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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: 3 K 3664/05 G
Rechtsgebiete: HGB, EStG


Vorschriften:

HGB § 89b
EStG § 16
EStG § 24
EStG § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

3 K 3664/05 G

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Parteien streiten, ob eine gem. § 89 b HGB an die Klägerin (Klin.) erfolgte Ausgleichszahlung der Gewerbesteuer unterliegt.

Die Klin. betrieb eine Versicherungsagentur. Seit 1999 hatte sie eine Generalvertretung der L-Versicherungsgesellschaft inne. Nach Gesprächen mit der L erklärte die Klin. am 15.02.2003 ihre Bereitschaft, ihre Versicherungsagentur zum 30.04.2003 aufzugeben. Zu den Einzelheiten wird auf das Schreiben der Klin. vom 15.02.2003 (Bl. 19 der GA) Bezug genommen. Nachdem sie anlässlich der Übernahme der Generalvertretung auf den Beitritt zum Vertreter - Versorgungswerk verzichtet hatte (vgl. Schreiben der Klin. vom 19.12.1999, Bl. 77 der GA), machte sie ihren Anspruch auf Ausgleich gem. § 89 b HGB geltend. Mit Schreiben vom 16.05.2003 berechnete die L diesen Anspruch auf 166.375,41 Euro, was die Klin. am 24.05.2003 akzeptierte (vgl. Kopie des Berechnungsschreibens mit Unterschrift der Klin., Bl. 21 23 der GA).

Im Rahmen der - bestandskräftigen - Einkommensteuer (ESt-) Festsetzung für das Jahr 2003 behandelte der Beklagte (Bekl.) die Ausgleichszahlung als gem. § 16 EStG begünstigten Veräußerungsgewinn und unterwarf den noch verbleibenden Betrag der ermäßigten Besteuerung gem. §§ 24 und 34 EStG.

Mit durch die Gemeinde am 14.01.2005 versandtem Gewerbesteuermessbescheid setzte der Bekl. den Gewerbesteuermessbetrag 2003 auf 6.125 Euro fest. Dabei sah er die Ausgleichszahlung als laufenden und damit der Gewerbesteuer unterliegenden Gewinn an. Zu den Einzelheiten wird auf den Steuermessbescheid (Bl. 14 der Gewerbesteuerakte) Bezug genommen.

Die Klin. erhob dagegen am 03.02.2005 Einspruch. Sie vertrat die Auffassung, die Ausgleichszahlung gehöre zum Veräußerungsgewinn. Unter Berufung auf das Urteil des BFH vom 17.12.1975 (I R 29/74, BStBl II 1976, 224) wies sie darauf hin, die Ausgleichszahlung sei im Rahmen der Betriebsaufgabe gezahlt worden und aufgrund der einkommensteuerlichen Behandlung als begünstigter Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG nicht als Gewerbeertrag anzusehen.

Den Einspruch wies der Bekl. durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 03.08.2005 als unbegründet zurück. Unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des BFH, insbesondere dessen Urteil vom 24.11.1982 (1 R 60/79, BStBl II 1983, 243), vertrat er die Auffassung, die Ausgleichszahlung gem. § 89 b HGB gehöre zum laufenden Gewinn, da die Zahlung nicht für die Aufgabe des Gewerbebetriebes, sondern für die Auflösung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Handelsvertreter und der Versicherungsgesellschaft geleistet werde. Die aus jetziger Sicht nicht korrekte ertragsteuerliche Behandlung sei für die Gewerbesteuer nicht bindend. Vielmehr sei der Gewebeertrag nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften verfahrensrechtlich selbständig zu ermitteln.

