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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 01.02.2007
Aktenzeichen: 16 K 486/03
Rechtsgebiete: SGB V, UStG


Vorschriften:

SGB V § 37
SGB V § 38
UStG § 4 Nr. 16e
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

16 K 486/03

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Einrichtung zur ambulanten Pflege kranker und hilfsbedürftiger Personen. Sie war nur im Rahmen umfassender kranken- oder pflegerischer Betreuung im Auftrag von Sozialversicherungsträgern tätig. Die diesen Tätigkeiten zu Grunde liegenden Verträge wurden mit den zuständigen Sozialversicherungsträgern abgeschlossen. Die Abrechnungen erfolgten in überwiegendem Maße mit den Krankenkassen. In den Streitjahren wurden die Pflegekosten in mindestens 40% der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen.

Neben den typischen pflegerischen Tätigkeiten führte die Klägerin im Rahmen der von Sozialversicherungsträgern anerkannten Grundpflege u.a. auch Tätigkeiten zur hauswirtschaftlichen Versorgung aus. Diese Leistung wurde nur dann gewährt, wenn die Notwendigkeit durch eine ärztliche Bescheinigung oder die Unterbringung in einem Krankenhaus, einer Reha-Einrichtung oder ähnliches nachgewiesen wurde. Die daraus von der Klägerin erzielten Umsätze wurden von den Versicherungsträgern nach § 38 SGB V anerkannt und abgerechnet.

Die Klägerin erklärte in ihren Umsatzsteuererklärungen sämtliche Umsätze als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 16 e UStG. Abweichend hiervon ging der Beklagte nach einer Außenprüfung davon aus, dass es sich bei den Umsätzen aus hauswirtschaftlicher Versorgung um typische Haushaltshilfeleistungen handele, die nicht von der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 16 e UStG umfasst seien und daher der Umsatzsteuer unterlägen. Mit Bescheiden vom 07.08.2003 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer entsprechend fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Umsätze aus hauswirtschaftlicher Versorgung seien ebenfalls nach § 4 Nr. 16 e UStG umsatzsteuerbefreit. Es handele sich um eng mit der ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen verbundene Umsätze. Da die Leistung von den Sozialversicherungsträgern nur gewährt werde, wenn die Notwendigkeit durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen sei, bestehe kein Unterschied zu hauswirtschaftlichen Leistungen, die im Rahmen des § 37 SGB V erbracht würden. Die Leistungen seien im Gesamtzusammenhang mit der Behandlung eines Kranken zu sehen, um überhaupt erst eine therapeutische Behandlung zu ermöglichen und sicherzustellen. Dabei handele sich um eine Sachleistung im Sinne des Sozialrechts. Dies bedeute, dass Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse einen unmittelbaren Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse hätten. Diese sei verpflichtet, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eine entsprechende Leistung zur Verfügung zu stellen. Hierzu bedienten sich die Krankenkassen typischerweise ambulanter Pflege- und Sozialdienste. Daraus folge, dass nicht der Kranke Nachfrager der Leistung sei, sondern unmittelbar die Krankenkasse, die die Leistung als Versicherungsleistung in Sachform weitergebe. Auch dies belege, dass die Umsätze aus der Haushaltshilfengestellung gemäß § 38 SGB V eng mit der Pflege Kranker und pflegebedürftiger Personen verbunden sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Abänderung der Umsatzsteuerbescheide 1999 - 2001 vom 07.08.2003 die Umsatzsteuer jeweils auf 0 DM festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, bei den Umsätzen der Klägerin aus hauswirtschaftlicher Versorgung handele es sich um typische Haushaltshilfeleistungen, die nicht nach § 4 Nr. 16 e UStG umsatzsteuerbefreit seien. Nach dieser Regelung seien nur die mit dem Betrieb der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze umsatzsteuerfrei. Nicht pflegebedürftig sei, wer nur Hilfe im hauswirtschaftlichen Bereich benötige. Die Rechtsprechung des EuGH stelle bei der Begriffsabgrenzung der eng verbundenen Umsätze auf den Zweck der Umsätze ab. Danach seien die Umsätze aus Leistungen gemäß § 38 SGB V im hauswirtschaftlichen Bereich nicht eng mit der Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen verbunden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die Umsätze der Klägerin aus Tätigkeiten der im Rahmen der von Sozialversicherungsträgern gemäß § 38 SGB V anerkannten hauswirtschaftlichen Versorgung sind gemäß § 4 Nr. 16 e UStG umsatzsteuerbefreit.

