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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 5 K 1992/03 U
Rechtsgebiete: AO 1977, UStG


Vorschriften:

AO 1977 § 42
UStG § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. b
UStG § 9 Abs. 2
UStG § 15
UStG § 27 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

5 K 1992/03 U

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Gründe:

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Rechnungen über den Erwerb einer Gewerbeeinheit in I und einer Eigentumswohnung in C.

Der Kläger (Kl.) ist als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätig.

Mit seiner am 08.08.2002 beim Beklagten (Finanzamt - FA -) eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung für das II. Quartal 2002 hat er u. a. Vorsteuerbeträge in Höhe von 48.444,72 EUR aus zwei Grundstückskäufen geltend gemacht.

Er hat mit zwei notariellen Verträgen von seinem Mandanten, Herrn F, verschiedene noch zu sanierende (I) bzw. zu errichtende (C) Wohnungen und Gewerbeeinheiten gekauft, nämlich

1.) mit Vertrag vom 16.12.1997 in dem Objekt W-straße ..., I

die Gewerbeeinheit Nr. 12 zum Preis von 314.000,00 DM

die Eigentumswohnung Nr. 21 zum Preis von 210.000,00 DM

zuzüglich Sanierungskosten laut gesondertem Vertrag in Höhe von 82.530,00 DM

606.530,00 DM

2.) mit Vertrag vom 28.12.1998 in dem Objekt T-straße ..., C

die Eigentumswohnung Nr. 1 zum Preis von 390.000,00 DM

die Eigentumswohnung Nr. 5 zum Preis von 440.000,00 DM

die Eigentumswohnung Nr. 8 zum Preis von 300.000,00 DM

1.130.000,00 DM

Die Gewerbeeinheit in I wurde in vermietetem Zustand gekauft. Vereinbart war, dass der Kl. als Erwerber in den laufenden Mietvertrag eintritt. Er hatte daraufhin der Betriebsprüferin mitgeteilt, dass er bezüglich I keine Mietverträge habe, da die Einheiten nicht vermietet seien. Nach seinen Angaben im Einspruchsschreiben vom 01.02.2003 hingegen vermietet der Kl. die Gewerbeeinheit auch weiterhin umsatzsteuerpflichtig. Mit Schreiben vom 07.03.2003 erklärte der Kl., die Miete für die Gewerbeeinheit in I betrage 1.320,00 DM monatlich zuzüglich Nebenkosten und sei in den Jahren 1998 bis 2000 - zumindest teilweise - vom Grundstücksverkäufer, Herrn F, an ihn ausgezahlt worden. Jedenfalls ab 2006 wird die Gewerbeeinheit steuerpflichtig vermietet.

Die Wohnungen Nr. 1, 5 und 8 in dem Objekt in C sind nach den Angaben des Kl. im Februar 2002 endgültig fertiggestellt worden. Die Gewerbeeinheit Nr. 1 (im o. a. Kaufvertrag als Eigentumswohnung Nr. 1 bezeichnet) ist ab 2005 ohne USt vermietet worden. Nach den Angaben des Kl. hat der Verkäufer der drei Wohnungen Mietgarantien für ein Jahr, d. h. bis Ende 1999 (mündlich, ohne schriftlichen Vertrag) zugesagt, jedoch auch darüber hinaus weiter gezahlt.

In beiden notariellen Kaufverträgen ist zur Umsatzsteuer nichts gesagt und keine USt gesondert ausgewiesen.

Der Kl. hat zwei schriftliche Vereinbarungen mit Datum vom 05.01.1999 getroffen. In diesen Vereinbarungen vom 05.01.1999 wird auf den notariellen Kaufvertrag vom 16.12.1997 bzw. 28.12.1998 und den Erwerb der Gewerbeeinheit in I bzw. des Miteigentumanteils in C Bezug genommen. Danach treffen der Kl. und der Verkäufer folgende Regelung:

"Dies vorausgeschickt erklären die Parteien, dass Herr F bezüglich des Verkaufs zur Umsatzsteuer optieren wird. Herr F wird Herrn X auf dessen Verlangen eine Rechnung mit offenem Umsatzsteuerausweis ausstellen. Die Umsatzsteuer beträgt 15/115 aus 314.000,00 DM, mithin 40.956,52 DM (für das Objekt I) bzw. 16/116 aus 390.000,00 DM, mithin 53.793,10 DM (für das Objekt C)."

