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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 01.03.2007
Aktenzeichen: 16 K 30/05
Rechtsgebiete: UStG, Richtlinie 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 23
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1h
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1i
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

16 K 30/05

Umsatzsteuer 1997 - 1999

Tatbestand:

Der Kläger betreibt als selbständiger Unternehmer ein Jugendgästehaus und eine Surfschule.

Daneben bot er mehrtägige Kanutouren an, die er selbst organisierte. In diesen Fällen mussten die Gruppen für die Beköstigung selbst sorgen. Es erfolgte auch keine Unterbringung im Gästehaus, sondern in Zelten. Nach den in den Streitjahren geltenden Vertragsbedingungen übernahm der Kläger die Planung der Tour sowie die Reservierung der Campingplätze. Im Preis der angebotenen Leistung waren ferner enthalten der Transfer des gesamten Materials, die Gestellung von Kanus, Paddeln, Schwimmwesten, wasserdichten Tonnen, Zelten, Isomatten und Kochgeschirr, eine Einführung ins Kanufahren, die Betreuung durch einen fachkundigen Kanufahrer und alle anfallenden Campingplatzgebühren. Mit Fahrantritt haftete jeder Teilnehmer für seine körperliche Unversehrtheit selber. Auf dem Wasser bestand für alle Teilnehmer der Tour eine Haftpflichtversicherung. Die Touren wurden von Mitarbeitern des Klägers begleitet. Vom Vertragspartner waren in ausreichendem Maße volljährige Betreuer der Gruppe zu stellen. Nach dem Vertrag waren auf dem Wasser die Mitarbeiter des Klägers allein verantwortlich, an Land zusammen mit den Betreuern der Gruppe.

Die Kanutouren wurden von Schulklassen im Rahmen sogenannter "Projektwochen" in Anspruch genommen. Die Projektplanung und Ausgestaltung war Gegenstand des Unterrichts und erfolgte in der Verantwortung der zuständigen Lehrer. Die Projekte wurden mit dem Kläger abgestimmt, der seine Kanutouren in den Schulen vorstellte und bei seiner Planung und seinem Angebot auf individuelle Wünsche der Vertragspartner, z.B. die Organisation gemeinsamer Essen im Campinglager oder gemeinsame Spiele oder Ausflüge in die Natur, Rücksicht nahm. Die Schulen schätzten die Kanutouren, da diese u.a. das Sozialverhalten, gegenseitige Hilfestellung und Kommunikation, Teamarbeit und Kooperationsbereitschaft, selbst organisiertes und verantwortetes Handels sowie sportmotorische Zielsetzungen in hohem Maße positiv förderten und den Jugendlichen die Bedeutung und den Umgang mit der Natur vermittelten. Wegen der Einzelheiten der Motivation und Effekte der Kanutouren wird auf die Schreiben der Lehrer des Marie-Curie-Gymnasiums vom 01.06.2005, des Theodor-Heuss-Gymnasium ... vom 04.06.2005 und der Hauptschule von Galen in ... vom 19.07.2005 verwiesen.

