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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: 3 K 1861/06 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG, AO


Vorschriften:

ErbStG § 13a Abs. 5
AO § 227
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob Erbschaftsteuer, die auf Grund eines Verstoßes gegen Behaltensregeln des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) nachgefordert wird, wegen Unbilligkeit zu erlassen ist.

Die Klägerin ist die Alleinerbin ihrer am 12.03.2001 verstorbenen Großmutter F 1. Zum Nachlass der Erblasserin gehörte u. a. ein Anteil an der F 2 GmbH & Co. KG, den der Beklagte nach den Angaben der Klägerin in der Erbschaftsteuer-Erklärung mit 334.930 DM bewertete. Außerdem gehörten zum Nachlass noch andere KG-Anteile an einer anderen Gesellschaft, die mit 1.499.884 DM angesetzt wurden. Außerdem gehörten Wertpapiere in Höhe von 182.836 DM sowie Guthaben bei Kreditinstituten in Höhe von 194.118 DM zum Nachlass.

Die Erbschaftsteuer setzte der Beklagte zunächst unter Berücksichtigung der Steuervergünstigung gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG für das im Nachlass enthaltene Betriebsvermögen von einem Erwerb (einschließlich Vorerwerb von 73.920 DM) von insgesamt 2.265.688 DM unter Berücksichtigung des Freibetrags nach § 16 ErbStG in Höhe von 400.000 DM und des Freibetrags nach § 13a ErbStG in Höhe von 1.033.926 DM von einem steuerpflichtigen Erwerb von 831.700 DM auf 124.755 DM (63.786,22 Euro) fest. Wegen der Einzelheiten wird auf den Erbschaftsteuerbescheid vom 18.02.2002 mit Anlagen Bezug genommen.

Im Juni 2003 eröffnete das Amtsgericht B über das Vermögen der F 2 GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren.

Der Beklagte sah in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Verstoß gegen die Behaltensregelung des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG und vertrat danach die Auffassung, dass eine Steuerentlastung nach § 13a ErbStG nicht zu gewähren sei. Der Beklagte änderte den Bescheid vom 18.02.2002 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) und setzte die Erbschaftsteuer nunmehr auf 144.765 DM (74.017 Euro) fest. Auf die Klägerin entfiel damit eine Nachforderung von 10.230,78 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 02.01.2006 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 11.01.2006 den Erlass der aus dem Wegfall der Steuervergünstigung des § 13a ErbStG resultierenden Erbschaftsteuer-Nachforderung in Höhe von 10.230,78 Euro. Im Streitfall liege eine sachliche Unbilligkeit vor, denn die rechtliche Aussage des Gesetzes gehe im Streitfall über den mit dem Gesetz verfolgten Zweck hinaus.

Anders als bei einer normalen Veräußerung, die zu einer "Versilberung" des Betriebsvermögens mit einer dadurch erlangten Liquidität führe, sei dies im Fall einer erzwungenen Betriebsaufgabe durch ein Insolvenzverfahren nicht der Fall. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin erhöhe sich gerade nicht, so dass auch nicht zu rechtfertigen sei, ihr weitere Steuerlasten aufzubürden. Bei einer Insolvenz erhalte der Erbe trotz des unfreiwilligen, erzwungenen Verlustes des Unternehmens keinen werthaltigen Gegenwert für das Betriebsvermögen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin im Streitfall zur Fortführung des Unternehmens durch Übernahme persönlicher Bürgschaften zusätzliche eigene finanzielle Mittel beigesteuert habe. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens sei sie aus diesen Bürgschaften in Höhe von 243.638 Euro in Anspruch genommen worden, was ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weiter gemindert habe.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Erlass mit Bescheid vom 28.02.2006 ab. Eine sachliche Unbilligkeit liege im Streitfall nicht vor. Der Nachversteuerungstatbestand erfasse neben den "freiwilligen" Betriebsaufgaben auch alle "erzwungenen" Betriebsaufgaben (vgl. BFH, Urteil vom 16.02.2005 II R 39/03, BStBl. II 2005, 571). Der erklärte Wille des Gesetzgebers dürfe nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme durchkreuzt und eine von ihm vorgeschriebene Besteuerung ganz allgemein im Billigkeitswege außer Kraft gesetzt werden.

