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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 23.03.2007
Aktenzeichen: 4 K 1807/05 Kg
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 64 Abs. 1
EStG § 64 Abs. 2 S. 1
EStG § 64 Abs. 2 S. 3
EStG § 64 Abs. 3 S. 1
EStG § 64 Abs. 3 S. 2
EStG § 64 Abs. 3 S. 3
EStG § 70 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

4 K 1807/05 Kg

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte (Bekl.) die Festsetzung von Kindergeld zu Recht aufgehoben hat, weil der Vater des Kindes und nicht die Klägerin (Klin.) dem Kind die höchste Unterhaltsrente gezahlt hat.

Die Klin. bezog laufend Kindergeld für ihre 1987 geborene Tochter L. L lebte bis Juni 2004 bei der Klin. Sie zog im Juni 2004 nach O, um dort eine Lehrstelle anzutreten, und später zu ihrem Freund nach I. Die Klin. setzte die Bekl. vom Auszug ihrer Tochter nicht in Kenntnis. Anfang Januar 2005 erreichte die Bekl. im Rahmen eines Datenabgleichs die Mitteilung, dass L nach O verzogen und dort seit dem 01.07.2004 gemeldet sei. Die Bekl. wies die Klin. darauf hin, dass, wenn das Kind bei keinem Elternteil lebe, nach § 64 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) derjenige Elternteil das Kindergeld erhalte, der dem Kind den höheren Barunterhalt zahle. Leisteten beide Elternteile keinen oder gleich hohen Barunterhalt, bestimmten diese untereinander den Berechtigten. Die Bekl. stellte die Zahlung des Kindergeldes ab Januar 2005 ein. Die Klin. sprach Mitte Januar 2005 bei der Bekl. vor und gab an, dass L seit dem 01.06.2004 nicht mehr in ihrem Haushalt lebe. Sie, die Klin., zahle keinen eigentlichen Barunterhalt, leite jedoch das Kindergeld an ihre Tochter weiter. Wegen des gegen Ls Vater bestehenden Unterhaltsanspruchs fänden Vollstreckungsmaßnahmen statt. Am 19.01.2005 wandte L sich telefonisch an die Bekl. und bat um eine Bestätigung darüber, dass derzeit kein Kindergeld gezahlt werde. Ihre Mutter zahle keinen Unterhalt. Sie wolle diesen einklagen. Ihre Mutter habe gegen ihren Vater einen Unterhaltstitel, soweit sie wisse über 150 EUR monatlich. Gegen ihren Vater liefen Pfändungsmaßnahmen. Die Zahlungen erfolgten an ihre Mutter.

Die Bekl. fasste die Sachlage gegenüber der Klin. mit Schreiben vom 19.01.2005 wie folgt zusammen: Über den Anspruch auf Kindergeld ab Juni 2004 könne derzeit noch nicht entschieden werden, weil bisher nicht geklärt sei, welcher Elternteil dem Kind den überwiegenden Barunterhalt leiste. Ihre Tochter habe angegeben, dass ein Unterhaltstitel gegenüber dem Kindsvater bestehe. Um Übersendung einer Kopie des Titels und um Mitteilung, welche monatlichen Beträge ihr, der Klin., auf Grund des Titels seit Juni 2004 zugeflossen seien, werde gebeten. Die Klin. habe angegeben, dass sie Unterhalt in Höhe des Kindergeldes, also in Höhe von 154 EUR pro Monat, an ihre Tochter zahle. Falls der Unterhaltstitel gegen den - im Inland wohnenden - Kindsvater auf weniger als 154 EUR monatlich laute, sei sie, die Klin., vorrangig kindergeldberechtigt. Die Klin. legte die vollstreckbare Ausfertigung einer Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung vom 26.06.2001 vor, in der Ls Vater sich verpflichtet hatte, vom 01.07.2000 bis zur Volljährigkeit einen Unterhaltsbetrag von monatlich 554 DM zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters zu zahlen. In der Urkunde, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, heißt es weiter, dass mit den Unterhaltsleistungen die jeweils ältesten Forderungen beglichen werden sollten. Die Klin. übersandte zudem die Kopie eines Forderungskontos (Stand 15.12.2004). Aus diesem Forderungskonto, auf das im Übrigen ebenfalls verwiesen wird, ergab sich, dass sich der monatliche Unterhalt ab 01.07.2003 auf 307 EUR belief und Ls Vater die Unterhaltsleistungen nur unregelmäßig erbrachte. Im Jahr 2004 erfolgten folgende "Zahlungen/Gutschriften":