Der Kläger erklärte die aus diesen Kanutouren erzielten Umsätze in seinen Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre 1997 - 1999 als steuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 23 UStG. Nach einer Außenprüfung ging der Beklagte davon aus, dass die Umsätze der Regelbesteuerung unterlägen und setzte die Umsatzsteuer mit Änderungsbescheiden vom 30.01.2003 entsprechend fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger ist der Auffassung, die Umsätze seien gemäß § 4 Nr. 23 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Er habe die Jugendlichen bei sich zu Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecken aufgenommen und entsprechende Leistungen selbst erbracht. Eine Aufnahme sei gegeben, da er für die Zeit der Projektwochen die Verantwortung für die Jugendlichen während des Aufenthaltes auf dem Wasser allein und während der Zeit des Landaufenthaltes gemeinsam mit begleitenden Lehrern als Betreuern gehabt habe. Die Jugendlichen seien für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke von ihm aufgenommen worden. Diese Zwecke umfassten die gesamte geistige, sittliche und körperliche Erziehung und Fortbildung von Jugendlichen. Hierzu gehören u.a. auch die sportliche Erziehung. Für die Zeit des gesamten Aufenthalts habe er die Ziele der Schule eigenverantwortlich übernommen und gestaltet gehabt. Nur er und seine Mitarbeiter hätten über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, solche Projektwochen sinn- und zielvoll zu gestalten. Insofern hätten sie pädagogische Ziele im motorischen, kognitiven und sozialaffektiven Bereich verfolgt, was im Schulalltag nur schwer umsetzbar gewesen sei. Die Beweglichkeit auf dem Wasser sei erforderlich gewesen, um die Ziele der Projektwochen, die Erkundung des Ökosystems Flussniederungen, verwirklichen zu können. Die von ihm vermittelten Lerneffekte entsprächen damit den Vorgaben der von den Schulen zu beachtenden Zielsetzungen der Erlasse der Kultusministerien. Auch darin komme zum Ausdruck, dass er die Vorgaben der Kultusministerkonferenz und der Schulverwaltung an die Schule, bei derartigen Aufenthalten Unterricht in situationsbezogener Form zu erteilen, übernommen habe.

Ferner habe er den anvertrauten Jugendlichen und ihren Begleitern während der Projektwochen Beherbergung gewährt. Unerheblich sei, dass die Beherbergung in Zelten stattgefunden habe. Eine Beköstigung habe durch gemeinsame Essen stattgefunden.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuer 1997 auf ./. 40.695 DM, die Umsatzsteuer 1998 auf 8.671 DM und die Umsatzsteuer 1999 auf 7.223 DM festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 23 UStG lägen nicht vor. Der Kläger habe die Jugendlichen nicht bei sich aufgenommen. Eine Aufnahme setze ein Betreuungsverhältnis voraus. Demgegenüber habe die Leistung des Klägers überwiegend nur in einer technischen und organisatorischen Begleitung der Fahrten bestanden. Ferner habe der Kläger die Jugendlichen nicht zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung bei sich aufgenommen. Auch hier habe die technische und organisatorische Durchführung der Kanutour im Vordergrund gestanden. Erziehungs- und Ausbildungszwecke seien von den begleitenden Lehrern erbracht worden. Die Leistung des Klägers habe sich auf die Durchführung einer Reisebegleitung beschränkt. Im Übrigen gehöre die Veranstaltung von mehrtägigen Reisen nicht zu den üblichen Nebenleistungen im Sinne des § 4 Nr. 23 UStG.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Leistungen des Klägers aus den Kanutouren sind nicht von der Umsatzsteuer befreit.

Gemäß § 4 Nr. 23 UStG ist steuerfrei die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Personen und Einrichtungen, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke bei sich aufnehmen, soweit die Leistungen an die Jugendlichen oder an die bei ihrer Erziehung, Ausbildung, Fortbildung oder Pflege tätigen Personen ausgeführt werden. Jugendliche im Sinne dieser Vorschrift sind alle Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres.

Wortlaut und Sinnzusammenhang der Vorschrift lassen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - nur die Auslegung zu, dass begünstigter Unternehmer ausschließlich der aufnehmende Unternehmer ist, der die aus der Aufnahme zu den genannten Zwecken folgenden Betreuungsleistungen und Pflegeleistungen erbringt (vgl. Urteile vom 7. Juli 1960 V 282/57 U , BFHE 71, 393 , BStBl III 1960, 396, vom 19. Dezember 1963 V 102/61 U , BFHE 78, 280 , BStBl III 1964, 110; vom 24. August 1961 V 22/59, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Umsatzsteuergesetz 1951 § 4 Ziff.13 Rechtsspruch 6; Urteil vom 21. Dezember 1965 V 24/62 U, BFHE 84, 503, BStBl III 1966, 182; Beschluss vom 26. Juli1979, V B 15/79, BFHE 128, 421, BStBl II 1979, 721). Die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift liegen nicht vor. Mit der Ausrichtung der Kanutouren durch den Kläger lag bereits keine "Aufnahme" im Sinne des § 4 Nr. 23 UStG vor.

