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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 22.02.2008
Aktenzeichen: 9 K 5143/06 G
Rechtsgebiete: GewStG, RL 2003/49/EG, EGV


Vorschriften:

GewStG § 8 Nr. 1
RL 2003/49/EG Art. 1 Abs. 1
RL 2003/49/EG Art. 1 Abs. 10
RL 2003/49/EG Art. 3 Buchst. b
EGV Art. 43
EGV Art. 48
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

9 K 5143/06 G

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen zum Gewerbeertrag gegen die Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 157 vom 26. Juni 2003, S. 49 - im Folgenden: ZLRL -) verstößt.

Die Klägerin, eine GmbH, wurde mit notariell beurkundetem Vertrag vom 31. März 2003 als Vorratsgesellschaft gegründet. Ihr Stammkapital beträgt 25.000 EUR. Am 8. August 2003 erwarb die S::::::: Systems B.V. (S) mit Sitz in A-Stadt (Niederlande) sämtliche Anteile an der Klägerin. Zum neuen Gegenstand des Unternehmens wurde die Herstellung und der Vertrieb von Komponenten für solare Energiegewinnungsanlagen bestimmt. Die Klägerin nahm ihre Geschäftstätigkeit am 1. September 2003 auf.

Die S gewährte der Klägerin mit 11 weitgehend gleichlautenden Verträgen, die in der Zeit zwischen dem 27. August 2003 und dem 1. Dezember 2004 abgeschlossen wurden, Darlehen über insgesamt 5.180.000 EUR. Der Zinssatz sollte 5% betragen, die Rückzahlung auf Abruf der S erfolgen. Die Zinsen für das Streitjahr 2004 beliefen sich auf insgesamt 154.584 EUR.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) rechnete im Gewerbesteuermessbescheid vom 31. März 2006 die Hälfte dieses Zinsbetrags dem Gewerbeertrag hinzu und berief sich hierfür auf § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).

Mit ihrem Einspruch rügte die Klägerin einen Verstoß gegen die ZLRL. Die Hinzurechnung der Hälfte der Dauerschuldzinsen bewirke, dass dieser Teil der Zinszahlungen im Ursprungsstaat besteuert werde. Dies sei durch Art. 1 Abs. 1 ZLRL untersagt. Die Richtlinie ordne die Befreiung von allen Steuern an. Die Erhöhung der Bemessungsgrundlage stehe nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 4. Oktober 2001 C-294/99 (Slg. 2001, I-6813 - Athinaïki Zythopoiia) der Erhebung einer Quellensteuer gleich. Ferner verstoße die Hinzurechnung gegen die Niederlassungsfreiheit des EGV. Denn die Klägerin hätte mit einer inländischen Muttergesellschaft einen Organkreis bilden können; in diesem Fall wäre es nicht zu einer Hinzurechnung gekommen.

Das FA wies den Einspruch zurück. Die ZLRL solle lediglich den Empfänger der Zinsen entlasten, nicht aber den Zinsschuldner. Die Hinzurechnung sei nicht als gesonderte Art der Besteuerung anzusehen, sondern als Gewinnermittlungsvorschrift. Solche Vorschriften würden aber nicht in den Anwendungsbereich der ZLRL fallen. Die fehlende Möglichkeit zur Bildung eines Organkreises führe nicht zu einer Diskriminierung, da die Zinsen im Organschaftsfall gar nicht als Betriebsausgaben abziehbar wären.

Im Klageverfahren hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass Art. 1 Abs. 10 i.V.m. Art. 3 Buchst. b) der ZLRL den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, die Richtlinie nicht anzuwenden, wenn zwischen den beiden Unternehmen nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren eine unmittelbare Kapitalbeteiligung von mindestens 25% bestanden hat, und dass es an einer solchen dauerhaften Beteiligung im Streitfall noch fehlt.