Aus zwei Rechnungen mit Datum vom 15.06.2002, in denen der Verkäufer der Grundstücke - bezugnehmend auf die o. a. Vereinbarung vom 05.01.1999 - den Verkauf der beiden Objekte mit offenem Ausweis der USt abrechnet, macht er - der Kl. - die Vorsteuer geltend.

Am 07.11.2002 hat der Kl. für seinen Mandanten F eine USt-VA für den Monat Juni 2002 beim FA eingereicht. Es werden die beiden in den o. a. Rechnungen vom 15.06.2002 aufgeführten Grundstücksverkäufe als steuerpflichtige Umsätze erklärt (USt 15 bzw. 16 % = 48.444,72 EUR / Zahllast: 34.447,00 EUR). Diese Voranmeldung hat der Kl. für den Verkäufer F selbst unterschrieben. Zahlungen auf diese USt-Zahllast sind bis heute nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 16.12.2002 an die USt-Sonderprüfungsstelle teilte der Kl. mit, Herr F habe selbstverständlich die Absicht, seine angemeldete Umsatzsteuer zu bezahlen; er sei lediglich nicht dazu im Stande, weil er sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befinde.

Das Finanzamt (FA) setzte mit Vorauszahlungsbescheid vom 31.01.2003 die USt für das II. Quartal 2002 gegen den Kl. auf 383,36 EUR fest, ohne die strittigen Vorsteuerbeträge betreffend die o. a. Grundstückserwerbe zum Abzug zuzulassen. Zur Begründung führte es aus, in der nachträglichen Option zur Umsatzsteuerpflicht liege ein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO. Auch wenn sämtliche übrigen materiellrechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorlägen, sei das FA nicht verpflichtet, den Vorsteuerabzug zuzulassen, weil ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliege. Dies sei der Fall, denn der Kl. versuche mittels der nachträglichen Option zur Steuerpflicht für die Grundstücksumsätze eigene, notleidende Forderungen gegenüber dem insolventen Grundstücksverkäufer (notleidende Mietgarantien betreffend die Objekte in I und C sowie Honorarforderungen aus eigener Beratungstätigkeit für den Grundstücksverkäufer) wirtschaftlich gegen einen werthaltigen Vorsteuererstattungsanspruch gegenüber dem FA auszutauschen (vgl. Schriftsatz des FA vom 24.02.2003).

Gegen den Vorauszahlungsbescheid hatte der Kl. Einspruch eingelegt und vorgetragen, der Vorsteuerabzug aus den beiden strittigen Grundstückserwerben stehe ihm zu, da sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt seien. Seiner Ansicht nach ist die vom FA zum Gestaltungsmissbrauch im Zusammenhang mit der Option zur Umsatzsteuerpflicht bei Grundstücksverkäufen zitierte BFH-Rechtsprechung aus den Jahren 1993 bis 1998 entweder nicht einschlägig, da über einen anders gelagerten Sachverhalt entschieden wurde, oder aber diese Rechtsprechung besage gerade, dass ihm der Vorsteuerabzug zustehe.

Maßgeblich dafür, keinen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO anzunehmen, sei insbesondere, dass

er die ausgewiesene Umsatzsteuer an Herrn F (mit)ausgezahlt habe und somit jeweils der vollständige Kaufpreis inklusive Umsatzsteuer in den Verfügungsbereich des Grundstücksverkäufers gelangt sei,

sich Herr F nicht im Insolvenzverfahren befinde und insbesondere im Zeitpunkt des Abschlusses der beiden notariellen Kaufverträge nachweislich auch noch liquide gewesen sei,

er keine notleidenden Forderungen gegen Herrn F habe, mit denen er eine Verrechnung erklären könne. Selbst wenn seinerseits noch Forderungen gegen Herrn F bestehen sollten, so habe er diese nicht ausgetauscht, sondern diese stünden ihm weiter zu, da eben nichts verrechnet oder erlassen worden sei,

die Umsatzsteuer gegen Herrn F auch noch entsprechend festgesetzt werden könne (für die Jahre 1997 und 1998, für die Herr F noch keine USt-Erklärungen eingereicht hat),

ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten schon allein deshalb grundsätzlich nicht angenommen werden könne, weil im vorliegenden Fall ein gesetzlich vorgesehenes Wahlrecht nach § 9 UStG ausgeübt worden sei und durch ein im Gesetz ausdrücklich vorgesehenes Wahlrecht das Gesetz nicht umgangen werden könne.

