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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: 2 K 441/04
Rechtsgebiete: EStG, AO, FGO


Vorschriften:

EStG § 16 Abs. 1
EStG § 18 Abs. 3
EStG § 34
AO § 164 Abs. 2
AO § 176 Abs. 1
FGO § 60 Abs. 3
FGO § 74
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Steuerberatungspraxis der ermäßigten Besteuerung gem. § 34 EStG unterliegt.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Der Beigeladene A war im Streitjahr neben B Gesellschafter der Klägerin mit einem Anteil von rd. 80 v.H.. Zum 31. Dezember des Streitjahres veräußerte er Teile seines Anteils (rd. 50 v.H.) an B sowie an C und D. Nach der Veräußerung waren der Beigeladene mit 40 v.H., die übrigen Beteiligten mit jeweils 20 v.H. an der Sozietät beteiligt. Zum Zeitpunkt der Teilanteilsveräußerung betrug der Gesamtwert der Sozietät rd. 5,6 Mio. DM, darin enthalten waren stille Reserven von insgesamt rd. 4,8 Mio. DM.

Die Sozietät wurde in angemieteten Praxisräumen betrieben. Eigentümer des Grundstücks waren der Beigeladene A und seine Ehefrau jeweils zur Hälfte. Die Ehegatten errichteten das Gebäude im Jahre 1984 und vermieteten seitdem zwei Etagen an die Sozietät. Neben den Praxisräumen, auf die rd. 55 v.H. der Gebäudefläche, entfielen, befanden sich in dem Gebäude zu fremden Wohnzwecken vermietete Räumlichkeiten. Im Zeitpunkt der Teilanteilsveräußerung enthielt der von der Praxis genutzten Grundstücksteil stille Reserven von rd. 300.000 DM bezogen auf den im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Anteil des Klägers; dieser Betrag ist zwischen den Parteien unstreitig.

Bei der Teil-Anteilsveräußerung blieben die Eigentumsverhältnisse am Grundstück unverändert.

Die Parteien ermittelten aus der Veräußerung des Teilanteils am Gesamthandvermögen übereinstimmend einen Gewinn des Beigeladenen A von rd. 2 Mio. DM. Bei der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung stellte der Beklagte den Veräußerungsgewinn erklärungsgemäß als begünstigten Gewinn gem. § 34 EStG fest. Die Feststellung erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Infolge einer bei der Klägerin im Jahre 2003 durchgeführten Außenprüfung änderte der Beklagte den Feststellungsbescheid und stellte nunmehr den Gewinn als nichtbegünstigten Gewinn fest, weil der Beigeladene sein Sonderbetriebsvermögen, nämlich den auf ihn entfallenden Anteil der Praxisräume von rd. 27 v.H. des Grundstücks, nicht anteilig (rd. 50 v.H.) mitveräußert habe.

Den gegen den Änderungsbescheid gerichteten Einspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Veräußerungsgewinn sei gem. § 34 EStG ermäßigt zu besteuern. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beigeladene A sein Sonderbetriebsvermögen nicht anteilig mit veräußert habe. Die Veräußerung eines Grundstücksanteils sei nämlich nicht möglich gewesen. Zum einen seien die Erwerber der Gesellschaftsanteile am Erwerb eines Anteils an dem Grundstück nicht interessiert gewesen. Zum anderen hätte die Miteigentümerin einer Übertragung nicht zugestimmt.

Überdies handele es sich bei dem Anteil an den Praxisräumen nicht um eine wesentliche Betriebsgrundlage. Dies zeige sich schon an dem fehlenden Interesse der Mitgesellschafter, das Grundstück anteilig zu erwerben. Die anteilig auf den in Frage stehenden Grundstücksteil entfallenden stillen Reserven von rd. 150.000 DM seien bezogen auf die auf den Beigeladenen A entfallenden stillen Reserven im Gesamthandvermögen von rd. 2 Mio. DM zudem unbedeutend.