29.04.2004: 155,10 EUR

28.05.2004: 160,27 EUR

30.06.2004: 155,10 EUR

30.07.2004: 113,74 EUR

30.07.2004: 46,53 EUR

31.08.2004: 160,27 EUR

30.09.2004: 155,10 EUR

29.10.2004: 160,27 EUR

01.12.2004: 155,10 EUR

30.12.2004: 160,27 EUR

Die Klin. übersandte zudem drei Kontoauszüge, aus denen sich ergab, dass sie unter der Bezeichnung "Kindergeld" folgende Beträge auf das Konto ihrer Tochter überwiesen hatte:

19.11.2004: 75 EUR

24.11.2004: 75 EUR

10.12.2005: 150 EUR

Nach Anhörung der Klin. hob die Bekl. die Festsetzung des Kindergeldes ab Juli 2004 auf (Bescheid vom 04.03.2005). Zur Begründung führte sie aus, dass das Kind nicht im Haushalt der Klin. lebe und nach den getroffenen Feststellungen nicht die Klin., sondern der andere Elternteil den überwiegenden Barunterhalt für das Kind leiste. Für den Zeitraum Juli 2004 bis Dezember 2004 sei ein Betrag in Höhe von 924 EUR nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung zu erstatten.

Die Klin. legte Einspruch ein und machte geltend, dass weder sie, noch Ls Vater Barunterhalt geleistet hätten. Ls Vater zahle den Unterhalt seit 2001 nicht regelmäßig. Zum 01.07.2004 habe der Unterhaltsrückstand 3.136,54 EUR betragen. Die vom 30.07. bis 30.12.2004 erbrachten Zahlungen seien auf den jeweiligen Unterhaltsrückstand verrechnet worden. Von einem laufenden Unterhalt könne keine Rede sein. Die Bekl. wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 05.04.2005 als unbegründet zurück.

Zur Begründung ihrer Klage macht die Klin. geltend, dass Ls Vater seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten nur sehr unregelmäßig nachgekommen sei. Sie, die Klin., habe Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten müssen. Wegen des rückständigen Unterhalts handele es sich bei den von Ls Vater erbrachten Zahlungen nicht um laufenden Unterhalt. Dies ergebe sich aus der Urkunde vom 26.06.2001, die den ausdrücklichen Hinweis enthalte, dass mit den Unterhaltsleistungen die jeweils ältesten Forderungen beglichen würden. Diese Zahlungen hätten im Rahmen des § 64 Abs. 3 EStG außer Betracht zu bleiben. Das Finanzgericht Hamburg habe mit Urteil vom 16.02.2001 (Az.: I 289/99) entschieden, dass bei Zahlungen auf einen Unterhaltsrückstand keine "Unterhaltsrente" vorliege. Sie, die Klin., habe das Kindergeld an ihre Tochter überwiesen. Hierbei habe es sich um Unterhaltsleistungen gehandelt. Aus welchen Mitteln der Kindergeldberechtigte die Unterhaltsrente leiste (ob aus Kindergeldzahlungen oder anderen Mitteln), sei nach finanzgerichtlicher Rechtsprechung nicht von Bedeutung. Die Klin. hat in diesem Zusammenhang erneut Kontoauszüge vorgelegt, aus denen sich folgende weitere Überweisungen an ihre Tochter unter der Bezeichnung "Kindergeld" ergeben:

14.09.2004: 75 EUR

14.10.2004: 75 EUR

Die Klin. trägt weiter vor: Wenn man davon ausgehe, dass die "Weiterleitung" des Kindergeldes nicht als Unterhaltsleistung zu qualifizieren sei, hätten beide Elternteile keinen Unterhalt geleistet. In diesem Fall müsse das Vormundschaftsgericht den Berechtigten bestimmen.

Die Klin. hat im Verlauf des Klageverfahrens beim Amtsgericht E (Vormundschaftsgericht) beantragt, sie gem. § 64 Abs. 3 Satz 4, Abs. 2 Satz 3 EStG zur Berechtigten zu bestimmen. Das Amtsgericht E hat dem Antrag mit Beschluss vom 07.06.2006 entsprochen und die Klin. "gem. § 64 EStG für den Zeitraum Juli 2004 bis Dezember 2004 zur Bezugsberechtigten für das Kindergeld bestimmt, das im betreffenden Zeitraum" für die Tochter der Klin. "gezahlt wird". Auf den Beschluss wird im Übrigen Bezug genommen.