Die Klägerin vertritt hierzu die Auffassung, nach der Rechtsprechung des EuGH stehe es der Berufung auf die unmittelbare Anwendbarkeit einer EG-Richtlinie nicht entgegen, wenn der Mitgliedstaat es unterlassen habe, von besonderen Befugnissen, die ihm einen Ausschluss der Anwendung ermöglicht hätten, Gebrauch zu machen. In § 50g des Einkommensteuergesetzes (EStG), mit dem der deutsche Gesetzgeber die ZLRL in das Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht umgesetzt habe, fehle es aber an einer Ausnahmeregelung für Beteiligungen, die nicht seit mindestens zwei Jahren bestehen. Für die Gewerbesteuer hätte der nationale Gesetzgeber seinen Umsetzungsspielraum nicht in anderer Weise als für die Einkommen- und Körperschaftsteuer ausüben dürfen. Zumindest müsse man davon ausgehen, dass ein Mitgliedstaat, der die Richtlinie für eine bestimmte Steuerart gar nicht umsetze, von seinem Umsetzungsspielraum keinen Gebrauch gemacht hätte. Ansonsten werde der Mitgliedstaat durch die unterbliebene Umsetzung begünstigt. Hilfsweise führt die Klägerin an, seit August 2005 stehe fest, dass die S die Beteiligung an der Klägerin länger als zwei Jahre gehalten habe. Dies müsse auch für das Streitjahr 2004 dazu führen, dass die Mindesthaltedauer als erfüllt zu gelten habe.

Die Klägerin beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 2. November 2006 aufzuheben und den Gewerbesteuermessbetrag 2004 unter Änderung des Bescheids vom 31. März 2006 auf 0 EUR festzusetzen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Berichterstatter hat die Sache am 20. November 2007 mit den Beteiligten erörtert, der Senat hat am 22. Februar 2008 mündlich verhandelt. Auf die jeweiligen Protokolle wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

I. Bei einer Beurteilung am Maßstab allein des nationalen deutschen Gewerbesteuerrechts ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig, dass die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG erfüllt sind. Die Schulden dienen der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals der Klägerin, weil zumindest ihre tatsächliche Laufzeit länger als ein Jahr ist.

II. Die Vorschriften der ZLRL stehen der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG jedenfalls im Ergebnis nicht entgegen.

1. Allerdings fallen die gezahlten Zinsen als solche in den Anwendungsbereich der ZLRL. Die Zinsen erfüllen die Merkmale der Definition des Art. 2 Buchst. a ZLRL; sie sind auch in einem Mitgliedstaat angefallen (dazu Art. 1 Abs. 2 ZLRL). Der Nutzungsberechtigte der Zinsen ist ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats i.S.d. Art. 3 Buchst. a ZLRL; er erhält die Zahlungen zu eigenen Gunsten, nicht nur als Zwischenträger für eine andere Person (vgl. Art. 1 Abs. 4 ZLRL). Vorbehaltlich des Umsetzungsspielraums der Mitgliedstaaten (dazu noch unten 3.) ist das zinszahlende Unternehmen als "verbundenes Unternehmen" des nutzungsberechtigten Unternehmens anzusehen (Art. 1 Abs. 7 i.V.m. Art. 3 Buchst. b ZLRL).

Dies alles ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht mehr streitig.

2. Der Senat kann im Streitfall offen lassen, ob die in Art. 1 Abs. 1 ZLRL angeordnete Rechtsfolge der Hinzurechnung von Entgelten für Dauerschulden zum Gewerbeertrag allgemein entgegen steht.

a) Allerdings ist eine Anwendung der ZLRL auf die Gewerbesteuer nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil diese eine Gemeindesteuer darstellt. Denn die ZLRL ist nach ihrem Art. 1 Abs. 1 auf alle im jeweiligen Mitgliedstaat erhebbaren Steuern anwendbar. Zudem stellt die Gewerbesteuer bei Kapitalgesellschaften einen wesentlichen Teil der gesamten Ertragsteuerbelastung dar; ihre Bemessungsgrundlage ist weitgehend identisch mit derjenigen der Körperschaftsteuer.

Der Anwendung der ZLRL steht auch nicht entgegen, dass § 8 Nr. 1 GewStG bei Anwendung der Systematik des nationalen Rechts möglicherweise als Gewinnermittlungsvorschrift anzusehen ist. Denn die Qualifizierung einer Steuer nach den Maßstäben des Gemeinschaftsrechts ist allein nach ihren objektiven Merkmalen und unabhängig von ihrer Qualifizierung im nationalen Recht vorzunehmen, um eine einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten (EuGH-Urteil vom 4. Oktober 2001 C-294/99, Slg. 2001, I-6813 - Athinaïki Zythopoiia, Rn. 27 m.w.N.).

b) Jedenfalls der deutsche Wortlaut der ZLRL spricht indes eher gegen deren Anwendbarkeit auch auf eine beim zinszahlenden Unternehmen vorzunehmende steuerrechtliche Hinzurechnung.

aa) Nach Art. 1 Abs. 1 ZLRL werden - unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen - in einem Mitgliedstaat angefallene Einkünfte in Form von Zinsen von allen in diesem Staat darauf erhebbaren Steuern befreit, und zwar unabhängig davon, ob die Steuern an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden.

