Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 8 K 1363/04 Kg
Rechtsgebiete: EStG, AufenthG


Vorschriften:

EStG § 22 Nr. 3 S. 3 a. F.
EStG § 52 Abs. 61 Buchst. a S. 2
EStG § 62 Abs. 2 S. 1 a. F.
AufenthG § 23 Abs. 1
AufenthG § 25 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

8 K 1363/04 Kg

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zu entscheiden ist, ob die Beklagte (Bekl.) berechtigt war, eine Kindergeldfestsetzung, die den Zeitraum September 2002 bis August 2003 betrifft, aufzuheben.

Der Kläger (Kl.) ist Vater seiner am 00.00.0000 und 00.00.0000 geborenen Kinder E und G, die dem Haushalt des Kl. angehören. Der Kl. und seine Familie stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Sie sind Kosovo-Albaner. Eine Aufenthaltsberechtigung in Form einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis bestand und besteht nicht. Vielmehr wurde die Abschiebung des Kl. lediglich ausgesetzt - Duldung im Sinne der §§ 55 und 56 Ausländergesetz 1990. In der Zeit vom 06.05.2002 bis 21.08.2002 ging der Kl. einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland nach. Über den Beginn der Beschäftigung hatte der Kl. eine entsprechende Bescheinigung vom 29.04.2002 beigebracht und zugleich Kindergeld beantragt. Die damals zuständige Familienkasse I hatte daraufhin durch Bescheid vom 3. Juni 2002 für die beiden Kinder des Kl. gegenüber dem Kl. Kindergeld festgesetzt.

Im August 2003 war der Familienkasse I bekannt geworden, dass das Beschäftigungsverhältnis des Kl. zum 31.08.2002 beendet worden war. Daraufhin hob sie mit Bescheid vom 18. September 2003 die Kindergeldfestsetzung ab September 2002 auf und forderte zugleich für die Zeit vom September 2002 bis August 2003 den überzahlten Kindergeldbetrag in Höhe von 3.696 EUR vom Kl. zurück.

Im hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren verwies der Kl. darauf, dass er seit September 2002 Sozialhilfe erhalte und deshalb das Kindergeld nicht zurückzahlen könne. Das zuständige Sozialamt, das die Sozialhilfe um die gezahlten Kindergeldbeträge gemindert hatte, hatte zunächst zugesagt, das überzahlte Kindergeld zurückzahlen zu wollen. Eine Rückzahlung erfolgte jedoch nicht. Die zuständige Sozialbehörde verweigerte mit Schreiben vom 29.10.2003 die Rückzahlung der an den Kl. ausgezahlten Kindergeldbeträge für den streitigen Zeitraum vom September 2002 bis August 2003. Die Familienkasse I wies daraufhin den Einspruch des Kl. mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 16.02.2004 als unbegründet zurück.

Mit der daraufhin erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter, den gegen ihn gerichteten Aufhebungsbescheid vom 18. September 2003 aufzuheben. Er verweist im Wesentlichen darauf, dass er sich unverzüglich arbeitslos gemeldet habe. Die Familienkasse des Arbeitsamtes I habe daher wissen können und müssen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes nicht mehr vorlägen. Er trage kein Verschulden daran, dass das Kindergeld weitergezahlt worden sei. Wenn das Kindergeld nicht an ihn gezahlt worden wäre, hätte er vom Sozialamt in gleicher Höhe ergänzende Sozialhilfe erhalten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 13.05.2004 verwiesen.

Der Kl. beantragt,

den Bescheid vom 18.09.2003 über die Aufhebung des Kindergeldes und die EE vom 16.02.2004 aufzuheben,

hilfsweise, für den Fall der Klageabweisung,

die Revision zuzulassen.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen

sowie für den Fall der Stattgabe,

die Revision zuzulassen.

Die Bekl. verweist im Wesentlichen darauf, dass ein Kindergeldanspruch für einen ausländischen Staatsangehörigen nur bestehen könne, wenn dieser im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei. Die bloße Duldung des Aufenthaltes, wie sie beim Kl. vorliege, begründe keinen Kindergeldanspruch. Auch das deutsch-jugoslawische Abkommen, das auch für die Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawien gelte, enthalte keinen Anspruch auf Kindergeld, weil nach diesem Abkommen zusätzliche Voraussetzung eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Anspruchsberechtigten sei. Auch der weitere Begünstigungstatbestand nach diesem Abkommen - Geldleistungen aufgrund einer Krankenversicherung wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosengeld - sei hier nicht gegeben. Der Kl. könne sich auch nicht darauf berufen, dass er sich arbeitslos gemeldet habe, weil er den Tatbestand der Arbeitslosigkeit nicht gegenüber der Familienkasse mitgeteilt habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 29.06.2004 und die EE vom 16.02.2004 verwiesen.

Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 19.09.2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der mit dieser Klage angegriffene Änderungsbescheid vom 18.09.2003, mit dem die Kindergeldfestsetzung vom 03.06.2002 ab September 2002 aufgehoben worden ist, ist rechtmäßig. Die ab September 2002 fehlende versicherungspflichtige Beschäftigung des Kl., von der die Bekl. im September 2003 in Kenntnis gesetzt wurde, stellt eine nachträgliche Änderung der für die Kindergeldfestsetzung erheblichen Verhältnisse im Sinne der Änderungsvorschrift des § 70 Abs. 2 EStG dar, weil ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch nach Art. 28 Abs. 1 des deutsch-jugoslawischen Abkommens für Arbeitnehmer in der Fassung vom 30. September 1974 (Bundesgesetzblatt II 1975, 390) entfielen und weil der Kl. für den streitigen Zeitraum als in Deutschland geduldeter Ausländer auch aus keiner anderen Regelung einen Anspruch auf Kindergeld hat. Der Kl. ist daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Nach § 62 Abs. 2 EStG in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (Ausländeranspruchsgesetz - Bundesgesetzblatt I 2006, 2915, BStBl. I 2007, 62) - § 62 EStG n. F. - in Verbindung mit der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG erhalten Ausländer für ihre im Haushalt wohnenden Kinder Kindergeld u. a. dann, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis haben (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG n. F.) oder wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis haben, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG n. F.) oder wenn sie aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 c EStG n. F. besitzen, sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sind, laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch III beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG n. F.). Mit dieser Neuregelung, die rückwirkend ab dem 01. Januar 2006 für alle noch offenen Streitfälle gelten soll, wurde die bisherige Regelung des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 - § 62 EStG a. F. - abgelöst, die der Regelung des § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz in der Fassung des 1. Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (Bundesgesetzblatt I 1993, 2353) - 1.SKWG - entsprach. Die letztgenannte Regelung war durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4/97, Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 111, 160) für verfassungswidrig erklärt worden mit der Maßgabe, dass die verfassungswidrige Norm durch eine Neuregelung zu ersetzen sei, für die das Bundesverfassungsgericht eine Frist bis zum 1. Januar 2006 gesetzt hatte. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht die Zielsetzung der Vorschrift, Familienleistungen nur für ausländische Staatsangehörige vorzusehen, die sich voraussichtlich auf Dauer in der Bundesrepublik aufhalten, nicht beanstandet. Es hat lediglich die (alleinige) Unterscheidung nach den Aufenthaltstiteln für ungeeignet gehalten, dieses Ziel zu erreichen (vgl. BFH-Urteile vom 15. März 2007, III R 93/03, BFH/NV 2007, 1234 und III R 54/05, BFH/NV 2007, 1298). § 62 Abs. 2 EStG n. F. enthält - nach Auffassung des Senats - nunmehr eine hinreichend differenzierte Regelung, die in zulässiger, typisierender Weise neben dem Aufenthaltsstatus nach Aufenthaltstiteln - nunmehr geregelt durch das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz -AufenthG) vom 30. Juli 2004, BGBl. I 2004, 1950 (AufenthG) - auch andere Gesichtspunkte, wie etwa die Erwerbstätigkeit und die Integration eines Ausländers im Bundesgebiet mitberücksichtigt. Die Neuregelung hält sich innerhalb des verfassungsrechtlich zulässigen gesetzlichen Gestaltungsspielraumes, der einem Gesetzgeber grundsätzlich zusteht (ebenso: BFH-Urteile vom 15. März 2007, III R 93/03 BFH/NV 2007, 1234, vom 15. März 2007, III R 54/05, BFH/NV 2007, 1298, vom 25. Juli 2007, III R 55/02, veröffentlicht in [...]; BFH-Beschluss vom 25. Juli 2007, III S 10/07 (PKH), veröffentlicht in [...]; Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2007, 10 K 5107/05 KG EFG 2007, 600 und Finanzgericht Köln - 15. Senat - Urteil vom 14. Juni 2007, 15 K 1928/02, veröffentlicht in [...]).