Weiterhin hänge die Tarifvergünstigung nach § 34 EStG nicht davon ab, dass auch ein Anteil am Sonderbetriebsvermögen mit übertragen werde. Der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 12. April 2000, XI R 35/99 BStBl II 2001, 26), die dies erfordere (sog. Korrespondenz-Rechtsprechung), sei nicht zu folgen, weil ein Zusammenhang zwischen dem Anteil eines Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen und seinem Sonderbetriebsvermögen nicht bestehe und demzufolge auch durch die Veräußerung eines Anteils des Mitunternehmeranteils nicht berührt werde.

Anders als im Fall der Veräußerung des gesamten Gesellschaftsanteils, nach der kein Sonderbetriebsvermögen bestehen bleiben könne, bleibe der Mitunternehmeranteil als solches bei der Teilanteilsveräußerung erhalten und könne der Mitunternehmer weiterhin Sonderbetriebsvermögen haben. Es gebe hier keine quotale Zugehörigkeit des Sonderbetriebsvermögens zu einem Teil des Gesellschaftsvermögens, weshalb dessen anteiliger Verkauf nicht gefordert werden dürfe.

Diese sog. Korrespondenz-Rechtsprechung des BFH stoße auch insoweit auf verfassungsrechtliche Bedenken, weil sie die allgemeine Handlungsfreiheit in Ausgestaltung der Vertragsfreiheit in den Fällen verletze, in denen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ein Anteil am Sonderbetriebsvermögen nicht mitveräußert und auch nicht entnommen werden könne.

Den ermäßigten Steuersatz zu versagen sei unverhältnismäßig. Den nicht aufgedeckten stillen Reserven von rd. 150.000 DM stehe nämlich eine Mehrbelastung von rd. 600.000 DM gegenüber, wenn die Steuerbegünstigung versagt werde. Dies könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben. §§ 16, 34 EStG müssten deshalb verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass die stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens ggf. quotal aufgestockt werden, sofern eine anteilige Veräußerung, wie im vorliegenden Fall, nicht möglich sei. Andernfalls stünde er, der Beigeladene A, sich besser, wenn er enteignet worden wäre oder sein Sonderbetriebsvermögen verschenkt hätte.

Die Rechtsauffassung des BFH in seinem Urteil vom 10. November 2005, IV R 7/05 BStBl II 2006, 195, wonach die begünstigte Teilbetriebsveräußerung auch zu versagen sei, wenn das anteilig nicht mitveräußerte Sonderbetriebsvermögen wertmäßig nur geringfügig, indes funktional wesentlich sei, sei ebenfalls unzutreffend. Die funktionale Betrachtung sei nämlich für das Verhältnis von wesentlichen Betriebsgrundlagen des Gesellschaftsvermögens und wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens irrelevant.

Die Klägerin beantragt,

für den Veräußerungsgewinn in Höhe von 2.021.796 DM des Beigeladenen den ermäßigten Steuersatz nach §§ 16, 18 Abs. 3, 34 EStG zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Veräußerungsgewinn des Beigeladenen A sei nicht ermäßigt zu besteuern, weil der Beigeladene nicht auch sein Sonderbetriebsvermögen anteilig an die Erwerber veräußert habe. Eine begünstigte Veräußerung eines Anteils am Vermögen setze aber nach der Rechtsprechung des BFH in seinen Entscheidungen vom 12. April 2000, BStBl II 2001, 26, vom 24. August 2000, BFH/NV 2000, 1554 sowie vom 6. Dezember 2000, VIII R 21/00, BFH/NV 2001, 548 gerade die anteilige Veräußerung des Sonderbetriebsvermögens voraus. Dies gelte auch, wenn die anteilige Grundstücksveräußerung rechtlich nicht möglich gewesen sein sollte, weil es sich bei den Praxisräumen um eine wesentliche Betriebsgrundlage der Sozietät handele. Die Praxisräume seien nämlich sowohl funktional erforderlich, als auch vom Wert her erheblich. Insbesondere seien die in den Praxisräumen enthaltenen anteiligen stillen Reserven, absolut gesehen, nicht unbedeutend.

