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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 16.05.2008
Aktenzeichen: 6 K 2897/04 Kg
Rechtsgebiete: AuslG, EStG


Vorschriften:

AuslG § 51 Abs. 1
AuslG § 53 Abs. 4
EStG § 62 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

6 K 2897/04 Kg

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld.

Der Kläger (Kl.) ist der Vater der minderjährigen Kinder R, G und M B. Er reiste am 28.05.1996 als Asylbewerber in das Bundesgebiet ein und ist syrischer Staatsangehöriger. Mit Bescheid vom 28. Juli 1996 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag des Kl. ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes nicht vorlägen. Gleichzeitig stellte es fest, dass ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 4 Ausländergesetz für den Antragsteller zu 1. hinsichtlich der Länder Syrien und Libanon vorläge und dass im Übrigen Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes nicht bestünden. Mit dem gleichen Bescheid forderte es die Ehefrau und die bereits damals geborenen Kinder R und G auf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Danach entwickelte sich die Aufenthaltsangelegenheit des Klägers wie folgt:

Aufenthaltsbefugnis erteilt; gültig bis 23.08.2002

Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis bis zum 04.09.2003

Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis

Bescheinigung ge. § 69 Abs. 3 AuslG (Aufenthalt gilt als erlaubt)

Aufenthaltsbefugnis verlängert bis zum 04.09.2005

Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG

Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG

19.06.2007 Niederlassungserlaubnis gem. § 26 Abs. 4 AufenthG

Am 18. Juli 2000 beantragte der Kl. die Gewährung von Kindergeld. Diese wurde rechtskräftig mit Gerichtsbescheid des Finanzgerichts Münster vom 03.09.2002 unter dem Az.: 6 K 5253/01 Kg abgelehnt. Auf die Entscheidung wird verwiesen. Der Kl. beantragte am 24. November 2004 erneut Kindergeld. Den Antrag lehnte die beklagte Familienkasse mit Bescheid vom 05. April 2004 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Kindergeld ausländischen Staatsangehörigen nur zustehe, wenn sie in Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder Berechtigung seien. Der Kl. habe die entsprechenden Unterlagen nicht eingereicht, so dass nicht festgestellt werden könne, ob ein Anspruch auf Kindergeld bestehe.

Gegen diesen Bescheid hat der Kl. mit Schreiben vom 06. April 2004 Einspruch eingelegt. Eine Begründung wurde nicht abgegeben. Die Beklagte (Bekl.) hat den Einspruch mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 25. Mai 2004 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie auf die fehlende Mitwirkungspflicht des Kl. bei der Feststellung der Kindergeldberechtigung verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die EE der Bekl. vom 25. Mai 2004 verwiesen, die sich in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindet.

Mit seiner am 01. Juni 2004 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er zunächst aus, dass er gemäß § 53 Ausländergesetz anerkannt sei und über eine Aufenthaltserlaubnis verfüge, welche letztendlich zu einem Daueraufenthaltsrecht führen werde. Im Verlauf des Klageverfahren legte er kurz vor der mündlichen Verhandlung eine Übersicht der Ausländerbehörde vor, aus der sich seine Aufenthaltstitel ergeben.

Der Kl. beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 05.04.2004 und der Einspruchsentscheidung vom 25.05.2004 die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für die Zeit von Oktober 2002 bis Mai 2007 zu gewähren,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung vertieft und ergänzt er die Ausführungen des ablehnenden Bescheides.

Der Senat hatte mit Beschluss vom 06. Oktober 2004 die Entscheidung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter übertragen. Der Einzelrichter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 26.11.2004 erörtert. Dabei haben die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Der Einzelrichter hatte mit Beschluss vom 15.08.2005 das Ruhen des Verfahrens bis zur Beendigung des bei dem Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen III R 16/05 anhängigen Revisionsverfahren angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 13.11.2007 hat der Kl. um Fortgang des Verfahrens gebeten.

Mit Beschluss vom 14.02.2008 hat der Einzelrichter den Beschluss über das Ruhen des Verfahrens vom 15.08.2005 aufgehoben. Mit weiterem Beschluss vom 23.04.2008 hat der Einzelrichter die Entscheidung des Rechtsstreits auf den Senat zurückübertragen.

