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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: 3 K 4323/05 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG


Vorschriften:

ErbStG § 13a Abs. 1 Nr. 1
ErbStG § 13a Abs. 4 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

3 K 4323/05 Erb

Tenor:

Der Erbschaftsteuerbescheid vom 06.07.2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 26.09.2005 wird geändert und die Erbschaftsteuer auf 8.137 Euro festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

Die Parteien streiten über die Gewährung des Betriebsvermögensfreibetrages gem. § 13 a Erbschaftsteuergesetz (ErbStG).

Die Klägerin (Klin.) ist Alleinerbin ihres am 12.03.2004 verstorbenen Vaters. Dieser war Maler und ein bedeutender Vertreter des deutschen Informel. Neben anderen Vermögensgegenständen umfasste der Nachlass auch das Betriebsvermögen des Vaters der Klin., zu dem ein umfangreicher Bestand von Ölbildern, Arbeiten auf Papier und Radierungen gehörte. Zu den Einzelheiten wird auf die Schlussbilanz (Bl. 31 der Steuerakte) Bezug genommen.

Durch Bescheid vom 08.06.2005 setzte der Beklagte (Bekl.) die Erbschaftsteuer für die Klin. auf 12.705 Euro fest und erfasste dabei auch das erklärte Betriebsvermögen mit einem Wert in Höhe von 27.329 Euro. Zu den Einzelheiten wird auf den Erbschaftsteuerbescheid (Bl. 42 - 45 der Steuerakte) Bezug genommen.

Gegen die Festsetzung legte die Klin. Einspruch ein und beantragte u. a., für das ererbte Betriebsvermögen den Freibetrag gem. § 13 a Abs. 1 ErbStG zu gewähren. Diesem Antrag entsprach der Bekl. mit dem aus anderen Gründen geänderten ErbSt-Bescheid vom 06.07.2005 nicht und wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 26.09.2005 als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, die Gewährung des Freibetrags gem. § 13 a Abs. 1 ErbStG für das freiberufliche Vermögen des Erblassers als Kunstmaler sei nicht möglich, da wesentliches Merkmal der freiberuflichen Tätigkeit des Erblassers die Erschaffung von Kunstwerken gewesen sei. Mit dem Tode des Erblassers sei eine weitere Erschaffung von Kunstwerken unmöglich geworden und somit auch eine zukünftige Fortführung der freiberuflichen Tätigkeit durch die Klin. nicht gegeben. Der Verkauf der noch durch den Erblasser erschaffenen Kunstwerke durch die Klin. sei eine eigenständige gewerbliche Tätigkeit. Diese führe zwangsweise zur Veräußerung des Betriebsvermögens des Erblassers und damit zur Betriebsaufgabe, so dass die Behaltensfrist gem. § 13 a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG von der Klin. nicht eingehalten werden könne.

Mit ihrer Klage vom 26.10.2005 verfolgt die Klin. ihr Begehren auf Gewährung des Betriebsvermögensfreibetrages weiter. Die Klin. verweist darauf, dass die betriebliche Tätigkeit insbesondere im Zusammenhang mit dem Verkauf der noch vorhanden Kunstgegenstände fortlaufend ausgeübt werde und es nicht absehbar sei, dass diese Tätigkeit in naher Zukunft beendet werde. Auch könne eine etwaige Änderung des Charakters des Betriebsvermögens aus dem Grund, dass die Tätigkeit der Klin. jetzt nicht mehr als freiberuflich sondern als gewerblich eingestuft werden müsse, nicht zur Versagung des Betriebsvermögensfreibetrages führen. Dafür komme es nämlich allein darauf an, dass die Betriebsvermögenseigenschaft erhalten bleibe, unabhängig davon, ob sich die Art der Tätigkeit verändert habe. Auf die Betriebsvermögenseigenschaft der vorhandenen Arbeiten habe es auch keinen Einfluss, dass künftig Kunstwerke nicht mehr erschaffen werden könnten. Im Übrigen komme es auf die ertragsteuerlichen Regelungen an. Dabei sei zu betonen, dass auch bei der bisherigen Tätigkeit des Erblassers die Vermarktung der Kunstwerke einen nicht unwesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausgemacht habe. Gerade diese Tätigkeit werde entsprechend fortgeführt.

Die Klin. beantragt sinngemäß,

den ErbSt-Bescheid vom 06.07.2005 in Gestalt der EE vom 26.09.2005 in der Weise zu ändern, dass der Betriebsvermögensfreibetrag gem. § 13 a Abs. 1 ErbStG steuermindernd berücksichtigt wird,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seine EE und verweist darauf, dass die Klin. die künstlerische Schaffenstätigkeit des Erblassers nicht werde fortführen können. Auch widerspreche die Eröffnung eines Museums bzw. einer Galerie in den Atelierräumen des Erblassers dem Vortrag, dass die Tätigkeit des Erblassers mit der Vermarktung seiner Kunstwerke fortgeführt werde.

Die Berichterstatterin hat den Fall mit den Parteien am 29.03.2007 erörtert. Zu den Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins Bezug genommen.

Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klin. hat einen Anspruch auf Gewährung des Betriebsvermögensfreibetrages gem. § 13 a Abs. 1 ErbStG.

