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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: II 96/04
Rechtsgebiete: UStG, UStDV


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 1a
UStG § 6a Abs. 4
UStDV § 8 Abs. 1
UStDV § 13 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

II 96/04

Umsatzsteuer 1998 bis 2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 10.07.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist die Steuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen von Computerteilen nach Polen, damals Drittland, gem. §§ 4 Nr. 1a, 6 UStG und die entsprechende Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG.

Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und meldete zum 01.11.1997 unter dem Namen N Computer Xxx eine Einzelfirma v.a. im Handel mit Computerteilen im In- und Ausland mit Sitz in Xxx an. Gegenüber dem Finanzamt gab sie als Beginn des Gewerbes den 01.01.1998 an.

Ein vergleichbares Gewerbe hatte vorher bereits ihr Ehemann M N betrieben, der die selbstständige Tätigkeit jedoch im Jahre 1998 beendete und dann als Angestellter im Unternehmen seiner Ehefrau, der Klägerin, weiterhin tätig war und dort sämtliche Geschäfte der Firma erledigte. Die Klägerin hatte mit der Geschäftsabwicklung im Wesentlichen nichts zu tun, sondern nahm nur gelegentlich Postsendungen an.

M N erstellte alle Rechnungen, führte die Buchhaltung und fertigte auch die Steuererklärungen, die die Klägerin als Unternehmerin unterschrieb.

In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1998, 1999 und 2000 gab sie folgende Besteuerungsgrundlagen an:

 VZ 1998 1999 2000
USt-Erkl. vom 10.01.200008.12.200001.02.2002
 DMDMDM
stfr. Ausfuhrlieferung   
LuL zu 15%   
LuL zu 16%   
VoSt aus Re   
Einfuhr USt   
USt-Erstattung  

Für die Streitjahre 2001 und 2002 reichte sie keine Umsatzsteuerjahreserklärungen, sondern nur Umsatzsteuervoranmeldungen ein. Daraus ergaben sich folgende Besteuerungsgrundlagen:

 Voranmeldungszeitraum 1-12/2001 1-6/2002
 DMEuro
stfr. Ausfuhrlieferung  
LuL 16%  
VoSt Re  
Einfuhr USt  
USt-Erstattung 

Den Umsatzsteuererklärungen für 1998 und 1999 stimmte das Finanzamt zunächst zu, so dass sie einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich standen (§ 168 AO).

Mit dem Verwaltungsakt vom 04.10.2001 ordnete das Finanzamt für die Jahre 1998 und 1999 u.a. auch für die Umsatzsteuer eine abgekürzte Außenprüfung nach §§ 193 Abs. 1, 203 AO an, mit der am 05.11.2001 bei der Klägerin begonnen wurde. Wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung durch die Klägerin und deren Ehemann M N wurde die abgekürzte Außenprüfung abgebrochen und die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für die Zeiträume 1998 bis März 2002 durch die Steuerfahndung vorgenommen. Die strafrechtlichen Ermittlungen führte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Xxx unter dem Az. xxx und nach Abtrennung des Verfahrens gegen die Klägerin unter dem Az. xxx.

Danach ergaben sich folgende Feststellungen:

Die Klägerin hatte ganz überwiegend Computerteile nach Polen geliefert. Nur in den Fällen einer Beförderung oder einer Versendung durch die Klägerin waren die Voraussetzungen und Nachweise der Steuerfreiheit gegeben. Bei einigen Ausfuhrlieferungen gab es jedoch keine Nachweise über die Ausfuhr. Dem ganz überwiegenden Teil der Ausfuhrlieferungen an polnische Unternehmen lagen aber Ausfuhrerklärungen mit gefälschten Zollstempeln bei.

Bei diesen Lieferungen, insbesondere an die polnischen Firmen A, B und C wurden die Waren von Beauftragten dieser Firmen im Inland bei der Klägerin abgeholt. Als Nachweis der Ausfuhr nach Polen wurden die Ausfuhranmeldungen mit Stempeln der Grenzzollstellen und als Nachweis des ausländischen Abnehmers, die Rechnungen mit jeweiliger Adressierung an polnische Firmen vorgelegt. Sämtliche Zollstempel waren gefälscht. Die Ausfuhrstempel der deutschen Zollstellen wurden mit Hilfe von Computertechnik aufgebracht. Dabei wurde ein echter Stempelabdruck eingescannt und in eine Bilddatei umgewandelt. Dadurch konnte die Datei weiter ver- und bearbeitet werden, z.B. um das Datum oder die Stempelzahl zu ändern. Die Aufbringung erfolgte dann mit Hilfe eines Farbtintenstrahl- bzw. Laserdruckers. Die Unterscheidung zu echten Stempeln war nur durch das Stempelprüfgerät PSM 100 und durch das Farbbild mit dem Mikroskop möglich. Zu den Zeitpunkten der Warenausfuhr konnte bei den tschechischen bzw. polnischen Zollstellen eine entsprechende Einfuhr nicht festgestellt werden.

Die adressierten Empfängerfirmen, zu denen der Kontakt zwischen M N und O vermittelt wurde, waren zum Zeitpunkt der Lieferungen nicht oder nicht mehr existent bzw. tätig.

Die Firma A war in Polen weder beim Gewerbeamt angemeldet noch im Handelsregister eingetragen. Die Anschrift lt. Rechnungen war nicht existent. In der betreffenden Straße befand sich nur ein weiteres Gebäude mit einer anderen Hausnummer, unter der kein Geschäftsbetrieb festgestellt werden konnte.

Die Firma B war weder beim Gewerbeamt angemeldet noch im Handelsregister eingetragen. Die Anschrift lt. Rechnungen war zwar existent, es befand sich jedoch dort eine Fachhochschule.

Die Firma C bestand zwar seit dem Jahr 1995 unter der Rechnungsanschrift und handelte mit Computern; als Inhaber war C I eingetragen. Dieser erklärte aber, zu den Lieferzeitpunkten nicht mehr unternehmerisch tätig gewesen zu sein. Er war dem Ehemann der Klägerin, M N, auch nicht bekannt.

Aufgrund dieser Feststellungen versagte das Finanzamt die Steuerbefreiung der beanstandeten Lieferungen und änderte mit den Bescheiden vom 23.08.2002 die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1998 und 1999 bzw. setzte die Umsatzsteuer für 2000 und 2001 wie folgt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest:

 VZ 1998 1999 2000 2001
 DMDMDMDM
stfr. Ausfuhrlief.    
LuL zu 15%    
LuL zu 16%    
VoSt aus Re    
Einfuhr USt    
USt-Erstattung   

Auf der Grundlage des Fahndungsberichts vom 07.02.2003 änderte das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzungen für 2000 und für 2001 erneut jeweils mit den Bescheiden vom 13.03.2003 hinsichtlich der abziehbaren Vorsteuerbeträge wegen der - hier unstreitigen - Feststellungen zur Firma D Xxx.

Für das Jahr 2000 ließ es nur noch Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern i.H.v. ...... DM zu und setzte eine Umsatzsteuerzahllast von ..... DM fest.

Für das Jahr 2001 ließ es nur noch abziehbare Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern i.H.v. ...... DM zu und setzte eine Umsatzsteuerzahllast von ...... DM fest.

Hinsichtlich des Streitjahres 2002 änderte das Finanzamt aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung zunächst mit Bescheiden vom 18.03.2003 die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Januar bis März 2002. Da die Klägerin die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2002 nicht einreichte, ermittelte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für das ganze Jahr im Wege der Schätzung und setzte mit dem Bescheid vom 26.01.2004 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung eine Umsatzsteuererstattung von ..... EUR fest. Dabei legte es steuerfreie Lieferungen i.H.v. ..... EUR, steuerpflichtige Lieferungen zu 16% von ..... EUR und abziehbare Vorsteuerbeträge von ..... EUR in Anlehnung an die eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis Juni 2002 zugrunde.

Die Klägerin legte gegen sämtliche Steuerbescheide fristgerecht Einsprüche ein, die das Finanzamt bezüglich der Umsatzsteuerbescheide für 1998 bis 2001 und für die Umsatzsteuervorauszahlungen in der Gestalt des Umsatzsteuerbescheides für 2002 jeweils mit Bescheiden vom 24.05.2004 als unbegründet zurückwies. In den Einspruchsentscheidungen hob es jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 1998 und 1999 jeweils vom 23.08.2002 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24.05.2004 aufzuheben und die Umsatzsteuer entsprechend den eingereichten Umsatzsteuererklärungen festzusetzen, die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2000 und 2001 jeweils vom 23.08.2002 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 13.03.2003, diese in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.05.2004 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 2000 entsprechend der für das Streitjahr eingereichten Umsatzsteuererklärung unter Berücksichtigung der Kürzung der Vorsteuer in Höhe von ....... DM aus den Rechnungen des D festgesetzt wird sowie die Umsatzsteuer für das Jahr 2001 entsprechend den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen jedoch gemindert um die Vorsteuer in Höhe von ..... DM aus den Rechnungen des D mit .... DM festgesetzt wird, die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen Januar bis März 2002 vom 18.03.2002, in Gestalt des Umsatzsteuerbescheides für 2002 vom 26.01.2004, dieser in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.05.2004 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 2002 entsprechend den eingereichten Voranmeldungen für Januar bis Juni 2002 (in Höhe von .... EUR) gemindert um die Vorsteuer in Höhe von ..... EUR aus den Rechnungen des D mit ........ EUR festgesetzt wird.

Zur Begründung trägt sie folgendes vor:

Das Finanzamt gehe in den angefochtenen Bescheiden von der fehlerhaften Anwendung der Vorschrift des § 4 Nr. 1a i.V.m. § 6 UStG aus und verneine zu Unrecht die Steuerbefreiung der von ihr durchgeführten Ausfuhrlieferungen. Zudem sei von Bedeutung, dass das gegen sie geführte Steuerstrafverfahren gem. § 153a StPO eingestellt worden sei.

Sie habe in erheblichem Umfang Waren nach Polen, damals ein Drittstaat, ausgeführt, wobei die Gegenstände von den Abnehmern befördert worden seien. Die Waren seien tatsächlich aus dem Zollgebiet der Bundesrepublik Deutschland - EU - ausgeführt und in das Zollgebiet der Republik Polen eingeführt worden. Dies sei auch von dem ermittelnden Fahndungsprüfer so gesehen worden. Ungeachtet dessen verweigere das Finanzamt die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferungen mit der Begründung, die Belege seien mit gefälschten Zollstempeln versehen und daher könne der erforderliche Ausfuhrnachweis nicht erbracht werden. Die Fälschungen seien jedoch nicht mit bloßem Auge erkennbar gewesen, sondern nur, wenn das Stempelabbild mit einem Mikroskop untersucht worden sei. Sie - die Klägerin - habe sich zur Absicherung ihres Steuerbefreiungsanspruches erst dann auf die Auszahlung bzw. Verrechnung der auf den Kaufpreis entfallenden Mehrwertsteuer eingelassen, wenn der amtliche Ausfuhrnachweis von den Abnehmern vorgelegt worden sei. Jedenfalls sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass die Nachweise mit gefälschten Zollstempeln versehen waren. Sie habe daher davon ausgehen können, dass sie den materiell-rechtlichen Voraussetzungen i.S.v. § 6 UStG und § 8 UStDV genügt habe.

Unter diesen Umständen stelle sich die Frage, ob die Rechtsansicht des Finanzamtes richtig sei, wonach die materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung nur in der Vorlage eines Ausfuhrnachweises mit nicht gefälschten Zollstempeln vorliege. Es sei dabei auf die Regelung in § 6a Abs. 4 UStG zu verweisen, worin der Gesetzgeber einen vergleichbaren Fall bei innergemeinschaftlichen Lieferungen regele. Danach komme der Unternehmer gleichwohl in den Genuss der Steuerbefreiung, wenn er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes beachtet habe und gleichwohl die Mangelhaftigkeit des Ausfuhrnachweises nicht erkennbar gewesen sei. Für sie, die Klägerin, sei aber der Unterschied zwischen den echten und den gefälschten Ausfuhrstempeln weder anhand der Farben, noch aufgrund anderer Umstände erkennbar gewesen. Es sei zu berücksichtigen, dass sich die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes auf die ordnungsgemäße Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten beziehe, nicht jedoch auf den Leumund seiner Geschäftspartner.

Sie sei der Auffassung, dass sich dem BFH-Beschluss vom 02.03.2006 Az. V R 7/2003 - EuGH-Vorlage - der allgemeine Grundsatz entnehmen lasse, dass der vorlegende Senat des BFH im Hinblick auf den auch im Steuerrecht allgemein geltenden Grundsatz des Vertrauensschutzes es für zweifelhaft halte, ob die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung auch dann regelmäßig versagt werden dürfe, wenn der liefernde Unternehmer die Fälschung des Ausfuhrnachweises auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht habe erkennen können. Diese Grundsätze seien auch außerhalb eines Billigkeitsverfahrens im Festsetzungsverfahren, wie im Streitfall, zu berücksichtigen. Sie sei weiter der Auffassung, dass sich der BFH im Beschluss vom 02.03.2006 von seiner früheren Rechtsauffassungim Beschluss vom 06.05.2004 Az. V B 101/2003 distanziert habe.

Schließlich habe sich aus den Verhandlungen vor dem Strafgericht ergeben, dass es sich bei den Adressaten der Ausfuhrlieferungen nicht um Scheinfirmen gehandelt habe. Die Ermittlungen der Steuerfahndung hierzu habe Zeiträume betroffen, die erst nach der Zeit der Geschäftsbeziehungen mit ihr gelegen hätten. Vielmehr hätten die Bescheinigungen den üblichen Nachweisen für die Existenz der Firmen genügt, so dass kein Zweifel bestanden habe, dass die Firmen zu den benannten Zeitpunkten nach in dem Drittland geltenden Recht ordnungsgemäß eingetragen oder angemeldet gewesen seien.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt es folgende Gesichtspunkte an:

Es werde nicht in Zweifel gezogen, dass die betreffenden Waren offenbar tatsächlich existiert und wohl auch verkauft worden seien. Es habe jedoch nicht zweifelsfrei ermittelt werden können, an wen die Waren verkauft worden seien. Zum einen hätten die Ermittlungen ergeben, dass die Unternehmen teilweise nicht existiert hätten bzw. als Scheinfirmen zu betrachten gewesen seien. Zum anderen habe der Verbleib der Waren weder in Polen noch in Deutschland zweifelsfrei ermittelt werden können. Es habe auch nicht festgestellt werden können, ob die Waren jemals die deutschen Außengrenzen überschritten hätten.

Damit sei aber der Ausfuhrnachweis als materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung der jeweiligen Lieferungen nicht geführt worden. Denn die Ausfuhren seien eben nicht eindeutig und leicht nachprüfbar gewesen. Es seien auch nur inhaltlich richtige Belege geeignet, den Nachweis für eine steuerfreie Ausfuhrlieferung zu erbringen; gefälschte Belege würden hierfür nicht genügen. Es spiele dabei keine Rolle, ob die Fälschung leicht und eindeutig nachprüfbar gewesen wäre. Die Regelung des § 6a Abs. 4 UStG könne nicht herangezogen werden, weil sie ausschließlich eine Sonderregelung für innergemeinschaftliche Lieferungen darstelle.

Das Gericht hat die Akten der Staatsanwaltschaft Xxx das Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin bzw. ihren Ehemann betreffend (Az. xxx bzw. xxx) zu dem Verfahren beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg, weil die gesetzlichen Voraussetzungen steuerbefreiter Ausfuhrlieferungen nicht vorliegen und die Klägerin sich nicht auf die entsprechende Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG berufen kann.

1. Gemäß § 4 Nr. 1a UStG 1993/1999 sind die Ausfuhrlieferungen steuerfrei. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG liegt (für den hier streitigen Sachverhalt) eine Ausfuhrlieferung vor, wenn bei einer Lieferung der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet (hier Polen) befördert oder versendet hat und ein ausländischer Abnehmer ist. Die Voraussetzungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein (§ 6 Abs. 4 Satz 1 UStG). Hierbei muss der Unternehmer gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 UStG i.V.m. § 8 Abs. 1 UStDV durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat (Ausfuhrnachweis). In den Fällen, in denen der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert hat (Beförderungsfälle), soll der Unternehmer den Ausfuhrnachweis regelmäßig durch einen Beleg führen, der u.a. eine Ausfuhrbestätigung der den Ausgang des Gegenstandes aus dem Gemeinschaftsgebiet überwachenden Grenzzollstelle eines Mitgliedstaates enthält (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 UStDV). Der Ausfuhrnachweis ist Bestandteil des buchmäßigen Nachweises der Ausfuhrlieferung gemäß § 13 Abs. 1 UStDV (vgl. BFH-Beschluss vom 10.02.2005 V R 59/03, BStBl. II 2005, 537).

Eine steuerfreie Ausfuhrlieferung liegt nur dann vor, wenn feststeht, dass der Abnehmer ein ausländischer Abnehmer ist. Diese Voraussetzung hat der Unternehmer nachzuweisen; insoweit trägt er die materielle Beweislast. Die Steuerbefreiung darf nur bei inhaltlich zutreffendem Nachweis gewährt werden (BFH-Beschluss vom 26.11.2001 V B 88/00, BFH/NV 2002, 551). Daher sind bei fehlerhaften Ausfuhrbelegen, insbesondere bei Fälschungen, die Nachweisvoraussetzungen nicht erfüllt. Denn aus einem gefälschten Beleg ergibt sich gerade nicht eindeutig und leicht nachprüfbar im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass eine Ausfuhrlieferung ins Drittlandsgebiet erfolgt ist (vgl. FG Köln Urteil vom 25.08.2005, Az. 6 K 494/05, EFG 2006, 143). Dies gilt auch dann, wenn die Fälschung nicht von dem liefernden Unternehmer zu vertreten ist und er diese nicht hat erkennen können (vgl. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG-Kommentar, § 6 Tz. 83.1).

2. Nach diesen Grundsätzen kann die Steuerfreiheit der streitigen Ausfuhrlieferungen, wie von der Klägerin beantragt,

nicht anerkannt werden. Denn die Klägerin hat in den vom Finanzamt beanstandeten Fällen keine Ausfuhrbestätigungen der Grenzzollstellen vorgelegt. Zur Überzeugung des Gerichts, die sich auf die eindeutigen Ermittlungen der Steuerfahndung und der Zollfahndung gründet, tragen die vorgelegten Ausfuhrnachweise durchweg gefälschte Stempelabdrucke; dies wird von der Klägerin auch eingeräumt.

Aus den hier vorliegenden gefälschten Zollstempeln ergibt sich gerade nicht eindeutig und leicht nachprüfbar, dass eine Ausfuhr tatsächlich stattgefunden hat. Vielmehr spricht eine Fälschung von Ausfuhrbescheinigungen eher dafür, dass die Waren nicht bzw. nicht ordnungsgemäß in ein Drittland wie hier Polen gelangt sind. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die steuerbefreite Ausfuhr entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen in § 6 Abs. 1 und 4 UStG i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 4 UStDV nicht (auch) mit gefälschten Belegen nachgewiesen werden. Denn die Steuerbefreiung darf nach ständiger Rechtsprechung nur bei inhaltlich zutreffendem Nachweis gewährt werden (BFH-Beschluss vom 26.11.2001 V B 88/00, a.a.O.).

3. Nach den Umständen des Streitfalles liegen keine anderen Belege oder Beweismittel vor, die ausnahmsweise ohne zollamtliche Bestätigung den Ausfuhrnachweis erbringen könnten. Denn auch die Ausgangsrechnungen der Klägerin weisen nicht eindeutig und leicht nachprüfbar i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 2 UStDV auf die tatsächlichen Abnehmer der Waren hin. So hatte der Ehemann der Klägerin, der die Geschäfte führte, in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 31.07.2002 glaubhaft ausgesagt, dass er sich der tatsächlichen Existenz der Empfängerfirmen A, B und C nicht versichert hatte, sondern den Angaben seines Ansprechpartners O vertraute. Ansprechpartner der in den fraglichen Rechnungen bezeichneten Firmen konnten schließlich von der Informationszentrale des Bundesamtes der Finanzen nicht ermittelt werden, wie es sich aus den beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft ergibt.

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt eine entsprechende Anwendung der Vertrauensschutzregelung, wie sie in § 6a Abs. 4 UStG getroffen ist, im Regelungsbereich des § 6 UStG nicht zur Anwendung.

Nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG 1993/1999 ist eine Lieferung, die der Unternehmer als steuerfrei behandelt hat, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Diese Vorschrift ist vom Gesetzgeber ausschließlich auf innergemeinschaftliche Lieferungen beschränkt worden. Eine Ausdehnung auf vergleichbare Sachverhalte bei Ausfuhrlieferungen in Drittländern kommt daher nicht in Betracht (BFH-Beschluss vom 06.05.2004 V B 101/03, BStBl. II 2004, 748; FG Köln Urteil vom 25.08.2005, a.a.O.; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG-Kommentar, a.a.O.).

5. Die Klägerin kann sich mit ihrer Auffassung nicht auf den Vorlagebeschluss des BFH an den EuGH (BFH-Beschluss vom 02.03.2006 V R 7/03, BStBl. II 2006, 672) berufen, weil dieser Rechtstreit einen außergewöhnlichen Sachverhalt im nichtkommerziellen Reiseverkehr und im Erlassverfahren betrifft; beide Voraussetzungen liegen im hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht vor. Der BFH weist in dem Vorlagebeschluss zudem darauf hin, dass eine sinngemäße Anwendung des Rechtsgedankens aus § 6a Abs. 4 UStG auf Ausfuhrlieferungen in Drittländer den Regelungen des geltenden deutschen Umsatzsteuergesetzes und der 6. EG-RL fremd ist. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Verständnis der EuGH-Vorlage kann unter der Bindung an das geltende Recht daher allenfalls im Billigkeitswege zum Tragen kommen. Die nach dem Verfahrensrecht der AO zu treffenden Billigkeitsentscheidungen sind jedoch als Ermessensentscheidungen der Finanzbehörden ausgestaltet und könnten von dem Finanzgericht nur in den Grenzen des § 102 FGO überprüft werden. Eine solche eigenständig zu treffende Billigkeitsentscheidung liegt im Streitfall aber gerade nicht vor. Das Gericht braucht daher nicht darüber zu entscheiden, ob im Streitfall unter den Gesichtspunkten der sachlichen oder persönlichen Billigkeit die Vertrauensschutzregelung i.S.v. § 6a Abs. 4 UStG gleichsam entgegen den geltenden Gesetzesbestimmungen zur Anwendung käme.

Abschließend weist das Gericht aber darauf hin, dass es nach den vorliegenden Umständen des Streitfalls hinsichtlich des Geschäftsgebarens des Ehemannes der Klägerin im Zusammenhang mit den Warenlieferungen nach Polen zweifelhaft ist, dass er sich wie ein sorgfältig handelnder Kaufmann verhalten hat.

Somit konnte die Klage unter keinem Gesichtspunkt erfolgreich sein.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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