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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 07.02.2008
Aktenzeichen: 6 K 4898/05 F
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 10d Abs. 4 S. 4 a.F.
EStG § 10d Abs. 4 S. 5 a.F.
EStG § 17
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2
AO § 177
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

6 K 4898/05 F

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob und in welcher Höhe die erstmalige Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs noch möglich ist.

Der Kläger ist selbständiger Ingenieur und war Alleingesellschafter der GmbH, über deren Vermögen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Dezember 1999 mangels Masse abgelehnt wurde. Der Bevollmächtigte des Klägers, Steuerberater D aus , legte mit Schreiben vom 14.12.2000 namens des Klägers gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für das IV. Kalendervierteljahr 1999 unter Hinweis auf die Insolvenz der GmbH Einspruch ein. Auf die beigezogenen Veraltungsvorgänge wird verwiesen.

Da die Kläger (Kl.) für den Veranlagungszeitraum 1999 zunächst keine Steuererklärung abgegeben hatten, schätzte das Finanzamt (FA) die Einkünfte der Kl. und setzte mit Schätzungsbescheid vom 23.10.2001 die Einkommensteuer (ESt) auf 5.084,00 DM fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In der Folgezeit reichten die Kl. durch den Bevollmächtigten D die ESt-Erklärung 1999 ein. Darin wurden zunächst keine Verluste des Klägers aus der Beteiligung an der der GmbH geltend gemacht. Der Beklagte (Bekl.) setzte mit Änderungsbescheid vom 12.04.2002 die ESt auf 0,00 DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Aufgrund einer Betriebsprüfung (Bp) änderte der Bekl. den ESt-Bescheid 1999 am 19.10.2004 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) dahingehend, dass es die Einkünfte aus selbständiger Arbeit um 84.100,00 DM erhöhte und die ESt auf 7.931,16 EUR heraufgesetzt wurde. In Rahmen eines dagegen gerichteten Einspruchsverfahrens machte der Kl. durch den Bevollmächtigten D Verluste aus der Beteiligung an der GmbH i. H. v. 646.208,13 DM geltend. Daraufhin erließ der Bekl. unter dem 01.04.2005 einen Abhilfebescheid. Als Änderungsvorschrift gab er § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO an. Er setzte bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb einen Verlust von 84.100,00 DM an, die ESt wieder auf 0,00 EUR fest und wies auf den Änderungsrahmen gem. § 177 AO hin. Die u.a. hiergegen eingelegte Klage vom 21.04.2005 unter dem Az. 6 K 4337/05 E, F vor dem Finanzgericht Münster wurde durch inzwischen rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 26.10.2005 abgewiesen. Ein gleichzeitig dazu gestellter Antrag auf Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.1999 bei Gericht wurde ebenfalls mit Gerichtsbescheid vom 26.10.2005 als unzulässig abgewiesen. Der Gerichtsbescheid ist rechtskräftig.

Parallel dazu stellten die Kl. am 21.04.2005 beim Bekl. einen Antrag auf Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.1999 i. H. v. 562.108,13 DM. Der Bekl. lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25.04.2005 ab. Zur Begründung führte er aus, dass der ESt-Bescheid 1999 nicht weiter geändert werden könne und somit die Voraussetzungen für einen Feststellungsbescheid nach § 10 d Abs. 4 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht vorlägen.

Die Kl. haben mit Schreiben vom 27.05.2005 hiergegen Einspruch eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass der ESt-Bescheid des Jahres 1999 noch gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden könne. Die Kl. treffe kein grobes Verschulden daran, dass sie die Verluste nicht schon im Rahmen der ESt-Erklärung geltend gemacht hätten. In den entsprechenden Formularen der Steuererklärung werde nicht ausdrücklich nach Verlusten gefragt. Insoweit könne den Kl. keine Sorgfaltspflichtverletzung unterstellt werden.

Der Bekl. hat mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 07.11.2005 den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen Verlustfeststellungsbescheid nach § 10 d Abs. 4 Satz 1 EStG nicht vorlägen, da der zugrunde liegende ESt-Bescheid 1999 nicht geändert werden könne. Die Kl. träfe ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Verluste. Die Kl. seien während der ESt-Veranlagung steuerlich beraten gewesen. Ein Verschulden des Beraters sei den Kl. insoweit zuzurechnen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die EE des Bekl. vom 07.11.2005 verwiesen, die sich in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindet.

Mit ihrer am 08.12.2005 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgen die Kl. ihr Begehren weiter. Sie sind der Auffassung, dass die Verluste in vollem Umfang zu berücksichtigen seien. Insbesondere sei auch eine Bürgschaft vom 04.06.1998 i. H. v. 300.000,00 DM zu berücksichtigen, da es sich um eine Krisenbürgschaft gehandelt habe.

