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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 27.08.2007
Aktenzeichen: 16 K 494/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 14
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

16 K 494/06

Umsatzsteuer 2001

Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob die Durchführung von Waldkalkungen zum unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Bereich der Klägerin gehört.

Die Klägerin ist ein wirtschaftlicher Verein. Unternehmenszweck ist nach § 2 der Satzung, die Bewirtschaftung der angeschlossenen Waldflächen und der zur Aufforstung bestimmten Grundstücke zu verbessern und somit auch die Wirkungen des Waldes für Landeskultur und Volkserholung zu erhöhen. Insbesondere hat die Klägerin nach der Satzung folgende Einzelaufgaben:

1. Beratung der Mitglieder in allen forstwirtschaftlichen Angelegenheiten

2. Vermittlung von Forschungs- und Erfahrungsergebnissen aus Wissenschaft und Praxis für die Forstwirtschaft und für den Holzanbau außerhalb des Waldes

3. Dienstleistungen für die Mitglieder bei der Waldbewirtschaftung

4. Durchführung von Maßnahmen des Forstschutzes

5. Beschaffung und Einsatz von Maschinen, Geräten und Arbeitskräften für die Anlage und Pflege von Forstkulturen, für den Forstschutz, den Holzeinschlag, die Holzaufarbeitung und die Holzbringung, Wegebau und Maßnahmen für die Landeskultur

6. Absatz von Holz, Holzerzeugnissen und Nebennutzungen des Waldes. Hierbei darf die Forstbetriebsgemeinschaft nur als Vermittler, nicht aber als Eigenhändler oder Komissionär auftreten.

Unstreitig verfügt die Klägerin mit der Holzveräußerung über einen unternehmerischen Bereich.

Die Klägerin hat im Streitjahr 2001 auf Flächen ihrer Mitglieder Waldkalkungen durchgeführt. Dabei hat sie zuvor die Flächeninhaber angeschrieben und nachgefragt, ob diese eine Kalkung der Flächen wünschten. Die Kalkung wird allen Mitgliedern angeboten und in der Regel auch angenommen; allerdings verzögert sich die Durchführung, wenn die Waldflächen zuvor noch durchforstet werden müssen. Individuelle Entgelte für die Waldkalkungen werden gegenüber den Mitgliedern nicht erhoben. Für die Durchführung der Kalkung hat die Klägerin öffentliche Zuschüsse nach den Richtlinien zur Förderung waldbaulicher Maßnahmen für Maßnahmen aufgrund neuartiger Waldschäden, insbesondere sauren Regen, bei der Landwirtschaftskammer H beantragt und erhalten.

Die Klägerin hat die Zuschüsse für die Waldkalkungen sowie die Mitgliedsbeiträge in ihrer Umsatzsteuererklärung als nicht steuerbar behandelt. Aus den Eingangsleistungen im Zusammenhang mit den Kalkungen hat sie Vorsteuern in Höhe von 28.395,97 DM abgezogen. Die Vorsteuern sind in der Umsatzsteuererklärung nicht weiter aufgeschlüsselt worden; ertragsteuerliche Gewinnermittlungen, aus denen sich für den Beklagten Hinweise auf die Vornahme der Waldkalkungen ergeben könnten, hat die Klägerin nicht eingereicht.

Im unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 14. März folgte der Beklagte der Klägerin hinsichtlich der Steuerbemessungsgrundlagen und korrigierte lediglich einen Rechenfehler. Mit Bescheid vom 28. August 2003 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Im September 2003 reichte die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2001 ein und wies darauf hin, dass sie in der ursprünglichen Erklärung versehentlich falsche Zahlenwerte eingetragen habe. Der Beklagte erließ unter dem 10. Oktober 2003 einen geänderten Bescheid, mit dem er der berichtigten Steuererklärung folgte.