Die mit Wirkung vom 01.01.2006 in Kraft getretene Regelung des § 62 EStG n. F., die aufgrund der weiteren Anwendungsregelung des § 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG auch für alle Kindergeldstreitfälle gilt, bei denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, knüpft die Kindergeldberechtigung eines Ausländers zunächst an bestimmte Aufenthaltstitel nach dem AufenthG an. Da das AufenthG das bis zum 31.12.2004 geltende Ausländergesetz 1990 abgelöst hat, ist bei Sachverhalten, die vor dem 01.01.2005 verwirklicht wurden, wie es im Streitfall ist, zu klären, inwieweit die Aufenthaltsrechte des Anspruchssteller (hier also des Kl.) den in § 62 Abs. 2 EStG n. F. genannten Titeln entsprechen. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus den Regelungen der §§ 101 ff AufenthG. Dieses entspricht auch Regelungen zur Anwendung der ebenfalls geänderten §§ 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz, 1 Abs. 6 des Bundeserziehungsgeldgesetzes und 1 Abs. 2 a des Unterhaltsvorschussgesetzes. Danach werden die Aufenthaltsgenehmigungen nach dem Ausländergesetz 1990 den Aufenthaltstiteln nach dem AufenthG entsprechend den Fortgeltungsregelungen in § 101 AufenthG gleichgestellt (Art. 1 Nr. 5, Art. 3 Nr. 2 und Art. 4 Nr. 2 Ausländeranspruchsgesetz). Neben der Niederlassungserlaubnis (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG n. F.), die hier nicht in Betracht kommt, kann sich auch aus einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, ein Anspruch auf Kindergeld ergeben. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges im Heimatland oder nach §§ 23 a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG kann einen Kindergeldanspruch begründen, wenn sich der Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufend Geldleistungen nach dem 3. Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 c EStG). Duldungen nach den §§ 55 und 56 Ausländergesetz 1990 bleiben nach § 102 AufenthG für den Zeitraum ihrer Geltungsdauer weiter wirksam. Nach Ablauf der Geltungsdauer ist zu entscheiden, ob eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 bis 5 Aufenthaltsgesetz oder eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz erteilt werden kann oder die Duldung nach § 60 a AufenthG zu verlängern ist. Sie berechtigt weder nach altem, noch nach neuem Recht zum Bezug von Kindergeld.

Im Streitfall steht dem Kl. unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kein Anspruch auf Kindergeld zu, denn er hielt sich in dem streitigen Zeitraum (ab September 2002 bis auf weiteres, mindestens jedoch bis September 2003 - eine Statusänderung wurde auch im nachfolgenden Einspruchs- und Klageverfahren nicht vorgetragen bzw. belegt) lediglich aufgrund einer Duldung nach den §§ 55 und 56 Ausländergesetz 1990 in Deutschland auf. Da der Kl. keiner Beschäftigung nachging, sondern seinen Lebensunterhalt allein durch Sozialhilfe bestritt, erfüllt er auch nicht die weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 2 c EStG (Duldung über einen längeren Zeitraum und Erwerbstätigkeit).

Die gegen die Anwendung des § 62 Abs. 2 EStG n. F. vom Finanzgericht Köln (10. Senat) erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken (Finanzgericht Köln, Vorlagebeschluss vom 09. Mai 2007, 10 K 1690/07, EFG 2007, 1247) teilt der Senat nicht. Die Neuregelung einschließlich der damit verbundenen rückwirkenden Anwendung des § 60 Abs. 2 EStG n. F. auf alle Sachverhalte, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG), ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist auch unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie auch von Ausländern schützt, nicht verletzt. Der Gleichheitssatz ist dann nicht verletzt, wenn für eine gesetzliche Differenzierung/Ungleichbehandlung gewichtige, rechtfertigende Gründe bestehen. Der Senat folgt dabei der Auffassung des Bundesfinanzhofes (Urteile vom 15. März 2007 BFH/NV 2007, 1234 und 1298), die dieser wie folgt begründet hat:

"Während die herkömmlichen Aufenthaltstitel im Sinne des Ausländergesetzes 1990 bzw. des Aufenthaltsgesetzes einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik begründen, die regelmäßig als Vorstufe eines Daueraufenthaltes anzusehen sind, gilt dies bei einer bloßen Duldung nicht (vgl. Renner, ...). Vielmehr wird mit der nach § 56 Abs. 2 Ausländergesetz 1990 auf ein Jahr bzw. nunmehr nach § 60 a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz auf grundsätzlich 6 Monate befristeten erneuerbaren Duldung nur die Abschiebung zeitweise ausgesetzt - Aussetzung der Vollziehung der Ausreiseverpflichtung bzw. Abschiebestop - und die grundsätzlich bestehende Ausreisepflicht des Ausländers nicht beseitigt."