Die Klägerin legte Einspruch ein. Zweck der Regelung des § 13a Abs. 5 ErbStG sei es, Missbrauchsfälle zu vermeiden. Schon dadurch, dass die Klägerin zur Fortführung des Unternehmens durch Übernahme persönlicher Bürgschaften in Höhe von rund 245.000 Euro erhebliche eigene finanzielle Vermögenswerte beigesteuert habe, zeige sich, dass eine missbräuchliche Gestaltung zur Nutzung der steuerlichen Privilegierung nicht vorliege. Darüber hinaus sei die Insolvenz des Betriebs nicht durch eigenes Verhalten der Klägerin verursacht worden, sondern sei eine Folge des harten Wettbewerbs im Speditionsgewerbe. Der Sinn und Zweck des § 13a Abs. 5 ErbStG laufe im Streitfall ins Leere.

Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der Wegfall der Steuerbefreiung im Sinne des § 13a ErbStG trete unabhängig davon ein, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen veräußert oder der Betrieb aufgegeben worden sei (vgl. BFH, Urteil vom 16.02.2005 a. a. O.). Auch wenn die Betriebsaufgabe wie im Streitfall durch Insolvenz erzwungen worden sei, führe dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Gesetzgeber habe die Gewährung der Steuervergünstigungen u. a. mit der Erleichterung der Betriebsfortführung und der Erhaltung von Arbeitsplätzen begründet. Dieses Förderungsziel werde objektiv verfehlt, wenn der Betrieb innerhalb der Behaltensfrist veräußert oder aufgegeben werde. Auf die individuellen Motive für die Betriebsaufgabe komme es nicht an. Dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die Betriebsaufgabe nicht erhöht worden sei, und zusätzlich eigene Mittel in Form von Bürgschaften geleistet worden seien, sei insoweit unerheblich. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 10.04.2006 Bezug genommen.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

der Ablehnungsbescheid vom 28.02.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 10.04.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den mit Erbschaftsteuerbescheid vom 02.01.2006 über die ursprüngliche Festsetzung hinaus gehenden Mehrbetrag in Höhe von 10.230,78 Euro Erbschafteuer zu erlassen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung.

Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage am 03.06.2008 erörtert; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift hingewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Beklagte ist nicht verpflichtet, entsprechend dem Antrag der Klägerin die Erbschaftsteuer gemäß dem Bescheid vom 02.01.2006 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10.04.2006 zu erlassen.

Der Erlass einer Steuerforderung gemäß § 227 AO ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die im gerichtlichen Verfahren gemäß § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) lediglich dahingehend überprüft werden kann, ob die Finanzbehörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebraucht gemacht hat. Die von der Klägerin begehrte Entscheidung, den Erlass der Erbschaftsteuer-Nachforderung auszusprechen, kann das Gericht selbst nur dann treffen, wenn der Ermessensspielraum des Beklagten dahingehend eingeschränkt war, dass sich die Entscheidung, den Erlass auszusprechen, als einzig richtige Ermessensentscheidung darstellt.

Vorliegend hat aber der Beklagte sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt, insbesondere war er nicht aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null dazu verpflichtet, den von der Klägerin beantragten Erlass auszusprechen.

Gemäß § 227 AO kann die Finanzbehörde Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Bereits entrichtete Beträge können unter diesen Voraussetzungen auch wieder erstattet werden. In Betracht kommt der Erlass sowohl aus sachlichen als auch aus persönlichen Billigkeitsgründen.

Sachliche Billigkeitsgründe sind dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme - hier des Erlasses - entschieden hätte (vgl. Tipke/Kruse, AO, FGO, Kommentar, § 227 AO Tz. 40 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Die Einziehung des Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnis ist dann aus sachlichen Gründen unbillig, wenn die Einziehung dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 227 AO Tz. 42 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Dabei dient § 227 AO nicht dazu, die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung generell zu durchbrechen oder zu korrigieren.

Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies, dass der Verlust des Betriebsvermögens bzw. der Beteiligung an der KG durch Insolvenz innerhalb der Behaltensfrist des § 13a Abs. 5 ErbStG (ErbStG) nicht zu einer Unbilligkeit der Erhebung der Nachsteuer aus sachlichen Gründen führt.

