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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 17.08.2009
Aktenzeichen: 2 K 3724/08 Kg,AO
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4
EStG § 52 Abs. 40
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Festsetzung von Kindergeld ab Januar 2007 aufgehoben und das überzahlte Kindergeld für den Zeitraum von Januar 2007 bis Juli 2007 zurückgefordert hat.

Der Kläger erhielt zunächst laufend Kindergeld für seinen im April 1981 geborenen Sohn, den Zeugen N. C. (nachfolgend auch "Kind"). Im Jahr 2007 schloss das Kind den Studiengang Statistik an der Universität E. ab. Seine Diplomarbeit zum Thema "XXX", die von der Zeugin Prof. Dr. F. betreut wurde, reichte er im Juni 2007 ein. Die Universität E. stellte dem Sohn des Klägers am 09.08.2007 eine Bescheinigung über bestandene Diplomprüfungen in Statistik mit dem Bemerken aus, als Datum des Abschlusses gelte der 26.06.2007. Bis Ende Juni 2007 arbeitete der Sohn des Klägers als studentische Hilfskraft an der Universität E. für die Zeugin Prof. Dr. F. Hierfür erhielt er einen Bruttoarbeitslohn von insgesamt 2.301,54 €. Ab dem 01.09.2007 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Zeugin Frau Prof. Dr. F. mit einer monatlichen Vergütung von 2.817 € bei der Universität E. angestellt. Der zunächst bis zum 31.12.2007 befristete Vertrag wurde anschließend verlängert. Im Dezember 2007 beantragte der Sohn des Klägers beim Promotionsausschuss der Fakultät Statistik seine Zulassung als Doktorand. Als Arbeitstitel der Dissertationsschrift, die von der Zeugin Prof. Dr. F. betreut werden sollte, gab er dabei an:"YYY".

Die Beklagte hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 21.09.2007 ab Januar 2007 auf und forderte den Kläger auf, den für den Zeitraum von Januar 2007 bis Juli 2007 gezahlten Betrag in Höhe von 1.078 € zu erstatten. Zur Begründung führte sie aus, das Einkommen des Kindes überschreite im Kalenderjahr 2007 voraussichtlich den maßgeblichen Grenzbetrag.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27.08.2008, einem Mittwoch, zurück. Sie erläuterte, die Einkünfte und Bezüge des Kindes überschritten den Grenzbetrag von 7.680 €. Das Kind habe für die Dauer von vier Monaten ein monatliches Entgelt in Höhe von 2.817 € vereinnahmt. Abzüglich einer Pauschale von 20 % für Sozialversicherungsbeiträge und des Arbeitnehmerpauschbetrags von 920 € hätten sich die Einkünfte und Bezüge auf 8.094,40 € belaufen. Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger mit einfacher Post bekannt gegeben.

Der Kläger hat am 01.10.2008 Klage erhoben.

Im Klageverfahren bringt der Kläger vor, die Ausbildung seines Sohnes habe im Juni 2007 geendet; nur bis zu diesem Zeitpunkt lägen die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG für die Gewährung von Kindergeld vor. Die zu berücksichtigenden Einkünfte und Bezüge des Kindes würden den anteiligen Grenzbetrag für die ersten sechs Monate des Jahres 2007, der sich auf 3.840 € belaufe, nicht überschreiten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 21.09.2007, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.08.2008, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, es habe im gesamten Jahr 2007 ein kindergeldrechtlicher Berücksichtigungstatbestand vorgelegen. In die Prüfung, ob der maßgebliche Grenzbetrag überschritten sei, seien alle Einkünfte und Bezüge, die das Kind im Jahr 2007 erzielt habe, einzubeziehen.

Der Senat hat am 02.07.2009 einen Beweisbeschluss über die schriftliche Einvernahme der Zeugin Prof. Dr. F. gefasst. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Schreiben der Zeugin Prof. Dr. F. vom 13.07.2009 nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat am 17.08.2009 mündlich verhandelt und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen N. C. Wegen der Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogenen Kindergeldakten der Beklagten und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klagefrist gewahrt. Die Einspruchsentscheidung datiert vom 27.08.2009, einem Mittwoch. Sie wurde dem Kläger mit einfachem Brief übersandt und gilt als ihm am Montag, 01.09.2008, bekannt gegeben. Denn die in § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geregelte Dreitagesfrist nach Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post verlängert sich, wenn das Fristende wie im Streitfall auf einen Samstag fällt, bis zum nächstfolgenden Werktag mit der Folge, dass die Einspruchsentscheidung erst an diesem Werktag als bekannt gegeben gilt (vgl. BFH v. 14.10.2003, IX R 68/98, BStBl. II 2003, 898). Der Kläger hat innerhalb der Monatsfrist des § 47 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), am 01.10.2008, Klage erhoben.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 21.09.2007, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.08.2008, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Zu Recht hat die Beklagte die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2007 aufgehoben und das für die Monate von Januar 2007 bis Juli 2007 überzahlte Kindergeld zurückgefordert.

