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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 26.11.2009
Aktenzeichen: 1 K 405/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10d Abs. 4
EStG § 12
Kosten eines Mietvertrages, den der Vater für seinen studierenden Sohn am auswärtigen Studienort abgeschlossen hat, sind keine Werbungskosten des Sohnes und können daher nicht zur Klärung der Rechtsfrage herangezogen werden, ob die Regelung des § 12 Nr. 5 EStG verfassungswidrig ist.
Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob ein Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit angefallen ist.

Der Kläger vollendete im Streitjahr 2004 sein 22. Lebensjahr. Nachdem er im Jahre 2002 sein Reifezeugnis erhalten hatte, begann er noch im selben Jahr mit einem (Erst-)Studium zum Wirtschaftsingenieur an der Fachhochschule Gelsenkirchen Standort Recklinghausen. Dazu mietete der Vater des Klägers für seinen Sohn eine Unterkunft in Marl bei Recklinghausen an. Von dieser Unterkunft suchte der Kläger die Fachhochschule auf, an den Wochenenden fuhr er nach J in das Haus seiner Eltern, wo er - eigenen Bekundungen zufolge - einen eigenen Hausstand unterhielt.

Im Streitjahr 2004 dauerte das Studium an. In seiner Einkommensteuererklärung deklarierte der Kläger Werbungskosten für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von ca. 13.000 EUR, die sich aus Kosten doppelter Haushaltsführung für die in Marl angemietete Wohnung, unmittelbaren Ausgaben für das Studium sowie Kosten im Zusammenhang mit einem Praxissemester zusammensetzten. Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erklärte er in Höhe von 7.732 EUR. Sie resultierten aus einer Tätigkeit als Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft (A....... GmbH) in J. Außerdem verfügte der Kläger über Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 646 EUR.

Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer erklärungsgemäß auf 0 EUR fest. Dabei zog es von den erklärten Einnahmen Werbungskostenpauschbeträge ab und gelangte so zu einem unter dem Grundfreibetrag liegenden Gesamtbetrag der Einkünfte von 6.812 EUR. Ausbildungskosten erfasste es als Sonderausgaben in Höhe von 4.000 EUR. Die Veranlagung ist bestandskräftig.

Im Anschluss an die Veranlagung beantragte der Kläger die gesonderte Feststellung des erklärten Werbungskostenüberschusses bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auf den 31.12.2004. Diesem Antrag folgte das Finanzamt nicht mit dem Hinweis darauf, dass Aufwendungen für ein Erststudium gem. § 12 Nr. 5 EStG nicht als Werbungskosten abzugsfähig seien. Dementsprechend könne auch keine gesonderte Feststellung der daraus resultierenden Verluste erfolgen.

Dagegen hat der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der er die Verpflichtung des Beklagten erstrebt, den bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärten Werbungskostenüberschuss als Verlust gesondert festzustellen. Er weist zunächst darauf hin, dass seine Aufwendungen für seine Ausbildung zum Wirtschaftsingenieur typische Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit seien. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe seine frühere Rechtsauffassung, nach der Fortbildungskosten Werbungskosten seien, Ausbildungskosten als allgemeine Lebensführungskosten aber nicht, inzwischen aufgegeben. Mit seinen beiden Urteilen vom 4. und 17.12.2002 (VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403 und VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407) stufe der BFH alle Aufwendung für die Ausbildung eines bisher nicht ausgeübten Berufes als Werbungskosten ein. Das gelte auch für ein Erststudium an einer Universität oder Fachhochschule. Erforderlich sei lediglich ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart, in deren Rahmen der Abzug begehrt werde. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der späteren Berufstätigkeit sei nicht erforderlich. Diese Anforderungen seien im Streitfall erfüllt. Soweit der Gesetzgeber als Reaktion auf die geänderte Rspr. des BFH mit dem Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.07.2004 (BGBl. 04, 1753) erstmalige Berufsausbildungsaufwendungen und Kosten für ein Erststudium in § 12 Nr. 5 EStG den nichtabzugsfähigen Lebensführungsaufwendungen zugeordnet habe und derartige Kosten lediglich im Rahmen des Sonderausgabenabzugs in Höhe von 4.000 EUR steuermindernd berücksichtige, handele es sich bei dieser Regelung inhaltlich um ein Nichtanwendungsgesetz. Die Neuregelung sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen das Nettoprinzip und gegen Art. 3 GG. Da das am 21.07.2004 verkündete Gesetz mit Wirkung zum 01.01.2004 in Kraft getreten sei, liege zudem eine verfassungswidrige Rückwirkung vor.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 07.11.2005 und des Einspruchsbescheides vom 13.12.2005 den Beklagten zu verpflichten, den Verlust bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auf den 31.12.2004 erklärungsgemäß gesondert festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner bereits im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest, nach der eine gesonderte Verlustfeststellung auszuscheiden habe, weil der Gesetzgeber in § 12 Nr. 5 EStG Kosten für eine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen habe. Ohne diese Kosten ergebe sich kein verbleibender Verlustabzug.

