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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: 11 K 307/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Zahlungen des Arbeitgebers an eine umlagefinanzierte Zusatzversorgungseinrichtung nicht lohnsteuerbar.
Finanzgericht Niedersachsen

11 K 307/06

Tatbestand:

Streitig ist, ob sogenannte Umlagezahlungen der Klägerin an die Zusatzversorgungseinrichtung (ZVE) A als steuerpflichtiger Lohn der Beschäftigten der Klägerin anzusehen sind.

Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus. Sie ist 1999 aus einem Eigenbetrieb des Landkreises X hervorgegangen.

Die Klägerin ist Beteiligte bei der ZVE A und gewährt ihren Beschäftigten auf der Grundlage des Tarifvertrags ... (ATV) eine Zusatzversorgung durch Gruppenversicherung bei der ZVE A. In den Arbeitsverträgen ist die Zusatzversorgung durch Bezugnahme auf den ATV vereinbart. Nach näherer Maßgabe des § 2 ATV ist die Klägerin verpflichtet, alle Beschäftigte, die einen tarif- oder arbeitsrechtlichen Anspruch auf Verschaffung einer Zusatzversorgung haben, bei der Zusatzversorgungseinrichtung zu versichern, bei der sie, die Klägerin, Beteiligte ist.

Die ZVE A bringt die Mittel in der Pflichtversicherung aus Umlagen und sonstigen Einnahmen auf (§ 60 Abs. 1 Satzung der ZVE A - ZVES - ...). Die Höhe der Umlagen wird nach dem Finanzbedarf im fünfjährigen Deckungsabschnitt festgelegt (§§ 61, 62 ZVES). Der Beteiligte ist Schuldner u.a. der Umlagen einschließlich einer tarif- oder arbeitsvertraglich vereinbarten Eigenbeteiligung der Pflichtversicherten (§ 63 Abs. 1 ZVES). Bemessungsgrundlage der Umlage ist das zusatzversorgungspflichtige Entgelt, das grundsätzlich dem steuerpflichtigen Arbeitslohn entspricht (§ 64 Abs. 4 ZVES, § 15 Abs. 2 ATV). Der für die Klägerin im Mai 2005 maßgebliche Umlagesatz beträgt 7,86 v. H. einschließlich eines nach dem ATV vom Arbeitsentgelt des Pflichtversicherten einzubehaltenden Umlage-Beitrags in Höhe von 1,41 v. H. (§ 64 Abs. 1 und 3 ZVES, § 16 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 1 ATV).

Leistungen der ZVE A aufgrund einer Pflichtversicherung sind Alters- und Erwerbsminderungsrenten für Versicherte sowie Hinterbliebenenrenten für Witwen, Witwer und Waisen der Versicherten (§ 25 Nr. 1 ZVES). Die Höhe der Rente errechnet sich nach einem Punktemodell, in dem Leistungen zugesagt werden, die sich ergeben würden, wenn eine Gesamt-Beitragsleistung von 4 v. H. des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts vollständig in ein kapitalgedecktes System eingezahlt würde (Präambel des ATV Abs. 2; § 8 Abs. 2 Satz 1 ATV).

Die Klägerin leistete im Mai 2005 an die ZVE A Umlagen in Höhe von 7,86 v. H. des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts eines jeden ihrer Beschäftigten. Darin enthalten ist ein Eigenanteil der Beschäftigten in Höhe von 1,41 v. H., den die Klägerin von dem lohnversteuerten Entgelt der Beschäftigten einbehalten hatte.