Nach § 70 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) ist eine Kindergeldfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 EStG über- oder unterschreiten. Vorliegend überschritten die Einkünfte und Bezüge des Sohnes N. den gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680 Euro im Kalenderjahr. Da die Voraussetzungen für eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung des Sohnes N. für das gesamte Jahr 2007 erfüllt sind, kommt es nicht zu einer Reduktion des Grenzbetrags; ebensowenig können die Einkünfte und Bezüge, die das Kind ab September 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter erzielte, außer Ansatz bleiben.

Nach § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG ermäßigt sich der Grenzbetrag von 7.680 € um ein Zwölftel für jeden Monat, in dem die in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG genannten Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines volljährigen Kindes an keinem Tag vorliegen. Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, bleiben nach § 32 Abs. 4 Satz 8 EStG außer Ansatz.

Im Streitfall war der Sohn des Klägers im gesamten Jahr 2007 nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG als Kind im kindergeldrechtlichen Sinne zu berücksichtigen. Da der im Jahr 1981 geborene Zeuge N. C. im Veranlagungszeitraum 2006 das 25. Lebensjahr vollendete, kommt nach § 52 Abs. 40 Satz 4, 2. Halbsatz EStG im Streitfall § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung zu Anwendung. Ausweislich dieser Norm wird ein Kind über das 18. Lebensjahr hinaus kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird und das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Der Sohn des Klägers war im Streitjahr 2007 noch keine 27 Jahre alt und befand sich während des ganzen Jahres in der Berufsausbildung. In der Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet (vgl. BFH v. 19.09.2008, III B 102/07, BFH/NV 2009, 16), beispielsweise indem er ein Hochschulstudium absolviert.

Da der Zeuge N. C. in den Monaten von Januar 2007 bis einschließlich Juni 2007 das Studium der Statistik absolvierte, befand er sich in dieser Zeit auch kindergeldrechtlich in Ausbildung. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Auch die Monate Juli 2007 und August 2007 gehörten im kindergeldrechtlichen Sinne noch zu der durch das Studium begründeten Ausbildungszeit. Maßgeblich für das kindergeldrechtliche Ende der Berufsausbildung ist die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses (vgl. BFH v. 24.05.2000, VI R 143/99, BStBl. II 2000, 473). Diese Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse erfolgte mit der Bescheinigung der Universität E. vom 09.08.2007. Dass es in diesem Schreiben heißt, als Datum des Abschlusses gelte der 26.06.2007, ist für kindergeldrechtliche Zwecke unbeachtlich. Der Sohn des Klägers hat am 26.06.2007 seine Diplomarbeit eingereicht, deren Note in den Studienabschluss Statistik mit einfloss. Dessen Gesamtergebnis wurde ihm erst nach Abschluss der Beurteilung seiner Diplomarbeit im August 2007 offiziell mitgeteilt.

Die Ausbildung des Zeugen N. C. setzte sich ab September 2007 in Gestalt der Promotionsvorbereitung fort.

Nach ständiger Rechtsprechung rechnet auch die Vorbereitung auf eine Promotion zur Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, wenn sich das Kind im Anschluss an das Studium ernsthaft und nachhaltig auf die Promotion vorbereitet. Das kann auch im Rahmen eines Dienstverhältnisses geschehen, denn der Tatbestand der Berufsausbildung setzt nicht voraus, dass die Vorbereitung auf den künftigen Beruf die Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht. Maßgeblich ist allein, dass das Kind ungeachtet sonstiger im Rahmen dieses Dienstverhältnisses zu erledigender Aufgaben in der Lage ist, sich ernsthaft und nachhaltig auf die Promotion vorzubereiten und dem auch nachkommt. Ob eine Berufsausbildung in diesem Sinne vorliegt, ist unabhängig von der Höhe der im Dienstverhältnis erzielten Einkünfte und Bezüge des Kindes zu beurteilen (vgl. BFH v. 16.03.2004, VIII R 65/03, BFH/NV 2004, 1522; v. 26.11.2003, VIII R 30/03, BFH/NV 2004, 1223 m.w.N.).

Der Sohn des Klägers hat seine Promotionsvorbereitungen in dem hier zu betrachtenden Zeitraum von September 2007 bis Dezember 2007 ernsthaft und nachhaltig betrieben. Er, der Zeuge N. C., war ab dem 01.09.2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Universität E. angestellt. Dieses Arbeitsverhältnis war von Anfang an darauf ausgerichtet, dass er im Rahmen dieser Tätigkeit seine Doktorarbeit verfassen sollte. Wie der Zeuge N. C. in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet hat, hatte ihn die Zeugin Prof. Dr. F. in dem Zeitraum, als ihr seine Diplomarbeit zur Benotung vorlag, gefragt, ob er bei ihr arbeiten und promovieren wolle. Erst nach seiner Zusage erhielt er die Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Dass die Promotionsvorbereitung integraler Bestandteil der vom Zeugen N. C. erwarteten Arbeitsleistung war, geht auch aus dem vom 19.07.2007 datierenden Antrag auf Einstellung eines wissenschaftlichen Angestellten hervor, den die Zeugin Prof. Dr. F. im Rahmen ihrer schriftlichen Zeugeneinvernahme vorgelegt hat. Danach entfallen 40 % der zu leistenden Arbeit auf Forschungsaufgaben, weitere 40 % auf Lehraufgaben und 20 % auf sonstige Dienstleistungen. Der Begriff Forschungsaufgaben und die entsprechende Prozentzahl sind auf dem dem Gericht übersandten Antrag mit Leuchtstift markiert und tragen den handschriftlichen Zusatz "Vorarbeiten zur Promotion". Der Zeuge N. C. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die prozentuale Aufteilung der Arbeitsaufgaben nach Forschung, Lehre und sonstigen Dienstleistungen in etwa zutreffe und auch durch die Vertragsverlängerung über den Monat Dezember 2007 hinaus nicht verändert worden sei. Zwar ist der Zeuge N. C. nach eigenem Bekunden in seinen ersten Monaten als wissenschaftlicher Mitarbeiter zunächst schwerpunktmäßig im Bereich der Lehre tätig geworden und hat, wie er dargelegt hat, in dieser Zeit noch keine Forschungsaktivitäten unternommen. Dennoch hat er sich auch schon im Zeitraum von September bis Dezember 2007 ernsthaft und nachhaltig auf seine Promotion vorbereitet. Sein Promotionsvorhaben hat er in dieser Zeit aktiv vorangebracht. Insbesondere hat er mit der Zeugin Prof. Dr. F. zu Beginn seiner Tätigkeit über die Doktorarbeit gesprochen und mit ihr die zeitliche Abfolge seiner Schritte auf dem Weg zur Promotion abgestimmt. Er hat einen Arbeitstitel für seine Dissertation entwickelt und damit im Dezember 2007 seine Zulassung zur Promotion beantragt. Im Übrigen können die Aktivitäten des Zeugen C. als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl der Zeugin Prof. F. nicht isoliert nach einzelnen Zeitabschnitten betrachtet werden. Dass die konkreten Schwerpunkte der Tätigkeit nicht in jedem Monat dieselben, sondern phasenweise unterschiedlich sind, ist der Arbeit im akademischen Betrieb immanent. Entscheidend ist, dass die Stelle von Anfang an so konzipiert gewesen ist, dass der Zeuge C. auf absehbare Zeit genügend Raum für die Anfertigung seiner Dissertation hatte. Dass das tatsächlich der Fall war, zeigt sich insbesondere darin, dass der Zeuge C., wie er angibt, inzwischen ein Konzept für seine Doktorarbeit entwickelt hat.

Der Sohn des Klägers erzielte ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Lohnsteuerbescheinigungen im gesamten Jahr 2007 einen Bruttoarbeitslohn von insgesamt 15.181 €. Unter Berücksichtigung der vom Kläger angegebenen Werbungskosten in Höhe von 1.410 € und den in Abzug zu bringenden Sozialversicherungsbeiträgen von insgesamt 2.704,77 € übersteigen die maßgeblichen Einkünfte und Bezüge des Kindes mit 11.066,23 € den Grenzbetrag von 7.680 €.

Die Beklagte war nach § 37 Abs. 2 AO verpflichtet, das überzahlte Kindergeld für die Monate von Januar 2007 bis Juli 2007 in Höhe von 1.078 € vom Kläger zurückzufordern. Der rechtliche Grund für die Zahlung von Kindergeld für diesen Zeitraum war durch die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung entfallen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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