Wegen des Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klage- und im Vorverfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Gem. § 10 d Abs. 4 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte.

2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Bei der Veranlagung des Klägers ergeben sich bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte keine nicht ausgeglichenen Verluste. Der Kläger hat die von ihm behaupteten Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht in dem Umfang belegen können, dass sich ein Überschuss über die Einnahmen ergibt.

a. Bei dieser Erkenntnis geht das Gericht zunächst davon aus, dass der Kläger im Streitjahr Einnahmen aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit als Geschäftsführer der A......... GmbH in der von ihm angegeben Höhe von 7.732 EUR erzielt hat.

b. Diesen Einnahmen stehen folgende Werbungskosten gegenüber:

 Hausratversicherung für Mobiliar in der Wohnung in Marl in der in der Erklärung angegeben Höhe von32,88 EUR
Aufwendungen für Energieversorgungsunternehmen in Marl in der in der Erklärung angegeben Höhe von113,48 EUR
Fahrtkosten für Fahrten zwischen Marl und J in der in der Erklärung angegeben Höhe von4.680,00 EUR
Semestergebühren und Kopierkosten wie in der Erklärung angegeben382,62 EUR
Sonstige Studienkosten nach Schriftsatz vom 01.10.2009832,20 EUR
Bewerbungskosten wie in der Erklärung angegeben396,70 EUR
Zusammen6.437,88 EUR

c. Soweit der Kläger weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250 EUR für Arbeitszimmeraufwendungen seiner Wohnung in J für seine Tätigkeit als Geschäftsführer der A............ GmbH beansprucht, musste diesem Antrag die Anerkennung versagt bleiben. Der Kläger trägt die Feststellungslast für diese Ausgaben (ständige Rspr. des BFH, vgl. z.B. Urteil vom 17.07.1980 IV R 140/77, BFHE 131, 336, BStBl II 1981, 14), er ist dieser Feststellungslast nicht nachgekommen. Er hat die behaupteten Ausgaben nicht nachgewiesen. Nach Auskunft seines Prozessbevollmächtigten in der heutigen mündlichen Verhandlung vor dem Senat gibt es für die Arbeitszimmeraufwendungen keine Belege.

Der Kläger hat weiter Ausgaben für die Reinigung der Wohnung in Marl in Höhe von 2.700 EUR als Werbungskosten beansprucht. Auch diese Ausgaben sind - entgegen einer Aufforderung des Gerichts vom 28. Juli 2009 - nicht belegt worden. Wie der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung bekundet hat, können diese Ausgaben nicht nachgewiesen werden. Damit musste auch ihnen die steuerrechtliche Anerkennung versagt bleiben.

d. Der Kläger hat schließlich die Kosten für Miete einschließlich Nebenkosten der Unterkunft in Marl in Höhe von 4.030,67 EUR als seine weiteren Werbungskosten deklariert. Diesem Antrag vermochte das Gericht deshalb nicht zu entsprechen, weil dem Kläger diese Kosten nicht erwachsen sind. Vertragspartner des Vermieters der Wohnung in Marl ist nicht der Kläger, sondern sein Vater. Auf die Kopie des Mietvertrages Bl. 75 ff der Gerichtsakte wird verwiesen. Wie der Kläger bekundet hat, hat der Vermieter ganz bewusst nur einen Vertrag mit dem Vater und nicht mit dem Kläger abschließen wollen, weil ihm der Kläger als Student nicht solvent genug erschienen sei. Folglich ist allein der Vater zur Zahlung der Miete verpflichtet worden. Tatsächlich hat - wie der Bevollmächtigte bekundet hat - allein der Vater die Mietzahlungen bestritten. Damit sind diese Ausgaben dem Vater zuzuordnen.

aa. Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Klägers, dass diese Miet- und Mietnebenkostenzahlungen als abgekürzter Vertrags- und Zahlungsweg dem Kläger als dessen Werbungskosten zuzurechnen sind.