In der Einspruchsentscheidung vom 28.03.2003 hat das FA ausgeführt, dass der Kl. durch die Option eine eigene notleidende Forderung gegen Herrn F austausche. Dies seien Honorar- und Mietforderungen.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, im Kaufvertrag sei das Objekt C als Eigentumswohnung Nr. 1 bezeichnet, obwohl er - der Kl. - sie als Gewerbeeinheit nutzen wollte (Bl. 7 GA). Ihm stehe der Vorsteueranspruch zu. Sein Verkäufer habe nicht deshalb zur Umsatzsteuer optiert, um ihm den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, obwohl er selbst nicht in der Lage sei, die daraus folgende USt-Verbindlichkeit zu tilgen.

Da er die USt an den Verkäufer gezahlt habe, liege kein Rechtsmissbrauch vor. Es sei für den Vorsteuerabzug irrelevant, dass der Verkäufer seine USt-Schuld bisher nicht getilgt habe.

Der Kl. trägt vor, er habe die Objekte nur für unternehmerische Zwecke erworben (Bl. 193 GA). Auf die Frage der Vermietung komme es nicht an. Die Gewerbeeinheiten hätten leer gestanden. Nur in der USt-Erklärung 2001 seien umsatzsteuerpflichtige Mieten enthalten. Da er als Freiberufler von einer Versteuerung nach vereinnahmten Umsätzen ausgegangen sei, stelle er jetzt den Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Umsätzen ab Beginn seiner beruflichen Tätigkeit.

Erstmalig mit Schriftsatz vom 06.03.2007 hat der Kl. ergänzend vorgetragen, dass die Vereinbarung über die Option bereits bei den Verhandlungen über den Kaufpreis getroffen und kurz danach schriftlich niedergelegt worden seien. Der Kaufpreis sei jeweils in voller Höhe an den Verkäufer gezahlt worden. Dies sei nötig gewesen, weil sonst die Bank, die ihm den Kredit zur Verfügung gestellt habe, die Kaufpreisreduzierung infolge der Option gekannt und dann den Kredit gemindert hätte. Durch diese Gestaltung - ohne Aufnahme der Option in die notariellen Verträge - habe der Verkäufer den gesamten Betrag (Kaufpreise inclusive Umsatzsteuer) erhalten.

Sein Verkäufer sei zur Zeit der Verkäufe und der Optionsvereinbarungen in 1999 liquide gewesen. Das habe sich gegebenenfalls erst bei Rechnungserstellung in 2002 geändert. Wirtschaftlich sei er durch die Zahlung der Kaufpreise durch das von ihm dafür aufgenommene Darlehn in Höhe des Bruttobetrages mit der Umsatzsteuer belastet, denn er müsse den Kredit auch "brutto" zurückführen. Damit habe er die Umsatzsteuer an den Verkäufer entrichtet. Im Übrigen seien die durch die Kaufverträge erworbenen Objekte eindeutig zum Unternehmen zugeordnet worden.

Die finanzierende Bank habe auf das Notaranderkonto Zugriff genommen, auf das alle Entgelte für die Objekte in I und C überwiesen worden seien. Das FA habe jedoch eine Aufrechnungsmöglichkeit bezüglich Kapitalertragsteuer, die ca. 30.000,00 bis 40.000,00 EUR betrage.

Der USt-Bescheid 2002 ist gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

Der Kläger beantragt,

den USt-Bescheid 2002 vom 10.02.2004 dahin zu ändern, dass weitere Vorsteuern in Höhe von 48.061,34 EUR berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend meint es, dass die Option rechtsmissbräuchlich sei. Die Option sei so spät erfolgt, weil der Kläger davon ausgegangen sei, dass die USt nicht mehr gezahlt werde. Deshalb seien die Rechnungen erst 3 1/2 Jahre nach der Vereinbarung über die Möglichkeit der Rechnungserteilung erteilt worden. Die USt sei nicht nachträglich gezahlt, sondern aus dem Entgelt herausgerechnet worden. Gegen eine Absicht, steuerpflichtige Umsätze zu tätigen, spreche der Umstand, dass die Mietumsätze nicht erklärt worden seien und auch keine Vorsteuer aus laufenden Kosten / Nebenkosten geltend gemacht worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Steuerakten Bezug genommen.

Der Senat hat am 08. März 2007 mündlich verhandelt.

Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Die Klage hat keinen Erfolg.

Das Finanzamt hat zu Recht den Vorsteuerabzug aus den beiden Rechnungen wegen Rechtsmissbrauchs gem. § 42 AO versagt.

Nach § 42 Satz 1 AO kann das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch gem. § 42 Satz 1 AO, wie er bei der den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entsteht.

§ 42 AO als deutsche Regelung normiert einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der nach der Rechtsprechung des BFH und des EUGH auch im Mehrwertsteuerrecht gilt, vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420 und BFH vom 09.11.2006, V R 43/04, BFH/NV 2007, 308 m.w.N. Nach dieser Auslegung des § 42 AO, der der Senat folgt, muss die gewählte Gestaltung trotz formaler Anwendung der einschlägigen Bestimmungen einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem vom Gesetz verfolgten Ziel zuwider laufen würde. Ferner muss aus objektiven Anhaltspunkten ersichtlich sein, dass mit der fraglichen Gestaltung im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird.

Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall führt dazu, dass der Kl. rechtsmissbräuchlich gehandelt hat.

Der Kl. war formal zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil er als Unternehmer im Besitz von Eingangsrechnungen i.S.d. § 15 UStG im Original war und er die erworbenen Wirtschaftsgüter seinem Unternehmensvermögen zugeordnet hat. Auch steht diesem Vorsteuerabzug nicht eine missbräuchliche Option des Verkäufers entgegen. Die Option ist auch wirksam, obwohl die notariellen Verträge diese Regelungen nicht enthalten, weil der Kläger im Zusammenwirken mit dem Verkäufer die von Anfang an vereinbarte Option (Bl. 222 GA) zwecks Täuschung der finanzierenden Banken nicht hat beurkunden lassen (Bl. 31, 35 / 21, 25 GA). Auch ein bewusst von den Vertragsparteien unrichtig beurkundeter Vertragsinhalt kann geheilt werden (Palandt, BGB, 66. Aufl., § 311 b Rn 35). Das ist hier durch Auflassung und Eintragung erfolgt.

Entgegen der Ansicht des FA ist für die Prüfung des Rechtsmissbrauchs nicht auf die Option durch den Verkäufer abzustellen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist dabei allein auf die Verhältnisse in der Person des Leistungsempfängers abzustellen, vgl. BFH vom 06.06.1991, V R 70/89, BStBl. II 1991, 866; Bunjes / Geist, UStG, 8. Aufl. § 9 Rn 35 m. w. N.

Gegen die Wirksamkeit der Option bestehen auch bezüglich der Eigentumswohnung keine Bedenken. Zwar ist gemäß § 9 Abs. 2 UStG i. V. m. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe b UStG eine Option nur zulässig, wenn das erworbene Objekt ausschließlich für Umsätze verwendet wird oder werden soll, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Wegen § 27 Abs. 2 UStG würde selbst bei einer nur zu Wohnzwecken dienenden Eigentumswohnung die Option nicht ausgeschlossen sein, da es sich um einen Altbau handelt, der vor dem 01. April 1985 fertiggestellt worden ist. Dass es sich hier um einen Altbau handelt, folgt bereits aus dem hohen Sanierungsaufwand.

Die fehlende Tilgung der Steuerschuld wird vom Umsatzsteuerrecht grundsätzlich in Kauf genommen, so dass die Umsatzsteuer vom Leistungsempfänger als Vorsteuer gegenüber dem Fiskus geltend gemacht werden kann, obwohl sie im Gegenzug nicht oder nur teilweise beim Leistenden erhoben werden kann, vgl. BFH vom 28.11.2002, VII R 41/01, BStBl II 2003, 337, 339. Etwas anderes gilt trotz zulässiger Option dann, wenn sich - wie im Streitfall - die Inanspruchnahme der Vorsteuer durch den Leistungsempfänger als missbräuchlich darstellt.

Der Kläger kannte die schlechte finanzielle Situation des Verkäufers. Das folgt auch aus dem Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung, wonach es für ihn und die anderen Käufer viel Ärger wegen der nicht zeitgerecht erledigten Sanierung der Objekte durch den Verkäufer gab. Der Kl. kannte die wirtschaftliche Situation des Verkäufers auch aus seiner Eigenschaft als dessen Steuerberater. Denn er hat selbst eingeräumt, dass wegen dessen schlechter finanziellen Situation sogar für mehr als ein Jahr kein Kontakt und auch in 2002 kein Beratungsverhältnis mehr bestanden habe (Bl. 223 GA).

