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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Gerichtsbescheid verkündet am 13.01.2009
Aktenzeichen: 5 K 5721/04 U
Rechtsgebiete: FGO, UStG


Vorschriften:

FGO § 100 Abs. 1
UStG § 14 Abs. 1
UStG § 14 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage die Klärung der für den Vorsteuerabzug erheblichen Frage, in welchem Umfang Bonusvereinbarungen in einer Rechnung anzugeben sind.

Die Klägerin (Klin.), eine aus Freiberuflern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), hatte am 25.06.2004 mit ihrem Lieferanten G, F (im Folgenden: G), eine Bonusvereinbarung getroffen, wonach sie bei Abnahme von mindestens 800.000 Blatt Kopierpapier einen Jahresbonus von 0,5 % erhält. Es wird wegen der Einzelheiten auf die Vereinbarung Bezug genommen. Am 14.07.2004 lieferte G 100.000 Blatt Kopierpapier und erteilte dafür am 15.07.2004 eine Rechnung über 925,00 EUR zuzüglich 16 % USt in Höhe von 148,00 EUR. Die Rechnung, auf die Bezug genommen wird, enthält keinen Hinweis auf die Bonusvereinbarung.

Die Klin. reichte am 2.8.2004 eine USt-Voranmeldung für Juli 2004 beim Beklagten (Bekl.) ein, in der sie die Vorsteuern aus der Rechnung G über 148,00 Euro nicht abzog. Gegen diese USt-Voranmeldung erhob sie Sprungklage (5 K 4166/04 U). Während des Klageverfahrens erfolgte am 11.8.2004 eine Rechnungsergänzung durch die G. Mit Bescheid vom 24.8.2004 über USt-Vorauszahlung Juli 2004, der weiterhin unter Vorbehalt der Nachprüfung stand, stellte der Bekl. die Klin. klaglos, indem er die streitige Vorsteuer i. H. v. 148,00 Euro anerkannte. Der Bekl. stimmte der Sprungklage nicht zu. Die Klin. nahm die Klage 5 K 4166/04 U daraufhin zurück.

Am 19.10.2004 erließ der Bekl. einen geänderten Bescheid über USt-Vorauszahlung für Juli 2004, in dem die streitige Vorsteuer aus der Rechnung G wieder nicht berücksichtigt wurde. Die Nichtberücksichtigung erfolgte vor dem Hintergrund, dass die Klin. die streitige Vorsteuer in der USt-Voranmeldung für August 2004 abgezogen hatte und der Bekl. von dieser Erklärung für August 2004 nicht abgewichen ist.

Am 3.11.2004 erhob die Klin. Sprungklage gegen den Bescheid über USt-Vorauszahlung für Juli 2004 vom 19.10.2004, der der Bekl. nunmehr am 1.12.2004 zustimmte. Am 7.1.2005 reichte die Klin. ihre USt-Jahreserklärung beim Bekl. ein, in der die Vorsteuer aus der Rechnung G enthalten ist. Der Bekl. verarbeitete diese Erklärung erklärungsgemäß. Die Klin. stellte mit Schriftsatz vom 10.1.2005, auf den Bezug genommen wird, ihren Antrag um und begehrt nunmehr die Feststellung der Rechtswidigkeit des Bescheids über USt-Vorauszahlung Juli 2004 vom 19.10.2004. Am 25.4.2006 reichte die Klin. eine geänderte USt-Jahreserklärung 2004 ein, der der Bekl. zustimmte.

Die Klin. trägt zum Feststellungsinteresse gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO vor, dass die Frage, ob künftig zu erwartende Bonuszahlungen in Rechnungen vor der tatsächlichen Bonuszahlung zu berücksichtigen seien, täglich zu entscheiden und damit auch künftig relevant sei.