Der BFH hat bereits in der Entscheidung des Großen Senats vom 23. August 1999 GrS 2/97, BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782 den Aufwand eines Dritten als Werbungskosten eines Steuerpflichtigen zugelassen, wenn ein abgekürzter Zahlungsweg vorliegt. Als abgekürzter Zahlungsweg wird dabei die Zuwendung eines Geldbetrages an den Steuerpflichtigen in der Weise verstanden, dass der Zuwendende im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen dessen Schuld tilgt, statt ihm dem Geldbetrag unmittelbar zu geben. Der Dritte muss für Rechnung des Steuerpflichtigen an dessen Gläubiger leisten (Rdnr. 55 der Entscheidungsgründe). In der weiteren Entscheidung vom 15. November 2005 IX R 25/03, BFHE 211, 318, BStBl II 2006, 623 hat der BFH diese Grundsätze ausgeweitet auf den abgekürzten Vertragsweg. Ein abgekürzter Vertragsweg liegt vor, wenn der Dritte in eigenem Namen für den Steuerpflichtigen einen Vertrag schließt und aufgrund dessen auch selbst die geschuldete Zahlung leistet (Rdnr. 11 der Entscheidungsgründe).

bb. Im Streitfall liegt kein abgekürzter Zahlungsweg im vorgenannten Sinne vor. Der Vater des Klägers hat mit den Mietzahlungen eine eigene Schuld beglichen, weil er Vertragspartner des Vermieters war und aus dem Mietvertrag selber zur Mietzahlung verpflichtet worden war.

Es liegt auch kein abgekürzter Vertragsweg vor. Der BFH hat bereits in seiner vorangestellten Entscheidung vom 15. November 2005 IX R 25/03,BFHE 211, 318, BStBl II 2006, 623, in der er die Grundsätze des abgekürzten Zahlungswegs auf den abgekürzten Vertragsweg ausgedehnt hatte, erkannt, dass diese Ausdehnung nicht auf Dauerschuldverhältnisse anzuwenden sei, insbesondere nicht auf Verträge auf Nutzungsüberlassungen wie Mietzahlungen eines Vaters für den Sohn zur Begründung einer doppelten Haushaltsführung, die Gegenstand der Entscheidung des BFH im Urteil vom 24. Februar 2000 IV R 75/98, BFHE 191, 301, BStBl II 2000, 314 waren. Zur Begründung des Ausschlusses der Grundsätze des abgekürzten Vertragswerks auf Mietverhältnisse verweist der IX. Senat des BFH darauf, dass darin lediglich ein nicht aktivierbares Nutzungsrecht zugewendet werde. Dem sind andere Senate des BFH bisher nicht entgegengetreten (siehe Entscheidung des X. Senats vom 25. Juni 2008 X R 36/05, BFHE 222, 373, BFH/NV 2008, 2093).

Im Streitfall hat der Kläger von seinem Vater ein derartiges Nutzungsrecht an der gemieteten Wohnung erhalten. Die dafür aufgewandten Kosten sind daher nicht im Wege des abgekürzten Vertragswerks dem Kläger zuzurechnen.

Sollte der Werbungskostenabzug der Mietzahlungen beim Kläger nach den Grundsätzen des abgekürzten Vertragswegs davon abhängen, dass der Kläger im Wege des echten oder unechten Vertrags zugunsten Dritter in die Vertragsbeziehung eingebunden ist (vgl. BFH in BFHE 222, 373, BFH/NV 2008, 2093 zu Kreditverhältnissen), ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Der Kläger ist in dem Mietvertrag nicht erwähnt. Der Vertrag berechtigt und verpflichtet allein den Vermieter und den Vater des Klägers.

3. Damit übersteigen die berücksichtigungsfähigen Werbungskosten die Einnahmen auch ohne die Anwendung des § 12 Nr. 5 EStG nicht. Der Senat hat auf diese Norm bei seiner Entscheidungsfindung daher nicht zurückgegriffen. Ob die Norm verfassungsrechtlichen Maßstäben gerecht wird, war daher nicht entscheidungserheblich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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