Mit ihrer Klage vom 05.09.2005 verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter. Sie weist darauf hin, dass sie ihre Versicherungsagentur aus Altersgründen auf Betreiben der L-AG aufgegeben habe. Die Ausgleichszahlung diene ihrer Altersversorgung. So sei sie dem Vertreter - Versorgungswerk nicht beigetreten, um nicht eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs im Hinblick auf die aus dem Vertreter - Versorgungswerk geleistete Altersversorgung hinnehmen zu müssen. Darüber hinaus könne die Ausgleichszahlung auch deshalb nicht als im laufenden Gewerbebetrieb entstanden angesehen werden, da ihre Berechnung, Annahme und Auszahlung erst nach der Betriebseinstellung am 30.04.2003 erfolgt sei. In der Sache sei die Ausgleichszahlung nach § 89 b HGB nichts anderes als eine Entschädigung für einen von ihr im Rahmen ihrer Vertretertätigkeit erwirtschafteten Firmenwert, den sie am Markt nicht habe veräußern können, da sich die L-AG den Erwerb vorbehalten habe. Sie könne deshalb nicht anders als andere Unternehmen behandelt werden, bei denen die Realisierung des Firmenwertes im Rahmen der Betriebsaufgabe steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn sei.

Die Klin. beantragt,

den Gewerbesteuermessbetrag 2003 auf 0,00 Euro herabzusetzen,

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,

die Zulassung der Revision.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,

die Zulassung der Revision.

Ausgleichszahlungen gem. § 89 b HGB seien auch dann Erträge des werbenden Gewerbebetriebs, wenn die Aufgabe des Betriebes mit der Beendigung des zwischen Handelsvertreter und Versicherung bestehenden Vertragsverhältnisses zusammenfalle. Einkommensteuerlich handele es sich nicht um begünstigten Veräußerungsgewinn gem. § 16 EStG, sondern vielmehr um Entschädigungen, die gem. § 24 Nr. 1 c EStG zu den Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG gehörten. Im Übrigen verweist der Bekl. auf seine EE.

Die Berichterstatterin hat den Fall am 22.06.2007 mit den Parteien erörtert. Zu den Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll (Bl. 70/71 der GA) Bezug genommen.

Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bekl. hat zu Recht die Ausgleichszahlung gem. § 89 b HGB dem Gewerbeertrag zugerechnet und damit der Gewerbesteuer unterworfen.

Der Gewerbesteuer unterliegt gem. § 7 Gewerbesteuergesetz der Gewerbeertrag. Das ist der nach den Vorschriften des EStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb. Es bedarf dabei der verfahrensrechtlich selbständigen Gewinnermittlung für die Gewerbesteuer, bei der die Vorschriften des EStG heranzuziehen sind, soweit sie nicht ausdrücklich auf die ESt beschränkt sind oder ihre Nichtanwendung sich unmittelbar aus dem Gewerbesteuergesetz oder dem Wesen der Gewerbesteuer ergibt. Als eine auf den tätigen Gewerbebetrieb bezogene Sachsteuer erfasst die Gewerbesteuer bei natürlichen Personen nur die durch den laufenden Betrieb anfallenden Gewinne, nicht jedoch die nach ESt-Recht mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuernden Veräußerungs- und Aufgabegewinne (vgl. BFH-Urteil vom 26.06.2007 IV R 49/04, BFH/NV 2007, 2004 unter II 2. a) m. w. N. zur Rechtsprechung).

Entgegen der Auffassung der Klin. gehört die Ausgleichszahlung i. S. d. § 89 b HG nicht zu den der Gewerbesteuer nicht unterliegenden Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinnen.