Der Senat hatte am 16. Mai 2008 in der Sache mündlich verhandelt; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Die Klage ist unbegründet.

Die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung für den im vorliegenden Fall streitigen Zeitraum von Oktober 2002 bis Mai 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten. Nach § 62 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltvorschuss vom 13. Dezember 2006 (Ausländeranspruchsgesetz - Bundesgesetzblatt I 2006, 2915, Bundessteuerblatt I 2007, 62) - § 62 EStG n. F. - in Verbindung mit der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld nur, wenn er

1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt,

2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde

a) nach § 16 oder 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,

b) nach § 18 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetze erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Hilfszeitraum erteilt werden,

c) nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den §§ 23 a, 24, 25 Abs. 3 - 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt

oder

3) eine in Nummer 2 c) genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und

a) sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und

b) im Bundesgebiet berechtigt ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.

Mit dieser Neuregelung, die rückwirkend ab dem 01. Januar 2006 für alle noch offenen Streitfälle gelten soll, wurde die bisherige Regelung des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 - § 62 EStG a.F. - abgelöst, die der Regelung des § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz in der Fassung des ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (Bundesgesetzblatt I 1993, 2353) - 1.SKWG - entsprach. Die letztgenannte Regelung war durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06. Juli 2004 (1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160) für verfassungswidrig erklärt worden mit der Maßgabe, dass die verfassungswidrige Norm durch eine neue Regelung zu ersetzen sei, für die das Bundesverfassungsgericht eine Frist bis zum 01. Januar 2006 gesetzt hatte. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht die Zielsetzung der Vorschrift, Familienleistungen nur für ausländische Staatsangehörige vorzusehen, die sich voraussichtlich auf Dauer in der Bundesrepublik aufhalten, nicht beanstandet. Es hat lediglich die (alleinige) Unterscheidung nach den Aufenthaltstiteln für ungeeignet gehalten, dieses Ziel zu erreichen (vgl. BFH-Urteile vom 15. März 2007 III R 93/03, BFH/NV 2007, 1234 und III R 54/05 BFH/NV 2007, 1298). § 62 Abs. 2 EStG n.F. enthält - nach Auffassung des Senats - nunmehr eine hinreichend differenzierte Regelung, die in zulässiger, typisierender Weise neben dem Aufenthaltsstatus nach Aufenthaltstiteln - nunmehr geregelt durch das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz vom 30. Juli 2004, Bundesgesetzblatt I 2004, 1950) -auch andere Gesichtspunkte, wie etwa die Erwerbstätigkeit und die Integration im Bundesgebiet mit berücksichtigt. Die neue Regelung hält sich innerhalb des verfassungsrechtlich zulässigen Gestaltungsspielraum, der einem Gesetzgeber grundsätzlich zusteht (ebenso BFH-Urteile vom 15. März 2007 III R 93/03 BFH/NV 2007, 1234 , vom 15. März 2007 III R 54/05 BFH/NV 2007, 1298 , vom 25. Juli 2007 III R 55/02 veröffentlicht in [...]Datei; BFH-Beschluss vom 25. Juli 2007 III S 10/07 (PKH) veröffentlicht in [...]Datei; Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2007 10 K 5107/05 Kg EFG 2007, 600 und Finanzgericht Köln Urteil vom 14. Juli 2007 15 K 1928/02, veröffentlicht in [...]Datei).

