Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 29.01.2009
Aktenzeichen: 2 K 1036/08 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 1
EStG § 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Kläger streiten um das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung auf ein Objekt in V-Stadt.

Im Streitjahr 2005 wurden die verheirateten Kläger zusammen veranlagt. Der Kläger war Alleingesellschafter der P GmbH. An diese Gesellschaft vermietete er im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ein Büro- und Ausstellungsgebäude einschließlich Lagerhalle in der I-Str. 4 in V-Stadt, welches im Herbst 2000 fertig gestellt und in Betrieb genommen wurde. In der Folgezeit nahm er auf das Gebäude eine lineare Absetzung für Abnutzung in Höhe von 4% jährlich vor.

Zum Bewertungsstichtag 05.10.2005 ließ der Kläger ein Wertgutachten für das Objekt in der I-Str. 4 in V-Stadt erstellen. Der Architekt B. ermittelte in seinem Gutachten vom 19.10.2005, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, einen Verkehrswert für das gesamte Objekt einschließlich Grund und Boden in Höhe von 2.020.000 € ;. Daraufhin nahm der Kläger in seinem Jahresabschluss 2005 zum Stichtag 31.12.2005 eine Teilwertabschreibung in Höhe von 429.242,92 € ; auf den Bilanzansatz des Gebäudes vor. Ausweislich einer vom Kläger vorgelegten Übersicht über die Entwicklung des Anlagevermögens vom 01.01.2005 bis 31.12.2005 belief sich die lineare jährliche Abschreibung auf das Gebäude auf 112.925 € ;.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 2005 berücksichtigte der Beklagte die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert im Bescheid vom 17.01.2007, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, nicht. In den Erläuterungen zu diesem Bescheid verwies er darauf, dass keine dauerhafte Wertminderung im steuerrechtlichen Sinne vorliege, weil die Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 25.02.2000 (BStBl. I 2000, 372), Punkt II nicht erfüllt seien. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens ergingen am 08.02.2007 und am 24.07.2007 jeweils nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide, in denen der Beklagte die Teilwertabschreibung ebenfalls unberücksichtigt ließ. Der Beklagte überprüfte das vom Kläger vorgelegte Gutachten durch einen Bausachverständigen der Finanzverwaltung; dieser schätzte den Verkehrswert des streitgegenständlichen Objekts auf 2.190.000 € ;.

In seiner Einspruchsentscheidung vom 18.02.2008 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Steuerpflichtige trage die Darstellungs- und Beweislast für das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Eine solche Wertminderung liege vor, wenn der Wert des Wirtschaftsguts den planmäßigen Rest des Buchwertes während eines erheblichen Teils der Nutzungsdauer im Unternehmen nicht erreichen werde. Der Wert müsse mindestens für die halbe Nutzungsdauer unterschritten werden. Die verbleibende Nutzungsdauer sei für Gebäude nach § 7 Abs. 4 und Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) zu bestimmen. Im Streitfall werde der planmäßige Restbuchwert auch dann nicht für mindestens die halbe Restnutzungsdauer unterschritten, wenn der durch das klägerische Gutachten ermittelte Wert zugrunde gelegt werde. Es könne dahinstehen, ob dieser Wert gegebenenfalls zu niedrig ermittelt worden sei. Der Gesetzgeber habe das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip mit der ab dem Jahr 1999 geltenden Neuregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG bewusst zurückgedrängt. Dafür, dass der Teilwert während der mutmaßlichen Nutzungsdauer im Betrieb überwiegend unter dem Buchwert liegen müsse, spreche auch der Gesetzeswortlaut; ansonsten liege eine bloße Wertschwankung vor.

Mit ihrer am 20.03.2008 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie tragen vor, eine voraussichtlich dauernde Wertminderung erfordere ein voraussichtlich nachhaltiges Sinken des (Verkehrs-)Werts des Wirtschaftsguts unter den Buchwert. Er dürfe den Buchwert während eines erheblichen Teils der Nutzungsdauer im Unternehmen nicht erreichen. Die Kläger vertreten hierzu die Auffassung, ein schematisches Abstellen auf die halbe Restnutzungsdauer des Wirtschaftsguts als Prognosezeitraum, vorliegend 10 Jahre, sei im Streitfalle rechtswidrig. Das streitgegenständliche Objekt habe sich angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung insbesondere ab dem Jahr 2002 teilweise als überdimensioniert und insofern als Fehlmaßnahme erwiesen. Auch die Eigenart eines Wirtschaftsguts müsse bei Prognosen über die zukünftige Wertentwicklung berücksichtigt werden. Bei Gebäuden sei ein Zeitraum von höchstens drei bis fünf Jahren zu betrachten. Das Institut der Wirtschaftsprüfer und das überwiegende handelsrechtliche Fachschrifttum hielten einen solchen Prognosezeitraum ebenfalls für zutreffend. Im Übrigen würde ein sich später ergebender höherer Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG im Rahmen der Wertaufholung wieder korrigiert werden. Der Bruttobuchwert des streitgegenständlichen Gebäudes würde bei einer linearen Afa von jährlich 4 % nach ca. 7,4 Jahren den im Verkehrswertgutachten ermittelten niedrigeren Teilwert erreichen. Der Gesetzgeber habe kein starres zeitliches Kriterium für die Dauerhaftigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vorgesehen. Auch der Bundesfinanzhof schließe, wie sein Urteil vom 26.09.2007, I R 58/06, zeige, die Annahme einer voraussichtlich dauernden Wertminderung in Fällen wie dem streitgegenständlichen nicht aus.