Die Verwendung des Begriffs der "Einkünfte" könnte darauf hin deuten, dass der Richtliniengeber hier nur auf die Besteuerung des Empfängers der Zinszahlungen abstellen will. Denn nur dieser erzielt im steuerrechtlichen Sinne "Einkünfte".

Auch in den Erwägungsgründen 3 und 4 zur ZLRL ist der Begriff der "Einkünfte" verwendet worden.

bb) Nach dem Erwägungsgrund 1 der ZLRL sollen Finanzbeziehungen zwischen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten nicht gegenüber gleichartigen Beziehungen zwischen Unternehmen ein und desselben Mitgliedstaats steuerlich benachteiligt werden. Da die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG auch bei Darlehensbeziehungen zwischen Unternehmen innerhalb Deutschlands vorzunehmen ist, findet eine Benachteiligung grenzüberschreitender Unternehmen nicht statt. Dieser Erwägungsgrund spricht daher ebenfalls nicht für eine Anwendung der Richtlinie auf die gewerbesteuerliche Hinzurechnung.

cc) Im Erwägungsgrund 2 der ZLRL wird darauf abgestellt, dass die gegenwärtigen nationalen Steuervorschriften bei Zinszahlungen nicht immer die Beseitigung der Doppelbesteuerung gewährleisten können. Wenn der Begriff der "Doppelbesteuerung" nach seinem traditionellen Verständnis als doppelte Besteuerung desselben Steuersubjekts angesehen wird, wäre die Hinzurechnung zum Gewerbeertrag des Zinszahlenden nicht als Doppelbesteuerung anzusehen, weil diese Maßnahme nicht die Besteuerung der Zinseinkünfte bei deren Empfänger betrifft.

dd) Der Erwägungsgrund 3 der ZLRL ist darauf gerichtet, eine Einmalbesteuerung der Zinseinkünfte zu gewährleisten. Er dient damit der Vermeidung einer vollständigen Nichtbesteuerung und kann - anders als die Klägerin meint - nicht als Verbot einer indirekten Doppelerfassung verstanden werden.

c) Auf der anderen Seite gibt es gewichtige Argumente für eine Erstreckung des Anwendungsbereichs der ZLRL auch auf solche Vorschriften des nationalen Steuerrechts, die eine Hinzurechnung des Zinsaufwands zum steuerlichen Gewinn des Zinszahlenden anordnen.

aa) Zum einen ist nicht zweifelsfrei, ob der im deutschen Richtlinientext verwendete Begriff der "Einkünfte" auch aus der - insoweit maßgebenden - Sicht des Richtliniengebers zwingend mit einer Beschränkung der Betrachtung allein auf den Zinsempfänger einher gehen soll. Denn im englischen Richtlinientext wird an diesen Stellen jeweils der Begriff "payments" verwendet. Dieser kann im Deutschen mit "Zahlungen" übersetzt werden; derartige "Zahlungen" sind aber sowohl aus der Sicht des Zinsempfängers als auch aus der Sicht des Zinszahlenden gegeben.

bb) Für wesentlich erachtet der Senat das Argument, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit hätten, den Wirkungen der ZLRL auszuweichen, wenn man diese allein auf die Besteuerung des Zinsempfängers beschränken würde. Denn sie könnten dann für die Besteuerung des zinszahlenden Unternehmens Regelungen einführen, die ein Verbot des Abzugs der Zinsaufwendungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage anordnen. Dies würde die Effektivität der ZLRL deutlich einschränken.