Der Begriff der "Aufnahme" im Sinne des § 4 Nr. 23 UStG ist in Rechtsprechung und Literatur nicht eindeutig bestimmt (vgl. BFH, Urteil vom 24.05.1989 V R 127/84, BFHE 157, 464, BStBl II 1989, 912; Urteil vom 26.04.1990 V R 55/85, StRK UStG 1980 § 4 Nr.23 R.1, UR 1991, 54; Urteil vom 28.09.2000 V R 26/99, BFHE 192, 360, BStBl II 2001, 691). Im Sprachgebrauch bedeutet "Aufnehmen", dass jemand empfangen oder untergebracht wird (vgl. Duden, Die sinn- uns sachverwandten Wörter sowie Stilwörterbuch). Rechtsprechung und Literatur schließen aus der Formulierung, dass zwischen der aufnehmenden und der aufgenommenen Person ein gewisses Betreuungsverhältnis bestehen muss (vgl. Hünnekens. In: Hartmann/Metzenmacher, § 4 Nr. 23 Tz. 18; Weymüller in: Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 23 Rz. 25; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 7. Auflage, § 4 Nr. 23 Rz. 4; unter Verzicht auf eine eigene Stellungnahme Schumann, in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz § 4 Nr. 23). Dem schließt sich der erkennende Senat auch aus Gründen der historischen Auslegung an.

In der als Befreiungsvorschrift für Erziehungsanstalten mit § 2 Nr. 10 a erstmals in das UStG 1919 aufgenommen Regelung (RGBl I S. 373) waren die "Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen durch Personen und Anstalten" von der Besteuerung ausgenommen, "soweit sie Personen unter achtzehn Jahren für Erziehungs- und Ausbildungszwecke außerhalb des Wohnsitzes der Eltern bei sich aufnehmen". In § 27 der Durchführungsbestimmung - UStDB - wurde konkreter formuliert, dass es sich nicht nur um eine vorübergehende Aufnahme handeln dürfe und die Befreiung entfällt, "sofern die Lebenshaltung der Zöglinge in dem Unternehmen über die in einem einfachen bürgerlichen Haushalt übliche hinausgeht." Die wortgleiche Nachfolgeregelung in § 2 Nr. 11 UStG 1926 bezweckte, solche Personen zu entlasten, die gezwungen waren, ihre Kinder oder Kinder, deren Erziehung ihnen oblag, in Schulen aller Art ... oder in gewerblichen Unternehmen außerhalb ihres Wohnsitzes für den künftigen Beruf ausbilden zu lassen (vgl. Popitz/Kloß/Grabower (1928), § 2 Nr. 11 Anm. III, S. 579). Nachdem die Norm im UStG 1934 nicht mehr enthalten war, wurde die Befreiungsvorschrift mit UStÄndG 1950 als § 4 Nr. 13 UStG wieder eingeführt, allerdings ohne die Begrenzung, wonach die Befreiung entfalle, sofern die Lebenshaltung der Zöglinge in dem Unternehmen über die in einem einfachen Haushalt übliche hinausgehe (§ 40 UStDB 1951). Mit der Erweiterung durch § 4 Nr. 13 UStG 1952 entfiel die Beschränkung, dass die Aufnahme außerhalb des Wohnsitzes der Eltern zu erfolgen habe und die Aufnahme nicht nur vorübergehend sein dürfe (§ 40 UStDV 1951). Aus der Formulierung in der Entscheidung vom 19.12.1963 (V 102/61 U, BFHE 78, 280, BStBl II 1964, 110) zu § 4 Ziffer 13 UStG 1951 und § 40 UStDB 1951, dass während der Aufnahme die Aufsichtspersonen zu den Schülern in ein Betreuungsverhältnis treten und es sich um "anvertraute Schüler" handele, schließt der Senat, dass nach Auffassung des BFH auch nach Wegfall der Begrenzungen für eine "Aufnahme" ein Betreuungsverhältnis erforderlich ist. Gleiches gilt für die in der Entscheidung vom 26. Juli 1979 zu § 4 Nr. 23 UStG 1967/1973 (a.a.O.) gebrauchte Formulierung, wonach "der aufnehmende Unternehmer" als "Träger der Aufnahmezwecke" die mit "der Aufnahme verbundenen Betreuungsleistungen und Pflegeleistungen" erbringt (vgl. auch BFH, Urteil vom 21. Dezember 1965 a.a.O.). Danach umfasst der Begriff der Aufnahme einen Moment der Obhut und Betreuung. Von einem entsprechenden Verständnis der Aufnahme geht auch der erkennende Senat aus.