Nach § 4 Nr. 16 e UStG in der durch das Steueränderungsgesetz 1992 (StÄndG 1992) vom 25. Februar 1992 (BGBl. I 1992, 297, 317) mit Wirkung zum 1. Januar 1992 erweiterten (Art. 12 Nr. 2 Buchst. c, Art. 40 Abs. 2 StÄndG 1992) und in den Streitjahren geltenden Fassung sind u.a. "die mit dem Betrieb der (...) Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze steuerfrei, wenn ...

e) bei (...) Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 vom Hundert der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind".

Nach der Gesetzesbegründung sollte durch die Änderungen Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 12/1368, S. 26, 27 zu § 4 Nr. 16 UStG 1991).

Während nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 16 e UStG steuerfrei "die mit dem Betrieb der (...) Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze" sind, hat Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Richtlinie 77/388 folgenden Wortlaut: "Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten (...) ...

g) die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen."

In seinem Urteil vom 10.09.2002 in der Rechtssache Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH gegen Finanzamt für Körperschaften I (C-141/00 Slg. I-2002, 6833) hatte der EuGH zwischen Leistungen der Behandlungspflege und Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung unterschieden. Leistungen der Behandlungspflege, die von qualifiziertem Krankenpflegepersonal durch einen ambulanten Pflegedienst erbracht werden, sah er - auch als häusliche Leistungen - als von der Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388 erfasste Leistungen im Rahmen der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin an. Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung fasste er ausdrücklich nicht unter diese Befreiungsvorschrift. Soweit diese Leistungen körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, stellen diese nach der Entscheidung des EuGH "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen im Sinne von Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie 77/388 dar.

Die Unterscheidung, was unter Leistungen der Behandlungspflege - auch als häusliche Leistungen - und Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung im Sinne dieser Rechtsprechung gemeint war, ergibt sich aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Antonio Tizzano vom 27. September 2001 in dieser Rechtssache. Danach sind von den Leistungen der Behandlungspflege nur Leistungen erfasst, die im Zusammenhang mit der Vorbeugung, Diagnose oder Behandlung einer Erkrankung stehen, und nicht sonstige Tätigkeiten, die als solche nicht zur Genesung des Erkrankten beitragen. Als sonstige Tätigkeiten werden in diesem Zusammenhang die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung genannt. Diese hätten keinen therapeutischen Zweck und würden im Allgemeinen von Personen erbracht, die nicht den ärztlichen oder arztähnlichen (Krankenpfleger) Berufen angehörten, was die Sechste Richtlinie 77/388 jedoch im Rahmen der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c voraussetze. Selbst wenn sie von entsprechend qualifiziertem Personen erbracht würden, hätten sie jedenfalls keinen direkten medizinischen Bezug; sie könnten daher auch dann nicht unter die Steuerbefreiung fallen, wenn dadurch eine Gesamtheit verschiedener Leistungen (d.h. medizinische und nichtmedizinische Leistungen) eine einheitliche steuerliche Behandlung erfahren würde. Eine Ausnahme leitet der Generalanwalt aus einem von ihm nicht näher zitierten Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich nur für den Fall ab, dass es sich um Leistungen handelt, die bei der Heilbehandlung "unbedingt notwendig" sind (in der betreffenden Rechtssache ging es um "Lieferungen kleineren Umfangs", die "in tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht" mit der befreiten Dienstleistung untrennbar verbunden waren).