Die Kl. beantragten,

den Ablehnungsbescheid vom 25.04.2005 aufzuheben und den Verlustabzug nach § 10 d EStG zum 31.12.1999 auf 562.108,13 DM festzusetzen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Verlustfeststellung nicht mehr erfolgen könne. Er verweist insoweit auf seine Ausführungen in der EE vom 07.11.2005.

Der Senat hat am 07.02.2008 in der Sache mündlich verhandelt; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Die Klage ist unbegründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 25.04.2005 und die EE vom 07.11.2005 sind rechtmäßig und verletzen die Kl. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Nach § 10 d Abs. 4 Satz 1 EStG 1999 ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag getrennt nach Einkunftsarten gesondert festzustellen. Nach Satz 2 sind verbleibender Verlustvortrag die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Abs. 1 abgezogenen und die nach Abs. 2 abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag. Gem. § 10 d Abs. 4 Satz 4 EStG 1999 sind Feststellungsbescheide zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit sich die nach Satz 2 zu berücksichtigen Beträge ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. Nach Satz 5 ist Satz 4 entsprechend anzuwenden, wenn der Erlass, die Aufhebung oder die Änderung des Steuerbescheids mangels steuerlicher Auswirkungen unterbleibt. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 10 d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG 1999 für den hier begehrten erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheides über den am Schluss des Veranlagungszeitraum 1999 verbleibenden Verlustabzug nicht vor.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 09.05.2001 XI R 25/99 a.a.O., BFH-Urteil vom 09.12.1998 XI R 62/97 und BFH-Urteil vom 31.07.1996 XI R 4/96 BFH/NV 1997, 180) ist Voraussetzung für die Änderung eines Feststellungsbescheides über den verbleibenden Verlustabzugs, dass der entsprechende Steuerbescheid noch geändert werden kann. Denn nach dem Wortlaut des § 10 d Abs. 4 Satz 4 EStG 1999 reicht es für die Berechtigung der Änderung des Feststellungsbescheides über den verbleibenden Verlustabzug nicht aus, dass sich seine Bezugsgröße betragsmäßig geändert hat. Darüber hinaus ist vielmehr - zweitens - erforderlich, dass es auch verfahrensrechtlich zulässig ist, den Steuerbescheid zu ändern, auf den die Änderung dieser Bezugsgröße zurückzuführen ist. Diese zuletzt genannte Voraussetzung sichert die Bestandskraft des vorausgehenden Steuerbescheids; andernfalls könnten durch eine Änderung des Feststellungsbescheids in einem bestandskräftigen Steuerbescheid enthaltene Fehler in einem späteren Veranlagungszeitraum korrigiert werden. Gleiches gilt auch für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheides über den verbleibenden Verlustabzug. Wird deshalb, wie im Streitfall, erst nach dem Erlass des den Gewinn aus selbständiger Arbeit enthaltenden ESt-Bescheides 1999 nachträglich geltend gemacht, dass tatsächlich auch ein höherer Verlust aus Gewerbebetrieb erzielt worden ist, kann ein (erstmaliger) Feststellungsbescheid, der diesen Verlust als verbleibenden Verlustabzugs des Veranlagungszeitraums 1999 ausweist, nur dann ergehen, wenn der ESt-Bescheid 1999 noch entsprechend geändert werden kann.