Der für die Frage der Wesentlichkeit allein relevante Anteil des zu veräußernden Sonderbetriebsvermögens betrüge zudem rd. 25 v.H. (rd. 50 v.H. von 50 v.H.); dies liege über der Wesentlichkeitsgrenze von 10 v.H..

Zudem sei fraglich, ob die Steuervergünstigung für eine Teilanteilsveräußerung nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG überhaupt zu gewähren sei. Dies habe der BFH bereits im Urteil vom 12. April 2000, XI R 35/99 BStBl II 2001, 26 angezweifelt und sei vom FG Münster in dessen Entscheidung vom 9. Juli 2003, EFG 2003, 1618 ablehnend entschieden worden, weil die Begünstigung der Teilanteilsveräußerung nicht dem Zweck der Steuervergünstigung gem. § 34 EStG entspreche.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll sowie die Steuerakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist unbegründet.

Der gem. § 164 Abs. 2 AO ergangene Änderungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es liegt kein Gewinn vor, der nach § 34 Abs. 1 EStG steuerbegünstigt ist.

1. Einer Beiladung der weiteren Mitgesellschafter gem. § 60 Abs. 3 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) bedurfte es nicht. Ihre Rechte sind durch das vorliegende Verfahren nicht betroffen. Im Streitfall geht es allein um die Frage, ob der Gewinnanteil des Beigeladenen A als Veräußerungs- oder als laufender Gewinn zu erfassen ist. Es ist weder streitig die Höhe des einem Mitunternehmer insgesamt zuzurechnenden Gewinns, noch der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft und auch nicht die Gewinnverteilung, so dass eine notwendige Beiladung der übrigen Gesellschafter nicht erforderlich war (vgl. BFH-Urt. v. 6. Dezember 2000, VIII R 21/00, BStBl. II 2003, 194; Stapperfend in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, § 60 Tz. 65 "Nichtbetroffensein").

2. Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte im Sinn des Abs. 1 u.a. nur in Betracht Veräußerungsgewinne i.S. der §§ 16 und 18 Abs. 3 EStG. Gemäß § 18 Abs. 3 EStG gehört zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit auch der Gewinn, der bei der Veräußerung eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbstständigen Arbeit dient. Vergleichbar gehört nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG), erzielt wird.

3. Nach der Rechtsprechung des BFH ist auch die Teilanteilsveräußerung begünstigt (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Oktober 1999, GrS 2/98, BStBl II 2000, 123). Im Streitfall ist die Begünstigung allerdings deshalb nicht zu gewähren, weil das Sonderbetriebsvermögen nicht (anteilig) mitveräußert wurde.

a) Für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, erforderlich, dass nicht nur ein Anteil am Gesamthandvermögen der Gesellschaft veräußert wird, sondern im Fall des Vorliegens von Sonderbetriebsvermögen, das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zu rechnen ist, auch ein entsprechender Anteil am Sonderbetriebsvermögen übertragen werden muss (BFH-Urteile vom 12. April 2000, XI R 35/99 BStBl II 2001, 26, vom 24. August 2000, IV R 51/98 BStBl II 2005, 173 s. unter 3. der Gründe, vom 10. November 2005, IV R 29/04 BStBl II 2006, 173 unter 2. der Gründe und vom 14. Februar 2007 XI R 30/05 BStBl II 2007, 524). Die Bedenken der Klägerin gegen diese ständige Rechtsprechung des BFH teilt der Senat nicht. Vielmehr dürfte die Steuerbegünstigung für Teilanteilsveräußerungen überhaupt schon dem Zweck der Tarifvergünstigung nach §§ 16, 34 EStG, nämlich die geballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stiller Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu erfassen, widersprechen (vgl. hierzu ausführlich BFH-Beschluss des Großen Senats vom 18. Oktober 1999, GrS 2/98 BStBl II 2000, 123).