Der für das streitgegenständliche Objekt ermittelte Verkehrswert werde - wie die Kläger vorbringen - durch einen Vergleich mit einen Büro- und Schulungsgebäude, das in räumlicher Nähe zum streitgegenständlichen Objekt zu einem Quadratmeterpreis von 584,42 € ; zum Verkauf stehe, bestätigt. Der Quadratmeterpreis für das Objekt in der I-Straße 4 betrage bei einer Fläche von ca. 3.400 qm unter Zugrundelegung des ermittelten Verkehrswertes ca. 590 € ;. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14.03.2006, I R 22/05, sei der Teilwert anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige nachweise, dass das Wirtschaftsgut seinen Buchwert nicht erlösen werde. Das Finanzgericht Münster habe in seinem Urteil vom 27.06.2008, 9 K 3138/06, ebenfalls betont, dass eine Typisierung der Restnutzungsdauer nur im Regelfall anhand der AfA-Reihen der § 7 Abs. 4, Abs. 5 EStG vorzunehmen sei.

Ferner machen die Kläger geltend, der Begriff der voraussichtlich dauernden Wertminderung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sei, auch im Hinblick auf das Maßgeblichkeitsprinzip, wie in § 253 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) auszulegen. Es sei im Zweifel von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen. Jedenfalls sei ein über fünf Jahre hinausgehender Zeitraum nicht mit dem Vorsichtsprinzip vereinbar.

Die Kläger vertreten die Auffassung, der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gebiete eine Prognose im Einzelfall. Auch gelte es, unbillige Ergebnisse bei langlebigen Wirtschaftsgütern, die eine Gesamtnutzungsdauer von 50 Jahren haben können, zu vermeiden. Aus dem Referentenentwurf zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz lasse sich ersehen, dass der Gesetzgeber von einer dauernden Wertminderung ausgehe, wenn die den Wertverlust begründenden Umstände innerhalb der nächsten zwölf Monate nicht wegfielen.

Die Kläger beantragen,

den Steuerbescheid 2005 vom 17.01.2007, geändert durch die Bescheide vom 08.02.2007 und vom 24.07.2007, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2008, dahingehend zu ändern, dass eine Teilwertabschreibung auf die Immobilie I-Straße 4 in V-Stadt in Höhe von 429.242,92 € ; berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom 17.01.2007, geändert durch die Bescheide vom 08.02.2007 und vom 24.07.2007, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2008, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat die geltend gemachte Teilwertabschreibung in Höhe von 429.242,92 € ; auf das streitgegenständliche Objekt in der I-Str. 4 in V-Stadt zu Recht nicht berücksichtigt.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG muss ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 Abs. 1 EStG ermittelt, die abnutzbaren Wirtschaftsgüter seines Anlagevermögens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge ansetzen. Stattdessen kann er gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG den Teilwert des Wirtschaftsguts ansetzen, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger als die fortgeschriebenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist.

Die Voraussetzungen für den Ansatz des niedrigeren Teilwerts sind im Streitfall nicht erfüllt.

Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Geht es um die Bewertung bebauter Grundstücke, so sind die Teilwerte für Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits jeweils gesondert zu ermitteln (BFH v. 16.07.1968, GrS 7/67, BStBl. II 1969, 108). Der Ansatz des niedrigeren Teilwerts, d.h. eine Teilwertabschreibung, erfordert eine voraussichtlich dauernde Wertminderung. Der Begriff der voraussichtlich dauernden Wertminderung ist dem Handelsrecht entlehnt (§ 253 Abs. 2 Satz 3, § 279 Abs. 1 Satz 2 HGB). Von ihr ist auszugehen, wenn der Wert des Wirtschaftsguts den planmäßigen Rest des Buchwerts während eines erheblichen Teils der Nutzungsdauer im Unternehmen nicht erreichen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist typisierend von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen, wenn der Wert des jeweiligen Wirtschaftsguts zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegt (vgl. BFH v. 14.03.2006, I R 22/05, BStBl. II 2006, 680). Der Bundesfinanzhof hat in dem vorgenannten Urteil seine Auffassung, auch in Abgrenzung zu im Schrifttum vertretenen Ansichten und unter Einbeziehung des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, ausführlich begründet. Der erkennende Senat schließt sich dieser Argumentation an und hält es im Massenverfahren der Besteuerung für gerechtfertigt, bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern eine typisierende Betrachtung zugrunde zu legen, anstatt eine an der Eigenart des Wirtschaftsguts ausgerichtete Prognose in jedem einzelnen Falle vorzunehmen.