3. Die Rechtsprechung des BFH (s. BFH-Urteile vom 09.05.2001 XI R 25/99 a.a.O. undvom 09.12.1998 XI R 62/97 a.a.O.) ist zwar in der Literatur auf Kritik gestoßen (s. Süring DStR 2006, 345, Heuermann StBP 2006, 199, Wendt FR 2006, 594 und 1999, 543, Meyer/Ball DStR 2003, 1229 und 1999 1257 und Heinecke in Schmidt, Einkommensteuergesetz Kommentar 26. Auflage 2007 § 10 d Rdzif. 48). Darin wird u.a. bemängelt, dass bei einer Festsetzung der ESt auf 0,00 DM bzw. EUR die Vorschrift des § 10 d Abs. 4 Satz 5 EStG 1999 lediglich bewirken wolle, dass mangels der Beschwer gegen die Steuerfestsetzung auf 0,00 der erstmalige verbleibende Verlustabzug auf den 31.12. eines Jahres noch festgestellt werden können müsse. Zum Teil wird dabei auf die Besteuerung nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit und die erweiterte Möglichkeit des Verlustübertrags durch die Vorschriften des § 10d Abs. 4 EStG verwiesen. Die Rechtsprechung des BFH führte dann in der Folgezeit dazu, dass die Finanzgerichte unterschiedlich zu der Frage der Möglichkeit der erstmaligen Verlustfeststellung entschieden, wenn die Frist für eine Antragsveranlagung abgelaufen war (s. BFH-Urteil vom 01.03.2006, XI R 33/04, BFHE 212, 497, BStBl II 2007, 919 mit den dort aufgeführten finanzgerichtlichen Urteilen und weiteren Nachweisen). Der BFH hat dann aberim Urteil vom 01.03.2006, XI R 33/04, klargestellt, dass eine fehlende Antragsveranlagung einer erstmaligen Verlustfeststellung nach § 10 d Abs. 4 EStG 1999 nicht entgegenstehe. Dabei hat er noch einmal klargestellt, dass diese Auffassung nicht im Widerspruch zu den BFH-Urteilenvom 09.12.1998 XI R 62/97 a.a.O. und09.05.2001 XI R 25/99 a.a.O. stehe. Die Ablehnung einer Antragsveranlagung wegen Ablaufens der Frist sei kein Steuerbescheid i. S. d. § 10 d Abs. 4 EStG 1999, der der erstmaligen Verlustfeststellung entgegen stehe. Die Kritik an dieser oben aufgezeigten Rechtsprechung des BFH in der Literatur hat schließlich dazu geführt, dass das Hessische Finanzgericht mit Urteil vom 02.03.2006, Az. 2 K 1925/05, DStRE 2007, 273, bei bestandskräftiger Nullveranlagung entschieden hat, dass entsprechend der oben aufgezeigten Rechtsprechung des BFH eine erstmalige Verlustfeststellung gem. § 10 d Abs. 4 Satz 4 EStG nicht möglich sei. Wegen der divergierenden Auffassung innerhalb der Literatur sowie in Teilen der Literatur hat es gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zugelassen, die nunmehr unter dem Az. IX R 69/06 beim BFH anhängig ist. Der erkennende Senat ist trotz der Kritik in der Literatur der Auffassung, dass die Bestandskraft eines 0,00 DM-Bescheides bei der ESt gem. § 10 d Abs. 4 Satz 5 EStG 1999 der erstmaligen Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12. eines Jahres entgegen steht. In § 10 d Abs. 4 Satz 4 EStG 1999 heißt es, dass Feststellungsbescheide zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern sind, soweit sich die nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. Danach ist Voraussetzung für den Erlass eines Feststellungsbescheides u. a. auch, dass der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. Wenn bereits ein Steuerbescheid erlassen ist, so muss dieser zumindest aufzuheben oder zu ändern sein. Dass diese Regelung entsprechend auch für Null-Bescheide gilt, wird in § 10 d Abs. 4 Satz 5 EStG 1999 klargestellt. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich somit eindeutig eine Abhängigkeit des Feststellungsbescheides - auch des erstmaligen - zum Steuerbescheid. Nur wenn der Steuerbescheid abänderbar ist, ist auch ein entsprechender (erstmaliger) Verlustfeststellungsbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern. Damit einher geht zwar zwangsläufig, dass spätestens innerhalb der Einspruchsfrist des Steuerbescheides etwaige Verluste, die zu einem Verlustfeststellungsbescheid führen, geltend gemacht werden müssen. Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 12.06.2002, XI R 26/01, BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681) entgegen, nach der dem Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides nach § 10 d EStG so lange keine Feststellungsverjährung entgegenstehe, als die Festsetzung für künftige ESt-Festsetzungen oder Verlustfestsetzungen nach § 10d EStG von Bedeutung sei. In dem dort entschiedenen Fall stand die erstmalige Verlustfeststellung zum 31.12.1990 nicht dem ESt-Bescheid 1990 entgegen. Ein Verlust aus dem Veranlagungszeitraum 1989, der erstmalig zum 31.12.1990 festzustellen gewesen wäre (§ 52 Abs. 1 EStG in der für den Verlanlagungszeitraum ab 1990 geltenden Fassung), war in dem dort entschiedenen Fall nicht festgestellt worden. Insoweit stand dort die Nichtfestsetzung des verbleibenden Verlustabzugs dem Einkommensteuerbescheid nicht entgegen und war im Rahmen der Festsetzungsverjährung noch erstmalig festzustellen.

Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, dass durch diese Rechtsprechung die Geltendmachung von Verlusten erheblich kürzeren Fristen unterliegt, als wenn ein Verlustfeststellungsbescheid unabhängig von den Änderungsmöglichkeiten des Steuerbescheides ergehen kann. Gleichwohl ist es in Kenntnis dieser Umstände möglich, Verluste im Rahmen der Einspruchsfrist des Est-Bescheides geltend zu machen. Ggf. ist der Steuerbescheid insoweit offen zu halten.

