämtliche im Jahr 2000 an den Kl. gezahlten Bezüge (i.H.v. insgesamt 69.915,79 DM) als Bruttoarbeitslohn auf der Lohnsteuerkarte eingetragen worden waren, teilte der Kl. dem LBV mit Schreiben vom 30. Januar 2001 mit, dass er seit dem 1. Februar 2000 nicht mehr als Beamter aktiv tätig sei und beantragte, die vom 1. Februar 2000 bis 31. Dezember 2000 erhaltenen Bezüge i.H.v. 62.454,53 DM auf der Lohnsteuerkarte als Versorgungsbezüge auszuweisen. Seitens des LBV erfolgte eine entsprechende Änderung.

In der Einkommensteuer(ESt-)Erklärung 2000 erklärte der Kl. Versorgungsbezüge in Höhe von 62.455 DM. Die Veranlagung erfolgte erklärungsgemäß durch den Sachbearbeiter am 12. März 2002. Der ESt-Bescheid 2000, in dem bei den Einkünften des Kl. aus nichtselbständiger Arbeit ein Versorgungsfreibetrag i.H.v. 6.000 DM sowie beschränkt abziehbare Sonderausgaben (Vorsorgeaufwendungen) i.H.v. 18.637 DM (unter Berücksichtigung von Dienstbezügen bei der Kürzung des Vorwegabzugs i.H.v. 7.461 DM) berücksichtigt wurden, wurde am 25. März 2002 durch das Rechenzentrum der Finanzverwaltung (RZF) versandt.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2002 beantragte der Kl. beim LBV auf der Lohnsteuerkarte 2001 anstatt des bisherigen Ausweises i.H.v. 48.077,39 DM sämtliche im Jahr 2001 erhaltenen Bezüge (68.958,52 DM) als Versorgungsbezüge auszuweisen. Diesen Antrag lehnte das LBV ab und teilte dem Beklagten (Bekl.) mit Schreiben vom 26. Februar 2002, beim Bekl. am 25. März 2002 eingegangen, mit, dass die auf der Lohnsteuerkarte 2000 bescheinigten Versorgungsbezüge nicht zu berücksichtigen seien, da der Kl. erst ab dem 1. Mai 2001 Versorgungsbezüge erhalte.

Der Bekl. erließ daraufhin am 12. April 2002 einen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten ESt-Bescheid 2000, in dem er keinen Versorgungsfreibetrag berücksichtigte und die beschränkt abziehbaren Sonderausgaben nur i.H.v. 8.644 DM (unter Berücksichtigung von sämtlichen im Jahr 2000 erhaltenen Dienstbezügen bei der Kürzung des Vorwegabzugs) zum Abzug zuließ. Hiergegen richtete sich der von den Kl. am 10. Mai 2002 erhobene Einspruch.

Im ESt-Bescheid 2001 vom 4. Juni 2003 berücksichtigte der Bekl. Versorgungsbezüge - abweichend von den in der Steuererklärung erklärten Versorgungsbezügen i.H.v. 68.958 DM nur - entsprechend dem Eintrag auf der Lohnsteuerkarte - i.H.v. 48.077 DM. Gegen diesen Bescheid, in dem bei den Einkünften des Kl. aus nichtselbständiger Arbeit ein Versorgungsfreibetrag i.H.v. 6.000 DM sowie beschränkt abziehbare Sonderausgaben i.H.v. 16.490 DM (unter Berücksichtigung von Dienstbezügen bei der Kürzung des Vorwegabzugs i.H.v. 20.881,13 DM) berücksichtigt waren, wandten sich die Kl. mit Einspruch vom 6. Juni 2003, mit dem sie zusätzliche Sonderausgaben in Höhe von 1.756,17 DM gezahlter Kirchensteuer geltend machten. Gegen den diesem Einspruch abhelfenden ESt-Änderungsbescheid vom 7. Juli 2003 erhoben die Kl. am 14. Juli 2003 Einspruch.