Die Klägerin meldete für den Monat Mai 2005 auch die auf die Umlagen in Höhe von 6,45 v.H. des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts entfallenden Lohnabzugsbeträge bei dem Beklagten (das Finanzamt) an. Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2005 begehrte die Klägerin unter Beifügung einer berichtigten Lohnsteuer-Anmeldung Mai 2005, die Steuer niedriger festzusetzen. Das Finanzamt fasste den Schriftsatz als Einspruch auf, dem es nicht stattgab. Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin führt in ihrer Klagebegründung aus, die Besteuerung der Umlagen sei rechtswidrig, weil die streitigen Umlagen keinen Arbeitslohn darstellten (1). Zumindest handele es sich um nicht lohnsteuerpflichtige Sanierungsgelder, soweit die Umlagen 2,59 v.H. des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts überstiegen (2). Die Umlagen seien jedenfalls nach § 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei, weil der Ausschluss umlagefinanzierter Altersversorgungssysteme aus der Steuerbefreiung gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG) verstoße und unwirksam sei (3).

1. Die Klägerin ist der Ansicht, die Umlagen seien kein Arbeitslohn. Es fehle an einer Einnahme der Beschäftigten. Sie seien nicht objektiv bereichert. Die Umlagen dienten dazu, die Auszahlungen der ZVE A an ihre gegenwärtigen Versorgungsempfänger zu finanzieren. Die Beschäftigten erhielten zwar eine Versorgungsanwartschaft, deren Werthaltigkeit zum Zeitpunkt der Umlagezahlung aber völlig unbestimmt sei. Die Werthaltigkeit hänge für den einzelnen Arbeitnehmer davon ab, ob der Versorgungsfall überhaupt eintrete, wie lange er andauere und wie sich das Leistungsniveau entwickle.

Die Umlagen seien steuerlich wie die Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht steuerbar. Im Streitfall stehe im Vergleich zur gesetzlichen Rentenversicherung mit noch größerer Sicherheit fest, dass die Beschäftigten durch die Zahlungen der Umlagen und des Eigenanteils in Höhe von insgesamt 7,86 v. H. keine mit deren Höhe korrespondierenden Versorgungsleistungen erhielten, da diese nur nach einer Beitragsleistung von 4 v. H. fiktiv bemessen würden. Die Zahlungen an die ZVE A erhöhten weder die Anwartschaften der Beschäftigten noch finanzierten sie die späteren Leistungen an die Beschäftigten. Bei einer Verstärkung des demographischen Trends und weiter anhaltendem Personalabbau könnte die Umlage schon bald Höhen erreichen, die das Gehalt des Beschäftigten überstiegen und außer jedem Verhältnis zu seiner eigenen Versorgungsanwartschaft stünden.

Die Umlagen würden den Beschäftigten auch nicht "für" ihre Dienste gewährt. Es handele sich nicht um eine Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft im weitesten Sinne, sondern wie bei den Arbeitgeberbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung um eine aus sozialpolitischen Gründen von der Klägerin zu tragende Last. Sie beruhe zwar nicht auf einem Gesetz, wohl aber auf gesetzesgleichen Tarifverträgen. Es bestehe keine rechtliche - wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung - Zwangsmitgliedschaft in der ZVE A, dafür aber eine faktische. Ein Verlassen der Umlagegemeinschaft sei nur möglich, wenn der ausscheidende Arbeitgeber die bei der ZVE A verbleibenden Rentenlasten mit dem Barwert abgelte. Diese Gegenwertzahlung könne von den meisten Beteiligten wegen ihrer prohibitiven Höhe nicht aufgebracht werden.

2. Allenfalls könnten 2,59 v. H., die um den Eigenanteil der Beschäftigten (1,41 v. H.) geminderte Bezugsgröße der Leistungszusage (4 v. H.), als Arbeitslohn anzusehen sein. Bei wirtschaftlicher Betrachtung handele es sich bei den darüber hinausgehenden Umlagen um verkappte Sanierungsgelder. Sie dienten dem Ausgleich von Fehlbeträgen, die nicht auf einer versicherungsmathematisch unzulänglichen Kalkulation der Umlagen beruhten und nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs keinen Arbeitslohn darstellten. Der Beschäftigte erhalte durch diese Zahlungen weder einen individuellen Vorteil noch einen Vermögenszuwachs.