In der Sache sei zweifelhaft, ob die Vereinbarung eines zukünftig zu gewährenden Bonuses unter § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG zu subsumieren sei. § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG spreche von einer im Voraus vereinbarten Minderung des Entgelts. Der pauschal geforderte Hinweis in der Rechnung auf die Möglichkeit einer Entgeltsminderung z. B. wegen einer Bonusvereinbarung sei vom Gesetz nicht gedeckt. Die in § 14 UStG genannte Minderung des Entgelts sei eine Zahl, also der Betrag ohne Umsatzsteuer. Der Hinweis auf die Möglichkeit der späteren Preisänderung werde davon nicht erfasst. Deshalb sei die Versagung von Vorsteuer aus Rechnungen ohne diesen Hinweis auf bestimmte Bonusvereinbarungen oder erst in Zukunft liegender Entgeltsminderung nicht mit dem UStG vereinbar. Hilfsweise sei auch ein Verstoß gemäß Art. 22 der 6. EG-Richtlinie gegeben. Diese Regelung verlange nicht, dass in Rechnungen auch die im Voraus vereinbarten, also auch erst zukünftig wirksam werdenden Entgeltsminderungen anzugeben seien.

Auch in der Literatur werde von Pankstadt / Matheis in DStR 2005, 414 die Vereinbarung der streitigen Vorschrift mit Europarecht als zweifelhaft angesehen.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid 7/2004 vom 19.10.2004 hinsichtlich des versagten Vorsteuerabzugs in Höhe von 148,00 EUR aus der Rechnung G rechtswidrig war,

hilfsweise,

die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof,

im Unterliegensfall, die Zulassung der Revision.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, dass sich der Rechtsstreit der Anfechtungsklage gegen den Vorauszahlungsbescheid durch Ergehen des Jahressteuerbescheides erledigt habe.

Ein weitergehendes Interesse auf Feststellung, dass das in § 31 Abs. 1 UStDV und in Tz 49 des BMF-Schreibens vom 29.01.2004 in BStBl. I 2004, 258 enthaltene Gebot, jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts in Rechnungen anzugeben, entfalle bereits, weil inzwischen eine berichtigte Rechnung vorliege. Eine gerichtliche Anerkennung würde die Position der Klägerin nicht verbessern. Deshalb fehle das Feststellungsinteresse.

Es wurde die Gerichtsakte 5 K 4166/04 U beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die von der Klägerin erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zulässig, aber unbegründet.

Der Senat bejaht das berechtigte Interesse der Klägerin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des durch den Jahressteuerbescheid erledigten Vorauszahlungsbescheides. Nach der Rechtsprechung des BFH genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeler Art, um einen Antrag nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO stellen zu können (BFH Urteil vom 22. Juli 2008 VIII R 8/07, BStBl II 2008, 941). Ein solches rechtliches Interesse ist gegeben, wenn sich bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorauszahlungsbescheides Fragen ergeben haben, die im Rahmen der Anfechtung des Jahresbescheides nicht geklärt werden konnten (vgl. FG München vom 05.06.2000 13 K 1721/98 n. v., [...]). Im Streitfall ist die Frage, welchen Inhalt eine zum Vorsteuerabzug taugliche Rechnung bei einer bereits abgeschlossenen Bonusvereinbarung haben muss, bei der erklärungsgemäßen Jahresveranlagung nicht geklärt und damit weiter streitig. Da die hier streitige Rechtsfrage alle weiteren Geschäftsvorfälle der Klin. in künftigen Zeiträumen mit Bonusvereinbarungen und insbesondere mit der G betrifft, ist ein Interesse der Klin.an einer Klärung rechtlich und tatsächlich zu bejahen. Eine Entscheidung über die streitige Rechtsfrage kann zu einer Positionsverbesserung der Klin. für die Zukunft führen.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Die Versagung des Vorsteuerabzugs aus der Rechnung vom 15.07.2004 im Vorauszahlungsbescheid Juli 2004 vom 19.10.2004 ist zu Recht erfolgt.

Die Regelung in § 14 Abs. 4 Satz 7 UStG mit dem Tatbestandsmerkmal "der Angabe jeder im Voraus vereinbarten Minderung des Entgelts, soweit sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist", ist nach der Überzeugung des Senats inhaltlich bestimmt und steht nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht.

Die konkrete Bonusvereinbarung vom 25.06.2004 war dem Lieferanten und der Klin. zur Zeit der Rechnungserteilung am 15.07.2004 bekannt, so dass die Entgeltsminderung vor Rechnungserteilung vereinbart war. Da sie wegen der Gesamtabnahmemenge von 800.000 Blatt im Jahr 2004 - soweit ersichtlich - nicht durch die Lieferung von 100.000 Blatt und etwa bereits vorher erfolgte Lieferungen erreicht worden war, war sie nicht bereits im Entgelt der Rechnung berücksichtigt.