Die Klin. beantragt,

den Bescheid vom 04.03.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 05.04.2005 aufzuheben.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, die Klin. habe ab Juli 2004 keinen Anspruch auf Kindergeld. Ihre Tochter habe ihren Haushalt im Juni 2004 verlassen. Wenn die Klin. geltend mache, dass der Kindsvater seiner Unterhaltsverpflichtung nur schleppend nachgekommen sei und lediglich Zahlungen auf den Unterhaltsrückstand geleistet habe, ergebe sich hieraus kein Kindergeldanspruch der Klin. Zwar liege möglicherweise eine Unterhaltspflichtverletzung durch den Kindsvater vor. Die Klin. habe selbst jedoch gar keinen Unterhalt geleistet (und im Übrigen auch die durch den Kindsvater überwiesenen Beträge nicht an ihre Tochter weitergeleitet).

Einen Antrag auf Beiladung des Kindsvaters hat die Bekl. nicht gestellt. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die der Senat gem. § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Aufhebungsbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Die Bekl. hat die Festsetzung des Kindergeldes ab Juli 2004 zu Recht aufgehoben.

Nach § 70 Abs. 2 EStG ist die Festsetzung des Kindergeldes, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern. Diese Voraussetzungen liegen vor. Nachdem ihre Tochter im Juni 2004 ausgezogen war, hatte die Klin. keinen Anspruch auf Kindergeld.

Gem. § 64 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt (Abs. 1). Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (Abs. 2 Satz 1). Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt (Abs. 3 Satz 1). Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt (Abs. 3 Satz 2). Werden gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt oder zahlt keiner der Berechtigten dem Kind Unterhalt, so bestimmen die Berechtigten untereinander, wer das Kindergeld erhalten soll (Abs. 3 Satz 3). Wird eine Bestimmung nicht getroffen, bestimmt das Vormundschaftsgericht auf Antrag den Berechtigten (Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 3).

Nachdem die Tochter der Klin. den Haushalt der Klin. im Juni 2004 verlassen hatte, lagen die Voraussetzungen des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ab Juli 2004 nicht mehr vor. Entgegen der Ansicht der Klin. ergibt sich ein Kindergeldanspruch auch nicht aus § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG. In den Monaten Juli bis Dezember 2004 zahlte die Klin. keine Unterhaltsrente an ihre Tochter. In den Monaten Juli und August hat die Klin. unstreitig keine Zahlungen an ihre Tochter erbracht. Im September 2004 und Oktober 2004 hat sie jeweils 75 EUR und in den Monaten November 2004 und Dezember 2004 jeweils 150 EUR des Kindergeldes von monatlich 154 EUR an ihre Tochter überwiesen. Hierbei handelt es sich nicht um die Zahlung einer Unterhaltsrente i.S.d. § 64 Abs. 3 EStG. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der Senat anschließt, bleibt das an das Kind weitergeleitete Kindergeld bei der Feststellung der höheren Unterhaltsrente i.S.d. § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG außer Betracht (BFH Urteil vom 02.06.2005 III R 66/04, BStBl. II 2006, 184).

Ein Anspruch der Klin. auf Kindergeld folgt auch nicht aus § 64 Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG. Zwar hat das Amtsgericht E durch Beschluss vom 06.07.2006 auf ihren Antrag die Klin. für den Zeitraum Juli bis Dezember 2004 zur Berechtigten bestimmt. Dieser Beschluss geht jedoch ins Leere, weil die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG nicht vorlagen. Die Entscheidung darüber, ob eine Berechtigtenbestimmung durch die Kindergeldberechtigten selbst oder das Vormundschaftsgericht zu treffen ist, obliegt nicht den Kindergeldberechtigten oder dem Vormundschaftsgericht, sondern vielmehr der Familienkasse oder dem Finanzgericht (vgl. Felix in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 64 Anm. D 10). Liegen die Voraussetzungen für eine Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 3 Satz 3 EStG nicht vor, bleibt eine einvernehmliche Regelung der Berechtigten untereinander oder eine Bestimmung durch das Vormundschaftsgericht ohne Wirkung (vgl. BFH Urteil vom 16.12.2003 VIII R 67/00, BFH/NV 2004, 934; BFH Urteil vom 02.06.2005 III R 66/04, aaO).