Auch hinsichtlich der 2,59 v. H. übersteigenden Umlagen fehle es an einem Veranlassungszusammenhang mit dem Dienstverhältnis der Beschäftigten. Dieser Teil der Umlagen diene der Finanzierung der vom Arbeitgeber zugesagten und in der Vergangenheit entstandenen Versorgungslasten, also dem ausschließlich eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers an der Sicherstellung seiner Versorgungszusage.

3. Jedenfalls sei die gleichheitswidrige Beschränkung der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz (EStG) auf Beiträge an kapitalgedeckte Versorgungseinrichtungen unwirksam. Die Klägerin werde gegenüber einem Arbeitgeber, der unter sonst gleichen Bedingungen an einer kapitalgedeckten Zusatzversorgungseinrichtung beteiligt sei, benachteiligt. Die Klägerin sei tarifvertraglich zur Übernahme pauschalierter Lohnsteuer bis zur Höhe von 92,03 EUR verpflichtet. Diese finanzielle Belastung entfalle bei dem nach § 3 Nr. 63 EStG privilegierten Arbeitgeber. Die ungleiche steuerliche Behandlung sei auch ein Wettbewerbsnachteil der Klägerin bei der Gewinnung von qualifizierten Arbeitnehmern. Auch für die Arbeitnehmer sei die vorgelagerte Besteuerung der Umlagen als Arbeitslohn eine Benachteiligung, da die nachgelagerte Besteuerung einer kapitalgedeckten Altersversorgung regelmäßig zu niedrigeren Steuersätzen erfolge.

Diese Ungleichbehandlung sei verfassungswidrig, weil die über die ZVE A abgewickelte umlagefinanzierte Zusatzversorgung mit allen von § 3 Nr. 63 EStG erfassten kapitalgedeckten Durchführungsformen der betrieblichen Altersversorgung vergleichbar sei. Insbesondere gebe es zwischen der umlagefinanzierten ZVE A und einer kapitalgedeckten Pensionskasse bis auf das Finanzierungsverfahren keine Unterschiede.

Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Dem Gesetzgeber sei zwar zuzugeben, dass sich seine Entscheidung, den Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersversorgung zu fördern, im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums bewege. Jedoch widerspreche die Verfolgung dieses Lenkungsziels durch die Unterscheidung nach der Finanzierungsart der Pensionskassen dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Das gewählte Mittel könne zwar noch als geeignet zur Zielerreichung angesehen werden. Es sei aber weder erforderlich noch angemessen. Fiskalische Überlegungen seien nie geeignet, eine verfassungswidrige steuerliche Behandlung zu rechtfertigen. Die vom Gesetzgeber angestrebte dauerhafte Sicherung der betrieblichen Altersversorgung erfordere die Privilegierung der kapitalgedeckten Durchführungswege nicht. Es gebe keinen Grund für die Annahme, dass ein Umlageverfahren oder die vielfach anzutreffenden Formen der Mischfinanzierung weniger Sicherheit für die Erfüllung künftiger Versorgungslasten böten. Zudem gebe es auch Kassen, die formal umlagefinanziert seien, aber einen so hohen Beitragssatz festgelegt hätten, dass sie de facto eine Kapitaldeckung herstellen könnten.

Ferner verletze eine Beschränkung des § 3 Nr. 63 EStG auf kapitalgedeckte Zusatzversorgungskassen das Fundamentalprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in massiver Weise. Gerade diejenigen Arbeitnehmer, die auf eine umlagefinanzierte Zusatzversorgungskasse angewiesen seien, würden stärker belastet, obwohl sie aufgrund der demographischen Entwicklung zumindest zukünftig höhere Finanzierungsbeiträge erbringen müssten und deshalb weniger leistungsstark als Arbeitnehmer seien, zu deren Gunsten in eine kapitalgedeckte Pensionskasse eingezahlt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung der Lohnsteueranmeldung für den Monat Mai 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2006 die Lohnsteuer derart festzusetzen, dass die pauschal ermittelte Steuer für die Umlagen aus der Festsetzung herausgenommen wird und die festzusetzende Lohnsteuer entsprechend gemindert wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Umlagezahlungen seien steuerbarer Arbeitslohn. Die Umlagen seien nicht mit dem Arbeitgeberanteil der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar. Die Klägerin sei nicht kraft Gesetzes zur Zahlung der Umlagen verpflichtet. Sie erfülle lediglich die im Tarifvertrag begründete Pflicht gegenüber ihren Beschäftigten.

