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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 08.05.2007
Aktenzeichen: 15 K 20353/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 4
EStG § 4 Abs. 4a
EStG § 5
EStG § 52 Abs. 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

15 K 20353/04

Tatbestand:

Streitig ist die Beschränkung des Schuldzinsenabzuges nach § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 und § 5 EStG ermittelt. Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte er für das Wirtschaftsjahr 3 einen Gewinn in Höhe von 167.282,80 DM. Bei dessen Ermittlung hatte er Schuldzinsen in Höhe von 19.143,98 DM als Betriebsausgaben abgezogen. Die Entnahmen beliefen sich auf 166.513,63 DM. Einlagen hatte der Kläger im Wirtschaftsjahr 3 nicht geleistet. Im Wirtschaftsjahr 2 hatte der Kläger bei einem Gewinn von 142.669,53 DM Entnahmen in Höhe von 505.443,41 DM vorgenommen. Einlagen hatte er auch in diesem Wirtschaftsjahr nicht geleistet. Das zum Schluss des Wirtschaftsjahres 1 ausgewiesene Eigenkapital hatte sich auf 154.087,04 DM belaufen. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erhöhte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) den von dem Kläger erklärten Gewinn um den seines Erachtens nach § 4 Abs. 4a EStG nicht als Betriebsausgabe abziehbaren Teil der Schuldzinsen, den es mit 14.474,00 DM ermittelte.

Den hiergegen eingelegten Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, dass § 4 Abs. 4a EStG in Verbindung mit der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 11 EStG zu einer unzulässigen Rückwirkung führe, wies das FA durch Einspruchsbescheid vom 6. April 2004 als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 3. Mai 2004 Klage, mit der er die Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 4a EStG geltend macht.

Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 21. September 2005 X R 47/03 (BStBl. II 2006, 504) entschieden hatte, dass bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG jedenfalls in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 auch Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 1. Januar 1999 geendet haben, zu berücksichtigen seien, legte der Kläger mit Schriftsatz vom 2. März 2006 eine Berechnung vor, nach der sich auf dieser Grundlage nicht abziehbare Schuldzinsen in Höhe von lediglich 12.387 DM ergaben. Unter dem 14. September 2006 erteilte das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es den von dem Kläger erklärten Gewinn nur noch um diesen Betrag auf 179.669 DM erhöhte.

Der Kläger hält seine verfassungsrechtlichen Einwendungen auch gegen den Änderungsbescheid aufrecht. Er ist der Ansicht, dass die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße. Die Vorschrift verletze das objektive Nettoprinzip, weil es Ausgaben zur Erzielung des steuerpflichtigen Einkommens vom Betriebsausgabenabzug ausschließe. Außerdem führe sie zu einer Ungleichbehandlung zwischen den verschiedenen Gewinnermittlungs- und Einkunftsarten. Da es bei einer Einnahmen-Überschussrechnung begrifflich keine Einlagen oder Entnahmen gebe, seien Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten, von der Begrenzung des Schuldzinsenabzuges nicht betroffen. Das Gleiche gelte für die Bezieher von Einkünften aus Überschusseinkunftsarten.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. September 2006 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich unter Berücksichtigung des von ihm erklärten Gewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe von 167.282 DM ergibt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass der Änderungsbescheid vom 14. September 2006 der Gesetzeslage entspricht und durchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4a EStG nicht bestehen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Änderungsbescheid vom 14. September 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen nach näherer Maßgabe der Sätze 2 bis 4 dieser Vorschrift nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG unberührt. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sind die dem Kläger entstandenen Schuldzinsen auf der Grundlage dieser Vorschriften in Höhe eines Teilbetrages von 12.387 DM nicht als Betriebsausgaben abziehbar und daher - wie durch den Änderungsbescheid vom 14. September 2006 geschehen - dem durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermittelten Gewinn hinzuzurechnen.