So verhält es sich hier. Entgegen der Auffassung der Klin. liegt der Fall, dass keiner der Berechtigten dem Kind Unterhalt gezahlt hat, nicht vor. Denn der Kindsvater hat seiner Tochter im streitigen Zeitraum eine Unterhaltsrente gezahlt. Unter einer Unterhaltsrente ist der laufende Barunterhalt i.S.d. § 1612 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch zu verstehen (BFH Urteil vom 16.12.2003 VIII R 67/00, aaO; Beschluss vom 28.10.2004 VIII B 253/04, BFH/NV 2005, 346). Nachträglich erbrachte Unterhaltsleistungen wirken sich daher auf die Bestimmung des Kindergeldberechtigten nicht aus (BFH Urteil vom 28.10.2005 III B 107/05, BFH/NV 2006, 549). Der Kindsvater hat im streitigen Zeitraum folgende Unterhaltsleistungen erbracht: 30.07.2004: 160,27 EUR; 31.08.2004: 160,27 EUR; 30.09.2004: 155,10 EUR; 29.10.2004: 160,27 EUR; 01.12.2004: 155,10 EUR; 30.12.2004: 160,27 EUR. Zwar erfolgten die Zahlungen - entgegen § 1612 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch - nicht monatlich im Voraus, sondern in der Regel zum Monatsende. Zudem handelte es sich nicht um den vollen geschuldeten Unterhalt (der ausweislich des Forderungskontos seit 01.07.2003 monatlich 307 EUR betrug). Trotz der Unterhaltspflichtverletzung sind die Zahlungen jedoch als laufende Unterhaltsleistungen zu qualifizieren, die auch nicht nachträglich, d.h. erst nach Ablauf des streitigen Zeitraums, erbracht wurden. Dass die Klin. die Unterhaltszahlungen nicht an ihre Tochter weitergeleitet hat, steht der Annahme einer an ihre Tochter gezahlten Unterhaltsrente nicht entgegen. Denn der Kindsvater war verpflichtet, den Unterhalt bis zur Volljährigkeit der Tochter an deren gesetzlichen Vertreter, also die Klin., zu leisten.

Entgegen der Ansicht des Klin. sind die Zahlungen des Vaters der Tochter auch nicht deshalb nicht als Unterhaltsrente i.S.d. § 64 Abs. 3 EStG zu qualifizieren, weil nach der Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung vom 26.06.2001 mit den Unterhaltsleistungen die jeweils ältesten Forderungen beglichen werden sollten, und erhebliche Rückstande vorlagen. Nach Auffassung des Senats ist die Zahlung einer Unterhaltsrente - jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden - auch dann zu berücksichtigen, wenn der Unterhalt in der Vergangenheit nicht regelmäßig oder vollständig gezahlt wurde und deshalb Rückstände aufgelaufen sind, auf die die laufenden Zahlungen (zivilrechtlich) vorrangig angerechnet werden (a.A. FG Hamburg Urteil vom 16.02.2001 I 289/99, n.v.: Tilgung von Schulden keine regelmäßige Erfüllung der Unterhaltspflicht; offengelassen in BFH Beschluss vom 19.08.2002 VIII B 145/01, n.v.). Maßgeblich sind folgende Überlegungen: Nach der Regelungssystematik des § 64 EStG soll die Auszahlung des Kindergeldes an denjenigen Kindergeldberechtigten erfolgen, der die größeren Lasten trägt (vgl. z.B. BFH Urteil vom 26.08.2003 VIII R 91/98, BFH/NV 2004, 324). Dies ist grundsätzlich derjenige, in dessen Haushalt das Kind aufgenommen ist. Ist das Kind in keinen Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, trägt derjenige die größten Lasten, der dem Kind den höchsten laufenden Barunterhalt gewährt. War das Kind - wie hier - zunächst in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen und begründet es dann einen eigenen Haushalt, ist der andere Berechtigte in höherem Maße belastet, wenn er Barunterhalt leistet, der ursprünglich Anspruchsberechtigte (dessen Haushalt das Kind verlassen hat) jedoch keine Unterhaltsleistungen (mehr) erbringt. Dies gilt auch dann, wenn der den Barunterhalt Leistende seinen Unterhaltsverpflichtungen in der Vergangenheit, als das Kind noch in den Haushalt des ursprünglich Anspruchsberechtigten aufgenommen war, nicht vollständig nachgekommen ist. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Kindergeld eine monatliche Leistung ist (§ 71 EStG) und es deshalb auf die Verhältnisse in den Monaten, für die Kindergeld gewährt werden soll, nicht auf die Verhältnisse in der Vergangenheit oder Zukunft ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).



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