Im Ergebnis waren sich in dem Rechtsstreit alle Beteiligten einschließlich des Bundesfinanzhofs darin einig, dass die Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung in den Anwendungsbereich des Buchstaben g des Artikels 13 Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 fallen, da sie eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind. Insbesondere die Kommission und die deutsche Regierung machten geltend, aus dem Wortlaut des Artikels 13 Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 folge ohne weiteres, dass die Leistungen der Behandlungspflege nach Buchstabe c von der Steuer befreit seien, während die Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung regelmäßig mit der Sozialfürsorge zusammenhingen und daher grundsätzlich unter den Begriff der eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen nach Buchstabe g fielen. Diese Lösung habe zudem den Vorteil, dass es zu keiner Überschneidung zwischen den verschiedenen Steuerbefreiungstatbeständen des Artikels 13 Teil A Absatz 1 komme; dadurch könne der Grundsatz der engen Auslegung gewahrt werden, der wegen des allgemeinen Grundsatzes, nach dem jede Leistung der Mehrwertsteuer unterliege, auf diese Ausnahmetatbestände anzuwenden sei.

Dieses Ergebnis findet sich im Wortlaut des § 4 Nr. 16 e UStG nicht wieder, nach dem nur "die mit dem Betrieb der (...) Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze steuerfrei sind". Der Wortlaut könnte eher den Schluss zulassen, dass nur Leistungen im Rahmen der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin von der Steuerbefreiung erfasst sein sollen.

Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass aufgrund der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 16 e UStG, wonach mit dieser Regelung Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388 in nationales Recht umgesetzt werden sollte (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 12/1368, S. 26, 27 zu § 4 Nr. 16 UStG 1991), nach dem Willen des Gesetzgebers und im Rahmen der europakonformen Auslegung Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 e UStG fallen (vgl. auch FG Berlin, Urteil vom 16.08.2006 2 K 5218/01, Revision zugelassen, n.V.). In diesem Sinne versteht der Senat auch die Entscheidung des BFH, Urteil vom 22.04.2004 (V R 1/98, BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849), wobei der Regelungsgehalt des § 4 Nr. 16 e UStG ausdrücklich nicht Gegenstand der Entscheidung des Rechtsstreits war.

Bei den streitigen von der Klägerin erbrachten Leistungen handelt es sich um Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung in dem genannte Sinne. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB V erbringt der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten Haushaltshilfe, wenn diesen wegen Krankenhausbehandlung oder wegen einer Leistung nach § 23 Abs. 2 und 4, §§ 24 , 37 , 40 oder 41 SGB V die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Voraussetzung ist ferner, dass im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die in Absatz 1 Bezug genommenen Regelungen der §§ 23, 24, 37, 40 und 41 beziehen sich auf medizinische Versorgungsleistungen (§ 23), medizinische Versorgung für Mütter und Väter (§ 24), medizinische Rehabilitation für Mütter und Väter (§ 41) und damit ausschließlich auf krankheitsbedingte Versorgungsleistungen. Diese sollen nur gewährt werden, wenn die kranken und pflegebedürftigen Personen nicht selbst in der Lage sind, die entsprechenden Leistungen zu erbringen.

Der Zweck der Regelung über die Haushaltshilfe ist darin zu sehen, dass notwendige medizinische Maßnahmen nicht aus häuslichen oder familiären Gründen unterbleiben, möglicherweise mit der Folge, dass der Gesundheitszustand des Versicherten leidet oder sich weiter verschlechtert und später eine intensivere, längere und meistens auch teurere Behandlung notwendig wird (BSG, Urteil vom 23.11.1995, 1 RK 11/95, BSGE 77, 102, SozR 3-2500 § 38 Nr. 1; Mengert, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 38 RdNr. 13; vgl. ferner Schneider in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1 Krankenversicherungsrecht, § 22 RdNr. 332; zur Entstehungsgeschichte der erstmalig durch das Leistungsverbesserungsgesetz vom 12. Dezember 1973 BGBl. I 1925 mit Wirkung vom 1. Januar 1974 in die RVO aufgenommenen Regelung siehe BSG, Urteil vom 20.12.1978, 3 RK 40/78, BSGE 47, 285ff; SozR 2200 § 185 b Nr. 6 S 20 f). Die sich aufgrund der häuslichen Pflichten ergebenden Hindernisse will § 38 SGB V beseitigen und damit dem Versicherten den Entschluss erleichtern, die Weiterführung des Haushalts einem anderen zu überlassen. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Gestellung der Haushaltshilfe damit eine begleitende Maßnahme bei der Bekämpfung der Krankheit im Sinne einer akzessorischen Nebenleistung zu den in Abs. 1 Satz 1 genannten Heilmaßnahmen (vgl. auch Sozialversicherungsrecht Bd. 1, Kassler Komm-Höfler, SGB V § 38 RdNr. 2).

