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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 26.01.2004
Aktenzeichen: 8 K 2328/01 GrE
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 16 Abs 1 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Grunderwerbsteuer 1999

hat die Richterin am Finanzgericht ... als Einzelrichterin nach § 6 Abs. 1 FGO am 26. Januar 2004 auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Kaufvertrag über einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück verbundenen mit dem Sondereigentum an einer Wohnung (Nr. 3) gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) rückgängig gemacht worden ist.

Der Kläger (Kl.) erwarb mit notariellem Vertrag vom 26.03.1999 zwei Miteigentumsanteile an einem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an zwei Wohnungen (Nr. 3 und 4) zu einem Kaufpreis von insgesamt 508.972,89 DM (= 2 × 254.486,40 DM) von der Fa. S 1-GmbH, vertreten durch den damaligen Geschäftsführer S 2.

Mit Bescheid vom 14.05.1999 setzte das Finanzamt (FA) Grunderwerbsteuer in Höhe von 17.814 DM fest.

Am 25.08.2000 vereinbarten die Parteien des oben genannten Kaufvertrages durch notariell beurkundeten Vertrag (UR-Nr. 237/00) die Aufhebung dieses ursprünglichen Vertrages vom 26.03.1999. Die Verkäuferin sollte die bisher vom (Erst-) Erwerber gezahlten Raten zurückzahlen; die Löschung eingetragener Auflassungsvormerkungen wurde bewilligt und beantragt.

Mit weiterem Vertrag vom 25.08.2000 (UR-Nr. 238/00) erwarb sodann die T U 2 GmbH, vertreten durch den Kl. als alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer und als Gesellschafter zu 70 % an der T beteiligt, den Miteigentumsanteil an dem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3 zum gleichen Preis, nämlich 254.486,40 DM.

Mit Bescheid vom 27.09.2000 lehnte das FA den Antrag des Kl. auf Aufhebung der Steuerfestsetzung ab.

Der Einspruch des Kl. hatte keinen Erfolg.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kl. weiterhin die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides. Er ist der Auffassung, dass der zu Grunde liegende ursprüngliche Kaufvertrag vom 26.03.1999 tatsächlich rückgängig gemacht worden sei. Denn der Kl. habe kein wirtschaftliches Interesse an der Wohnung Nr. 3 gehabt; immerhin habe er ohne Erfolg versucht, diese Wohnung selbst zu vermarkten. Die T U 2 GmbH sei ausschließlich als Ersatzkäuferin aufgetreten, um eine Werkswohnung für künftige Mitarbeiter zu erwerben. Allein die Tatsache, dass der Kl. als Gesellschafter-Geschäftsführer das Verhalten der erwerbenden Kapitalgesellschaft bestimmen könne, schließe die Vergünstigung nach § 16 Abs. 1 GrEStG nicht aus.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 14.05.1999 sowie den Bescheid vom 27.09.2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23.03.2001 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte (Bekl.) ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 16 GrEStG nicht erfüllt seien. Der Veräußerer des Grundstücks habe seine ursprüngliche Rechtstellung nicht wiedererlangt. Er habe überhaupt kein Interesse daran gehabt, seine ursprüngliche Rechtsstellung zurückzuerlangen. Auch habe der Erwerber am weiteren Schicksal des Grundstücks ein Interesse gehabt. Insoweit habe es sich insgesamt lediglich um eine formale Vertragsaufhebung gehandelt. Überdies sei zu bedenken, dass Erst- und Zweiterwerber miteinander in Verbindung stünden. Da der Kl. an der T U 2 GmbH zu 70 % beteiligt sei, erfülle die Zweiterwerberin nicht die Voraussetzung eines "erwerbenden Dritten". Es handele sich nämlich um eine dem Kl. "nahestehende Gesellschaft", deren Vorgehen der Kl. als Gesellschaftergeschäftsführer in seiner Hand habe. Insoweit komme die T U 2 GmbH als Ersatzkäufer nicht in Betracht (Hinweis auf Finanzgericht (FG) Köln vom 27.04.2000 5 K 4668/98 sowie Boruttau/Sack § 16 Rdz. 62).

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG beruhende Steuerfestsetzung ist rechtmäßig. Sie verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-), denn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG - nur diese Alternative der Regelung kommt hier in Betracht - zur Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges sind im konkreten Fall nicht gegeben.

Der notarielle Vertrag vom 26.03.1999 ist ein Rechtsvorgang, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt. Bei diesem Vertrag handelt es sich um einen Kaufvertrag, mit dem ein Anspruch auf Übereignung inländischer Grundstücke begründet worden ist. Das steuerbare Rechtsgeschäft ist das Verpflichtungsgeschäft.

Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird die Steuerfestsetzung auf Antrag u. a. aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist und die Rückgängigmachung durch Vereinbarung innerhalb von zwei Jahren seit Entstehung der Steuer stattfindet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der das erkennende Gericht folgt, ist ein Erwerbsvorgang dann rückgängig gemacht, wenn sich die Vertragsbeteiligten derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtstellung wiedererlangt. Beide Voraussetzungen, nämlich der Wegfall der Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück einerseits und die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtstellung des Veräußerers andererseits, sind nicht isoliert, sondern in einem sachlichen Zusammenhang zu sehen. Aus diesem Grunde reicht eine bloße formelle Beseitigung von Übereignisansprüchen der bisherigen Vertragsbeteiligten durch eine vertragliche Aufhebung des Kaufvertrages für sich gesehen nicht aus. Vielmehr müssen die Beteiligten den Erwerbsvorgang auch tatsächlich rückgängig gemacht haben. Wenn der Käufer daher das Grundstück weiterhin in der Weise in der Hand behält, dass er und nicht der Verkäufer über den anschließenden Verkauf an einen Dritten bestimmt, dann kommt das ganze einem Weiterverkauf des Grundstücks durch den Käufer an einen Dritten gleich. Dieses kann insbesondere bei einer Auswechslung der Personen des Käufers oder einer geänderten Zusammensetzung der Personen auf der Käuferseite anzunehmen sein, weil der neue Käufer z. B. eine dem bisherigen Käufer nahestehende Person ist; in derartigen Fällen ist eine tatsächliche Rückgängigmachung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung regelmäßig verneint worden (vgl. BFH-Urteile vom 05. Dezember 1995 II R 171/84, BFHE 145, 448, BStBl. II 1986, 271; vom 07. Oktober 1987 II R 139/85, BFH/NV 1988, 806; vom 26. September 1990 II R 107/87 BFH/NV 1991, 482; vom 17. Oktober 1990 II R 148/87 sowie BFH-Beschluss vom 17. Februar 1993 II B 142/92 BFH/NV 1994, 57; Urteil des BFH vom 9. März 1994, II R 86/90, BFHE 173, 568, BStBl. II 1994, 413; Beschluss vom 17.04.2002, II B 120/00, BFH/NV 2002, 1170, Boruttau/Sack § 16 Rdz. 62 m. w. N.). In diesen Fällen schließt sich dem ursprünglichen steuerbaren und auch steuerpflichtigen Erwerbsvorgang ein weiterer Erwerbsvorgang an. Denn dem früheren Erwerber ist - trotz formaler Aufhebung des ursprünglichen tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung - die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verblieben und der Verkäufer war demgemäß nicht aus seinen Bindungen entlassen.

Für die dem Erwerber aus dem Erwerbsvorgang verbliebene Möglichkeit der Verwertung einer noch bestehenden Rechtsposition bedarf es konkreter Feststellungen unter Berücksichtigung des Einzelfalls. Verblieb trotz Aufhebung des ursprünglichen tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts dem Erwerber eine derartige Verwertungsmöglichkeit bei der Weiterveräußerung des Grundstücks, ist die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG auf den ursprünglichen Erwerbsvorgang ausgeschlossen, wenn der Erwerber im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung seine Rechtsposition im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse auch tatsächlich verwertet hat (vgl. BFH vom 19.03.2003, II R 12/01, BStBl. 2003, 770 ff.).

Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Die Eigentumswohnung ist ausschließlich auf Verlangen und im Interesse des Kl. an die von ihm beherrschte GmbH weiter veräußert worden. Zwar schließt nicht jede im eigenen Interesse liegende Einflussnahme des Erwerbers auf die Weiterveräußerung die Anwendung des § 16 GrEStG von vorneherein aus (vgl. BFH vom 19.03.2003, II R 12/01 a. a. O.), anders ist es jedoch, wenn - wie im konkreten Fall - die - tatsächlich ausgeübte - Einflussnahme des Erwerbers auf die Weiterveräußerung als Ausfluss der ihm verbliebenen Rechtsposition zu beurteilen ist. Immerhin war es dem Kl. nicht gelungen, zu ihm angemessen erscheinenden Konditionen einen Fremden als Ersatzkäufer für die nur schwer absetzbare Wohnung zu finden, wobei sich demgegenüber jedoch die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen Verwertung der Eigentumswohnung als Werkswohnung der GmbH für künftige Mitarbeiter eröffnete. Insoweit erfolgte die Veräußerung an die GmbH ausschließlich im Klägerinteresse gleichwohl noch zu Konditionen, die am Markt ganz offensichtlich nicht kurzfristig mehr zu erzielen waren. Somit kam aus jenen faktischen Zwängen heraus für den Kl. nur die von ihm beherrschte GmbH als Käufer in Betracht mit entsprechend ziel- und interessengerichteter Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrages und zeitgleicher Veräußerung des Objekts an die GmbH. Diesem von dem Kl. beherrschten Geschehensablauf und der damit einhergehenden Steuerung der Vorgänge konnte der ursprüngliche Verkäufer faktisch nichts entgegensetzen; infolge der Verknüpfung des Kl. mit der GmbH verblieb dem Kl. die dem ersten Erwerbsvorgang immanente Rechtsposition, auf deren Grundlage er Einfluss auf die anschließende Weiterveräußerung des Grundstücks an seine GmbH ausüben konnte, und genau das hat der Kl. auch - im eigenen wirtschaftlichen Interesse - getan: Er hat tatsächlich den Herrschaftsanspruch über das Grundstück nicht verloren, sondern zeitgleich mit der Aufhebung des Erstvertrages den Weiterverkauf des Grundstücks zu im Wesentlichen gleichen Konditionen an die von ihm beherrschte GmbH als beste wirtschaftliche Lösung veranlasst. Das unmittelbare Aufeinderfolgen der vorbereiteten notariellen Urkunden in Verbindung mit der - dem ursprünglichen Veräußerer gegenüberstehenden - wirtschaftlichen Identität auf der Käuferseite ließ dem früheren Eigentümer allenfalls formalen Handlungsspielraum bei dem Weiterverkauf des Objekts und bestätigt die nicht wirkliche Entlassung der früheren Partner aus ihren vertraglichen Bindungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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