b) Bei dem von der Klägerin genutzten Gebäudeteil handelt es sich um eine wesentliche Betriebsgrundlage der Klägerin. Dies ergibt sich bereits daraus, dass auf den zum Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen gehörenden Anteil des Grundstücks erhebliche stille Reserven entfallen (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 2005, IV R 29/04 BStBl II 2006, 173 unter 2. a. der Gründe und vom 14. Februar 2007, XI R 30/05 BStBl II 2007, 524). Von einer Erheblichkeit in diesem Sinne ist nur dann nicht mehr auszugehen, wenn sich keine nennenswerten stillen Reserven gebildet haben (BFH-Urteil vom 13. Februar 1996, VIII R 39/92 BStBl II 1996, 409). Legt man indes bereits den vom Beigeladenen selbst berechneten Betrag der stillen Reserven von rd. 300.000 DM, bezogen auf den Anteil des Beigeladenen an den Praxisräumen und nicht aufgedeckte stillen Reserven von rd. 150.000 DM zu Grunde, so handelt es sich dabei nach Auffassung des Senats um einen nennenswerten Betrag, der dazu führt, dass der von der Klägerin genutzte Anteil am Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage der Gesellschaft war. In der Rechtsprechung der Finanzgerichte sind bereits stille Reserven eines Wirtschaftsgutes im Sonderbetriebsvermögen von rd. 40.000 DM (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 12. Juli 2007, 11 K 472/04 EFG 2007, 1763) und von knapp 80.000 DM (FG Köln Urteil vom 11.10.2002 EFG 2003, 473) als nicht unerheblich angesehen worden. Der BFH hat in seinem Urteil vom 1. Februar 2006 (XI R 41/04 BFH/NV 2006, 1455) nicht aufgedeckte stille Reserven im Sonderbetriebsvermögen von 186.000 DM unabhängig von der Relation zu den stillen Reserven des Mitunternehmeranteils als jedenfalls nicht unwesentlich angesehen.

c) Überdies gehörten die Praxisräume aber auch bei funktionaler Betrachtung zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der Klägerin. Ein Gebäude ist eine wesentliche Betriebsgrundlage im funktionalen Sinne, wenn es für die Betriebsführung von nicht nur geringer Bedeutung ist. Das ist stets anzunehmen, wenn es der räumliche und funktionale Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit ist (BFH-Urteile vom 23. Mai 2000, VIII R 11/99 BStBl II 2000, 621; vom 23. Januar 2001, VIII R 71/98 BFH/NV 2001, 894, und vom 1. Juli 2003, VIII R 24/01 BStBl II 2003, 757). Eine besondere Gestaltung für den jeweiligen Unternehmenszweck (branchenspezifische Herrichtung und Ausgestaltung) ist nicht erforderlich; notwendig ist allein, dass das Grundstück die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit bildet und es ermöglicht, den Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 2003, IX R 43/01, BFH/NV 2003, 910).

Nach der Rechtsprechung des BFH spricht eine Vermutung dafür, dass ein Gebäude ein nach Zuschnitt und Lage besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzt, wenn das Gebäude unmittelbar nach seiner Errichtung durch das Besitzunternehmen vom Betriebsunternehmen gemietet worden ist (vgl. BFH-Urteile vom 12. September 1991, IV R 8/90 BStBl II 1992, 347; vom 7. August 1992, III R 80/89, BFH/NV 1993, 169 und vom 10. November 2005, IV R 7/05 BStBl II 2006, 176). Diese zum Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage im Rahmen der Betriebsaufspaltung entwickelten Grundsätze, gelten auch im Bereich der Betriebsveräußerung (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2005, IV R 7/05 BStBl II 2006, 176 m.w.N.).

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Die im Miteigentum des Beigeladenen stehenden Büroräume sind für die Betriebsführung nicht nur von geringem Gewicht; denn sie bilden als alleinige Praxisräume den räumlichen und auch funktionalen Mittelpunkt der Tätigkeit der Sozietät. Zudem sind die Praxisräume unmittelbar im Anschluss an die Errichtung an die Sozietät vermietet worden, so dass davon auszugehen ist, dass bereits bei Errichtung des Gebäudes die spätere Verwendung feststand.