Die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistung machen deutlich, dass durch sie dem Versicherten speziell die Weiterführung seines Haushalts und nicht allgemein irgendeine Versorgung seiner Kinder ermöglicht werden soll. Bei der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V), die ebenfalls einen Anspruch auf Haushaltshilfe begründen kann, ist die Situation dadurch gekennzeichnet, dass der Zustand des Versicherten eine qualifizierte Krankenpflege mit Behandlungspflege, Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erfordert. Allen Konstellationen ist gemeinsam, dass entweder wegen der auswärtigen Unterbringung oder wegen der Schwere der Krankheit die Versorgung des Haushalts nicht nur kurzzeitig unterbrochen ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2002, B 1 KR 22/01 R, SozR 3-2500 § 38 Nr. 4). Die im Rahmen des Art. 38 SGB V erbrachten Leistungen der Klägerin sind daher von der Umsatzsteuer befreit.

Soweit man die von der Klägerin erbrachten Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung als nicht von der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 16 e UStG erfasst ansehen würde, wären diese Leistungen unmittelbar durch Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388 umsatzsteuerbefreit. Denn nach der Entscheidung des EuGH vom 10.09.2002 (a.a.O.) stellen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen im Sinne von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie 77/388 dar.

Auf die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe g der Sechsten Richtlinie 77/388 kann sich der Kläger berufen (vgl. ständige Rechtsprechung des EuGH, u.a. Urteile vom 19. Januar 1982 Rs. 8/81 - Becker -, Slg. 1982, 53, Rdnr. 33; vom 25. Mai 1993 Rs. C-193/91 - Mohsche -, Slg. 1993, I-2615, Rdnr. 17, und vom 26. September 2000 Rs. C-134/99 - IGI -, Slg. 2000, I-7717, Rdnr. 36), da die Bestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist (vgl. EuGH, Urteil vom 10.09.2002 a.a.0.)

Bei der Klägerin handelt es sich auch um eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung. Denn das in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388 den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessen in der Frauge, ob sie bestimmten Einrichtungen sozialen Charakter zuerkennen, ist im Rahmen der Kontrolle der nationalen Gerichte dahin ausgeübt worden, dass eine entsprechende Anerkennung auch aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch die Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden kann. Maßgebend ist insoweit, dass es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, für die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar waren (vgl. BFH, Urteil vom 22.04.2004, a.a.O., m.w.N.). Wesentliche Begründung hierfür ist u.a. die Entlastung der Sozialversicherungsträger (dazu gehören nach § 29 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV - u.a. die öffentlich-rechtlichen Krankenkassen, vgl. dazu § 4 SGB V) von der Umsatzsteuer. Dies ist vom BVerfG ausdrücklich für die heilberufliche Tätigkeit entschieden, die nach der Rechtsprechung die Leistungen umfasst, die "in der Regel" von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 29.10.1999, 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132, BStBl II 2000, 155 , UR 1999, 494 ). Die Anerkennung eines Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter kann somit auch aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden. Diese Voraussetzungen liegen unstreitig vor und werden vom Beklagten auch nicht in Frage gestellt.

Die Umsatzsteuer war daher unter Abänderung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide jeweils auf 0 DM herabzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung - FGO -; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. §§ 710 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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