Der Aufenthalt eines geduldeten Ausländers ist daher vom Gesetz her nicht auf eine dauerhafte Integration in Deutschland angelegt und rechtfertigt damit bei typisierender Betrachtungsweise die grundsätzliche Nichtgewährung von Kindergeld (vgl. im Ergebnis ebenso: Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2007, 10 K 5107/05 Kg, EFG 2007, 600).

Auch für Fälle sog. Kettenduldungen gilt im Ergebnis nichts anderes. Mit der Einführung der Rechtsvorschrift des § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz hat der Gesetzgeber die Aufenthaltsgewährung für die bislang geduldeten Ausländer geregelt. Mit dieser neuen Bestimmung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die bisherige Praxis der sog. Kettenduldung beendet wird. Unter bestimmten weiteren Voraussetzungen soll nunmehr die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Zwar stellt die Regelung des § 25 Abs. 5 AufenthG keine in allen Fällen der sog. Kettenduldung anzuwendende Anspruchsgrundlage bei einer Duldungsdauer von 18 Monaten dar. Bei der Prüfung der ebenfalls erforderlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist aber zugleich auch die Zumutbarkeit zu prüfen. Diese bezieht sich auf evtl. Abschiebungshindernisse wie innerstaatliche oder aus Völkerrechtsverträgen abgeleitete Abschiebungsverbote. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung, ausschließlich geduldeten ausländischen Mitbürgern keinen Anspruch auf Kindergeld zu gewähren, sofern sie nicht die in § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG geregelten besonderen Voraussetzungen erfüllen, hinreichend sachlich gerechtfertigt. Die Regelungen in § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG halten sich deshalb in dem dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraum und stellen daher keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2007, EFG 2007, 600 und Finanzgericht Köln, Urteil vom 14. Juni 2007, 15 K 1928/02, veröffentlicht in [...]).

Da die ausländerrechtlichen Tatbestandsmerkmale im Rahmen des Kindergeldrechtes im finanzgerichtlichen Verfahren nicht eigenständig zu prüfen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Februar 1998, VI B 205/97, BFH/NV 1998, 963) und ein Duldungsstatus auch nicht rückwirkend beseitigt wird und da dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz die Zulässigkeit differenzierter Regelungen entnommen werden kann - das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 6. Juli 2004, BVerfGE 111, 160 angeordnet, dass dann, wenn der Gesetzgeber § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz in der Fassung des 1. SKWG nicht ersetzt, als Übergangsregelung § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz in der vor dem 31.12.1993 geltenden Fassung anzuwenden ist, der im Übrigen bei Duldungen nach dem § 55 und 56 Ausländergesetz 1990 keinen Kindergeldanspruch vorsieht - sind nach Ansicht des Senates auch insoweit verfassungsrechtliche Bedenken ausgeräumt (im Ergebnis ebenso Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2007, EFG 2007, 600 und Finanzgericht Köln - 15. Senat - Urteil vom 16. Juni 2007, 15 K 1928/02, veröffentlicht in [...]).

Bedenken bestehen auch nicht hinsichtlich der in § 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG angeordneten Rückwirkung des § 62 Abs. 2 EStG n. F., denn der erwerbslose, von Sozialhilfe lebende Kl. und vergleichbare duldungsberechtigte Ausländer werden in Bezug auf ihre Kindergeldberechtigung nicht schlechter gestellt, als durch die bisherige Fassung des § 62 Abs. 2 EStG a. F. (so auch ausdrücklich BFH-Urteil vom 15. März 2007, BFH/NV 2007, 1234). Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Köln (10. Senat - Urteil vom 9. Mai 2007, 10 K 983/04, EFG 2007, 1254), der in Fällen der sog. Kettenduldung für Zeiträume bis Dezember 2004 eine Anwendung des § 62 Abs. 2 EStG n. F. ablehnt und meint, dass stattdessen der vom Gesetzgeber außer Kraft gesetzte § 62 Abs. 2 EStG a. F. mit der Maßgabe anzuwenden sei, dass Ausländer mit mehrmaligen Verlängerungen der ausländerrechtlichen Duldung mit Ausländern gleichzusetzen sind, die eine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltsbefugnis im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG a. F. haben, kommt nach Auffassung des Senats bereits bzw. auch aus verfahrensrechtlichen Gründen ein derartiger Kindergeldanspruch nicht in Betracht.