Zwar hält der Senat es nicht für zweifelsfrei, ob der Anwendungsbereich einer Richtlinie über ihren Wortlaut hinaus ausgedehnt werden darf, nur weil dies die Effektivität der von ihr beabsichtigten Wirkungen verbessern würde. Allerdings hat der EuGH im Urteil vom 4. Oktober 2001 C-294/99 (Slg. 2001, I-6813 - Athinaïki Zythopoiia) genau eine solche Ausdehnung vorgenommen: Dort wurde die Erhöhung der eigenen Körperschaftsteuer der ausschüttenden Körperschaft als "Steuerabzug an der Quelle" i.S.d. Art. 5 der Mutter-Tochter-Richtlinie angesehen, obwohl ein Quellensteuerabzug systematisch als Besteuerung des Ausschüttungsempfängers anzusehen ist (für eine Übertragung der Grundsätze dieser Entscheidung auf das Verhältnis zwischen § 8 Nr. 1 GewStG und der ZLRL daher Dörr/Fehling, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Fach 2 S. 9375, 9385).

Die Gefahr der Einführung von Abzugsverboten beim zinszahlenden Unternehmen kann auch nicht deshalb vernachlässigt werden, weil solche Regelungen im Hinblick auf die im europäischen Primärrecht gewährleisteten Grundfreiheiten diskriminierungsfrei sein müssten, also auch im reinen Inlandsfall den Abzug untersagen müssten, und daher - zumindest in großem Stil - politisch kaum durchsetzbar sein dürften. Denn die Existenz des § 8 Nr. 1 GewStG (und ab 2008 zusätzlich die Existenz des § 4h EStG) zeigt, dass derartige - für sich genommen diskriminierungsfreie - Regelungen über die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs von Zinsaufwendungen durchaus vorhanden sind.

cc) Auf den ersten Blick scheint auch die Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a ZLRL für die Anwendung der ZLRL auf die gewerbesteuerliche Hinzurechnung zu sprechen: Danach muss der Quellenstaat die Vorteile der ZLRL nicht gewähren bei Zahlungen, die nach seinem Recht als Gewinnausschüttung oder Kapitalrückzahlung behandelt werden. Bei einer Umqualifizierung in Gewinnausschüttungen wird aber - in der Wirkung ähnlich wie bei den Hinzurechnungen nach § 8 GewStG - der Betriebsausgabenabzug der Zinsaufwendungen beim zinszahlenden Unternehmen versagt. Diese Richtlinienbestimmung könnte daher dafür sprechen, dass der Richtliniengeber grundsätzlich auch Besteuerungseffekte beim zinszahlenden Unternehmen in den Wirkungsbereich der ZLRL einbeziehen wollte.

Zwingend ist dies aber nicht, denn die Behandlung der Zinszahlungen als Gewinnausschüttung hat im Quellenstaat nicht nur für das zinszahlende Unternehmen, sondern auch für den Empfänger der Zinszahlungen steuerliche Auswirkungen, weil von Gewinnausschüttungen grundsätzlich Quellensteuern einzubehalten sind. Insofern verbliebe für die Regelung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a ZLRL auch dann ein nennenswerter und sinnvoller Anwendungsbereich, wenn sie sich allein auf die Besteuerung des Empfängers der Zinszahlungen beziehen würde. Danach kann sie nicht als zwingendes Indiz dafür gelten, dass der Richtliniengeber auch die Behandlung der Zinsaufwendungen beim zinszahlenden Unternehmen regeln wollte.

3. Im Streitfall kann all dies offen bleiben, weil jedenfalls die Klägerin sich im Hinblick auf den in Art. 1 Abs. 10 ZLRL zugelassenen Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten nicht unmittelbar auf die ZLRL berufen kann.

a) Nach ihrem Art. 11 richtet sich die ZLRL - im Einklang mit Art. 249 Abs. 3 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrags von Nizza vom 26. Februar 2001, BGBl. II 2001, 1665 (EGV) - an die Mitgliedstaaten. Eine allgemeine, unmittelbare Geltung der Richtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten (vgl. für Verordnungen Art. 249 Abs. 2 EGV) ist damit nicht verbunden.

Allerdings können sich die Bürger nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gegenüber einem Mitgliedstaat unmittelbar auf Bestimmungen einer von diesem nicht oder nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinie berufen, wenn diese Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind und Rechte festlegen, die der Einzelne gegenüber dem Staat geltend machen kann (EuGH-Urteil vom 17. Februar 2005 C-453, 462/02, Slg. 2005, I-1131 - Linneweber und Akritidis, Rn. 33 m.w.N.).