Gem. § 13 a Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bleibt Betriebsvermögen beim Erwerb von Todes wegen bis zu einem Wert von 256.000 EUR außer Ansatz. Gem. § 13 a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG gilt der Freibetrag für inländisches Betriebsvermögen u. a. beim Erwerb eines Gewerbebetriebs. Das freiberufliche Betriebsvermögen ist in der Vorschrift nicht ausdrücklich erwähnt. Gleichwohl wird durch den Verweis auf § 12 Abs. 5 ErbStG und dessen Bezugnahme auf §§ 95 bis 99 BewG und damit auch auf § 96 BewG deutlich, dass auch das freiberufliche Vermögen begünstigt ist (vgl. Gürsching/Stenger Bewertungsrecht BewG ErbStG Kommentar, § 13 a ErbStG Rz. 7).

Für die Frage, ob Betriebsvermögen vorliegt, ist nach allgemeiner Auffassung auf die ertragsteuerlichen Regelungen abzustellen. Aus ertragsteuerlicher Sicht ist Betriebsvermögen dasjenige Vermögen, das der Erzielung betrieblicher bzw. freiberuflicher Einkünfte dient. Dazu gehören auch die von einem Maler geschaffenen Werke.

Diese Eigenschaft verlieren die Bilder nicht durch den Tod des Künstlers. Ebenso wenig führt der Tod des Künstlers zu einer Betriebsaufgabe. Die Bilder bleiben Betriebsvermögen und sind dem Erben zuzuordnen. Den entsprechenden Ausführungen im Urteil des BFH vom 29.04.1993 (IV R 16/92, BStBl. II 1993, 716) schließt der Senat sich auch für den vorliegenden Fall an. Für den Ertragsteuerbereich hat der BFH in dem genannten Urteil weiter entschieden, dass Einkünfte aus der künstlerischen Tätigkeit des Erblassers beim Erben auch dann zu den Einkünften aus künstlerischer Tätigkeit gehören, wenn der Erbe nicht selbst Künstler ist, da die Einkünfte in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Erblassers stehen, insbesondre ein Entgelt für die im Rahmen der ehemaligen Tätigkeit erbrachten Leistungen darstellen.

Für die erbschaftsteuerliche Beurteilung im vorliegenden Fall zieht der Senat daraus den Schluss, dass das ererbte Betriebsvermögen in der Hand der Klin. Betriebsvermögen bleibt und auch seinen Charakter als freiberufliches Betriebsvermögen nicht ändert.

Die Klin. realisiert mit der Veräußerung der Kunstwerke ihres Vaters dessen wirtschaftlichen Erfolg in gleicher Weise, wie das nach ihrem Vortrag bereits bei ihrem Vater der Fall war, als dieser nach der krankheitsbedingten Einstellung der aktiven künstlerischen Tätigkeit die bereits geschaffenen Werke vermarktete. So wie es nach dem o.g. Urteil für die Annahme freiberuflicher Einkünfte ausreicht, dass der Künstler die zur Veräußerung bestimmten Kunstwerke geschaffen hat, reicht dieser Umstand auch aus, um Betriebsvermögen i.S.d. § 13 a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG zu bejahen. Unschädlich ist, dass nicht mehr der Erblasser selbst, sondern die Erbin die geschaffenen Kunstwerke veräußert. Die Veräußerung der vom Erblasser geschaffenen Werke stellt sich als Abschluss und Abwicklung der künstlerischen Betätigung dar und wird daher noch dieser zugerechnet. Dabei kommt es auch nicht - wie der Bekl. annimmt - zu einer zwangsweisen Betriebsaufgabe, weil die Erschaffung weiterer Kunstwerke unmöglich geworden ist. Da die Schaffung und die Vermarktung der geschaffenen Kunstwerke gleichwertige Elemente des Betriebs eines Malers bilden, besteht der Betrieb auch fort, wenn eines der Elemente - aus welchen Gründen auch immer - wegfällt.

Unschädlich ist es in diesem Zusammenhang aus Sicht des Senats, dass die Klin. nicht das gesamte Werk ihres Vaters zur Veräußerung bestimmt hat, sondern es der Öffentlichkeit in Form von Ausstellungen zugänglich machen will. Neben der Vermarktung ist auch die museale Ausstellung denkbarer Teil einer freiberuflichen künstlerischen Tätigkeit und nicht geeignet, den geschaffenen Kunstwerken die Betriebsvermögenseigenschaft zu entziehen. Ebensowenig kann - wie in der EE ausgeführt - angenommen werden, die Behaltensfrist könne von vornherein nicht eingehalten werden, da es nach Übergang des freiberuflichen Vermögens auf den Erben zu einer zwangsweisen Betriebsveräußerung bzw. - aufgabe komme. Gegen die zwangsweise Veräußerung bzw. Aufgabe sprechen die o. g. Ausführungen des BFH im Urteil vom 29.04.1993 (a.a.O.). Die Überwachung der Behaltensfrist obliegt dem Bekl. weiterhin.

Die Erbschaftsteuer laut Bescheid vom 06.07.2005 ist danach unter Gewährung des Freibetrages gem. § 13 a Abs. 1 ErbStG auf 8.137 Euro herabzusetzen (Erwerb bisher i.H.v. 306.305 Euro abzüglich Freibetrag gem. § 13 a ErbStG i.H.v. 27.329 Euro und abzüglich Freibetrag gem. § 16 ErbStG i.H.v. 205.000 Euro ergibt abgerundet auf volle 100 Euro 73.900 Euro; der Erwerb unterliegt gem. § 19 ErbStG einem Steuersatz von 11%).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 155 FGO, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zugelassen.

Ende der Entscheidung

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