Das Gericht hält eine Aufnahme deshalb für nicht gegeben, weil der Kläger keine die gesamte Tour umfassende verantwortliche Betreuungsleistung übernommen hatte. Die Gesamtverantwortung lag bei den die Gruppe begleitenden Lehrern, die insbesondere während der Tour auf dem Wasser im Rahmen des damit verbundenen Sicherungsinteresses nur Teilbereiche an Verantwortliche des Klägers abgegeben hatten. Eine Übertragung der Gesamtverantwortung war damit nicht verbunden. Diese verblieb bei den begleitenden Lehrern. Gleiches gilt für die Betreuung an Land, bei der die Hauptverantwortung bei den Lehrern verblieb. Eine Übertragung des Betreuungsverhältnisses insgesamt an den Kläger war damit nicht verbunden. Sie ergibt sich auch nicht aus der vertraglichen Vereinbarung. Da die Kanutouren im Rahmen einer der Schulpflicht unterliegenden Schulveranstaltung durchgeführt wurden, konnten die Schule und die Lehrer sich letztlich der daraus folgenden Verantwortung weder entziehen noch diese delegieren.

Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung sind auch deshalb nicht gegeben, weil der Kläger die Jugendlichen nicht für die begünstigten Zwecke bei sich aufgenommen hat. Als begünstigter Zweck kommt allenfalls die Erziehung der Jugendlichen in Betracht. Selbst wenn die Aufenthalte der Jugendlichen beim Kläger ihrer Erziehung gedient haben sollten und zu berücksichtigen ist, dass der Begriff "Erziehung" nicht eng ausgelegt werden darf (vgl. BFH, Urteil vom 21.12.1965, a.a.O. m.w.N.), hat der Kläger diese nicht zu diesem Zweck bei sich aufgenommen. Die entsprechende Zweckbestimmung ist jedoch Voraussetzung für die Steuerfreiheit (ständige Rechtsprechung vgl. BFH, Urteil vom 28.09.2000, V R 26/99, BFHE 192, 360, BStBl II 2001, 691; Urteil vom 21.12.1965, a.a.O.; Beschluss vom 26.07.1979, a.a.O.).

Nach den für die Streitjahre geltenden Vertragsbedingungen für die Kanufahrten hatte der Kläger lediglich die Planung und organisatorische Gestaltung für die Touren übernommen. Aus der teilweisen Übernahme der Betreuungsleistungen durch Verantwortliche des Klägers ergibt sich nicht, dass der Kläger die Jugendlichen damit zum Zwecke der Erziehung bei sich aufgenommen hat. Die Übernahme der Verantwortung insbesondere auf dem Wasser hatte vielmehr vornehmlich den Zweck, die sich aus dieser Sportart ergebenden Sicherheitsbedürfnisse und -anforderungen sicherzustellen. Dies gilt auch für die vertraglich vereinbarte "Einführung in das Kanufahren". Dass damit in erster Linie ein Erziehungszweck verbunden war, ergibt sich aus den Vertragsbedingungen nicht. Soweit mit den Kanutouren faktisch auch Erziehungsleistungen verbunden waren, reichen diese für die Zweckbestimmung des Gesetzes, dass die Jugendlichen zu diesem Zweck aufgenommen wurden, nicht aus. Gleiches gilt auch für die weiteren Leistungen des Klägers. Mit der für die Gestellung der Kanutouren erforderlichen Ausstattung, der Zelte und Buchung der Campingplätze sowie der Ausarbeitung der Kanutour, erbrachte der Kläger ausschließlich rein organisatorische Leistungen zur Durchführung der Kanutour und keine Erziehungsleistungen. Soweit der Kläger diese hätte erbringen wollen, hätte dies ausdrücklich vertraglich vereinbart werden müssen. Insofern ist auch nicht ausreichend, dass der Kläger die Kanutouren in Absprache mit den verantwortlichen Lehrern durchführte, da er insofern lediglich auf individuelle Wünsche einging, ohne sich hierzu vertraglich verpflichtet zu haben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger eine entsprechende mündliche Vereinbarung einging, da das zu zahlende Entgelt sich ausschließlich nach den schriftlichen Vertragsvereinbarungen richtete. Gegen die Annahme einer Verpflichtung zur Erbringung von Erziehungsleistungen spricht ferner, dass keine Vereinbarungen über konkret vereinbarte Erziehungszwecke getroffen wurden, sondern, so weit überhaupt Erziehungszwecke vorliegen, es jeweils solche waren, die sich anlässlich der vom Kläger organisatorisch durchgeführten Kanutour von selbst ergaben.