Die Vorsteuer ist ein Vorteil in einem Steuerschuldverhältnis, da sich dieser Anspruch gegen das Finanzamt richtet. Zwar bleibt im Streitfall der vom Kl. zu erbringende Kaufpreis für die Gewerbeeinheiten unverändert. Es ergibt sich jedoch ein steuerlicher Vorteil. Es kann daher letztlich dahingestellt bleiben, ob der Kläger diese Gestaltung mit dem Verkäufer deshalb getroffen hat, um eigene Forderungen gegen den Verkäufer verrechnen zu können.

Die vom Kl. gewählte steuerliche Gestaltung und damit der erstrebte Steuervorteil durch die Vorsteuer ist im Streitfall deshalb missbräuchlich, weil er die Vorsteuer erst dann geltend gemacht hat, als der ihm bekannte zwischenzeitliche Vermögensverfall des Verkäufers die Realisierung von dessen dadurch ausgelöster Steuerschuld durch das Finanzamt verhinderte.

Aus den Gesamtumständen ergibt sich, dass der Kl. die Anforderung von Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis bewusst verzögert hat, damit dieses Auseinanderfallen seines Vorsteuerabzugs und der nicht mehr realisierbaren USt-Schuld beim Verkäufer eintrat. Er war nicht aus vertraglichen Gründen an der sofortigen Anforderung dieser Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis gehindert. Nach seinem eigenen Sachvortrag war die Option von Anfang an gewollt und ihre Aufnahme in die notariellen Verträge nur unterblieben, um so einen weiteren finanziellen Spielraum durch den kostengünstigeren - überhöhten - Immobiliarkredit zu erhalten. Die Kredite waren bei wirksamer Ausübung der Option überhöht, weil er durch die Option und den ihm dadurch ermöglichten Vorsteuerabzug im Ergebnis einen um die Vorsteuer niedrigeren Finanzierungsbedarf hatte und damit die Bank über die Anschaffungskosten getäuscht hat.

Von diesem akuten Finanzbedarf des Kl. ausgehend, der deswegen den um die Vorsteuer überhöhten Kredit haben wollte, hätte es wegen der bereits bei den Kaufverträgen jeweils vereinbarten Pflicht zur Option des Verkäufers (so der Schriftsatz vom 06.03.2007) nahe gelegen, sofort nach Abschluss der für die Bank bestimmten notariellen Verträge über die vollen Kaufpreise vom Verkäufer die für die Durchführung des Vorsteuerabzugs nötigen Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis anzufordern. Daran musste der Kl. wegen seines Geldbedarfs (Erhalt des billigeren Darlehns auch in Höhe der Vorsteuer) durch Geltendmachung der betragsmäßigen erheblichen Vorsteuer beim Finanzamt interessiert sein. Wegen der von Anfang an mit dem Verkäufer getroffenen Einigung über die Option und die daraus folgende Pflicht zur Erteilung von Rechnungen, hatte er ab Abschluss der Kaufverträge einen Anspruch auf Erteilung der Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis.

Dieser sofortige und unbedingte Anspruch wird durch die im Jahr 1999 schriftlich fixierten Vereinbarungen bestätigt, in denen sein Anspruch auf Rechnungserteilung mit gesondertem USt-Ausweis enthalten ist. Damit ergibt sich weder aus der ursprünglichen mündlichen Vereinbarung bei Abschluss der Kaufverträge noch aus der schriftlichen Fixierung dieses Anspruchs einen Anhaltspunkt dafür, dass der Anspruch auf Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis und damit die Option des Verkäufers zeitlich erst nach einer erfolgreich durch den Verkäufer abgewickelten Sanierung der Gewerbeeinheit bestanden hat.

Der Kl. hat sich missbräuchlich verhalten, weil er die Geltendmachung seines Anspruchs auf Vorsteuer bewusst so lange hinausgezögert hat, bis das Finanzamt die dadurch beim Verkäufer entstehende Umsatzsteuer nicht mehr erfolgreich geltend machen konnte. Die an sich wegen der Vereinbarung der Option schon bei Abschluss der Kaufverträge mögliche Anforderung der Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis hätte angesichts seines Finanzbedarfs, der ursächlich für die Beurkundung ohne Option war, im Interesse des Kl. gelegen, der dadurch sofort und zeitnah die Vorsteuer erhalten hätte.