Die vom Finanzgericht Köln vertretene gegenteilige Auffassung findet im Gesetz keine Grundlage. Durch Art. 23 Abs. 3 GG und Art. 100 Abs. 1 GG ist die früher aufgrund der Weimarer Verfassung für jeden Richter bestehende Prüfungs- und Verwerfungskompetenz in der Weise eingeschränkt worden, dass die Verwerfungskompetenz nunmehr allein dem Bundesverfassungsgericht zusteht. Die Rechtsprechung ist u. a. an das Gesetz gebunden (Art. 23 Abs. 3 GG). Hält ein Gericht ein für die Entscheidung erhebliches Gesetz für verfassungswidrig, so ist hierüber eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen (vgl. dazu Maunz/Schmidt/Bleibtreu/Klein/Betke, BVerfGE - Maunz - Band II, § 78 Rdn. 1 - 7). Damit wird das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts gesichert (vgl. Maunz, Bd. I, § 31 Rdn. 143 m. w. N., insbesondere unter Bezugnahme auf eine entsprechende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes). Zu Unrecht berufen sich die Finanzgerichte Köln und Niedersachsen - letzteres in einem vor der Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG n. F. ergangenen Urteil vom 23. Januar 2006 (16 K 12/04, EFG 2006, 751 ) für ihre, von dieser gesetzlichen Regelung abweichende Meinung auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Zwar hat dieser in seiner Entscheidung zu Fragen des Verlustausgleiches und Verlustabzuges bei noch offenen Altfällen (§ 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a. F.) keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeholt, weil es die den Steuerpflichtigen begünstigenden Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts zu § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a. F. (BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88) für übertragbar hielt. Diese Entscheidung beruht jedoch nicht darauf, dass der BFH meint, ihm stehe bei gleichgelagerter Interessenlage hinsichtlich einer formell gültigen Norm eine Verwerfungskompetenz zu, weil das BVerfG eine andere Norm mit vergleichbarem Inhalt (hier § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a. F.) für verfassungswidrig erklärt hat. Vielmehr rechtfertigt der BFH seine, die Kernargumentation der Entscheidung des BVerfG zu § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a. F. aufnehmenden Entscheidung (zu § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a. F.) mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a. F. Diese Auslegung berücksichtigt mitentscheidend auch die Entstehungsgeschichte der ab dem Veranlagungszeitraum 1999 geltenden Neuregelung in § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG zum Verlustausgleich und Verlustabzug und insbesondere die aus dem Gesetzgebungsverfahren erkennbare Ausgangslage und den dort erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Es war und ist erkennbar, dass der Gesetzgeber annahm, wegen der genannten Entscheidung des BVerfG bedürfe es keiner Regelung evtl. noch offener Altfälle, weil die Grundsätze des BVerfG für derartige Altfälle anwendbar seien. Der BFH stützt sich in seiner Entscheidung ausdrücklich auf den in dem Gesetzgebungsverfahren erkennbaren mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers, für Altfälle, die allgemeine Verlustausgleichs- und Verlustabzugsregelung anzuwenden und zwar auch für die Altfälle des § 23 EStG. Die Ausgangs- und Interessenlage im vorliegenden Streitfall ist damit nicht vergleichbar, denn es entspricht gerade nicht dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers, noch offene Altfälle aus der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG herauszunehmen und nur eine Regelung für zukünftige Fälle zu treffen. Vielmehr wird ausdrücklich über § 52 Abs. 61 a Abs. 2 EStG die rückwirkende Anwendung des § 62 Abs. 2 EStG n. F. auf alle noch offenen Altfälle verfügt. Eine direkte oder entsprechende teilweise Anwendung älterer Normen, hier also des § 62 Abs. 2 EStG a. F., missachtet daher Art. 20 Abs. 3 GG.

Eine derartige Verfahrensweise lässt sich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, die nach dem Tenor und den maßgebenden Entscheidungsgründen des BVerfG-Beschlusses vom 6. Juni 2004 (BVerfGE 111, 160) zu § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz a. F. verfügte Bestimmung, dass auf noch abgeschlossene Verfahren das bis zum 31. Dezember 1993 geltende Recht anzuwenden ist, wenn der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung des § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetzes nicht bis zum 1. Januar 2006 durch eine Neuregelung ersetzt.