Die versicherten Beschäftigten erzielten in voller Höhe der Umlagen Einnahmen in Form von Zukunftssicherungsleistungen und dies auch aus dem Dienstverhältnis, da sie einen eigenen Anspruch gegen die ZVE A, ein Anwartschaftsrecht auf künftige Rentenzahlungen, erwerben würden. Dass die Umlagen nur die aktuellen Versorgungslasten der VBL abdeckten, sei unschädlich.

Der Arbeitslohn sei auch steuerpflichtig. Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 62 EStG sei nicht einschlägig, weil die Zahlungsverpflichtung der Klägerin nicht auf einem Gesetz beruhe. Mit der Unterscheidung zwischen umlagefinanzierten und kapitalgedeckten Versorgungssystemen in § 3 Nr. 63 EStG bewege sich der Gesetzgeber innerhalb seines Gestaltungsspielraums.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehende (§ 168 Satz 1 AO) Lohnsteueranmeldung für Mai 2005 und der Einspruchsbescheid vom 24. Mai 2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit die Umlagen lohnversteuert worden sind.

Die Klägerin ist verpflichtet, Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und an das Finanzamt abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Umlagen sind jedoch kein Arbeitslohn.

1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn sind nach § 2 Abs. 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen; dabei ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form die Einnahmen gewährt werden.

Demgemäß ist Arbeitslohn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) jeder gewährte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinn als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (BFH-Urteile vom 26. Juni 2003 VI R 112/98, BStBl II 2003, 886; vom 30. Mai 2001 VI R 159/99, BStBl II 2001, 815, jeweils m.w.N.).

Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben gehören, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahe stehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherung). Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang - wirtschaftlich betrachtet - so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist nach der Rechtsprechung des BFH auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (BFH-Urteile vom 16. April 1999 VI R 60/96, BStBl II 2000, 406, m.w.N.; in BStBl II 2001, 815; vom 12. September 2001 VI R 154/99, BStBl II 2002, 22; vom 20. Juli 2005 VI R 165/01, BFH/NV 2005, 1939; vom 14. September 2005 VI R 148/98, BStBl II 2006, 532; vom 14. September 2005 VI R 32/04, BStBl II 2006, 500; vom 15. Februar 2006 VI R 92/04, BStBl II 2006, 528).

Die Begründung eines eigenen Anspruchs stellt nach dieser Rechtsprechung einen Vorteil bzw. eine Bereicherung im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar (BFH-Urteil vom 19. Februar 1993 VI R 42/93, BStBl II 1993, 519 zur Reisegepäckversicherung). Davon soll auch auszugehen sein, wenn Versorgungsleistungen durch abschnittsbezogene Umlagen der beteiligten Arbeitgeber finanziert werden (BFH in BFH/NV 2001, 1258). Zwar würden insoweit nicht die individuellen künftigen Ansprüche der aktiven Arbeitnehmer, sondern lediglich die aktuellen Versorgungslasten abgedeckt. Durch die Teilnahme an dem kollektiven Finanzierungsverfahren erwerbe der aktive Arbeitnehmer jedoch Anwartschaftsrechte auf künftige Versorgung, was für die Zuwendung eines Lohnbestandteils ausreiche. Die jeweils vom Arbeitgeber gezahlte, versicherungsmathematisch korrekt berechnete Umlage "repräsentiere" die Anwartschaft. Dabei sei unschädlich, dass zwischen der nominalen Höhe der Umlage und dem versicherungsmathematisch errechneten Barwert der Versorgungsanwartschaft keine Deckungsgleichheit besteht (BFH in BFH/NV 2001, 1258; in BStBl II 2006, 500; in BStBl II 2006, 528).