Die tatsächlich andere Handhabung und damit die zeitliche Streckung durch die Rechnungsanforderungen ist nur durch Missbrauch erklärlich. Wegen des bereits ab Abschluss der Kaufverträge bestehenden Anspruchs auf Vorsteuer gab es keinen Grund für den Kl., hierüber erst in 1999 eine gesonderte Vereinbarung zu treffen, statt sofort vom Verkäufer die Rechnungen zu verlangen. Noch weniger ist ein in der Sphäre des Kl. liegender Grund dafür zu erkennen, diese Rechnungen trotz der seit 1999 sogar schriftlich vereinbarten Möglichkeit erst in 2002 zu verlangen. Der Kl. hat dafür keinen Grund genannt.

Der Senat ist deshalb der Überzeugung, dass sich das gesamte Verhalten des Kl. und die jahrelang hinausgehobene Verzögerung - trotz des unbedingten Anspruchs auf Rechungserteilung - allein aus den Umstand erklärt, dass er die durch die nachträgliche Option des Verkäufers mögliche Reduzierung des von ihm zu zahlenden Kaufpreises erst erreichen wollte und durfte, wenn dies nicht zu einer entsprechenden finanziellen Belastung des Verkäufers führte. Der zeitliche Ablauf indiziert nach der Überzeugung des Senats, dass der Kl. den Steuervorteil in Gestalt des Vorsteuerabzugs nur erreichen wollte, wenn gleichzeitig - wie aus der jahrelangen verzögerten Anforderung der Rechungen erkennbar - gesichert war, dass der Verkäufer davon keinen Nachteil hatte. Damit liegt das missbräuchliche Verhalten des Kl. darin, sich den Vorsteuerabzug zeitlich erst verschafft zu haben, als wegen des Vermögensverfalls des Verkäufers die dadurch entstandene USt-Schuld vom Verkäufer nicht mehr gezahlt und auch nicht mehr erfolgreich gegen ihn durchgesetzt werden konnte. Die vom Verkäufer in den Rechnungen ausgewiesene USt ist unstreitig nicht gezahlt. Für eine künftige Tilgung bestehen angesichts der dem Kläger bekannten und unveränderten Vermögenslage des Verkäufers keine Anhaltspunkte. Da nach dem Sachvortrag des Kl. bereits die Bank, die dem Verkäufer die Bankkredite gegeben hatte, dieses Guthaben verwertet hat, kann dahinstehen, ob und in welcher Höhe überhaupt verfügbares Guthaben aus Kapitalertragssteuer bestanden hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers entfällt der Missbrauch nicht wegen der von ihm behaupteten Zahlung der Umsatzsteuer an den Verkäufer. Denn diese Bezahlung der Umsatzsteuer - trotz Bezahlung der Kaufpreise in 1997 und 1998 - erfolgte nur rechnerisch in 2002, indem die bisherigen Nettokaufpreise durch die erstmalig in 2002 erteilten Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis auch die Umsatzsteuer umfassten. Damit war der vom Kl. als Zahlung der Umsatzsteuer bezeichnete Vorgang nur eine Abänderung der bisherigen Rechnungen, mit der für den Kläger ein Vorsteueranspruch begründet und dadurch im wirtschaftlichen Ergebnis der von ihm bereits 1997 und 1998 gezahlte Kaufpreis vermindert wurde. Wegen des ihm bekannten, zwischenzeitlich eingetretenen Vermögensverfalls seines Verkäufers bedeutete dieser für ihn als Käufer neu begründete Steuervorteil zugleich den Steuerausfall für den Fiskus. Damit hat der Kl. zwar in 2002 die Umsatzsteuer beim Verkäufer entstehen lassen, indem die ursprünglichen Kaufpreise nachträglich auch die Umsatzsteuer umfassen. Diese Bezahlung (die damit erst in 2002 erfolgt war, weil vorher keine USt-Schuld als Teil des Kaufpreises bestand) hat der Kl. aber erst durch die Rechnungsanforderung veranlasst, als er wusste, dass die in den neu erteilten Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer vom Verkäufer nicht mehr bezahlt und wegen des Vermögensverfalls auch nicht mehr gegen ihn vollstreckt werden konnte. Dieses vorsätzliche Verhalten entnimmt der Senat aus dem nicht anders erklärlichen und vom Kläger auch nicht anders erklärten zeitlichen Ablauf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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