Die Unvereinbarkeitsentscheidung des BVerfG ist nämlich nicht zu § 62 Abs. 2 EStG a. F., sondern nur zu § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz a. F. ergangen. Sie kann daher allein schon aus verfahrensrechtlichen Gründen nur § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz a. F. betreffen. Unerheblich ist, dass § 62 Abs. 2 EStG a. F. vom Wortlaut her nahezu identisch war. Das BVerfG hat im Rahmen der Normenkontrollverfahren eine Entscheidung zu treffen, mit der im Falle der Unvereinbarkeit mit dem GG oder sonstigem Bundesrecht die Nichtigkeitserklärung als gesetzlich normierte Regelentscheidung erfolgt (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfG - vgl. auch Maunz, Bd. I § 31 Rdn. 142). Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus demselben Grunde mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht nicht vereinbar, kann es auch ohne besondere Vorlagefrage diese weiteren Bestimmungen ebenfalls für nichtig erklären (§ 78 Satz 2 BVerfG). Durch die Nichtigkeitserklärung steht die Nichtgeltung der Vorschrift endgültig fest. Sie kann auch nicht wieder aufleben (vgl. Maunz, Bd. I, § 31 Rdn. 155). Für den nicht seltenen Fall, in dem das BVerfG durch eine Nichtigkeitserklärung in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eingreifen würde, besteht die gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Möglichkeit, den Tenor der Entscheidung dahingehend zu fassen, dass das Gesetz mit dem Grundgesetz oder anderem höherrangigem Recht für unvereinbar erklärt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Verstoß der zu prüfenden Rechtsnorm mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 gegeben ist (vgl. Maunz, Bd. II, § 78 Rdn. 11 und 12 und Bd. I, § 31 Rdn. 207 bis 212), wie es auch im Falle der Entscheidung zu § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz war. Unvereinbarkeit bedeutet Unanwendbarkeit. Diese Entscheidung bewirkt eine, auf den Zeitpunkt der Entstehung der Normenkollision zurückwirkende Anwendungssperre. Sie hat materiell-rechtlich dieselbe Konsequenz, wie eine Nichtigkeitserklärung. Die geprüfte Norm ist "defekt". Sie darf bis zur Neuregelung der Materie in dem sich aus dem Tenor der Entscheidung ergebenden Umfang nicht mehr angewendet werden. Auch im Falle der Unvereinbarkeitsentscheidung ist eine Erstreckung auf Bestimmungen des gleichen Gesetzes entsprechend § 78 Satz 2 BVerfG möglich (vgl. Maunz, Bd. I, § 31 Rdn. 219 bis 223 und 246). Dagegen werden Parallelnormen, also Normen, die der streitbefangenen Norm inhaltlich gleichen, weder bei der Nichtigkeitsentscheidung noch bei der Unvereinbarkeitsentscheidung erfasst. Sie bleiben vielmehr intakt und damit anwendbar (vgl. Maunz, Bd. I § 31 Rdn. 165 und 222, § 35 Rdn. 49, 50 u. a. mit Hinweis auf entsprechende Rechtsprechung des BVerfGG, sowie Lechner, Zuck, BVerfG, 4. Aufl. 1996, § 31 Rdn. 34). Bedenken gegen eine derartige Parallelnorm müssten daher in einem weiteren, gesonderten Normenkontrollverfahren geprüft werden. Eine Gerichtsentscheidung, die diese Grundsätze missachtet, verletzt § 20 Abs. 3 GG (Bindung der Rechtsprechung an Recht und Gesetz) und Art. 100 Abs. 1 GG (Vorlagepflicht an das BVerfG).

Aus dem Umstand, dass das BVerfG dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung des § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz a. F. aufgegeben hat, folgt nichts anderes, denn auch diese Frist bezieht sich lediglich auf § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz a. F. Mit einer derartigen "Sanktionsregelung" soll auch nur erreicht werden, dass der Gesetzgeber seiner Verpflichtung nachkommt, die beanstandete Rechtslage mit der Verfassung in Einklang zu bringen. Das gilt sowohl für die Fälle, in denen das BVerfG die Nichtigkeit einer Gesetzesnorm ausspricht, als auch für die Fälle, in denen es eine Unvereinbarkeitserklärung abgibt mit einer Frist zur Neuregelung und, wie im Falle des § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetzes a. F. mit der weiteren Sanktion, dass im Falle der Nichteinhaltung der Frist (01.01.2006) § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung anzuwenden ist. Die letztgenannte Regelung stellt als weitere Sanktion sog. normvertretendes Übergangsrecht dar (vgl. hierzu Maunz, Bd. I, § 31 Rdn. 239, 240, 247 und 248).

