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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 25.11.2008
Aktenzeichen: II 19/2006
Rechtsgebiete: GG, UStG


Vorschriften:

GG Art. 14
UStG § 17 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25.11.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Hinblick auf die Änderung der Bemessungsgrundlage wegen nicht ausgeführter Lieferungen und Leistungen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 UStG 1999).

Die Klägerin betreibt die Verwaltung und Vermietung von Immobilien in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Sie erwarb mit notariellem Vertrag vom 06.05.1998 eine Teileigentumseinheit in dem Objekt a in B von der Firma C, wobei auf die Umsatzsteuerfreiheit verzichtet wurde. Die Teileigentumseinheit sollte vollständig zur umsatzsteuerpflichtigen Vermietung genutzt werden. Der Kaufpreis betrug 50.164.721,86 DM zuzüglich 16% gesetzl. Mehrwertsteuer in Höhe von 8.026.355,50 DM. Die C war verpflichtet, das Grundstück zu bebauen und der Klägerin das Eigentum an der jeweiligen Teileigentumseinheit zu verschaffen. Die Eigentumsumschreibung sollte erst nach vollständiger Kaufpreiszahlung einschließlich Mehrwertsteuer erfolgen (vgl. § 15 Nr. 3 Kaufvertrag vom 06.05.1998). Der Kaufpreis war nach den ursprünglichen Verträgen nach Baufortschritt gemäß den Regelungen der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) zu zahlen (vgl. § 4 Nr. 6 Kaufvertrag vom 06.05.1998). Nachträglich wurden in dem notariellen Änderungsvertrag vom 29.09.1999 monatliche Ratenzahlungen ohne Rücksicht auf den Baufortschritt und unabhängig von der MaBV vereinbart. Eine Sicherheit für die Anzahlungen war nicht vorgesehen. Von dem gesamten Kaufpreis wurden etwa 16 Mio. EUR an die C bezahlt; der Mehrwertsteueranteil des Kaufpreises wurde dadurch entrichtet, dass die Klägerin ihre Vorsteuererstattungsansprüche an die C abgetreten hatte.

Die C erfüllte ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin nicht. Am 23.12.2002 beantragte sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Schreiben vom 14.03.2003 erklärte die Klägerin ihren Rücktritt von dem gesamten Kaufvertrag (vgl. § 13 Nr. 2 u. 3 Kaufvertrag vom 06.05.1998). Die von ihr geleisteten Anzahlungen wurden nicht zurückbezahlt.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2003 vom 10.03.2005, die mit dem Tag des Eingangs beim Finanzamt (17.03.2005) als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 AO) wirkte, gab sie steuerpflichtige Umsätze zu 16% in Höhe von 27.961.698 EUR, abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 728.841,11 EUR und eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG in Höhe von 2.559.113 EUR an. Die so berechnete Umsatzsteuer betrug 6.304.143,78 EUR.

Mit ihrem fristgerecht eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, dass die aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 17 UStG veranlasste Vorsteuerberichtigung in ihrem Falle zu einem ungerechten Ergebnis führe. Denn sie habe die Anzahlungen von rd. 16 Mio. EUR zuzüglich Umsatzsteuer aufwenden müssen und falle wegen der Insolvenz der C mit ihrer Rückforderung fast vollständig aus. Ihre Verpflichtung zur Rückzahlung der Vorsteuerbeträge widerspreche daher dem Neutralitätsgrundsatz der 6. EG-RL. Das Finanzamt wies den Einspruch in der Entscheidung vom 14.12.2005 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt,

die Umsatzsteuererklärung 2003 vom 17.03.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2005 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer in Höhe von 3.745.030,78 EUR festgesetzt wird.

Zur Begründung macht sie Folgendes geltend:

Es sei ihr bewusst, dass sie bei wortgenauer Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG den Vorsteuerabzug zu berichtigen und die abgezogenen Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurückzuzahlen habe.

Im Wege der teleologischen und richtlinienkonformen Auslegung des § 17 UStG habe sie aber den geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Anzahlungen nicht zu berichtigen. Denn die wortgenaue Anwendung der Norm führe zu ihrer einseitigen Benachteiligung. Sie habe die Vorsteuer zurückzuzahlen, ohne dass ihr die vorab gezahlten Kaufpreisraten zurückerstattet würden. Im Ergebnis habe sie die Umsatzsteuerrückforderung des Insolvenzverwalters der C zu finanzieren und dies, obwohl sie ihren Rückforderungsanspruch hinsichtlich der geleisteten Bruttoanzahlungen aufgrund der zu erwartenden Befriedigungsquote im Insolvenzverfahren nicht realisieren könne. Nach der intendierten und durchgeführten Vertragsgestaltung seien die Vorsteuererstattungsansprüche mit den abzuführenden Umsatzsteuerbeträgen auf der Ebene der C verrechnet worden. Im wirtschaftlichen Ergebnis habe das Finanzamt keine Zahlungen geleistet oder empfangen. Eine Rückabwicklung dürfe nicht dazu führen, dass sie dem Finanzamt einen Betrag zu erstatten habe, den sie nicht vom Finanzamt ausbezahlt bekommen habe. Eine solche einseitige Benachteiligung sei nicht mit dem Sinn und Zweck des § 17 Abs. 1 und 2 UStG vereinbar und widerspreche dem aus der 6. EG-RL ableitbaren Grundsatz der Neutralität des Mehrwertsteuersystems. Ihr werde damit zu Unrecht das Ausfallrisiko aufgebürdet. Es solle jedoch nach dem Mehrwertsteuersystem nur der Endverbraucher mit Umsatzsteuer belastet werden, der Unternehmer sei nur der "Steuereinsammler". Das Ausfallrisiko liege somit alleine beim Staat; dies verlange der Grundsatz der Neutralität. Es verweise hierzu auf die Auffassungen von Reiß in UR 2000, 561, 572 und von Nieskens in UR 2002, 586. Auch der BFH habe in seinem Beschluss vom 29.11.2004 (V B 78/04, BStBl. II 2005, 535) festgestellt, dass nach dem Neutralitätsprinzip eine Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen nur bei einer Gefährdung des Steueraufkommens zulässig sei; so liege es in ihrem Fall gerade nicht.

Es könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen und sei nicht mit dem Neutralitätsgrundsatz zu vereinbaren, wenn der zahlungsunfähig gewordene vormalige Lieferer die Umsatzsteuer vom Finanzamt erstattet verlangen könne und dadurch auf Kosten des Vertragspartners und ehemaligen Leistungsempfängers bereichert werde. Dieser müsse aber wie die Klägerin die Vorsteuer an das Finanzamt zurückzahlen, ohne die in ihrer an den Lieferer erbrachten Anzahlung enthaltenen Umsatzsteuer wieder zurückzuerlangen. Sie verweise hierzu auf Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG-Kommentar, § 17 Anm. 166, 170. Auch der EuGH gehe in seiner Entscheidung vom 29.05.2001 (C-86/99, UR 2001, 349) davon aus, dass eine Minderung der Bemessungsgrundlage erst mit Auszahlung des Gutschriftbetrages eintrete. Für ihren Fall bedeute dies, dass § 17 UStG erst anzuwenden sei, wenn die C ihr die Anzahlungen zurückerstattet habe. Für eine teleologische Reduktion bei der Auslegung des § 17 UStG spreche auch das Urteil des BFH vom 09.04.2002 (VII R 108/00, BStBl. II 2002, 562) zu § 37 AO. Danach richte sich der Erstattungsanspruch der Finanzverwaltung grundsätzlich gegen den Abtretungsempfänger als Empfänger der Leistung. Die C habe sich die steuerliche Forderung abtreten lassen und übernehme damit das Risiko des Bestehens dieser Forderung.

Dass nur eine teleologische und richtlinienkonforme Auslegung dem Gesetzeszweck und der 6. EG-RL entspreche, zeige auch die Einführung der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen. Nach aktueller Rechtslage wäre sie selbst Schuldnerin der Umsatzsteuer nach § 13b UStG und hätte gleichzeitig den Vorsteuererstattungsanspruch, so dass sie bei einer Berichtigung nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG nicht erneut benachteiligt würde.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt es vor:

Die Berichtigung des Vorsteueranspruchs, wie von der Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung vorgenommen, entspreche der gesetzlichen Regelung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 UStG. Dies räume die Klägerin auch selbst ein.

Auch die Verwaltungsanweisungen sähen in einem Fall wie dem hier streitigen eine Verpflichtung zur Vorsteuerberichtigung vor (vgl. Abschnitt 223 Abs. 3 Satz 1, Abs. 7 UStR). Der Regelung des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG liege der Gedanke zugrunde, dass kein zu besteuernder Verbrauchsvorgang gegeben sei, wenn eine Leistung nicht ausgeführt werde. Die jeweiligen Berichtigungspflichten der am Umsatz Beteiligten sei unabhängig voneinander. Nach der Rechtsprechung des BFH und der herrschenden Meinung in Literatur und Schrifttum sei die Berichtigungspflicht nicht davon abhängig, dass die Anzahlung zurückgewährt werde. Eine einseitige Benachteiligung der Klägerin durch das Finanzamt sei nicht zu erkennen. Letztendlich habe sie selbst auch die entsprechenden Verträge abgeschlossen.

Wegen des Sachvortrags im Einzelnen verweist das Gericht auf die Schriftsätze der Klägerin vom 16.01.2006 und vom 31.03.2006 und auf die Repliken des Finanzamts vom 09.02.2006 und vom 24.05.2006 und auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2005.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtene Steueranmeldung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Steueranmeldung entspricht den Vorgaben der gesetzlichen Regelungen. Diese verstoßen weder gegen das Grundgesetz noch gegen EG-Recht, insbesondere die Vorschriften der 6. EG-RL.

1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999 hat der Unternehmer, an den ein steuerpflichtiger Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn sich die Bemessungsgrundlage für den Umsatz geändert hat. Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG). Diese Regelung gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG sinngemäß, wenn für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist.

Die Regelung steht im Zusammenhang mit der in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG vorgeschriebenen Besteuerung von Zahlungen vor Ausführung der Leistungen und dem entsprechenden Recht zum Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG (vgl. Abschnitt 223 Abs. 7 Satz 2 UStR).

Die Vorschrift setzt Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b der 6. EG-RL in nationales Recht um, wonach Folgendes bestimmt wird: "Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt, und zwar insbesondere: Wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, insbesondere bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten."

2. Nach der gesetzlichen Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 UStG 1999 waren die von der Klägerin aufgrund der geleisteten Anzahlungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge von ihr zurückzubezahlen. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung für 2003 auch nachgekommen. Die Rechtsanwendung der Vorschriften des § 17 UStG wird von der Klägerin grundsätzlich nicht bestritten.

3. Es finden sich in der Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 14.02.2008 V B 165/06, BFH/NV 2008, 999; BFH-Urteil vom 17.05.2001 V R 38/00, BStBl. II 2003, 434; FG Niedersachsen-Urteil vom 10.03.2008 16 K 482/06, EFG 2008, 1159; FG Nürnberg-Urteil vom 27.06.2006 II 415/03, EFG 2007, 471) und der Kommentarliteratur keine Hinweise auf eine Verfassungswidrigkeit oder EG-Rechtswidrigkeit der maßgeblichen Bestimmungen (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, § 17 Rz. 1, 149 ff; Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG-Kommentar, § 17 Rz. 15, 25, 139 ff, 142; Brockmann in Hartmann/Metzenmacher, UStG-Kommentar, E § 17 Rz. 1, 75).

4. Auch der in der Streitsache erkennende Senat sieht in der Anwendung der streitentscheidenden Normen keine Verletzungen grundrechtlich geschützter Interessen der Klägerin, etwa der Eigentumsgarantie in Art 14 GG, da durch die fiskalische Rückzahlungspflicht lediglich Vermögensdispositionen der Klägerin betroffen sind. Art 14 GG schützt nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten aus dem Steuerschuldverhältnis, sofern nicht dadurch nahezu das gesamte Vermögen entzogen wird (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 03.06.1992 1 BvR 583/86, HFR 1993, 36 und vom 07.06.2005 2 BvR 1822/04, BVerfG K 5, 292, [...]). Die ertragsunabhängigen umsatzsteuerlichen Zahlungsverpflichtungen verletzen grundsätzlich nicht die Vermögensbestandsgarantie (vgl. Papier in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art 14 Rz. 173). Eine Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs. 1 GG brauchte der erkennende Senat daher ebenso wenig in Betracht zu ziehen wie eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art 234 Abs. 2 EGV. Denn es ist im Streitfall weder ein Eingriff in die europarechtlich gesicherten Grundfreiheiten ersichtlich, noch widerspricht die Rückforderung der zunächst erstatteten Vorsteuerbeträge der Regelung in Art 20 Abs. 1 Buchstabe b der 6. EG-RL. Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes liegt nicht vor.

5. Der auf den Begründungserwägungen zu den Mehrwertsteuerrichtlinien fußende Grundsatz der Neutralität verlangt sowohl eine Wettbewerbsneutralität in der Umsatzbesteuerung als auch eine an der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung ausgerichtete Umsatzbesteuerung (vgl. EuGH-Urteil vom 29.05.2001 C-86/99, UR 2001, 349; Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., Einf. Anm. 247). Des Weiteren sind bei der Anwendung der auf den Mehrwertsteuerrichtlinien beruhenden nationalen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zu beachten (vgl. EuGH-Urteil vom 29.04.2004 C-487/01 und C-7/02, UR 2004, 302). Diesen Grundsätzen trägt die Anwendung der Vorschriften in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 UStG 1999 auf den Streitfall Rechnung.

a) Die Klägerin wird durch die Rückforderung der Vorsteuerbeträge, die auf den an die C geleisteten Anzahlungen beruhen, nicht in ihrer Wettbewerbsfähigkeit als Marktteilnehmer verletzt. Die aus § 17 UStG folgenden Berichtigungspflichten trifft die Klägerin unterschiedslos ebenso, wie andere Unternehmen in vergleichbaren Sachverhaltsgestaltungen.

b) Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer in Hinsicht auf die Besteuerung der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung liegt nicht vor. Denn die Klägerin hat den Vorsteuerbetrag aus Leistungsbezügen zurückzuzahlen, den sie im Rahmen der Steuerberechnung als Abzugsbetrag gemäß §§ 15 Abs.1 Nr. 1, 16 Abs. 2 UStG in früheren Besteuerungszeiträumen angesetzt hatte. Die Abtretung der daraus sich ergebenden Umsatzsteuererstattungsansprüche gemäß § 46 AO an die C nach dem notariellen Vertrag vom 06.05.1998 (dort § 4 Nr. 5) änderte nichts an der steuerschuldrechtlichen Beziehung zwischen der Klägerin und dem beklagten Finanzamt. Mit der Abtretung erfüllte die Klägerin lediglich ihre Kaufpreisverpflichtung gegenüber der C aus dem notariellen Vertrag vom 06.05.1998, der auf den Bruttobetrag gerichtet war (vgl. dort § 4 Nr. 2. a und Nr. 5. letzter Satz). Die Klägerin war in dieser Situation nicht als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates tätig (vgl. EuGH-Urteil vom 21.02.2008 C-271/06 (Rz. 21), UR 2008, 508), wie sie es vorträgt. Diese Stellung hatte allenfalls die C als der Lieferer inne.

c) Aber auch in deren Steuerschuldverhältnis mit dem für sie zuständigen Finanzamt ist der Neutralitätsgrundsatz nicht gestört. Denn aufgrund der Regelungen des § 17 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG war dieses Finanzamt nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt des Vertragsrücktritts verpflichtet, die von der C vereinnahmte und abgeführte Umsatzsteuer wieder an die C als den "Steuereinnehmer" zurückzuzahlen. Die in dem notariellen Vertrag vereinbarte umsatzsteuerpflichtige Leistung ist nicht ausgeführt worden. Im Rahmen der maßgeblichen in Betracht zu ziehenden Steuerschuldverhältnisse liegt daher eine Störung des Neutralitätsgrundsatzes nicht vor.

d) Schließlich ist eine Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertauensschutzes im Streitfall nicht ersichtlich. Die Regelungen des § 17 UStG wurden seit dem notariellen Vertragsschluss am 06.05.1998 bis zum Rücktritt von dem Vertrag am 14.03.2003 nicht zum Nachteil der Klägerin geändert. Die Rechtsfolge der Vorsteuerberichtigung bei Vertragsrücktritt war der Klägerin bekannt. Sie konnte sich auf die Rückzahlungsverpflichtung einstellen.

6. Der erkennende Senat kann sich der Auffassung der Klägerin nicht anschließen, die streitentscheidenden Vorschriften § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 UStG 1999 seien für Insolvenzfälle wie dem hier streitigen Sachverhalt einschränkend dahin auszulegen, eine Vorsteuerberichtigung käme nur in Betracht, wenn die geleisteten Anzahlungen tatsächlich zurückgezahlt worden sind.

a) Diese Auslegung findet im Wortlaut der nationalen Vorschrift keine Stütze. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG stellt uneingeschränkt darauf ab, dass der in Anspruch genommene Vorsteuerabzug zu berichtigen ist, wenn die Leistung nicht ausgeführt worden ist. Auch Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b der 6. EG-RL formuliert, dass der ursprüngliche Vorsteuerabzug bei rückgängig gemachten Käufen zu berichtigen ist. Wenn auch nicht der Wortlaut der Regelungen deckungsgleich ist, so entsprechen sie sich jedenfalls in ihrem Sinngehalt. Eine interpretierende Auslegung der nationalen Vorschrift kann das Gericht daher nicht vornehmen.

b) Zudem erlaubt die Richtlinienbestimmung den Mitgliedstaaten, Einzelheiten für die Berichtigung festzulegen. Die in der Richtlinie aufgezählten Berichtigungstatbestände sind nicht abschließend genannt (vgl. EuGH-Urteil vom 29.04.2004 C-487/01 und C-7/02, a.a.O., Rz. 52). Daraus folgt, dass nach der Richtlinienregelung eine Rückgängigmachung von Käufen nicht denknotwendig erforderlich ist, um eine Berichtigung von Vorsteuerabzügen zu bestimmen (vgl. BFH-Beschluss vom 14.02.2008 V B 165/06, BFH/NV 2008, 999). Danach ist das Gericht aufgrund seiner Gesetzesbindung an die sinngerechte Anwendung der nationalen Vorschrift gehalten (Art 1 Abs. 3, Art 20 Abs. 3 GG). Verfassungs- und europarechtliche Zweifel bestehen nicht, wie oben bereits ausgeführt wurde.

7. Allerdings wird in der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, dass in Fällen, in denen über das Vermögen eines Bauunternehmers vor Lieferung des fertigen Bauwerks das Insolvenzverfahren eröffnet wird, der Rückforderungsanspruch des Finanzamts auf die geltend gemachten Vorsteuerbeträge von der Rückzahlung des Entgelts vom Lieferer abhängig gemacht werden soll. Dabei werden jedoch Fallgestaltungen angesprochen, in denen sich der Gegenstand der Werklieferung auf das bisher fertig gestellte Bauwerk (Werk-Torso) beschränkt, der Leistungsaustausch sich also auf den vom Werkunternehmer tatsächlich gelieferten Teil des Werkes bezieht und insoweit der vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger auch Eigentümer des Werk-Torsos geworden ist (vgl. Tehler a.a.O. § 17 Rz. 143, 155; Klenk a.a.O. § 17 Rz. 151; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG-Kommentar, § 17 Anm. 253). Dieser Auffassung folgt wohl auch die Entscheidung des FG Niedersachsen vom 10.03.2008 (16 K 482/06, EFG 2008, 1159 mit Anmerkung Büchter-Hole).

Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Die Klägerin ist nicht Eigentümerin des Grundstücks geworden, auf dem die C das Bauwerk zu errichten hatte. Sie hat auch nicht Eigentum an den von der C errichteten Teilgewerken erlangt. Der Eigentumserwerb sollte erst nach vollständiger Kaufpreiszahlung erfolgen (vgl. § 15 Nr. 3 und Nr. 5 des notariellen Vertrages vom 06.05.1998). Hierzu ist es nach dem rechtswirksamen Rücktritt der Klägerin vom Vertrag am 14.03.2003 nicht gekommen.

8. Der weitergehenden Auffassung von Stadie (in Rau/Dürrwächter, a.a.O. § 17 Anm. 255), auf die sich die Klägerin bezieht, kann der entscheidende Senat nicht folgen.

a) Danach setze die Berichtigung der Vorsteuer und der Rückzahlungsanspruch des Finanzamts gegenüber dem Leistungsempfänger voraus, dass dieser seine geleisteten Vorauszahlungen zurückerhalten habe. Im Falle der Insolvenz des leistungsverpflichteten Unternehmers dürfe diesem die an das Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer nicht rückerstattet werden, wenn nicht vorher an den Leistungsempfänger dessen Anzahlungen zurückgewährt worden seien. Denn der insolvente Unternehmer wäre dann auf Kosten des Leistungsempfängers, der zur Rückzahlung der Vorsteuer verpflichtet sei, ungerechtfertigt bereichert. Das Risiko der Insolvenz habe also der Staat zu tragen, der sich des (später insolvent gewordenen) Unternehmers als Steuereinnehmer bedient habe (vgl. Stadie, Umsatzsteuerrecht, Köln 2005 , Rz. 12.69).

b) Diese Auffassung findet weder im Gesetz noch in der bisherigen Rspr. des BFH eine Stütze und wird in dieser Konsequenz - soweit ersichtlich - auch nicht von anderen Gerichten und Autoren vertreten. Der erkennende Senat sieht im Rahmen der bestehenden Gesetzeslage keine Möglichkeit, der von der Klägerin begehrten Gesetzesinterpretation zu folgen. Es besteht für den hier streitigen Sachverhalt auch keine Regelungslücke, weil das Gesetz diesen Fall eindeutig regelt und zwar unabhängig von der Frage der Rückerstattung der geleisteten Anzahlungen. Das Risiko des Ausfalls der von der Klägerin geleisteten Kaufpreisraten, die sich im Streitfall entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen nach dem Bruttopreis berechnen, abzusichern und zu regeln, hat der Gesetzgeber der vertraglichen Gestaltung der Wirtschaftsteilnehmer überlassen; darüber ist daher ausschließlich nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (vgl. Brockmann in Hartmann/Metzenmacher, a.a.O., E § 17 Rz. 75 a.E.; FG Nürnberg-Urteil vom 27.06.2006 II 415/2003, EFG 2007, 471).

c) Im Streitfall trägt das Ausfallrisiko bei Insolvenz des Bauträgers allein die Klägerin aufgrund der schuldrechtlichen Vereinbarungen, die sie mit der C in dem notariellen Vertrag vom 06.05.1998 getroffen hat. Erfüllt ein Vertragspartner den vereinbarten (Kauf-)Preis, bevor die ihm geschuldete Gegenleistung erbracht wurde, so folgt die Risikoverteilung für Störungen in diesem Vertragsverhältnis aus dem Zivilrecht. Wird die vertraglich vereinbarte Leistung schließlich nicht erfüllt, so steht der Vertragspartei, die mit Teil- oder Anzahlungen in Vorleistung getreten ist, grundsätzlich der Rückforderungsanspruch auf den vollen von ihm geleisteten Anzahlungsbetrag zu; denn die darin enthaltene gesetzliche Umsatzsteuer gehört zum Kaufpreis als unselbständiger Bestandteil des vereinbarten bürgerlich-rechtlichen Entgelts (BGH-Urteil vom 24.02.88 VIII ZR 64/87, BGH E 103, 284, 287). Mit der Abtretung des Vorsteuererstattungsanspruchs zur Begleichung der Umsatzsteuerschuld des Leistungsverpflichteten erfüllt der Käufer/Leistungsberechtigte gegenüber seinem Vertragspartner seine Kaufpreisschuld (vgl. §§ 362, 364 Abs. 1, 365 BGB).

Diesen Regelungen entsprechend war die Kaufpreiszahlung auch in dem notariellen Vertrag vom 06.05.1998 geregelt, den die Klägerin mit der C geschlossen hatte. Nach den Bestimmungen in § 4 des Vertrages war der Bruttokaufpreis geschuldet (§ 4 Nr. 2), den die Klägerin durch Abtretung ihres Umsatzsteuererstattungsanspruchs hinsichtlich der von der C zu zahlenden Umsatzsteuer erfüllen konnte (§ 4 Nr. 5 Abs. 1). Für den Fall des Scheiterns der Aufrechnung war die Klägerin unverzüglich zur Zahlung des Umsatzsteuerbetrages an die C verpflichtet ( § 4 Nr. 5 Abs. 2 u. 3). Demgegenüber waren in den Regelungen zum Rücktrittsrecht (§ 13 des Vertrages) keine Vereinbarungen getroffen worden, die der Klägerin eine Sicherheit hinsichtlich ihres Anspruchs auf die Rückzahlung der geleisteten Kaufpreisraten eingeräumt hätten. Der Vertrag sah lediglich vor, dass die C die empfangenen Leistungen ohne Zins wie vertraglich geschuldet zurückzuerstatten hatte (§ 13 Nr. 5). Damit hatte es die Klägerin versäumt, sich wegen des möglichen Ausfallrisikos hinreichend abzusichern; sie kann diesen Schaden nicht auf den Fiskus, also auf die Allgemeinheit der Steuerbürger abwälzen.

9. Der von der Klägerin hilfsweise angeführte Aspekt, dass ihr bei Geltung der Regelungen des § 13b UStG in der Fassung des HBeglG 2004 das Ausfallrisiko erspart geblieben wäre, trägt nicht. Die Regelungen zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger sollte nicht diesen vor Forderungsausfällen des Vertragspartners schützen, sondern den Fiskus vor den Ausfällen der gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer (vgl. Mößlang, in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 13b Rz.1). Die Regelung kann daher bereits von ihrem Sinn und Zweck her nicht auf den Streitfall angewendet werden. Zudem wäre auch nach dem Wortlaut der Vorschrift in § 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 UStG die Klägerin nicht Steuerschuldnerin geworden, weil sie als vermögensverwaltendes Unternehmen keine Bauleistungen erbringt oder erbracht hat (vgl. Mößlang, in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 13b Rz.34).

10. Schließlich kann die Klägerin ihr Begehren nicht darauf stützen, dass sie ihre Umsatzsteuererstattungsansprüche, die sich aus den für die Kaufpreiszahlungen geltend gemachten Vorsteuerbeträgen ergaben, an die C rechtswirksam gemäß § 46 AO abgetreten hatte. Denn das beklagte Finanzamt konnte den Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 3 AO gegen die Klägerin als Gesamtschuldner geltend machen (§ 44 Abs. 1 AO). Wegen der Insolvenz der C war die Inanspruchnahme der Klägerin sachgerecht (vgl. FG Nürnberg-Urteil vom 27.06.2006 II 415/2003, a.a.O.). Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2005 verwiesen (§ 105 Abs. 5 FGO).

11. Die Klage konnte somit unter keinem Gesichtspunkt erfolgreich sein.

Als der unterliegende Beteiligte hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO).

12. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Entscheidung auf der eindeutigen Gesetzeslage und der gefestigten Rechtsprechung des BFH und EuGH beruht. Die Streitsache hat keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. Gräber/Ruban, FGO-Kommentar, § 115 Rz. 23, 28 ff). Die Auffassung von Stadie, auf die sich die Klägerin beruft, hat weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur überzeugende Zustimmung erfahren. Die Entscheidung des FG Niedersachsen vom 10.03.2008 (16 K 482/06, a.a.O.) erging zu einem Sachverhalt, der mit der hier anhängigen Streitsache nicht vergleichbar ist.

Ende der Entscheidung

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