Der Senat folgt dieser Rechtsprechung nicht. Die Anwartschaftsrechte auf künftige Versorgung stellen im Streitfall keine Vorteile oder Bereicherungen im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar und werden auch nicht durch die Umlagen repräsentiert.

Eine Bereicherung ist nicht bereits dann anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (BFH-Urteil vom 30. Mai 2001 VI R 178/99, BFH/NV 2001, 1258; BFH in BStBl II 2002, 22). Es kommt vielmehr darauf an, ob die Zuwendungen wirtschaftlich Barlohnzahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vergleichbar sind.

Das ist bei den Umlagen nicht der Fall. Sie stellen keine Einnahmen der Beschäftigten dar. Es fehlt an dem erforderlichen (vgl. §§ 19 Abs. 1, 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 EStG) Zufluss von Arbeitslohn (Seeger, DB 2005, 1588). Die Umlagen werden nicht an die Beschäftigten, sondern direkt von der Klägerin an die ZVE A gezahlt. Dieser Vorgang lässt sich auch nicht als Zahlung im abgekürzten Zahlungsweg werten, bei dem wirtschaftlich betrachtet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung stellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet.

Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist es zwar nicht entscheidend, dass nur die Klägerin rechtlich zur Umlagezahlung an die ZVE A verpflichtet ist. Gegen die Annahme eines abgekürzten Zahlungswegs spricht jedoch die Interessenlage der Klägerin und der Beschäftigten. Die Umlagen dienen allein dazu, die Auszahlungen der ZVE A an ihre gegenwärtigen Versorgungsempfänger zu finanzieren und damit die Versorgungszusage der am Umlageverfahren der ZVE A beteiligten Arbeitgeber zu erfüllen.

Demgegenüber tritt der Vorteil der Beschäftigten durch diese Zahlungen zurück. Das zusatzversorgungspflichtige Entgelt der Beschäftigten ist lediglich der Maßstab, nach dem die ZVE A die für den Deckungsabschnitt erforderlichen Mittel zur Zahlung der Renten der gegenwärtigen Versorgungsempfänger von den bei ihr beteiligten Arbeitgebern erhebt. Die Umlagezahlungen haben keinen Einfluss auf die Höhe der Leistungszusage. Mittel für die Finanzierung der Altersversorgung der Beschäftigten werden seit dem Übergang der ZVE A vom kapitalgedeckten System zu dem der Umlagefinanzierung - abgesehen von einem Kapitalstock zur Nivellierung der Umlagehöhe und als Reserve - nicht mehr angesammelt.

Die Nichtzahlung der Umlagen kann zwar zur fristlosen Kündigung der Beteiligung des Arbeitgebers durch die ZVE führen (§ 22 Abs. 3 ZVES). Dadurch enden auch die Pflichtversicherungen der Beschäftigten, die entstandenen Anwartschaftsrechte der Beschäftigten bleiben jedoch auch im Fall des Ausscheidens des Arbeitgebers erhalten (§ 23 Abs. 1 ZVES). Der Arbeitgeber hat der ZVE A den Gegenwert der nach seinem Ausscheiden zu erfüllenden Verpflichtungen zu erstatten (§ 23 Abs. 2 - 5 ZVES).