Die von dem Kläger gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4a EStG erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

Nach den Beschlüssen des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88 (BStBl. II 1990, 817) und vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95 (BStBl. II 1998, 193) hing die Beurteilung der betrieblichen Veranlassung von Schuldzinsen allein von der gegenständlichen Verwendung der Darlehensmittel ab, für die sie gezahlt wurden. Soweit damit Aufwendungen finanziert wurden, die ihrerseits betrieblich veranlasst waren, waren auch die darauf anfallenden Schuldzinsen als Betriebsausgaben abziehbar, ohne dass es darauf ankam, auf welchen Gründen die Kreditaufnahme beruhte. Dieser Rechtszustand erlaubte es, Zinsen für privat veranlasste Kreditaufnahmen in den betrieblichen Bereich zu verlagern, indem durch Inanspruchnahme des sog. Zweikontenmodells laufende Betriebseinnahmen auf ein für Privatentnahmen bestimmtes Guthabenkonto geleitet und laufende Betriebsausgaben zu Lasten eines Kreditkontos bestritten wurden. Dieser Gestaltung wollte der Gesetzgeber durch die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG begegnen.

Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht liegt darin kein Verstoß gegen das sog. objektive Nettoprinzip, wonach die im Rahmen der Einkunftserzielung erwirtschafteten Erträge um die dadurch veranlassten Aufwendungen zu vermindern sind und nur der verbleibende Überschuss als Ergebnis der wirtschaftlichen Betätigung des Steuerpflichtigen der Einkommensbesteuerung zugrunde gelegt werden darf. Denn vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen werden Schuldzinsen nur insoweit, als Darlehen zur Finanzierung laufender Betriebsausgaben aufgenommen werden (müssen), weil der Steuerpflichtige dem Betrieb über den erwirtschafteten Gewinn hinaus Mittel für private Zwecke entzogen hat. Die Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs knüpft an die Entscheidung des Steuerpflichtigen an, im Rahmen des Betriebs zufließende Mittel nicht für betriebliche, sondern für private Zwecke zu verwenden. Die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG, welche die Verlagerung letztlich privat veranlasster Kreditaufnahmen in den betrieblichen Bereich verhindert, steht daher nicht in Widerspruch zu dem objektiven Nettoprinzip, sondern führt dieses für den Bereich des Schuldzinsenabzugs auf seinen eigentlichen Geltungsgrund zurück. Da der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG unberührt bleibt, geht die Einschränkung des Schuldzinsenabzugs auch nicht über das zur Erreichung des gesetzgeberischen Zwecks erforderliche Maß hinaus.

Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht führt die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG auch nicht zu einer gegen Art. 3 GG verstoßenden Ungleichbehandlung zwischen den verschiedenen Gewinnermittlungs- und Einkunftsarten.

Der Einwand, dass die Vorschrift für Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelten, ins Leere gehe, weil es bei dieser Gewinnermittlungsart begrifflich keine Entnahmen und Einlage gebe, ist unzutreffend. § 4 Abs. 4a Satz 6 EStG ordnet ausdrücklich an, dass die Vorschriften der Sätze 1 bis 5 bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sinngemäß anzuwenden und Entnahmen und Einlagen hierzu gesondert aufzuzeichnen seien.

Für die Überschusseinkunftsarten (§ 2 Abs. 2 EStG) sieht das Gesetz zwar keine entsprechende Anwendung der Vorschrift vor. Die darin liegende Differenzierung erscheint aber deshalb mit dem Gleichheitssatz vereinbar, weil die Nutzung des Zweikontenmodells um so eher in Betracht kam und um so größere steuerliche Auswirkungen hatte, je höher die laufenden Einnahmen und Ausgaben im Verhältnis zu dem Nettoergebnis der wirtschaftlichen Betätigung sind und sich daher in erster Linie für betriebliche Betätigungen mit hohem Geldumsatz - wie die von dem Kläger betriebene - anbot.

Die Klage ist daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO); insoweit hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage durch die Erteilung des Änderungsbescheids vom 14. September 2006 teilweise Erfolg hatte. Die sonstigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO.



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