Träger eventueller Erziehungsmaßnahmen war danach nicht der Kläger, sondern waren die Schule bzw. die die Projekte begleitenden Lehrer. Diesen oblag letztendlich auch die Betreuung der Jugendlichen für die Projektwoche insgesamt. Selbst wenn daher der Kläger sich in dem von ihm beschriebenen Umfang um die Jugendlichen kümmerte, Spiele durchführte, gemeinsame Essen veranstaltete und Ausflüge in die Natur machte, war dies nicht Gegenstand der Leistungen, für die er bezahlt wurde (a.A., Nds. FG, Urteil vom 09.09.2005, 5 K 70/02, EFG 2005, 1975, Revision zugelassen unter Az.: V R 66/06 als Revisionsverfahren fortgeführt).

Aus der Bestimmung, inwieweit Erziehungsleistungen vorliegen, folgt ferner, dass der Kläger keine der Begünstigung unterliegenden Leistungen erbracht hat. Denn indem der Kläger Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungsleistungen nicht als Hauptleistungen erbracht hat, steuerbegünstigt aber nur die zu einer Hauptleistung Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung erbrachten Zusatzleistungen Beherbergung, Beköstigung und übliche Naturalleistungen sind, liegen die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung auch insoweit nicht vor. Hauptleistung waren als solche vielmehr die Kanutouren selbst.

Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Umsatzsteuerfreiheit nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe h oder i der 6. EG-Richtlinie 77/388/EWG, berufen.

Nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 h der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten die eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von den betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannten Einrichtungen. Nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 i der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen durch Einrichtigen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betreut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten vergleichbaren Zielsetzung.

In beiden Befreiungsvorschriften sind danach befreit Einrichtungen des öffentlichen Rechts auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbetreuung sowie der Kinder- und Jugenderziehung und vergleichbare privatrechtliche Einrichtungen nach näherer Maßgabe des nationalen Rechts. Um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts handelt es sich bei den vom Kläger privat betriebenen Unternehmen nicht. Bei dem Unternehmen des Klägers handelt es sich auch nicht um eine vergleichbare privatrechtliche Einrichtung nach näherer Maßgabe des nationalen Rechts. Denn ein Nachweis, wonach dem Kläger im Rahmen des nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h und i der Sechsten Richtlinie 77/388 den Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessens in der Frage, ob sie bestimmten Einrichtungen vergleichbare Zielsetzungen zuerkennen, eine solche Anerkennung zugesprochen wurde, liegt nicht vor. Sie ist auch für das Gericht nicht erkennbar. In Anlehnung an die Rechtsprechung zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h und i der Sechsten Richtlinie 77/388 könnte sie im Rahmen der Kontrolle der nationalen Gerichte auch für Leistungen im Rahmen des § 4 Nr. 23 UStG aus der Übernahme der Kosten durch Jugendämter oder andere staatliche Einrichtungen abgeleitet werden (vgl. des BFH, Urteil vom 22.04.2004 (V R 1/98, BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849). Diese Voraussetzungen liegen jedoch unstreitig nicht vor und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. §§ 710 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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