In der Zeit vom 8. Mai bis zum 25. Juli 2006 fand bei der Klägerin eine Umsatzsteuersonderprüfung statt. Die Prüferin stellte sich auf den Standpunkt, dass die Vorsteuern aus den Eingangsrechnungen, die im Zusammenhang mit den Waldkalkungen stehen, nicht abzugsfähig seien, weil die Waldkalkungen den nichtunternehmerischen Bereich der Klägerin beträfen. Die Waldkalkungen dienten dem Zweck, die Leistungsfähigkeit des Waldes für den Naturhaushalt und die Allgemeinheit im Sinne der Daseinsfürsorge zu sichern und gehörten damit zum ideellen Bereich der Klägerin.

Am 10. August 2006 erließ der Beklagte einen gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid, mit dem er die Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung umsetzte und die Vorsteuern um 28.395,97 DM kürzte. Der Einspruch gegen diesen Bescheid hatte keinen Erfolg.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Waldkalkungen dem unternehmerischen Bereich des Vereins zugehörig seien. Welche Aktivitäten des Vereins dem Vereinsbereich und welche dem Geschäftsbetrieb zuzuordnen seien, ergebe sich nicht aus der Satzung, die keine Regelung über Waldkalkungen enthalte, sondern aus dem Inhalt der jeweiligen Tätigkeit.

Die Waldkalkungen beträfen jedoch die Sonderbelange der Mitglieder. Die Kalkung würde im Waldgebiet des jeweiligen Mitglieds eine positive Wirkung entfalten, so dass eine höhere Holznutzung möglich sei. Die Kalkungen würden auch nur nach einem individuellen Auftrag vorgenommen; durch die individuelle Annahme werde eine Zuordnung zum unternehmerischen Bereich hergestellt. Auf die Vereinbarung eines Entgelts komme es nicht an.

Die Klägerin ist zudem der Auffassung, dass die Waldkalkungen auch aus einem anderen Grund einen Bezug zu einem Leistungsaustauschverhältnis hätten. Sie verweist auf die EuGH-Entscheidung Kennemer Golf & Country Club. Ein Leistungsaustausch liege schon dann vor, wenn ein Leistungsangebot vorliege, das jedes Mitglied annehmen könne; eine konkrete Gegenleistung werde nicht vorausgesetzt. Im Streitfall sei den Mitgliedern eines bestimmten Areals die Durchführung der Waldkalkung angeboten und erst nach deren ausdrücklicher Zustimmung durchgeführt worden. Der Vereinsbereich sei nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann betroffen, wenn die Betätigung die Gesamtbelange der Mitglieder betreffe.

Das Argument des Beklagten, die Waldkalkung führe nicht zu einer konkretisierten Umsatzsteigerung, sei nicht stichhaltig, weil ein solches Tatbestandsmerkmal nicht im Gesetz enthalten sei.

Ebenfalls systematisch unzutreffend sei es, aus der Nichtsteuerbarkeit der Zuschüsse Folgerungen für die Vorsteuerabzugsberechtigung zu ziehen. Der Vorsteuerabzug sei nur ausgeschlossen für solche Aufwendungen, die die Gesamtbelange aller Mitglieder beträfen.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 10. August 2006 und den Einspruchsbescheid vom 27. November 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Meinung, dass die Waldkalkungen nicht dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet werden könnten, weil eine Umsatzsteigerung nicht anhand konkreter Kostenzurechnungsgesichtspunkte ermittelt werden könne. Der Zuschuss aus öffentlichen Mitteln ziele darauf ab, dem Verfall des Waldes im Interesse der Allgemeinheit entgegenzuwirken. Dies sei aus der Zwecksetzung der Förderrichtlinien abzuleiten. Der Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Bereich sei so unbestimmt, dass er nicht geeignet sei, die ideelle Tätigkeit des Vereins zu überlagern. Eine Steigerung des Holzpreises sei nicht vorrangiges Ziel bei der Festlegung, welche Flächen gekalkt werden. Beiträge für die Vornahme der Waldkalkungen würden nicht erhoben.

Der Beklagte meint, dass die von Klägerseite zitierte Entscheidung des EuGH nur für gemeinnützige Vereine gelte. Wenn man wie die Klägerin der Auffassung sei, dass ein Leistungsaustausch vorliege, dann wären jedoch die Mitgliedsbeiträge und die öffentlichen Zuschüsse steuerbar.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin kann die Steuern aus den Eingangsrechnungen als Vorsteuern abziehen, die im Zusammenhang mit den Waldkalkungen stehen.

Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuern abziehen. Verfügt der Unternehmer neben seinem unternehmerischen Bereich noch über einen ideellen, nichtunternehmerischen Bereich, so steht ihm kein Vorsteuerabzug zu, wenn die Eingangsleistung für den ideellen Bereich bezogen wurde, weil dann die Leistung nicht "für sein Unternehmen ausgeführt worden" ist. An einer Leistung fehlt es, wenn eine Vereinigung Gemeinschaftszwecke verfolgt, die dem Einzelnen nicht oder nur reflexartig zugute kommen, sondern der Allgemeinheit oder einem unbestimmten Kreis von Nutznießern (BFH Urteil vom 20. August 1992 V R 2/88, BFH/NV 1993, 204; Abschnitt 22 Abs. 1 Umsatzsteuerrichtlinien). Der Bezug von Eingangsleistungen zur Erfüllung dieser Gemeinschaftszwecke berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug.

Bei einem wirtschaftlichen Verein besteht - im Gegensatz zu einem gemeinnützigen Verein - eine tatsächliche Vermutung für die Zugehörigkeit einer Leistung zum unternehmerischen Bereich. Dies folgt aus dem satzungsmäßigen Unternehmenszweck, der auf die Erbringung wirtschaftlicher Leistungen gerichtet ist. Überlagern sich die Erfüllung des Gemeinschaftszwecks und die Befriedigung eines Individualinteresses eines Mitglieds im Rahmen eines Leistungsaustauschs, so ist die Zuordnung der Leistung zum unternehmerischen Bereich des Vereins vorrangig.

Im Streitfall betreffen die Waldkalkungen nicht nur den ideellen Bereich der Klägerin, sondern - und nicht nur reflexhaft - auch die Sonderinteressen der einzelnen Mitglieder, weil die Vornahme der Waldkalkung den Wert der Waldflächen steigert und damit einen individuellen Vorteil der begünstigten Mitglieder begründet. Da andererseits zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Vereinsmitglied über die Holzverkäufe ein unternehmerischer Leistungsaustausch stattfindet, hat die die Qualität des Forstes und dessen Ertragskraft steigernde Waldkalkung auch einen Bezug zum unternehmerischen Bereich der Klägerin. Dass die entsprechenden Aufwendungen nicht unmittelbar konkreten Umsätzen zugerechnet werden können, steht dem nicht entgegen. Einen derart engen Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistungen setzt der Vorsteuerabzug nicht voraus. Hinzuweisen ist etwa auf Werbekampagnen oder einen Leistungsbezug für den Verwaltungsbereich eines Unternehmens, wo ebenfalls nicht nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten ein Zusammenhang mit einem konkreten Umsatz hergestellt werden kann, ohne dass dort ernsthaft jemand behaupten würde, dass der Leistungsbezug zum nichtunternehmerischen Bereich gehöre. Ob die von der Landwirtschaftskammer gezahlten Zuschüsse steuerbar sind, hat auf die Vorsteuerabzugsberechtigung keine Auswirkung. Es gibt keine Korrespondenz zwischen der Steuerbarkeit eines öffentlichen Zuschusses und der Zuordnung der geförderten Leistung zum nichtunternehmerischen Bereich, zumal die Motivation der Landwirtschaftskammer bei der Zuschussbewilligung (Beseitigung von durch sauren Regen bewirkte Waldschäden) und der Klägerin bei der Entscheidung, die Waldkalkungen vorzunehmen (Förderung des einzelnen Mitglieds) durchaus eine andere sein kann. Nur die Erzielung steuerfreier Umsätze würde den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG), was hier jedoch unstreitig nicht der Fall war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Das Gericht lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu im Hinblick auf die Frage, wie der nichtunternehmerische vom unternehmerischen Bereich eines Vereins abzugrenzen ist.

Ende der Entscheidung

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