Im Streitfall liegt der Teilwert des Objekts in der I-Str. 4 in V-Stadt für einen kürzeren Zeitraum als die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert. Die verbleibende Restnutzungsdauer belief sich bei einer regulären Abschreibung in Höhe von 4 % im Jahr 2005 auf 20 Jahre. Auch bei Zugrundelegung des durch den Kläger ermittelten Verkehrswerts, der etwas niedriger ist als der vom Bausachverständigen des Beklagten angegebene Wert würde der Teilwert, wie zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitig ist, über einen Zeitraum von weniger als 10 Jahren unter dem planmäßigen fortgeführten Buchwert liegen.

Es kann im Streitfall dahinstehen, ob das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14.03.2006, I R 22/05, BStBl. II 2006, 680, so zu verstehen ist, dass in Ausnahmefällen anstatt der hälftigen typisierten Restnutzungsdauer eine - kürzere - voraussichtliche tatsächliche Verweildauer des betreffenden Objekts im Betrieb für den vorzunehmenden Vergleich zwischen dem Teilwert und dem fortgeschriebenen Buchwert maßgeblich sein kann. Der Streitfall zeichnet sich nicht durch besondere Umstände aus, die das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalles begründen würden.

Schon nach dem Vortrag der Kläger ist nicht erkennbar, dass eine kürzere tatsächliche Verweildauer des streitgegenständlichen Objekts im Betrieb als die typisierte Restnutzungsdauer von zwanzig Jahren konkret absehbar war. Aus dem Umstand, dass sich das streitgegenständliche Objekt, wie die Kläger behaupten, teilweise als überdimensioniert und insofern als Fehlmaßnahme erwiesen haben mag, lässt sich kein Schluss auf seine voraussichtliche tatsächliche Verweildauer im Betrieb ziehen. Auch eine vergleichende Betrachtung mit dem von den Klägern benannten Büro- und Schulungsgebäude, das in räumlicher Nähe zum streitgegenständlichen Objekt zum Verkauf stehen soll, würde für die Frage der tatsächlichen Verweildauer des streitgegenständlichen Objekts im Betrieb des Klägers nichts hergeben. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Objekte überhaupt vergleichbar sind.

Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, wie ihn das Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 27.06.2008, 9 K 3138/06 K, G, EFG 2008, 1631, angenommen hat. In dem dortigen Verfahren hat der 9. Senat des Finanzgerichts Münster die Auffassung vertreten, es könne auf die voraussichtliche Nutzungsdauer im Unternehmen anstatt auf die typisierte Restnutzungsdauer nach den AfA-Reihen (nur) dann ankommen, wenn zum Bilanzstichtag eine hinreichend konkrete Veräußerungsabsicht bestehe. Für das Vorliegen einer solchen Veräußerungsabsicht genüge weder eine allgemeine Absicht, das Wirtschaftsgut bei sich bietender günstiger Gelegenheit zu veräußern noch reiche es aus, wenn die Veräußerung lediglich eine Option unter mehreren darstelle. Vielmehr müsse die Planung des Steuerpflichtigen - anhand objektiver Umstände erkennbar - primär auf eine Veräußerung des Wirtschaftsguts gerichtet sein. Dass der Steuerpflichtige hilfsweise - für den Fall, dass eine Veräußerung nicht durchführbar sein sollte - noch eine Alternativplanung verfolge, sei nicht schädlich. Die Veräußerungsabsicht müsse auch nicht den Grad der "unbedingten Veräußerungsabsicht" im Sinne der Rechtsprechung zum gewerblichen Grundstückshandel erreichen. Im Streitfall sind diese Anforderungen an den Grad und die Konkretheit der Veräußerungsabsicht nicht erfüllt. Die Veräußerung des Objekts in der I-Str. 4 in V-Stadt stellte am maßgeblichen Bilanzstichtag 31.12.2005 lediglich eine gedankliche Möglichkeit dar, welche sich in keiner Weise näher konkretisiert hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

Zurück