Mit dem Einspruch gegen den ESt-Bescheid 2000 begehrten die Kläger (Kl.) u.a. den Ansatz des Versorgungsfreibetrages i.H.v. 6.000 DM bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Kl. sowie den Ansatz der beschränkt abziehbaren Sonderausgaben i.H.v. 18.637 DM statt 8.644 DM. Mit dem Einspruch gegen den ESt-Bescheid 2001 begehrten die Kl. ebenfalls einen höheren Ansatz der beschränkt abziehbaren Sonderausgaben (19.830 DM statt 16.490 DM). Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen Folgendes vor: Der ESt-Änderungsbescheid vom 12. April 2002 habe nicht erlassen werden dürfen, da keine neuen Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vorgelegen hätten. Im Bescheid vom 25. März 2002 sei entsprechend der steuerrechtlichen Entscheidung in der Lohnsteuerkarte 2000 eine steuerrechtliche Entscheidung manifestiert worden. Wenn diese im Bescheid vom 12. April 2002 korrigiert werde, sei dies jedoch eine anderweitige steuerrechtliche Bewertung und keine neue Tatsache. Darüber hinaus habe seine aktive Dienstzeit zum 1. Februar 2000 unwiderruflich und endgültig geendet. Es seien die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Nummer 1 Buchstabe a EStG gegeben.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 13. Januar 2004 wurde der ESt-Bescheid 2000 vom 12. April 2002 in einem - im vorliegenden Verfahren nicht streitigen Punkt - geändert. Der Einspruch gegen den ESt-Bescheid 2001 wurde als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Bekl. Folgendes aus: Die Zahlungen für den Zeitraum der Gewährung des Sonderurlaubs nach § 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SUrlV NW vom 1. Februar 2000 bis zum Beginn des Ruhestandes mit Ablauf des 30. April 2001 seien zutreffend als Dienstbezüge erfasst worden. Die Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO für das Jahr 2000 sei rechtmäßig erfolgt. Eine Tatsache sei neu, wenn das Finanzamt sie bei Erlass des ursprünglichen Steuerbescheides noch nicht gekannt habe. Dass die Eintragung als Versorgungsbezüge fälschlicherweise erfolgt sei, sei erst mit Eingang der Mitteilung des LBV am 25. März 2002 bekannt geworden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Veranlagung zur ESt 2000 durch den Bearbeiter (am 12. März 2002) bereits erfolgt gewesen und der hierdurch erzeugte Steuerbescheid sei am 25. März 2002 durch das RZF versandt worden. Bei den während der Zeit des Sonderurlaubs nach § 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SUrlV NW erhaltenen Dienstbezügen handele es sich nicht um Versorgungsbezüge. Es handele sich um Sonderurlaub unter Fortzahlung von 70 % der im letzten Monat vor der Beurlaubung zustehenden Dienstbezüge. Ein Ausscheiden aus dem aktiven Dienst sei nicht bereits am 1. Februar 2000 erfolgt, sondern erst mit Ablauf des Monats April 2001, auch wenn der Sonderurlaub unwiderruflich gewesen sei.