Die ohne Hinweis auf die bereits getroffene Bonusvereinbarung erteilte Rechnung enthielt entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 7 UStG nicht die vom Gesetz geforderte Angabe und war damit nicht für den Vorsteuerabzug tauglich. Der Senat folgt der Auffassung des BMF in seinem Schreiben vom 29. Januar 2005, Tz. 49, BStBl. I 2004, 258, dass in den Fällen, in denen bei Rechnungserteilung die Höhe der Entgeltsminderung noch nicht feststeht, ein Hinweis auf die entsprechende Vereinbarung erforderlich ist.

Der Senat hält diese gesetzliche Regelung auch nicht für gemeinschaftswidrig. Art. 22 Abs. 3 Buchst. b 8. Gedankenstrich der 6. EG-Richtlinie (= Art. 226 Nr. 8 MwSt-Systemrichtlinie) verlangt, dass in der Rechnung jede Preisminderung oder Rückerstattung enthalten sein muss, sofern sie nicht im Preis ausgewiesen ist. Bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts gilt außer den herkömmlichen Auslegungsmethoden das Prinzip der "effet utile", so dass jeder Norm des Gemeinschaftsrechts die Interpretation zu geben ist, dass ihr die vom Gemeinschaftsgesetzgeber gewünschte Wirkung zukommt (vgl. Pieper, Das Gemeinschaftsrecht S. 98, 99 in: Birk, (Hrsg) Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts). Der gemeinschaftsrechtliche Text enthält eine ausreichende Grundlage dafür, dass die den Steuerbetrag verändernden Umstände in der Rechnung auszuweisen sind. Es soll ohne jede Einschränkung aus der Rechnung die geschuldete Umsatzsteuer erkennbar sein. Dabei verlangen nach Auffassung des Senats die Ausdrücke "Preisminderung oder Rückerstattung" auch, dass z. Zt. der Rechnungserteilung gesetzte Ursachen, die die Entgeltshöhe beeinflussen, aus der Rechnung ersichtlich sind. Der Senat hält die vorgenannte Auslegung für zwingend, da bereits realisierte Entgeltsänderungen regelmäßig bereits im abgerechneten Entgelt erfasst sind.

Für die von Weßling/Romswinkel, UStB 2004, 60 angesprochene Fallgruppe der vereinbarten Entgeltsminderungen, die im Zeitpunkt der Rechnungserteilung bereits eingetreten sind, aber noch keinen Eingang in den abgerechneten Preis gefunden haben, dürfte es kaum Anwendungsbeispiele geben. Daher bleibt als häufiger und von der Regelung nach Auffassung des Senats auch gewollter Anwendungsfall die bereits vereinbarte Preisminderung, ohne dass es auf ihre endgültige Gewährung ankommt, wenn sie noch von weiteren Umständen abhängt. Nur so kann erreicht werden, dass die Finanzverwaltung in die Lage versetzt wird, das endgültig geschuldete Entgelt zu ermitteln. Der Senat hält deshalb die Umsetzung des Art. 22 Abs. 3 Buchst. b 8. Gedankenstrich der 6. Richtlinie bzw. des Art. 226 Nr. 8 MwSt-Systemrichtlinie durch § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG für eine durch das Gemeinschaftsrecht gedeckte gesetzliche Regelung.

Da somit auch die Vereinbarung von Entgeltsminderungen durch Jahresmengenrabatte von § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG erfasst wird, war die Vorsteuer in der Voranmeldung zu Recht mangels ordnungsgemäßer Rechnung versagt worden. Mit dem Jahressteuergesetz 2003 ist mit Wirkung vom 1.1.2004 klargestellt worden, dass der Vorsteuerabzugsberechtigte eine ordnungsgemäße Rechnung i. S. v. § 14 Abs. 1 UStG, die die Angaben gemäß § 14 Abs. 4 UStG enthält, in Besitz haben muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 FGO zugelassen. Die Übereinstimmung des § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG mit dem Gemeinschaftsrecht ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Außerdem wird die vorgenannte Vorschrift in der Literatur teilweise anders ausgelegt als vom erkennenden Senat (Weßling/Romswinkel, UStB 2004, 60; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14 Rn 443 ff).

Ende der Entscheidung

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