Der Gesetzgeber kann jedoch jederzeit dieses Übergangsrecht durch eine andere Regelung ersetzen (vgl. Maunz Bd. I, § 31 Rdn. 190 und § 35, Rdn. 41, 42). Da es sich um Übergangsrecht handelt und dem BVerfG keine, dem parlamentarischen Gesetzgeber vergleichbare Gesetzgebungskompetenz zusteht, tritt jede durch das BVerfG angeordnete Übergangsregelung spätestens mit dem Inkrafttreten der (vom BVerfG verlangten) Neuregelung außer Kraft. Das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn die Neuregelung in der Weise erfolgt, dass die vom BVerfG kassierte Norm inhaltsgleich oder inhaltsähnlich verabschiedet wird (vgl. Maunz, Bd. I, § 35 Rdn. 58 a bis 61).

Unter Berücksichtigung des Tenors der Entscheidung des BVerfG vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160) folgt aus den o. g. Grundsätzen für den Streitfall, dass sich die Unvereinbarkeitserklärung aus dem genannten Beschluss des BVerfG allein auf § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz a. F. bezieht, denn das BverfG hat in seinem Beschluss vom 06. Juli 2004 sich auf eine Entscheidung zu § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz a.F. beschränkt. Trotz einer inhaltsähnlichen Regelung in § 62 Abs. 2 EStG a. F. hatte diese Parallelregelung zum Kindergeldrecht daher bis zu ihrer Ablösung durch § 62 Abs. 2 EStG n. F. Gesetzeskraft. Die Anordnung des Übergangsrechtes für den Fall der Fristversäumnis bezieht sich allein auf Kindergeldfälle, für die das Bundeskindergeldgesetz Anwendung findet, nicht dagegen auf solche, in denen Kindergeld als steuerrechtliches Kindergeld nach den Regelungen des Einkommensteuergesetzes beansprucht wird bzw. zu gewähren ist. § 62 Abs. 2 EStG n. F. schließt unmittelbar an § 62 Abs. 2 EStG a. F. an, ohne dass eine vom BVerfG gesetzte Übergangsfrist verletzt worden ist. Selbst wenn man jedoch mit der Entscheidung des Finanzgerichts Köln (10. Senat) vom 9. Mai 2007 (EFG 2007, 1254) unter Missachtung des Verwerfungsmonopols des BVerfG und unter Missachtung der aufgezeigten Regelungen zur formellen und materiellen Rechtskraft von Entscheidungen des BVerfG zum Einen von einer formellen und materiellen Unvereinbarkeit auch des § 62 Abs. 2 EStG a.F. mit Art. 3 Abs. 1 GG - die dabei auftretende weitere rechtssystematische Frage, wie bei diesen Grundannahmen noch eine verfassungskonforme Auslegung des § 62 Abs. 2 EStG a.F. vorgenommen werden kann, beantwortet das FInanzgericht Köln (10. Senat nicht) - und zum Anderen von einer (befristeten) Geltung der Übergangsregelung des BVerfG oder - entgegen der zutreffenden weiteren Hilfserwägungen des 15. Senats des Finanzgerichts Köln in seinem Urteil vom 14. Juni 2007 (15 K 1928/02, veröffentlicht in [...]) - von einer vergleichbaren, übergangsweisen eingeschränkten Geltung des § 62 Abs. 2 EStG a. F. (Duldung von mehr als einem Jahr = Aufenthaltsgenehmigung oder Aufenthaltserlaubnis) ausgeht, endete diese Übergangsregelung aus den aufgezeigten formellen Gründen mit Inkrafttreten der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG n. F., da § 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG seine rückwirkende Anwendung auf alle noch offenen Fälle noch angeordnet hat. Der Weg einer Selbstentscheidung des Gerichts ohne Beachtung dieser Neuregelung ist damit in jedem Fall auch aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zulässig. Verfassungsrechtliche Bedenken müssten in jedem Fall über einen Vorlagebeschluss (Art. 100 Abs. 1 GG) dem BVerfG unterbreitet werden. Wie ausgeführt, teilt der Senat allerdings nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken zu § 62 Abs. 2 n.F. und zu § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG. Auf verfassungsrechtliche Bedenken zu dem außer Kraft getretenen § 62 Abs. 2 EStG kommt es aus den genannten Gründen nicht an.