Mit Urteilen vom 16.02.2005 (II R 39/03, BFH/NV 2005, 1449) und vom 21.03.2007 (II R 19/06, BFH/NV 2007, 1321) hat der Bundesfinanzhof sowohl zu der Regelung des § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a. F. als auch zu § 13a Abs. 5 ErbStG entschieden, dass der darin geregelte Wegfall der Steuerbefreiung unabhängig davon eintritt, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen veräußert oder der Betrieb aufgegeben wurde. Eine teleologische Reduktion des Nachversteuerungstatbestandes komme insoweit nicht in Betracht. Die mit dem Innehaben von Betriebsvermögen verbundenen Risiken und Belastungen schlügen sich im Verkehrswert nieder. Durch die - auch hier im Streitfall anzuwendende - Bewertungsmethode sei regelmäßig bei der Erbschaftsbesteuerung der Verkehrswert des Betriebsvermögens nicht berücksichtigt. Deshalb bestehe kein Anlass, wegen der bereits im niedrigeren Wertansatz berücksichtigten Risiken und Belastungen trotz Aufgabe des Gewerbebetriebs zusätzlich die Vergünstigungen des § 13a Abs. 5 ErbStG weiter zu gewähren. Ist danach die Nachversteuerung auch im Falle der Insolvenz vom Gesetzeszweck bzw. dem Willen des Gesetzgebers gedeckt, so steht dies dem im Streitfall auf den Verlust der Beteiligung an der GmbH & Co. KG durch Insolvenz gestützten Erlassbegehren entgegen.

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich der Senat auch für den vorliegenden Fall anschließt, ist es nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats auch nicht ermessensfehlerhaft, dass die Finanzbehörde die von dem Steuerpflichtigen behauptete Schuldlosigkeit an der Insolvenz sowie den erheblichen Einsatz von weiterem Vermögen zur Abwendung dieser Insolvenz nicht als ausreichende Gründe ansieht, um einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen auszusprechen (vgl. FG Münster, Urteil vom 28.02.2008, 3 K 3877/07 Erb, EFG 2008, 1049, Revision anhängig unter dem Aktenzeichen II R 25/08, sowie Parallelentscheidung vom 28.02.2008, 3 K 3016/07 Erb, nicht veröffentlicht, Revision anhängig unter dem Aktenzeichen II R 27/08).

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (a. a. O.) kommt eine teleologische Reduktion des § 13a Abs. 5 ErbStG nicht deswegen in Frage, weil die Betriebsaufgabe erzwungen bzw. unverschuldet war. Er hat dies vor allen Dingen damit begründet, dass unternehmerische Entscheidungen im Rahmen des Erbschaftsteuer-Veranlagungsverfahrens nicht überprüft werden könnten und sollten. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind diese Grundsätze auch im Rahmen der Entscheidung über den Erlass zu berücksichtigen. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen in Betracht kommt, kann die Rechtsvorschrift, auf der die Steuerforderung basiert, nicht anders ausgelegt werden als im Festsetzungsverfahren selbst. Der Erlass dient nicht dazu, die vom Gesetzgeber mit der Vorschrift verfolgten Zielsetzungen auszuhöhlen. Erst wenn sich feststellen lässt, dass die wortgetreue Anwendung der Vorschrift über den gesetzgeberischen Willen hinausgeht, kann eine Korrektur im Erlasswege geboten sein. Vorliegend decken sich jedoch die von der Klägerin gerügten Folgen der Nachversteuerung gem. § 13a Abs. 5 ErbStG mit dem gesetzgeberischen Willen. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt deshalb nicht in Betracht.

Das gilt auch für die Frage, ob nicht die Tatsache, dass die Klägerin erhebliche Mittel in die Erhaltung des Betriebes investiert hat, einen Erlass rechtfertigt. Es handelt sich zum einen um unternehmerische Entscheidungen, die im Rahmen der Nachversteuerung des § 13a Abs. 5 ErbStG nicht überprüft werden sollen. Würde man diese Überprüfung in das Erlassverfahren verlagern, käme es zu einer von § 227 AO nicht gedeckten, generellen Durchbrechung bzw. Korrektur der § 13a Abs. 5 ErbStG zugrunde liegenden Wertungen. Außerdem handelt es sich insoweit um typischerweise risikobehaftete unternehmerische Entscheidungen, deren Folgen nicht der Allgemeinheit angelastet werden könnten. Auf die Ausführungen des Finanzgerichts Nürnberg im rechtskräftigen Urteil vom 30.03.2006 (IV 205/2005, DStRE 2006, 1283) wird Bezug genommen.

Ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen kommt nach Aktenlage nicht in Betracht, die Klägerin hat darüber hinaus selbst erklärt, dass persönliche Billigkeitsgründe nicht geltend gemacht würden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

Die Revisionszulassung erfolgt zur Fortbildung des Rechts, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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