Die Beschäftigten erwerben während der Dauer der Pflichtversicherung allerdings Rechtsansprüche auf Versorgungsleistungen gegen die ZVE A. Bei der geforderten wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist aber kein Grund zu erkennen, warum den Beschäftigten daran gelegen sein sollte, Zukunftssicherung auf die hier zu beurteilende Art und Weise zu betreiben. Eine Rendite auf die tatsächlich eingesetzten Mittel, die Umlagen, ist angesichts der nur ca. halb so hohen Bezugsgröße der Leistungszusage kaum zu erwarten. Sollten z.B. demographischer Wandel, Personalabbau oder Absinken des Lohnniveaus in kommenden Deckungsabschnitten Erhöhungen des Umlagesatzes erzwingen, würden sich die Renditeerwartungen weiter verschlechtern. Abhängig von der Bestandsentwicklung bei der ZVE A können die gleichbleibenden Versorgungsleistungen auf ganz unterschiedlichen Umlagesätzen und -zahlungen beruhen.

Die vom Senat abgelehnte Rechtsprechung des BFH würde den Beschäftigten im Streitfall unterstellen, gegen ihre wirtschaftlichen Interessen zu handeln. Sie würde zu der lebensfremden Fiktion führen, ein Beschäftigter der Klägerin wende 7,86 v. H. seines Arbeitslohns auf, um ein Anwartschaftsrecht auf Versorgung mit Leistungen zu erwerben, die danach bemessen werden, als ob er lediglich 4 v. H. seines Arbeitslohns einzahlte. Wirtschaftlich vernünftig wäre es, wenn der Beschäftigte, der einen Versorgungsanspruch, wie er hier zugesagt ist, erwerben will, auch nur 4 v. H. seines Arbeitslohns aufwendete.

Allerdings könnte statt der Umlage der Barwert der Anwartschaft eine Bereicherung der Beschäftigten darstellen. Entscheidend ist der Barwert der Anwartschaft jedes einzelnen Beschäftigten, weil es um die Höhe des Arbeitslohns jedes einzelnen Beschäftigten und die grundsätzlich nach den individuellen Besteuerungsmerkmalen einzubehaltende Lohnsteuer geht. Dieser Barwert lässt sich aber nicht bestimmen. Die Höhe der Umlagen sagt über den Barwert nichts aus. Im Umlagesystem kann es sowohl vorkommen, dass der Wert der Umlagen hinter dem Wert der Versorgungsanwartschaften zurückbleibt (so in der Anfangsphase), als auch dass er sie später übersteigt (Birk/Hohaus, FR 2005, 441). Die Werthaltigkeit der Anwartschaft hängt für den einzelnen Beschäftigten davon ab, ob der Versorgungsfall überhaupt eintritt, wie lange er andauert und wie sich das Leistungsniveau entwickelt (Birk/Hohaus, a.a.O.; Seeger a.a.O.; Bergkemper, HFR 2005, 1168).

Es fehlt zudem am Veranlassungszusammenhang zwischen dem Dienstverhältnis und der Umlagezahlung. Sie erfolgt im eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin an der Finanzierung der von ihr zugesagten Versorgungsansprüche. Wird der Finanzbedarf für ein Altersversorgungssystem in einem Umlageverfahren erhoben, sind zwar Schwankungen der Höhe der Umlagen und der Renditen der Versorgungsempfänger systemimmanent. Im Streitfall besteht jedoch ein so großer Unterschied zwischen Umlagesatz und Leistungszusage, dass sich die Annahme, die Klägerin entrichte die Umlage an die ZVE A nicht im eigenbetrieblichen Interesse, sondern nur im abgekürzten Zahlungsweg im Interesse und für Rechnung der Beschäftigten, verbietet.

2. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO). Die Frage, wie die Umlagezahlungen an die ZVE A lohnsteuerlich zu beurteilen sind, berührt das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts.

Ob die Revision auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen ist, kann dahinstehen. Die vorliegenden Entscheidungen des BFH betreffen, soweit ersichtlich, andere Zahlungen als die laufenden Umlagen an die Versorgungseinrichtung und damit andere Sachverhalte oder beruhen nicht auf den Ausführungen zur Behandlung der laufenden Umlagen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Ende der Entscheidung

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