Zutreffend verweist die Bekl. auch darauf, dass dem Kl. auch kein Kindergeldanspruch nach Art. 28 Abs. 1 des deutsch-jugoslawischen Abkommens für Arbeitnehmer in der Fassung vom 30. September 1974 (Bundesgesetzblatt II 1975) 390) zusteht. Nach dieser Regelung haben Personen Anspruch auf deutsches Kindergeld, die in der Bundesrepublik beschäftigt sind und den in der Bundesrepublik geltenden Rechtsvorschriften unterliegen oder - als Ersatztatbestand - nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses Leistungen aus der Kranken- oder Arbeitslosenversicherung beziehen. Da sich das Abkommen nach Artikel 2 Abs. 2 Buchstabe d (BGBl. II 1969, 1439) auf die deutschen Vorschriften über das Kindergeld für Arbeitnehmer bezieht, fallen unter beschäftigte Personen im Sinne des Art. 28 Abs. 1 dieses Abkommens nur Arbeitnehmer, soweit sie die genannten Zusatzvoraussetzungen erfüllen. Im Streitfall war der Kl. zwar Arbeitnehmer. Eine entsprechende Beschäftigung im Sinne des Abkommenstatbestandes hat er aber lediglich bis einschließlich August 2002 ausgeübt. Es ist nicht ersichtlich, dass die darüber hinaus geregelten Ersatztatbestände im Streitfall erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne auch BFH-Urteil vom 15. März 2007, BFH/NV 2007, 1998, 1300).

Entgegen der Auffassung des Kl. steht der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab September 2002 auch nicht das Rechtsinstitut der Verwirkung entgegen. Auch insoweit folgt der Senat der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach ist ein Anspruch auf Rückforderung nur dann verwirkt, wenn der Kindergeldempfänger aus dem Verhalten der Familienkasse bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen durfte, dass ihm das zu Unrecht gezahlte Kindergeld belassen werde. Die schlichte Weiterzahlung des Kindergeldes trotz Wegfalles der Anspruchsvoraussetzungen reicht dafür nicht aus. Vielmehr müssen darüber hinaus gehende besondere Umstände vorliegen, die im Streitfall nicht ersichtlich sind (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Februar 2007, III B 1/06, BFH/NV 2007, 1120 und BFH-Urteil vom 15. März 2007, BFH/NV 2007, 1298, 1300 f.).

Mit den Ausführungen des Bundesfinanzhofes im letztgenannten Urteil verweist der Senat jedoch darauf, dass im Streitfall eine Billigkeitsentscheidung in Betracht kommt, über die allerdings im vorliegenden Verfahren mangels entsprechenden Vorverfahrens nicht entschieden werden kann. Es liegt insoweit ein besonderer Sachverhalt vor, als nach den unstreitigen Angaben der Beteiligten der Sozialhilfeanspruch des Kl. um die geleisteten Kindergeldzahlungen für die Zeit vom September 2002 bis August 2003 entsprechend gekürzt worden sind. Bei rechtzeitiger Kenntnis des Sozialamtes vom Wegfall der Kindergeldberechtigung hätte der Kl. aber Anspruch auf eine dem Kindergeldanspruch entsprechende Erhöhung der an ihn vom Sozialamt geleisteten Hilfe zum Lebensunterhalt gehabt. Die rückwirkende Bewilligung erhöhter Hilfe zum Lebensunterhalt ist jedoch nach den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen ausgeschlossen.

Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO oder entsprechend § 74 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Februar 1992, III B 24/25/91, BStBl. II 1999, 764) scheidet im Streitfall nach Auffassung des Senates aus. Zwar kann ein Verfahren beim BVerfG als Musterverfahren in Betracht kommen. Unter Berücksichtigung der Auffassung des 10. Senates des FG Köln, wonach Fälle, in denen Kindergeld für Jahre ab 2005 begehrt wird (= der Vorlagefall) und in denen Jahre vor 2005 streitig sind, unterschiedlich zu beurteilen sind, handelt es sich auch verfahrensrechtlich um unterschiedlich zu beurteilende Verfahren. Es kann daher nicht von einem Musterverfahren im Sinne des § 74 FGO ausgegangen werden. Außerdem ist der Senat der Auffassung, dass das Verfahren des Finanzgerichts Köln (10. Senat) vor dem BVerfG aus den oben genannten Gründen eher als aussichtslos anzusehen ist. Darüber hinaus sieht der Senat ein besonders berechtigtes Interesse der Verfahrensbeteiligten, den Instanzenzug schneller abzuschließen, um ggfl. die Frage einer Billigkeitsentscheidung angehen zu können. Darüber hinaus haben die Beteiligten eine Aussetzung des Verfahrens bzw. ein Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das vorliegende Verfahren beim BVerfG abgelehnt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück