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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: VI 432/2005
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 227 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

VI 432/2005

Kirchensteuer 1997 bis 2000

In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

unter Mitwirkung

nach mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 8. November 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger als Angehöriger des maronitischen Glaubens von dem beklagten Kirchensteueramt zur römisch-katholischen Kirchensteuer herangezogen werden kann.

Der Kläger, ein gebürtiger Libanese, gehörte in den Streitjahren 1997 bis 2000 der maronitischen Kirche an. Laut Auskunft der Meldebehörde wohnte er bis zum 19.12.1998 in A, seither ist er in der Gemeinde B unter der im Rubrum angegebenen Adresse gemeldet, mit dem Konfessionsmerkmal "röm.-kath". Am 14.03.2002 ist der Kläger aus der Kirche ausgetreten.

Der Kläger wurde vom beklagten Kirchensteueramt für 1997 mit Kirchensteuerbescheid vom 17.09.1999 und für die Jahre 1998 bis 2000 mit Kirchensteuerbescheiden vom 02.08.2002 zur Kirchensteuer veranlagt.

Anders als in den Vorjahren, in denen er seiner Kirchensteuerpflicht nachgekommen war, legte der Kläger durch seinen steuerlichen Vertreter gegen die vorgenannten Bescheide Einspruch ein und machte erstmals geltend, dass er keiner kirchensteuerpflichtigen Kirchengemeinde angehöre. Die maronitische Kirche sei in Deutschland nicht vertreten. Zum Beweis hierfür wurde eine an den Kläger adressierte Bescheinigung des Libanesischen Konsulats in Frankfurt vom 31.08.1999 vorgelegt.

Die Einsprüche blieben erfolglos. Sie wurden mit den beiden Einspruchsentscheidungen des Kirchensteueramtes vom 22.11.2005 (getrennt für das Jahr 1997 und für die Jahre 1998 bis 2000) zurückgewiesen.

Zur Begründung folgte das Kirchensteueramt dem von ihm in Auftrag gegebenen ausführlichen Rechtsgutachten von Prof. Dr. Dietmar Willoweit (Inhaber des Lehrstuhls für Deutsche Rechtsgeschichte, Kirchenrecht, Bürgerliches Recht und Handelsrecht an der Universität Würzburg), das zu dem Ergebnis kam, dass die Kirche der Maroniten Teil der römisch-katholischen Kirche im Sinne des Bayer. Kirchensteuergesetzes ist, und deshalb die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Angehörigen der maronitischen Kirche verpflichtet sind, Kirchensteuer an die katholische Diözese ihres Wohnsitzes zu entrichten.

Der Kirchensteuerpflicht des Klägers stehe auch nicht der Wortlaut des Art. 4 des Bayer. Kirchensteuergesetzes -BayKirchStG- (jetzt Art. 2 in der Fassung des Gesetzes vom 10.12.2005) entgegen, der die Diözesen als Steuergläubigerinnen ausdrücklich für den Bereich der "Römisch-Katholischen" Kirche und somit nicht für die Katholische Gesamtkirche benenne. Im deutschen Kirchensteuerrecht werde der Begriff "Römisch-Katholische" Kirche nicht zur Unterscheidung der lateinischen Kirche als Zweig der Katholischen Gesamtkirche zu einem anderen (in Deutschland früher ja gar nicht existenten) Zweig der Gesamtkirche verwendet, sondern synonym für Katholische Gesamtkirche (Hinweis auf das für das Finanzgericht München erstellte Rechtsgutachten von Carl Gerold Fürst "Zur Frage der Kirchensteuerpflicht von 'Griechisch-Katholischen' in Bayern", veröffentlicht im Österreichischen Archiv für Kirchenrecht 1994, 210 <216>). Die Kirchensteuergesetze verwendeten die Begriffe "katholisch" und "römisch-katholisch" demnach mehr oder weniger zufällig zur Bezeichnung der Katholischen Kirche überhaupt, ohne Berücksichtigung ritueller Unterschiede innerhalb der katholischen Gesamtkirche. Gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 2 (jetzt Art. 2 Abs. 1 S. 2) BayKirchStG seien daher alle Katholiken der Katholischen Gesamtkirche gegenüber der Diözese, in der sie ihren Wohnsitz hätten, kirchensteuerpflichtig. Der Kläger als Katholik mit Wohnsitz in B sei daher gegenüber der Diözese C kirchensteuerpflichtig.

Der Kläger könne einen Wegfall der Kirchensteuerpflicht auch nicht daraus ableiten, dass die maronitische Kirche als unierte Ostkirche innerhalb der Katholischen Gesamtkirche insofern eine Sonderstellung einnehme, als sie einen eigenen Ritus pflege und mit eigenen Selbstverwaltungsrechten ausgestattet sei. Die Unterscheidung zwischen lateinischer und orientalischer Kirche erfolge nicht territorial, sondern aufgrund einer personalen Kategorie. Konkret heiße dies, dass zahlreiche Katholiken, die einem anderen Ritus angehörten, einem eigenen Ortsordinarius unter seiner Jurisdiktion unterstellt seien, obgleich auf demselben Territorium auch ein Bischof des lateinischen Ritus amtiere. Ein derartiger Jurisdiktionsbezirk der Kirche der Maroniten existiere in Deutschland jedoch nicht. Für diesen Fall würden nach innerkirchlichem Recht die Regeln des sog. "interrituellen Verkehrsrechts" eingreifen. Can. 916 § 5 CCEO (Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium = Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen) bestimme für Angehörige katholischer Ostkirchen, an deren Wohnsitz keine Exarchie ihrer eigenen Kirche errichtet sei, dass sie im Ortsbischof einer anderen katholischen Kirche, auch der lateinischen, ihr hierarchisches Oberhaupt hätten. Can. 193 CCEO sehe zudem vor, dass der lateinische Bischof auch für die Bedürfnisse der Gläubigen einer anderen katholischen Kirche Sorge zu tragen habe. Da im Gebiet der Diözese C - abgesehen von den Ukrainern - keine weitere katholische Hierarchie als die lateinische (römisch-katholische) errichtet sei, hätten alle orientalischen Katholiken - außer den Ukrainern - im lateinisch katholischen Bischof ihren Ersatzhierarchen als eigenen Ortsoberhirten und unterlägen damit auch dem in dessen Gebiet geltenden Partikularrecht. Der Kläger könne sich daher hinsichtlich seiner Kirchensteuerpflicht nicht auf die Sonderstellung seiner Kirche innerhalb der katholischen Gesamtkirche berufen.

Mit seiner Klage macht der Kläger weiterhin geltend, dass er als Angehöriger des maronitischen Glaubens nicht der römisch-katholischen Kirche angehöre. Auch stehe seiner Kirchensteuerpflicht der Wortlaut des Art. 4 BayKirchStG entgegen, der die Diözesen als Steuergläubigerinnen ausdrücklich nur für den Bereich der "Römisch-Katholischen" Kirche benenne. Schließlich scheide seine Kirchensteuerpflicht auch deshalb aus, weil in Deutschland und insbesondere in der Diözese C keine Personalpfarreien für den Ritus der maronitischen Kirche bestünden. Can 383 § 2 CJC (Codex Iuris Canonici = Gesetzbuch des Kanonischen Rechtes) schreibe vor, dass der Diözesanbischof, wenn er in seiner Diözese Gläubige eines anderen Ritus habe, für diese Vorsorge treffen müsse, entweder durch Priester oder Personalpfarreien des betreffenden Ritus. Nachdem die Diözese C dafür nicht Sorge getragen habe, entfalle auch aus diesem Grund seine Kirchensteuerpflicht. Eine Kirchensteuerpflicht könne jedenfalls dann nicht bestehen, wenn die Kirche - wie vorliegend - den Gläubigen keinerlei Leistung (Null-Leistung) anbiete.

Im Verlauf des Klageverfahrens hat das Kirchensteueramt - aufgrund vom Finanzamt übermittelter geänderter Steuerdaten - am 29.06.2007 für die Veranlagungsjahre 1997, 1998 und 2000 geänderte Kirchensteuerbescheide erlassen. Nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO- sind diese Gegenstand des Verfahrens geworden.

Für die Klagepartei ist in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen.

Mit Schreiben per Fax vom 07.11.2007, 8:18 Uhr, hat der Prozessbevollmächtige um Terminverlegung wegen Krankheit gebeten und hierzu ein ärztliches Rezept vom 05.11.07 mit der Aussage "U. g. Pat. ist wegen Erkrankung ab heute voraussichtlich 1 Woche reiseunfähig erkrankt" vorgelegt. Mit (Antwort-)Fax des Gerichts vom 07.11.2007, 10:21 Uhr, wurde dieses Terminverlegungsgesuch unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- zu Terminverlegungsanträgen "in letzter Minute" abgelehnt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Kirchensteuerbescheid für 1999 vom 02.08.2002 und insoweit auch die Einspruchsentscheidung vom 22.11.2005 sowie die Kirchensteuerbescheide für 1997, 1998 und 2000 vom 29.06.2007, aufzuheben.

Das Kirchensteueramt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Behörde zunächst auf ihre Einspruchsentscheidung. Nach dieser habe das Kirchensteueramt keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kirchensteuerfestsetzungen für die Jahre 1997 bis 2000.

Unzutreffend und unrichtig sei die Behauptung des Klägers, die Diözese C würde wegen fehlender pastoraler Strukturen speziell für maronitische Katholiken keinerlei Leistungen anbieten. Jeder Katholik jedweden Ritus könne ungeschmälert am kirchlichen Leben jeder katholischen Ortskirche teilnehmen, gleich welchem Ritus sie angehöre. Dies treffe für den Gottesdienst und den Sakramentenempfang ebenso zu wie für alle anderen pastoralen und sozialen Angebote. Orientalische Katholiken, welche aufgrund von Can. 916 § 5 CCEO im lateinischen Bischof ihrer Wohnsitzdiözese ihren eigenen Oberhirten hätten, besäßen dort dieselben Rechte wie die Gläubigen der lateinischen Kirche. Die Ritusverschiedenheit bilde hier keinerlei Schranke.

Dass innerhalb der Diözese C keine eigene Rituspfarrei für Maroniten errichtet sei, stelle angesichts der nur einzelnen Gläubigen dieser Rituskirche mit Wohnsitz in dieser Diözese keineswegs einen Verstoß gegen can. 383 § 2 CIC dar. Die Errichtung einer eigenen Pfarrei oder Seelsorgestruktur setze notwendig eine entsprechende Gemeinschaft von Gläubigen voraus, wie es aus dem Begriff der Pfarrei in Can. 515 CIC und Can. 279 CCEO hervorgehe.

Darüber hinaus sei festzustellen, dass die Kirchensteuer keine Vergütung für persönlich in Anspruch genommene Leistungen darstelle, sondern einen dem jeweiligen Einkommen des Gläubigen entsprechenden Solidarbeitrag zur Verwirklichung der vielfältigen religiösen, karitativen, sozialen und personellen Aufgaben der Diözese und ihrer Pfarreien und Einrichtungen. § 3 Abs. 1 der Abgabenordnung -AO-, der gemäß Art. 18 Abs. 1 BayKirchStG auch für die Erhebung der Kirchensteuer gelte, führe deutlich aus, dass Steuern Geldleistungen seien, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellten.

Eine Anfrage des Berichterstatters an die Maronitischen Gemeinde Frankfurt (unter der im Internet gefundenen Email-Adresse maronistischegemeinde@gmx.de) bezüglich der Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche, wurde von dem Pfarrer Xxx wie folgt beantwortet:

"... ja die maroniten sind katholisch und sie gehören zu der katholischen Kirche und hier in Deutschland die maroniten dürfen auch Kirchensteuer bezahlen wenn sie nicht aus der Kirche ausgetreten sind."

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist unbegründet.

1. Der Senat war nicht gehindert, in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2007 über die Streitsache zu entscheiden. Der per Fax am 07.11.2007 um 8:18 Uhr gestellte Terminverlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten, allein begründet mit Erkrankung und Reiseunfähigkeit, ohne substanziierte Darlegung der Umstände, entspricht nicht den Anforderungen, die an die Glaubhaftmachung einer Erkrankung "in letzter Minute" gestellt werden müssen.

1.1 Nach § 155 der Finanzgerichtsordnung -FGO- i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung -ZPO- "kann" ein Termin "aus erheblichen Gründen" verlegt werden. Diese erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO).

Wird ein Antrag auf Terminsverlegung jedoch erst "in letzter Minute" gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung des Klägers oder dessen Bevollmächtigten begründet, so reicht die Behauptung einer Erkrankung nicht aus; der Kläger bzw. Klägervertreter ist vielmehr auch ohne besondere Aufforderung verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung bereits bei Antragstellung so anzugeben, dass das Gericht die Frage, ob der Kläger(vertreter) verhandlungsfähig ist, selbst beurteilen kann (BFH-Beschlüsse vom 31. August 1995, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 1996, 228; vom 14. Mai 1996 VII B 237/95, BFH/NV 1996, 902). In einem solchen Fall reicht gewöhnlich die Vorlage eines substanziierten privatärztlichen Attestes aus, aus dem sich Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergibt (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2000 IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353). Nicht ausreichend ist hingegen das Attest eines Arztes, mit dem lediglich pauschal Reiseunfähigkeit bescheinigt wird (BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2001 IX B 157/00, BFH/NV 2002, 365).

1.2 Im Streitfall sind aus der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung weder die Krankheitsursache noch Gründe zur Verhandlungs- und Reiseunfähigkeit ersichtlich. Dies ist nach der zuvor zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kein hinreichend substanziiertes ärztliches Attest, aus dem der erhebliche Grund für eine Terminverlegung eindeutig und nachvollziehbar hervorgeht.

1.3 Darüber hinaus hat der Klägervertreter auch nicht vorgetragen, warum der andere Mandatsträger der Steuerkanzlei verhindert ist, in dem einfach gelagerten Rechtsstreit, in dem bei aufgeklärten Sachverhalt lediglich über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, als Vertreter den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrzunehmen.

2. Der Kläger ist in den Streitjahren kirchensteuerpflichtig.

2.1 Der Gutachter und ihm folgend das Kirchensteueramt haben überzeugend ausgeführt, dass der Kläger als Angehöriger der maronitischen Kirche durch seine Wohnsitznahme in Bayern - hier konkret im Territorium der Diözese C - mangels eines eigenen Jurisdiktionsbezirkes dem örtlich zuständigen Bischof unterstellt und in die zuständige Diözese eingegliedert ist. Hierdurch wird auch seine Kirchensteuerpflicht gegenüber der zuständigen Diözese begründet. Der Senat erachtet die Ausführungen der Kirchenbehörde unter Ziffer II 2 der Einspruchsentscheidungen vom 22.11.2005 für zutreffend und sieht von weiteren Ausführungen ab (§ 105 Abs. 5 FGO).

2.2 Das vorstehende Ergebnis wird ausdrücklich bestätigt durch die von dem Pfarrer der maronitischen Gemeinde Frankfurt erhaltene Auskunft (vgl. Tatbestand). Schließlich steht diese Rechtsprechung des Senats auch im Einklang mit dem Urteil des Finanzgerichts München vom 14. November 1995 13 K 2682/94 ([...]Dokument Nr. STRE967050670), ergangen zur Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuerpflicht eines Angehörigen der ungarischen "Griechisch-Katholischen" Kirche.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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