Eine Richtlinie, die den Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum gewährt, ist hinsichtlich derjenigen Bestimmungen unmittelbar anwendbar, "auf die sich angesichts ihres Gegenstands die Einzelnen sinnvollerweise vor Gericht berufen können, auch wenn die Richtlinie in ihrer Gesamtheit nicht durchgeführt worden ist" (EuGH-Urteil vom 19. Januar 1981 C-8/81, Slg. 1982, 53 - Becker, Rn. 30). Wird den Mitgliedstaaten durch die Richtlinie beispielsweise ein Gestaltungsspielraum hinsichtlich einer Frist eingeräumt, bleibt es möglich, den Mindestschutz zu bestimmen, der auf jeden Fall eingeführt werden muss (EuGH-Urteil vom 14. Juli 1994 C-91/92, Slg. 1994, I-3325 - Paola Faccini Dori, Rn. 17). Im Umfang eines solchen Mindestschutzes ("Mindestbestand an Rechten") ist die Richtlinie auch bei unterbliebener Umsetzung unmittelbar anwendbar (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 7. März 2007 I R 25/05, BFHE 217, 419, BStBl. II 2007, 679, unter III.2.a, mit zahlreichen Nachweisen auf die Rechtsprechung des EuGH).

b) Nach Art. 1 Abs. 10 ZLRL steht es den Mitgliedstaaten frei, die Richtlinie nicht anzuwenden, wenn die in ihrem Art. 3 Buchst. b genannten Voraussetzungen (Mindestbeteiligung von 25%) während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren nicht erfüllt waren.

aa) Nach ihrem Wortlaut wäre diese Ausnahmeklausel dann einschlägig, wenn die genannte Mindestbeteiligung während eines Zeitraums von zumindest zwei Jahren nicht bestanden hätte. Bei wörtlicher Auslegung wäre diese Klausel nach Auffassung des Senats aber sinnlos. Denn wenn die Beteiligungsvoraussetzungen während eines mindestens zwei Jahre ohne Unterbrechung andauernden Zeitraums nicht erfüllt waren, sind sie auch im Zeitpunkt der Zinszahlung nicht erfüllt. Dann fehlt es aber schon an der (zwingenden) Voraussetzung des "verbundenen Unternehmens" (Art. 1 Abs. 7 i.V.m. Art. 3 Buchst b ZLRL); des in Art. 1 Abs. 10 ZLRL eröffneten Umsetzungsspielraums bedürfte es nicht mehr.

Zwar erscheint auch eine Auslegung des Art. 1 Abs. 10 ZLRL als möglich, wonach diese Regelung Fälle erfassen soll, in denen zwar im Zeitpunkt der Zinszahlung eine qualifizierte Beteiligung vorhanden war, diese Beteiligung aber in der vorangehenden Zeit während eines Zeitraums von mindestens zwei Jahren nicht gegeben war. Auch eine solche Auslegung wäre aber nicht sinnvoll, weil - wenn man nur weit genug in die Vergangenheit zurück geht - sich immer ein Zwei-Jahres-Zeitraum feststellen lassen wird, in dem noch keine qualifizierte Beteiligung bestanden hat.

Sinnwidrig erscheint auch die Verwendung des Begriffs "mindestens". Denn dadurch hätte es der Mitgliedstaat bei wörtlicher Auslegung in der Hand, durch Anordnung einer beliebig langen Mindestfrist - z.B. der Forderung nach einer während der letzten 100 Jahre ununterbrochen bestehenden qualifizierten Beteiligung -, die durch kaum ein verbundenes Unternehmen erfüllt werden könnte, die Anwendbarkeit der ZLRL in ihrem Kernbereich nahezu vollständig auszuschließen. Statt des Begriffs "mindestens" dürfte daher der Begriff "höchstens" gemeint sein.

bb) Im Ergebnis kann Art. 1 Abs. 10 ZLRL nach Auffassung des Senats sinnvoll nur dahingehend ausgelegt werden, dass es den Mitgliedstaaten frei steht, die Richtlinie nicht anzuwenden, wenn im Zeitpunkt der Zinszahlung die in Art. 3 Buchst. b ZLRL genannten Voraussetzungen noch nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums, der höchstens zwei Jahre betragen darf, erfüllt waren.

Im Streitfall hat sich die S erst am 8. August 2003 an der Klägerin beteiligt. Die Zwei-Jahres-Frist war daher während des Streitjahres 2004 noch nicht abgelaufen.

c) Nach diesen Grundsätzen steht der den Mitgliedstaaten in Art. 1 Abs. 10 ZLRL eingeräumte Umsetzungsspielraum der unmittelbaren Anwendbarkeit der ZLRL im Fall der Klägerin entgegen. Denn die Richtlinie gewährt nur insoweit einen "Mindestbestand an Rechten", als die Beteiligung bereits während eines ununterbrochenen Zeitraums von zwei Jahren bestanden hat. In Fällen, in denen die Beteiligung - wie hier - lediglich während eines kürzeren Zeitraums bestanden hat, ist der Mitgliedstaat hingegen frei, die Anwendung der ZLRL vollständig auszuschließen (ähnlich wohl auch BMF-Schreiben vom 26. April 2004, BStBl. I 2004, 479).

Die von der Klägerin angeführte Entscheidung in der Rs. Denkavit (EuGH-Urteil vom 10. Oktober 1996 C-283, 291, 292/94, Slg. 1996, I-5063) steht dem nicht entgegen. Denn dort hatte der EuGH eine Konstellation zu beurteilen, in der eine vom Mitgliedstaat tatsächlich vorgenommene Einschränkung nicht mit dem von der Richtlinie eröffneten Umsetzungsspielraum vereinbar war. Im hier zu beurteilenden Fall ist hingegen unstreitig, dass Deutschland die Möglichkeit hätte, Fälle wie den vorliegenden im Einklang mit Art. 1 Abs. 10 ZLRL von deren Anwendungsbereich auszunehmen.

Auch aus der Entscheidung in der Rs. Linneweber und Akritidis (EuGH-Urteil vom 17. Februar 2005 C-453, 462/02, Slg. 2005, I-1131, insbesondere Rn. 35) folgt nichts anderes. Dort hat der EuGH zwar ausgeführt, ein Steuerpflichtiger könne sich unmittelbar auf eine in der Mehrwertsteuer-Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung berufen, wenn der Mitgliedstaat auf die Ausübung der ihm durch die Richtlinie ausdrücklich zuerkannten Befugnisse verzichtet oder es unterlassen hat, von diesen Befugnissen Gebrauch zu machen. Indes lag dieser Aussage - ebenso wie in der Rs. Denkavit - ein Fall zugrunde, in dem der Mitgliedstaat von seinem Umsetzungsspielraum tatsächlich Gebrauch gemacht hatte, allerdings in einer nicht der Richtlinie entsprechenden Weise (Verletzung des Grundsatzes der umsatzsteuerlichen Neutralität). In einem solchen Fall spricht Vieles dafür, dem Mitgliedstaat nicht dadurch eine "rückwirkende Nachbesserung" zu gestatten, dass man die Möglichkeit betroffener Bürger, sich unmittelbar auf die Richtlinie zu berufen, ausschließt. Vorliegend hätte Deutschland hingegen - sofern die unter 2. aufgeworfene Frage zu bejahen wäre - die Umsetzung der ZLRL für die Gewerbesteuer vollständig unterlassen. Dann liegt es aber nahe, bei der Beurteilung der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie zu differenzieren zwischen solchen Vorschriften, die dem Mitgliedstaat keinen Spielraum gewähren, und Vorschriften, die dem Mitgliedstaat einen Umsetzungsspielraum belassen, der über die Regelung bloßer Verfahrensvoraussetzungen hinaus geht.

d) Der nationale Gesetzgeber darf bei der Umsetzung der ZLRL auch zwischen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einerseits und der Gewerbesteuer andererseits differenzieren. Dies folgt schon daraus, dass die Regelungstechniken in diesen beiden Rechtsgebieten nicht miteinander vergleichbar sind: So betrifft § 50g EStG die Besteuerung des Empfängers der Zinszahlungen, während § 8 Nr. 1 GewStG allein die Besteuerung des Zinszahlenden betreffen kann.

e) Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung der ZLRL im Streitjahr 2004 sind nicht deshalb rückwirkend erfüllt, weil seit August 2005 fest steht, dass die S ihre Beteiligung an der Klägerin insgesamt mindestens zwei Jahre gehalten hat.