Die Kl. haben am 11. Februar 2004 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen Folgendes vor: Die Dienstbezüge, die der Kl. während des Sonderurlaubs erhalten habe, stellten Bezüge im Sinne des § 19 Abs. 2 EStG dar. Die "58-Regelung" sei im Zusammenhang mit der von der Landesregierung NRW beabsichtigten "55-Regelung" zu sehen. Es habe einen Gesetzesentwurf der Landesregierung NRW gegeben, wonach die Versetzung in den Ruhestand nach Beamtenrecht nicht erst mit 65 bzw. 63 Jahren, sondern bereits mit 55 Jahren möglich sein sollte. Zielsetzung des Entwurfs seien Personalkosteneinsparungen gewesen. Diese Initiative habe zwar nicht zu einem Gesetz geführt, zeige aber die Beweggründe der Landesregierung NRW. Die "58-Regelung" mit Bezug auf die Sonderurlaubsverordnung sei offensichtlich nur als Zwischenlösung vorgesehen gewesen, weil nach Gesetzeslage ein Ruhestand nach dem Landesbeamtengesetz für 58-Jährige nicht möglich gewesen sei. Das entscheidende Merkmal für die Annahme von Versorgungsbezügen sei, dass es sich um bestimmte Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen handele. Seine Bezüge in der Zeit vom 1. Februar 2000 bis zum 30. April 2001 seien gewährt worden, ohne dass in dieser Zeit Dienstleistungen von ihm geschuldet oder erbracht worden wären. Damit fehle das wesentliche Merkmal für eine Zuordnung zu § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Bei den Bezügen des Kl. handele es sich zwar nicht um Ruhegehalt aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften, aber um einen gleichartigen Bezug. Die Bezüge seien gewährt worden, weil er eine Altersgrenze erreicht habe. Das Niedersächsische Finanzgericht habe mit Urteil vom 31. März 2004 in gleicher Sache im Sinne des Kl. entschieden.

Die Kl. beantragen,

den ESt-Bescheid 2000 vom 12. April 2002 in der Fassung der EE vom 13. Januar 2004 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Kl. ein Versorgungsfreibetrag i.H.v. 6.000 DM und die beschränkt abziehbaren Sonderausgaben i.H.v. 18.637 DM angesetzt werden,

sowie den ESt-Bescheid 2001 vom 7. Juli 2003 in der Fassung der EE vom 13. Januar 2004 dahingehend zu ändern, dass die beschränkt abziehbaren Sonderausgaben i.H.v. 19.830 DM angesetzt werden,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er verweist zur Begründung auf seine Ausführungen in der EE und trägt ergänzend vor, dass der mit Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 31. März 2004 (7 K 393/99) entschiedene Fall nicht den gleichen Sachverhalt betreffe. Entscheidend für das Niedersächsische Finanzgericht sei gewesen, dass der dortige Kläger nicht mehr im aktiven Dienst tätig gewesen sei und gekürzte Bezüge nach Ruhegehaltssätzen bezogen habe. Im vorliegenden Fall habe der Kl. 70 % der Dienstbezüge des im letzten Monat vor der Beurlaubung zustehenden Betrages erhalten, die jedoch nicht seinem Ruhegehalt entsprechen würden. Auch seien im Streitfall nicht nur die Beihilfeansprüche und die vermögenswirksamen Leistungen entsprechend dem aktiven Dienstverhältnis weiterhin gewährt worden, sondern auch die Sonderzuwendung und das Urlaubsgeld i.H.v. 70 % gezahlt worden. Des Weiteren sei unverändert die Altersantragsgrenze des § 45 Abs. 4 Nr. 2 LBG im Falle der Anerkennung als Schwerbehinderter mit einem GdB von mindestens 50 % während des Sonderurlaubs anzuwenden gewesen. Für eine aktive Dienstzeit spreche auch, dass für den Zeitraum des Sonderurlaubs weiterhin Beförderungen möglich gewesen seien, sowie dass die Übernahme einer Nebentätigkeit nur mit der Genehmigung des Dienstvorgesetzten zulässig gewesen sei und die Einnahmen hieraus hätten angerechnet werden müssen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der ESt-Bescheid 2000 vom 12. April 2002 und der ESt-Bescheid 2001 vom 7. Juli 2003, jeweils in der Fassung der EE vom 13. Januar 2004, sind rechtmäßig und verletzen die Kl. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Bekl. hat zu Recht die dem Kl. in der Zeit vom 1. Februar 2000 bis zum 30. April 2001 gezahlten Dienstbezüge als "aktive" Dienstbezüge i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und nicht als Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 EStG angesehen und dementsprechend für diese Bezüge keinen Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG gewährt, sowie diese Bezüge nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a EStG im Rahmen der Kürzung des Vorwegabzugs bei den Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt. Der Bekl. konnte zudem den ESt-Bescheid 2000 vom 25. März 2002 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ändern.

Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 EStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) sind Versorgungsbezüge Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, die

1. als Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, Unterhaltsbetrag oder als gleichartiger Bezug

a) auf Grund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften,

b) nach beamtenrechtlichen Grundsätzen von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Verbänden von Körperschaften

oder

2. in anderen Fällen wegen Erreichens einer Altersgrenze, Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit oder als Hinterbliebenenbezüge gewährt werden; Bezüge, die wegen Erreichens einer Altersgrenze gewährt werden, gelten erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er Schwerbehinderter ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat.

Bei den dem Kl. im Zeitraum vom 1. Februar 2000 bis zum 30. April 2001 gezahlten Bezügen handelt es sich - entgegen seiner Auffassung - jedoch nicht um Versorgungsbezüge in diesem Sinne. Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe a EStG liegen nicht vor. Bei diesen Bezügen handelte es sich weder um Ruhegehalt noch um einen gleichartigen Bezug.

Der Anspruch auf Ruhegehalt entsteht nach § 4 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) mit dem Beginn des Ruhestandes. Der Kl. ist entsprechend den beamtenrechtlichen Vorschriften nach § 45 Abs. 4 Nr. 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG) erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres mit Ablauf des 30. April 2001 in den Ruhestand versetzt worden. Bei den in der Zeit vor dem 1. Mai 2001 gezahlten Bezügen handelt es sich mithin nicht um Ruhegehalt im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe a EStG.

Es handelt sich aber auch nicht um einen dem Ruhegehalt gleichartigen Bezug auf Grund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften. Rechtsgrundlage für die Gewährung der Bezüge in diesem Zeitraum ist § 12 Abs. 4 Satz 2 SUrlV NW, wonach bei Bewilligung von Sonderurlaub im dienstlichen Interesse - ganz oder teilweise - die oberste Dienstbehörde mit Zustimmung des Finanzministeriums bei Landesbediensteten die Besoldung belassen kann. Diese Zustimmung ergibt sich vorliegend aus dem Rundschreiben des FM NRW B 1110 - 45.6 - IV B 2 vom 12. August 1999. Dem Kl. ist zuzugeben, dass bei der Beurteilung der Frage, ob es sich bei den ihm in Höhe von 70 % des ihm im letzten Monat vor der Beurlaubung zustehenden Betrages gezahlten Bezügen um einen dem Ruhegehalt gleichartigen Bezug handelt, nicht allein auf die Bezeichnung als Sonderurlaub abgestellt werden kann. Der Senat geht insoweit ebenso wie das niedersächsische Finanzgericht in seinem Urteil vom 31. März 2004 - 7 K 393/99 - (EFG 2005, 299) davon aus, dass es für die steuerrechtliche Beurteilung nicht auf die Etikettierung sondern vielmehr auf den Gehalt der Regelung ankommt. Vorliegend ist der Senat bei der Gesamtbetrachtung der Regelungen, nach der dem Kl. in der Zeit vom 1. Februar 2000 bis zum 30. April 2001 unwiderruflich Sonderurlaub bewilligt wurde, jedoch der Ansicht, dass die dem Kl. belassenen Dienstbezüge keine dem Ruhegehalt gleichartigen Bezüge darstellen. Dabei ist es - entgegen der Auffassung des Kl. - unerheblich, ob die Landesregierung die o.g. Regelung nur als Zwischenlösung vorgesehen hatte, weil es nach dem LBG nicht möglich war, Beamte mit Erreichen des 58. Lebensjahres in den Ruhestand zu versetzen. Ebenso kann dahin stehen, ob die o.g. Regelung hinfällig geworden wäre, wenn das LBG bzw. das Bundesbeamtengesetz (BBG) dahingehend geändert worden wären, dass mit Erreichen des 55. Lebensjahres eine Versetzung in den Ruhestand möglich gewesen wäre sowie ob der Kl. in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden wäre, wenn zum damaligen Zeitpunkt bereits eine solche gesetzliche Regelung existiert hätte. Für die Beurteilung, ob es sich bei den dem Kl. im Zeitraum vom 1. Februar 2000 bis zum 30. April 2001 gewährten Bezügen um Versorgungsbezüge handelt, ist allein ausschlaggebend, aufgrund welcher konkreten Regelung ihm diese Bezüge gewährt wurden und wie aufgrund dieser Regelung der Sonderurlaub ausgestaltet war. Daher musste das Gericht auch nicht den dem Kl. mit Schriftsatz vom 28. Juni 2004 unter Beweis gestellten Fragen nachgehen, weil diese für die vom Senat zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung sind.

