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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 22.10.2007
Aktenzeichen: 16 K 226/07
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 15a
UStG § 24 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

16 K 226/07

Umsatzsteuer 2003

Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob eine Vorsteuerberichtigung für einmalig nutzbare Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens im Veranlagungszeitraum 2003 möglich ist.

Der Kläger betreibt seit dem 1. Juli 2001 einen landwirtschaftlichen Betrieb. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2003 optierte er gem. § 24 Abs. 4 UStG ab 2003 zur Regelbesteuerung.

In seiner Umsatzsteuererklärung für 2003 machte der Kläger Vorsteuerberichtigungen gem. § 15 a UStG zu seinen Gunsten in Höhe von 17.894,06 EUR geltend. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung 2003 am 4. April 2005 zu.

In der Zeit vom 14. September 2005 bis zum 13. Dezember 2005 fand beim Kläger eine Außenprüfung statt. Im Rahmen der Außenprüfung machte der Kläger weitere Vorsteuerberichtigungen in Höhe von 2.565,78 EUR geltend. Dieser Betrag bezieht sich auf Wirtschaftsgüter, die der Kläger in 2002 erworben hatte und die der einmaligen Ausführung von Umsätzen dienen (Saatgut, Dünger). Der Prüfer vertrat demgegenüber die Auffassung, dass eine Vorsteuerberichtigung nicht möglich sei, weil die Rechtsgrundlage dafür erstmalig auf Wirtschaftsgüter anzuwenden sei, die nach dem 31.12.2004 angeschafft wurden. Hinsichtlich der übrigen Vorsteuerberichtungen nahm der Prüfer eine geringfügige Korrektur vor; insoweit sind die Feststellungen unstreitig.

Der Beklagte änderte den Umsatzsteuerbescheid 2003 mit Datum vom 9. Februar 2005 entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung. Der Einspruch dagegen hatte keinen Erfolg.

Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Vorsteuerberichtung gem. § 15 a UStG auch hinsichtlich jener Wirtschaftsgüter vorzunehmen sei, die der einmaligen Ausführung von Umsätzen dienen. Der Übergang von der Besteuerung nach Durchschnittssätzen zur Regelbesteuerung stelle eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 15 a UStG dar und löse grundsätzlich eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus. Der Kläger habe in 2002 Aufwendungen zur Herstellung des Feldinventars getätigt, die sich mit dem Verkauf der Ernte in 2003 in Umsätzen niedergeschlagen hätten. Es würde dem Prinzip der Neutralität der Umsatzsteuer widersprechen, wenn diese Vorsteuern nicht abgezogen werden könnten. Deshalb sei auch schon vor dem 01.01.2005 in Anwendung des Rechtsgedankens des § 15 a a.F. eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen. Dies habe auch das FG Rheinland-Pfalz so entschieden.

Auch wenn sich nach § 27 Abs. 11 UStG 2005 die Neufassung des § 15 a UStG nur auf Umsätze beziehe, die nach dem 31.12.2004 ausgeführt wurden, könne sich der Kläger auf Art. 20 6. EG-Richtlinie berufen, weil diese eine hinreichend klare günstigere Regelung enthalte als das nationale Recht.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 2003 vom 9. Februar 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2007 die Umsatzsteuer 2003 auf ./. 12.585,30 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die Vorsteuerberichtigung für nicht zulässig. § 15 a UStG 1999 enthalte keine Regelung, wonach eine Vorsteuerberichtigung für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens möglich ist. § 15 a Abs. 2 UStG gelte gem. § 27 Abs. 11 UStG nur für Umsätze, die nach dem 31.12.2004 ausgeführt wurden. Der Kläger könne sich auch nicht auf die 6. EG-Richtlinie berufen. Diese überlasse es den Mitgliedsstaaten, die Einzelheiten für eine Vorsteuerberichtigung festzulegen. Art. 20 Abs. 4 6. EG-Richtlinie überlasse es ausdrücklich den Mitgliedstaaten, den Begriff des Investitionsguts zu definieren. Damit seien aber nur langlebige Wirtschaftsgüter gemeint, nicht aber Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Klage kann auch die Vorsteuern aus den im Veranlagungszeitraum 2002 erworbenen, nach Übergang zur Regelbesteuerung im Veranlagungszeitraum 2003 einmalig verwendeten Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens abziehen.

Die Berichtigung des Vorsteueranspruchs findet allerdings keine Rechtsgrundlage im nationalen Umsatzsteuergesetz. Zwar gilt der Übergang von der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG als "Änderung der Verhältnisse" im Sinne des § 15 a Abs. 1 UStG (BFH Urteile vom 16. Dezember 1993 V R 79/91, BStBl II 1994, 339; vom 6. Dezember 2001 V R 6/01, BStBl II 2002, 555). Auch lässt § 15 a Abs.2 UStG in der Fassung des EURUmstG vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I 2004, 331) eine Vorsteuerberichtigung zu, wenn sich bei einem Wirtschaftsgut, dass nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet wird, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse ändern; die Berichtigung ist in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem das Wirtschaftsgut verwendet wird. Diese Bestimmung ist gem. § 27 Abs. 11 UStG jedoch nur auf Vorsteuerbeträge anzuwenden, deren zugrunde liegende Umsätze nach dem 31. Dezember 2004 ausgeführt worden sind.