4. Eine Änderung des Est-Bescheides 1999 ist im Streitfall nicht möglich. Denn der ESt-Bescheid 1999 vom 12.04.2000, der einen Gesamtbetrag der Einkünfte i. H. v. 16.279,00 DM auswies, war zunächst bestandskräftig. Die ESt wurde darin auf 0,00 DM festgesetzt. Zwar erging nach der Bp durch den Bekl. ein Änderungsbescheid vom 19.10.2004, der die ESt auf 7.931,16 EUR heraufsetzte. Im Rahmen des dagegen eingelegten Einspruchs konnte der vom Kl. geltend gemachte Verlust aber nur im Rahmen des § 177 AO i. H. v. 84.100,00 DM berücksichtigt werden. Dieser Betrag ergab sich aus der Änderung des ESt-Bescheides vom 12.04.2002 durch den Änderungsbescheid vom 19.10.2004 nach Bp., weil nach Bp. die Einkünfte aus selbständiger Arbeit und damit auch der Gesamtbetrag der Einkünfte um diese 84.100,00 DM zu erhöhen war. Daraus resultierte der Änderungsbescheid vom 01.04.2005, der die Feststellungen der Bp durch die Berücksichtigung des Verlustes nach § 17 EStG in entsprechender Höhe (Teilbetrag von 84.100,00 DM) kompensierte. Eine darüber hinaus gehende Änderung war aufgrund der Bestandskraft des ESt-Bescheides 1999 nicht möglich.

5. Eine Änderungsmöglichkeit ergab sich auch nicht aus § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, da die Kl. ein grobes Verschulden an dem erst nachträglichen Bekanntwerden des gewerblichen Verlustes trifft. Grobes Verschulden setzt Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichen Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (ständige Rechtsprechung s. z.B. BFH-Urteil vom 02.08.1994, VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264 m. w. N.). Der Steuerpflichtige muss sich das Verschulden seines steuerlichen Beraters, welches für das nachträgliche Bekanntwerden ursächlich war, zurechnen lassen. Bei der Bestimmung der einem steuerlichen Berater zumutbaren Sorgfalt ist zu berücksichtigen, dass von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe die Kenntnis und sachgemäße Anwendung der steuerlichen Vorschriften erwartet werden kann. Ihm stehen persönliche Entschuldigungsgründe, die ein Steuerpflichtiger mangels steuerlicher Kenntnisse geltend machen kann, nicht zur Seite (Schöll/Leopold/Madle/Rader, AO-Praktikerkommentar, § 173 Rz. 58 m.w.N.). Der Steuerberater der Kläger hat spätestens mit dem Schreiben vom 14. Dezember 2000 Kenntnis von der Insolvenz der GmbH. Dass er diesen Vorgang im Hinblick auf den Veranlagungszeitraum 1999 für steuerlich irrelevant gehalten hat und einen Verlust aus Gewerbebetrieb in der danach abgegeben Einkommensteuererklärung 1999 am 20.03.2002 nicht geltend gemacht hat, muss als grobes Verschulden angesehen werden. Denn bei Abgabe der Erklärung hätte der steuerliche Berater erkennen können und müssen, dass entsprechende Verluste nach § 17 EStG geltend zu machen sind. Gegebenenfalls hätte er den Bescheid vom 12.04.2002, der an ihn als Empfangsbevollmächtigten ging, offen halten müssen. Dass der Steuerberater trotz dieser eindeutigen Rechtslage nicht erkannt hat, dass dem Kläger im Jahr 1999 ein Verlust nach § 17 EStG entstanden ist, ist nicht nur in Bezug auf den nicht erklärten Verlust des Stammkapitals des Klägers an der GmbH, sondern auch in Bezug auf die nachträglichen Anschaffungskosten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des Klägers aus den Bürgschaften als grobe Sorgfaltspflichtverletzung anzusehen. Denn auch wenn es sich um einen Vorgang handeln mag, der für den Steuerberater des Klägers nicht zu seinem Tagesgeschäft gehört hat, wäre dieser umso mehr verpflichtet gewesen, die Rechtslage z.B. durch Nachschlagen in einem Einkommensteuerkommentar zu überprüfen (vgl. Finanzgericht München Urteil vom 29.10.2007 9 K 1805/06 abgedruckt in [...]Datei). Da keine weiteren Änderungsmöglichkeiten ersichtlich waren, stand der erstmaligen Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.1999 der bestandskräftige ESt-Bescheid 1999 entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht mehr erforderlich ist, § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO. Es liegt eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vor (vgl. unter 4. der Entscheidungsgründe)

Ende der Entscheidung

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