Die mit Wirkung zum 01.01.2006 in Kraft getretene Regelung des § 62 EStG n. F., die aufgrund der weiteren Anwendungsregelung des § 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG auch für alle Kindergeldstreitfälle gilt, bei denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festsetzt ist, knüpft die Kindergeldberechtigung eines Ausländers zunächst an bestimmte Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz an. Da das Aufenthaltsgesetz, das bis zum 31.12.2004 geltende Ausländergesetz 1990 abgelöst hat, ist bei Sachverhalten, die vor dem 01.01.2005 verwirklicht wurden, wie es im Streitfall ist, zu klären, inwieweit die Aufenthaltsrechte des Anspruchsstellers (hier also des Kl.) den in § 62 Abs. 1 EStG n. F. genannten Titeln entsprechen. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus den Regelungen der §§ 101 ff Aufenthaltsgesetz. Dieses entspricht auch Regelungen zur Anwendung der ebenfalls geänderten §§ 1 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz, 1 Abs. 6 des Bundeskindergeldgesetzes und 1 Abs. 2 a des Unterhaltsvorschussgesetzes. Danach werden die Aufenthaltsgenehmigungen nach dem Ausländergesetz 1990 den Aufenthaltstiteln nach dem Aufenthaltsgesetz entsprechend den Fortgeltungsregelungen in § 101 Aufenthaltsgesetz gleichgestellt (Art. 1 Nr. 5, Art. 3 Nr. 2 und Art. 4 Nr. 2 Ausländeranspruchsgesetz). Neben der Niederlassungserlaubnis (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG n. F.), die hier für den verbliebenen Streitzeitraum nicht in Betracht kommt, kann sich auch aus einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, einen Anspruch auf Kindergeld ergeben. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz wegen eines Krieges im Heimatland oder nach §§ 23 a, 24, 25 Abs. 3 - 5 Aufenthaltsgesetz kann einen Kindergeldanspruch begründen, wenn sich der Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet und geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternteilzeit in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. Nr. 2 c EStG). Duldungen nach den §§ 55 und 56 des Ausländergesetzes 1990 bleiben nach § 102 Aufenthaltsgesetz für den Zeitraum ihrer Geltungsdauer weiter wirksam. Nach Ablauf der Geltungsdauer ist zu unterscheiden, ob eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 - 5 Aufenthaltsgesetz oder eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz erteilt werden kann oder die Duldung nach § 60 a Aufenthaltsgesetz zu verlängern ist. Sie berechtigt weder nach altem noch nach neuem Recht zum Bezug von Kindergeld.

Im Streitfall steht dem Kl. unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kein Anspruch auf Kindergeld zu, denn er hat die Anspruchsberechtigung nicht nachgewiesen. Nach Aktenlage lag im Streitzeitraum Oktober 2002 bis Mai 2007 lediglich eine Aufenthaltsbefugnis bzw. ab 01.01.2005 eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG vor. Da der Kl. keine Arbeitserlaubnis hatte, lag auch kein Anspruch auf Kindergeld vor.

Der Senat hat auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der oben benannten Vorschrift. Er schließt sich insoweit den BFH-Urteilen vom 21. Februar 2008 III R 79/03 BFH/NV 2008, 1036 (mit weiteren Nachweisen) und vom 22. November 2007 III R 54/02 BFH/NV 2008, 457 (mit weiteren Nachweisen) an. In diesen beiden zur Veröffentlichung in BFHE bestimmten Urteilen hat der BFH bekräftigt, dass er von der Verfassungsmäßigkeit des § 62 EStG n. F. ausgeht und auch nach erneuter Prüfung unter Einbeziehung der hiervon abweichenden Entscheidungen des FG Köln vom 9. Mai 2007 10 K 983/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2007, 1254, Revision beim BFH anhängig unter dem Az. III R 43/07) und 10 K 1690/07 (EFG 2007, 1247, konkretes Normenkontrollverfahren anhängig beim Bundesverfassungsgericht - BVerfG - unter dem Az. 2 BvL 4/07) daran festhält, weil diese Entscheidungen insoweit keine neuen Gesichtspunkte enthalten (gleicher Ansicht z. B.: Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 14. April 2008 4 K 2784/07 s. [...]Datei, Urteil des Finanzgerichts München vom 5. Dezember 2007 9 K 3691/07, s. [...]Datei und Urteil des Finanzgerichts Münster vom 19.09.2007, 8 K 1363/04 Kg s. [...]Datei, mit ausführlicher Begründung der Verfassungsmäßigkeit). Der Senat schließt sich diesen Entscheidungen an und verweist zur Begründung auf die dortigen Entscheidungsgründe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.



Ende der Entscheidung

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