Für eine derartige Rückwirkung enthält der Richtlinientext keine Anhaltspunkte. Insbesondere kann dafür nicht die - von der Klägerin herangezogene - Vorschrift des Art. 1 Abs. 11 ZLRL angeführt werden. Denn dort wird auf den "Zeitpunkt der Zahlung der Zinsen" abgestellt. Eine rückwirkend geänderte Beurteilung der Verhältnisse im Zeitpunkt der Zahlung folgt daraus nicht.

4. Danach kann der Senat offen lassen, ob eine unmittelbare Anwendung der ZLRL im Streitfall auch deshalb ausgeschlossen ist, weil Art. 4 Abs. 1 Buchst. d ZLRL den Mitgliedstaaten einen weiteren Umsetzungsspielraum gewährt, der Deutschland dazu berechtigen würde, die hier zu beurteilenden Darlehenszinsen von der Begünstigung durch die ZLRL auszuschließen.

Nach der genannten Vorschrift muss der Quellenstaat die Vorteile der ZLRL nicht gewähren bei Zahlungen aus Forderungen, die nicht mit Bestimmungen über die Rückzahlung der Hauptschuld verbunden sind, oder wenn die Rückzahlung mehr als 50 Jahre nach der Begebung fällig ist.

Ob die Klausel, die Rückzahlung werde "on demand of S" (d.h. auf Abruf des Gläubigers) fällig, als "Bestimmung über die Rückzahlung der Hauptschuld" anzusehen ist, hält der Senat für zweifelhaft.

Auf der anderen Seite ist es aber denkbar, dass die Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. d ZLRL - ähnlich wie vergleichbare Vorschriften in Doppelbesteuerungsabkommen - nur solche Rechtsverhältnisse erfassen soll, bei denen die Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital problematisch ist (z.B. genussscheinähnliche Finanzierungen). Eine solche Gestaltung liegt bei den im Streitfall vereinbarten Darlehensbeziehungen aber nicht vor.

III. Die Hinzurechnung der Entgelte für Dauerschulden nach § 8 Nr. 1 GewStG verstößt auch nicht gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 43, 48 EGV.

Die Hinzurechnung ist unabhängig davon vorzunehmen, ob der Empfänger der Entgelte seinen Sitz im Inland oder im Ausland hat. Insofern ist die Regelung europarechtlich diskriminierungsfrei.

Auch das Vorbringen der Klägerin, sie werde aufgrund ihrer Rechtsbeziehung zu einer ausländischen Muttergesellschaft steuerlich schlechter behandelt als wenn ihre Muttergesellschaft eine inländische wäre und sie mit dieser einen Organkreis gebildet hätte, greift nicht durch. Der EuGH hat in seiner neueren Rechtsprechung (Urteile vom 13. Dezember 2005 C-446/03, Slg. 2005, I-10837 - Marks & Spencer, und vom 18. Juli 2007 C-231/05, IStR 2007, 631 - Oy AA, Rn. 51 ff.; hierzu auch Kußmaul/Niehren, IStR 2008, 81, 86: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als ein entscheidendes Kriterium der Rechtfertigungsprüfung; ferner Pache/Englert, IStR 2007, 844; Rehm/Nagler, GmbHR 2008, 11, 14) entschieden, beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts seien Regelungen über den grenzüberschreitenden steuerrechtlichen Ausgleich von Verlusten innerhalb eines Konzerns im Allgemeinen nicht erforderlich. Dass innerhalb von - inländischen - Organkreisen die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen (spiegelbildlich auch die Kürzungen) unterbleiben, ist aber unmittelbare Folge der Ergebniszurechnung an den Organträger. Wenn eine solche Ergebniszurechnung europarechtlich nicht geboten ist, gilt dies auch für die weiteren, notwendigen Konsequenzen dieser Ergebniszurechnung (a.A für die - insoweit mit § 8 Nr. 1 GewStG vergleichbare - Regelung des § 4h EStG Musil/Volmering, DB 2008, 12, 15 f.).

IV. Der Senat übt sein ihm durch Art. 234 Abs. 2 EGV eingeräumtes Ermessen dahingehend aus, im Streitfall keine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Es erscheint sinnvoll, zunächst den BFH mit den aufgeworfenen Fragen zu befassen, damit dieser aus der Vielzahl der zu erwartenden Verfahren eines aussuchen kann, das für die Einholung eines Vorabentscheidungsersuchen möglicherweise besser geeignet ist als der Streitfall.

Aus diesem Grund wird die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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