Es bestehen vorliegend erhebliche Unterschiede zu Beamten, die nach Landesbeamtenrecht bzw. Bundesbeamtenrecht mit Erreichen der im LBG bzw. BBG genannten Altersgrenzen in den Ruhestand versetzt werden, die es rechtfertigen, die steuerlichen Vorteile wie den Ansatz des Versorgungsfreibetrages sowie die Nichtberücksichtigung der Bezüge beim Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 EStG dem Kl. nicht zu gewähren.

Der Kl. ist zwar insoweit mit einem Ruhestandsbeamten vergleichbar, als dass er infolge der unwiderruflichen Gewährung des Sonderurlaubs und der Verpflichtung, frühestmöglich seine Versetzung in den Ruhestand zu beantragen, im Zeitraum vom 1. Februar 2000 bis zum 30. April 2001 rein tatsächlich keine Dienstleistungen mehr erbracht hat. Nach der Ansicht des Senats hat der Kl. während seines Sonderurlaubs die Bezüge aber nicht wie der Ruhestandsbeamte, der Ruhegehalt nach dem BeamtVG erhält, im Zusammenhang mit früheren Leistungen im öffentlichen Dienst erhalten. Der Senat entnimmt den Rundschreiben des Finanzministeriums NRW vom 12. August bzw. 2. September 1999 (i.V.m. § 12 SUrlV NW) vielmehr, dass er monatlich 70 % des im letzten Monat vor der Beurlaubung bezogenen Betrages (zuzüglich 70 % des Urlaubsgeldes und der Sonderzuwendung) bekommen hat, weil er auf die Ausübung des aktiven Dienstes und damit auf die Zahlung von 30 % des im letzten Monat vor der Beurlaubung bezogenen Betrages verzichtet hat und weil sein Arbeitgeber, das Land NRW, Personalkosten einsparen wollte. Die Bezüge nach den o.g. Vorschriften wurden - im Gegensatz zu den Ruhegehältern - nicht allein aufgrund des Erreichen einer Altersgrenze gewährt. Zwar war die Bewilligung von Sonderurlaub nach den o.g. Vorschriften erst bei Erreichen einer Altersgrenze von 58 Jahren möglich, es mussten jedoch im Gegensatz zum Ruhestandsbeamten noch weitere - und zwar nicht nur in der Person des Beamten, der den Sonderurlaub beantragte, liegende - Voraussetzungen vorliegen wie z.B. die Realisierung eines kw-Vermerks oder die Einsparung einer Stelle bei Eintritt in den Ruhestand, damit der Sonderurlaub gewährt werden konnte. Die Auffassung des Senats, dass der Kl. die Bezüge nicht für frühere Dienstleistungen erhalten hat, wird dadurch bestätigt, dass das Finanzministerium NRW im Rundschreiben vom 12. August 1999 ausführte: "Die Begrenzung der Besoldung auf 70 % gilt für die Zeit bis zum Eintritt des Versorgungsfalls" und somit offensichtlich nicht von einem (vorzeitigen) Ruhestand (einem der "klassischen" Versorgungsfälle), während dessen der Beamte als Versorgung Bezüge für frühere Dienstleistungen erhält, ausging.