Gem. § 89 b HGB kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer nach Beendigung des Verhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat, oder wenn der Handelsvertreter in Folge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zu Stande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte. Zudem muss die Zahlung des Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entsprechen. § 89 b HGB regelt das Entgelt für den Handelsvertreter, der dem Unternehmer bei Beendigung des Handelsvertretervertrages mit dem Überlassen der von ihm geschaffenen Kundenbeziehungen eine Gewinnchance verschafft, welche er ohne die Tätigkeit des Handelsvertreters nicht gehabt hätte. Seiner Rechtsnatur nach ist der Ausgleichsanspruch ein durch das Gesetz besonders ausgestalteter und modifizierter vertraglicher Vergütungsanspruch für eine vom Handelsvertreter bereits erbrachte Leistung. Der Anspruch soll Ausgleich sein für die Nachteile des Handelsvertreters, der in Folge der Vertragsbeendigung die geschaffenen Kundenkontakte nicht mehr wie bisher nutzen kann, und an die Stelle der im Einzelfall in Folge der Vertragsbeendigung entfallenen Provisionen nach § 87 Abs. 1 und Abs. 3 HGB treten (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost HGB, Handelsgesetzbuch Kommentar Bd. 1 § 1 - 342 a, Rdz 2 und 3 zu § 89 b HGB m. w. N.).

Festzuhalten ist danach, dass der Ausgleichsanspruch deshalb gewährt wird, weil der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer beendet, dessen Produkte er vertritt oder vertreibt. Diese Vertragsbeendigung kann, muss aber nicht, mit der Beendigung des vom Handelsvertreter betriebenen Gewerbes zusammenfallen. Denn es können weitere, mit anderen Unternehmern geschlossene Vertreterverträge bestehen oder auch ein neuer Vertretervertrag mit einem neuen Unternehmer abgeschlossen werden. Der mit dem Unternehmer bestehende Handelsvertretervertrag und das vom Handelsvertreter betriebene Gewerbe sind getrennt von einander zu betrachten und können sich unterschiedlich entwickeln.

Der BFH hat unter Hinweis auf die zivilrechtliche Rechtsprechung in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters der Gewerbesteuer unterliegt, da er eine Forderung zur Abgeltung einer bereits geleisteten Tätigkeit und kein immaterielles (firmenwertähnliches) Wirtschaftsgut darstellt. Die Entstehung dieser Forderung zum Ende des Vertreterverhältnisses ist auch dann dem laufenden Gewinn (und damit dem Gewerbeertrag nach § 7 Gewerbesteuergesetz) und nicht dem Veräußerungsgewinn zuzuordnen, wenn der Handelsvertreter gleichzeitig mit der Beendigung seines Vertragsverhältnisses seinen Betrieb aufgibt. Auf die BFH-entscheidungenvom 24.11.1982 (I R 60/79, BStBl II 1983, 243), vom 16.08.1989 (III B 14/89, BFH/NV 1990, 188) undvom 04.03.1998 (X R 56/95, BFH/NV 1998, 1354) wird insoweit hingewiesen. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung trotz der von der Klin. geäußerten Auffassung, bei dem Ausgleichsanspruch gem. § 89 b HGB handele es sich um ein firmenwertähnliches Wirtschaftsgut, auch für den vorliegenden Fall an, da nach Auffassung des Senats der Schwerpunkt des Anspruchs auf einer Tätigkeitsvergütung liegt, wie sich insbesondere aus § 89 b Abs. 1 Nr. 2 HGB ergibt.

Die Ausgleichszahlung unterliegt auch nicht deshalb nicht der Gewerbesteuer, weil sie nach dem Vortrag der Klin. ihrer Altersversorgung dient und für den Fall ihres Eintritts in das Vertreter - Versorgungswerk auf die daraus geleistete Altersversorgung anzurechnen gewesen wäre. Denn diese Anrechnung ergibt sich aus dem in § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB geregelten Billigkeitserfordernis, dem die zivilrechtliche Rechtsprechung entnimmt, dass der Unternehmer nicht gleichzeitig einen Ausgleichsanspruch und Altersversorgungsleistungen erbringen muss. (vgl. Küstner, BB 1994, 1590 m w. N. zur Rechtsprechung). Die Billigkeitsklausel ändert jedoch nichts daran, dass der Ausgleichsanspruch eine Forderung des Handelsvertreters für bereits erbrachte Leistungen gegenüber dem Unternehmer ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 AO).

Ende der Entscheidung

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