§ 15 a UStG in der für das Streitjahr 2003 geltenden Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, 3794) ermöglicht hingegen - ebenso wie die vorangehenden Gesetzesfassungen - eine Vorsteuerberichtigung nur bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (BFH Urteil vom 20. Dezember 2001 V R 8/98, BStBl. 2002, 557). Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut, wohl aber aus dem Regelungszusammenhang der Rechtsnorm. Denn wenn es darauf ankommt, dass sich die im Kalenderjahr der "erstmaligen" Verwendung maßgebenden Verhältnisse innerhalb von fünf Jahren "seit dem Beginn der Verwendung" ändern, unterstellt das Gesetz damit, dass das Wirtschaftsgut nicht nur einmalig, sondern dauerhaft genutzt wird.

Der Kläger kann sich jedoch unmittelbar auf eine für ihn günstigere Regelung in der 6. EG-Richtlinie berufen. Ein Einzelner kann sich in Ermangelung einer fristgerechten Umsetzungsmaßnahme des nationalen Gesetzgebers auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen (EuGH Urteil vom 27. Juni 1989 Rs C-50/88, UR 1989, 373, vom 10. September 2002 Rs C 141/80 -Kügler- ,UR 2002, 513). Das ist hier der Fall.

Art. 20 Abs. 1 a) 6. EG-Richtlinie bestimmt, dass der ursprüngliche Vorsteuerabzug nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt wird, und zwar insbesondere, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war. Art. 20 Absätze 2 - 4 6. EG-Richtlinie enthält weitere Regelungen bezüglich der Vorsteuerberichtigung bei Investitionsgütern.

Zutreffend weist der Beklagte jedoch darauf hin, dass die Vorsteuerberichtigung nicht aus den Absätzen des Art. 20 6. EG-Richtlinie hergeleitet werden kann, die sich auf die Vorsteuerberichtigung bei Investitionsgütern beziehen. Investitionsgüter sind Gegenstände, die durch ihre Langlebigkeit gekennzeichnet sind und deren Anschaffungskosten daher in der Regel nicht als laufende Kosten verbucht, sondern über mehrere Jahre hinweg abgeschrieben werden (vgl. EuGH-Urteil vom 1. Februar 1977 Rs. 51/76 --Verbond van Nederlandse Ondernemingen--, UR 1977, 90). Der Begriff des Investitionsguts entspricht insofern dem des Anlagevermögens. Für Umlaufvermögen wie im Streitfall greifen die Absätze 2 - 4 des Art. 20 6. EG-Richtlinie nicht.

Demgegenüber enthält Art. 20 Abs. 1 6. EG-Richtlinie jedoch keine Beschränkung auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Eine solche Einschränkung ergibt sich weder aus dem Wortlaut, noch aus der Systematik des Art. 20 6. EG-Richtlinie. Dieser legt vielmehr in Abs. 1 die allgemeinen Voraussetzungen fest, unter denen eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen ist und enthält in den Absätzen 2 - 4 spezielle Regelungen für den Vorsteuerabzug bei Investitionsgütern. Ist mithin der Vorsteuerabzug für ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens höher oder niedriger als der Vorsteuerabzug, zu dem der Steuerpflichtige ursprünglich berechtigt war, so ist eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen.

Heidner (Bunjes/Geist 7. Auflage, § 15 a Rz. 3) vertritt die Auffassung, dass die Berufung auf die 6. EG-Richtlinie an der Bezugnahme in Art. 20 Abs. 1 auf die "nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten" scheitere, weil die Regelung insoweit nicht hinreichend klar und genau sei und nicht an Bedingungen geknüpft sei. Dem schließt sich das Gericht indes nicht an. Mit diesem Passus wird den Mitgliedstaaten lediglich ein Spielraum hinsichtlich des Wie der Vorsteuerberichtigung eingeräumt, nicht hingegen das Ob einer Vorsteuerberichtigung in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt. Im übrigen wahrt nur die hier vertretene Auslegung das Prinzip der Belastungsneutralität der Umsatzsteuer, wonach nur die Verwendung eines Gegenstandes für unternehmensfremde Zwecke oder steuerfreie Umsätze die endgültige Belastung mit Umsatzsteuer auslöst, ansonsten aber die Umsätze durch den Vorsteuerabzug für die Eingangsleistungen von der Umsatzsteuer wieder entlastet werden. Im Streitfall würde der Kläger ansonsten trotz unternehmerischer Verwendung der Eingangsleistungen mit der Umsatzsteuer belastet bleiben, weil er die mit dem Verkauf seiner Ernte erzielten Erlöse zu versteuern hätte, die beim Bezug von Dünger und Saatgut gezahlte Vorsteuer nicht abziehen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision wird nach § 115 Nr. 1 FGO zugelassen.

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