Die Unterschiede gegenüber dem beamtenrechtlichen Ruhegehalt sind so wesentlich, dass von einem dem Ruhegehalt gleichartigen Bezug nicht gesprochen werden kann. Im Unterschied zum Ruhestandsbeamten, der weder einen Anspruch auf Urlaubsgeld noch auf vermögenswirksame Leistungen hatte (vgl. § 1 des Gesetzes über die Gewährung eines jährlichen Urlaubsgeldes in der in den Streitjahren geltenden Fassung sowie § 1 des Gesetzes über vermögenswirksame Leistungen für Beamte, Richter, Berufsoldaten und Soldaten auf Zeit in der in den Streitjahren geltenden Fassung), standen dem Kl. während seines Sonderurlaubs nach dem Rundschreiben vom 12. August 1999 sowohl Urlaubsgeld als auch vermögenswirksame Leistungen zu. Darüber hinaus war er - im Gegensatz zum Ruhestandsbeamten - weiterhin verpflichtet, sich Nebentätigkeiten genehmigen zu lassen und musste sich - entsprechend der Regelung für "aktive Beamte" nach § 9a des Bundesbesoldungsgesetzes - die Einnahmen durch Ausübung einer Nebentätigkeit während der Beurlaubung insoweit anrechnen lassen, als sie zusammen mit den gewährten anteiligen Bezügen die letzten vor der Beurlaubung gezahlten Bruttobezüge überschritten (im Gegensatz zur anders lautenden Regelung des § 53 BeamtVG). Darüber hinaus betrug der Bemessungssatz für die Beihilfe im streitigen Zeitraum weiterhin 50 %, wie bei einem "aktiven Beamten", und nicht 70 %, wie bei einem Empfänger von Versorgungsbezügen (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen, - BVO NW -). Zwar ist dem Kl. zuzugeben, dass ausweislich des Rundschreibens vom 12. August 1999 die Kostendämpfungspauschale auf 70 % gemindert wurde. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass er insofern mit den Empfängern von Versorgungsbezügen, bei denen die Kostendämpfungspauschale sich nach dem Ruhegehaltssatz bestimmt, jedoch 70 % der Beträge für "aktive Beamte" nicht übersteigen darf (§ 12a Abs. 3 BVO NW), gleichgestellt werden sollte. Nach Auffassung des Senats erfolgte insoweit lediglich - entsprechend der Herabsetzung der Dienstbezüge einschließlich des Urlaubsgeldes und der Sonderzuwendung auf 70 % - auch eine Herabsetzung der Kostendämpfungspauschale.

Wesentlich für die Einschätzung des Senats, dass es sich bei den streitigen Bezügen nicht um Versorgungsbezüge handelt, ist letztlich, dass der Kl. während des Sonderurlaubs Bezüge in Höhe von 70 % des im letzten Monat vor der Beurlaubung bezogenen Betrages erhalten hat und nicht bereits das spätere Ruhegehalt in Höhe von 70,2 % - wie in dem vom Niedersächsischen Finanzgericht entschiedenen Fall -, sowie dass nach dem Schreiben der OFD vom 15. November 1999 für den Kl., wenn er während des Sonderurlaubs als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 % anerkannt worden wäre, ab diesem Zeitpunkt die Antragsaltersgrenze des § 45 Abs. 4 Nr. 2 LBG, mithin die Altersgrenze von 60 statt 63 Jahren gegolten hätte und somit bei der Versetzung in den Ruhestand kein Versorgungsabschlag vorgenommen worden wäre und insbesondere, dass die Beurlaubungszeit selbst voll ruhegehaltsfähig war und bei der Festsetzung des Ruhegehalts mithin nur ein Versorgungsabschlag für die Zeit vom 1. Mai 2001 bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres und nicht für die Zeit vom 1. Februar 2000 bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres vorgenommen wurde.

Der Bekl. konnte den ESt-Bescheid 2000 vom 25. März 2002 - entgegen der Ansicht des Kl. - auch nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ändern.

Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 AO ist, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteile vom 18. Dezember 1996 - XI R 36/96 -, BStBl II 1997, 264 undvom 11. Juni 1997 - X R 242/93 -, BStBl II 1997, 612). Nachträglich bekannt geworden ist eine solche Tatsache dann, wenn sie dem zuständigen Bediensteten der Finanzbehörde beim Abschluss der Willensbildung hinsichtlich des zu ändernden Steuerbescheids nicht bekannt gewesen ist (BFH, Urteile vom 26. November 1996 - IX R 77/95 -, BStBl II 1997, 442 undvom 11. Dezember 1997 - V R 56/94 -, BStBl II 1998, 367).

Der Umstand, dass sich der Kl. in der Zeit vom 1. Februar 2000 bis zum 31. Dezember 2000 im Sonderurlaub befand und Dienstbezüge aufgrund § 12 SUrlV NW i.V.m. den Rundschreiben des Finanzministeriums NRW vom 12. August bzw. 2. September 1999 erhielt, stellt eine neue Tatsache in diesem Sinne dar. Denn der Sachbearbeiter konnte aufgrund der - vom Kl. beim LBV beantragten - Eintragung auf der Lohnsteuerkarte als Versorgungsbezüge nicht entnehmen, um welche Art von Bezügen es sich tatsächlich handelte. Diese Tatsache war auch neu, da sie erst am 25. März 2002 und damit nach abschließender Zeichnung durch den Sachbearbeiter am 12. März 2002 bekannt geworden ist.

Zwar ist eine Änderung eines Bescheides nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner nach § 88 Abs. 1 AO bestehenden Verpflichtung, die für die rechtliche Beurteilung maßgebenden ergänzenden Sachverhaltsumstände zu ermitteln, nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH, Urteile vom 24. Januar 2002 - XI R 2/01 - BStBl II 2004, 444, BFH/NV 2002, 715 undvom 3. Juli 2002 - XI R 27/01 -, BFH/NV 2003, 19). Bei beiderseitigen Pflichtverletzungen scheitert eine Korrektur nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO allerdings dann an den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn die Pflichtverletzung der Finanzbehörde deutlich überwiegt (BFH, Urteil vom 15. Oktober 1993 - III R 74/92 -, BFH/NV 1994, 315).

Ein solcher Fall liegt hier nach Überzeugung des erkennenden Senats jedoch nicht vor.

Die Finanzbehörde braucht nämlich eindeutigen Steuererklärungen nicht mit Misstrauen zu begegnen; sie kann regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen. Eine Ermittlungspflicht ergibt sich für das Finanzamt nur, wenn sich Unklarheiten oder Zweifelsfragen aufdrängen (BFH, Urteil vom 24. Januar 2002 - XI R 2/01 - a.a.O.). Vorliegend brauchten sich dem Sachbearbeiter keine Zweifel aufdrängen, die ihn zu weiteren Ermittlungen hätten veranlassen müssen. Der Kl. hat in der Steuererklärung 2000 die im streitigen Zeitraum vom 1. Februar 2000 bis zum 31. Dezember 2000 erhaltenen Bezüge selbst als Versorgungsbezüge eingetragen. Ein entsprechender Eintrag befand sich auch auf der Lohnsteuerkarte 2000. Der Kl. hat dem Sachbearbeiter auch weder mitgeteilt, aufgrund welcher Rechtsgrundlage ihm diese Bezüge gezahlt worden sind, noch, dass der entsprechende Eintrag auf der Lohnsteuerkarte erst durch seinen Antrag veranlasst worden ist. Der Sachbearbeiter hatte daher keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den streitigen Bezügen nicht um Versorgungsbezüge handelte. Ihm mussten sich auch nicht etwa angesichts des Alters des Kl. Zweifel an der Richtigkeit der Eintragung als Versorgungsbezüge aufdrängen, denn der Kl. hätte zum Bespiel wegen Dienstunfähigkeit durchaus bereits in den Ruhestand versetzt worden sein können und ein Ruhegehalt nach dem BeamtVG beziehen können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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