4. Von der Notwendigkeit, einen dem veräußerten Teilanteil an der Sozietät entsprechenden Anteil am Sonderbetriebsvermögen mit zu übertragen, war der Beigeladene auch nicht deswegen entbunden, weil er hierzu möglicherweise ohne Zustimmung der Miteigentümerin nicht in der Lage gewesen wäre. Jedenfalls wäre keine Zustimmung der Miteigentümerinnen erforderlich gewesen, um den übrigen Gesellschaftern eine Unterbeteiligung einzuräumen, die wirtschaftlich betrachtet die Übertragung des gesamten Teilanteils einschließlich des anteiligen Sonderbetriebsvermögens und damit die Steuervergünstigung gewährleistet hätte (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2005, IV R 7/05 BStBl II 2006, 176 m.w.N.). Es ist zudem aber auch wenig wahrscheinlich, dass sich die übrigen Gesellschafter einer entsprechenden Beteiligung widersetzt hätten, wenn dies die vom Beigeladenen gestellte Bedingung für die Übertragung des Teilanteils gewesen wäre. Gegenteiliges folgt auch nicht aus den eidesstattlichen Versicherungen der Gesellschafter, eine Beteiligung an der Immobilie mangels Interesses weder gewollt noch geplant zu haben.

5. Dem Erlass des Änderungsbescheides vom 30. April 2003 stand auch nicht § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entgegen. Danach darf ein Steuerbescheid nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert werden, wenn die Änderung darauf beruht, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist. Im Streitfall kam es nämlich nicht zu einer Änderung der Rechtsprechung des BFH.

a) Das Urteil des BFH vom 12. April 2000 (XI R 35/99, BStBl II 2001, 26), wonach der Gewinn bei der Veräußerung eines Anteils an einem Mitunternehmeranteil nur dann tarifbegünstigt ist, wenn auch ein entsprechender Bruchteil des Sonderbetriebsvermögens veräußert wird, enthält keine Rechtsprechungsänderung. Vor Erlass der o.g. Entscheidung des BFH gab es zu dieser Rechtsfrage keine Entscheidung des BFH (vgl. hierzu ausführlich BFH-Urteil vom 14. Februar 2007, XI R 30/05, a.a.O).

b) Ebenso ist zur Frage, ob ein Gebäudeteil, in dem eine Sozietät betrieben wird, eine wesentliche Betriebsgrundlage ist, keine Rechtsprechungsänderung des BFH festzustellen. Schon vor dem Erlass des Feststellungsbescheides war der BFH der Ansicht, dass ein Grundstück auch dann wesentliche Grundlage eines Unternehmens sei, wenn es erhebliche stille Reserven beinhaltete. Zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebes gehören nach dieser Rechtsprechung des BFH im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe in der Regel auch solche Wirtschaftsgüter, die funktional gesehen für den Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil nicht erforderlich sind, in denen aber erhebliche stille Reserven gebunden sind (vgl. BFH-Urteile vom 13. Februar 1996, VIII R 39/92 BStBl II 1996, 409, m.w.N., vom 2. Oktober 1997, IV R 84/96 BStBl II 1998, 104). Der Beklagte hat sich zudem im Änderungsbescheid bei der Einordnung des Sonderbetriebsvermögens als wesentliche Betriebsgrundlage nicht auf eine geänderte Rechtsprechung gestützt, allein dies ist indes für die Anwendung des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entscheidend (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 2007, XI R 30/05 BStBl II 2007, 524).

6. Die Steuerbegünstigung kann auch nicht mit der Begründung gewährt werden, dass der nicht mitveräußerte Anteil am Betriebsgebäude nur geringfügig gewesen sei und die tatsächliche steuerlichen Mehrbelastung durch die Anwendung des progressiven Einkommensteuertarifs den Beigeladenen unverhältnismäßig angesichts der vergleichsweise geringfügigen "zurückbehaltenen" stillen Reserven sei.

Bei der ermäßigten Besteuerung gem. §§ 16, 34 EStG handelt es sich um eine Steuervergünstigung, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Zweck der §§ 16 Abs. 1, 34 EStG ist es, eine "zusammengeballte" Realisierung der über die Zeit entstandenen, gesammelten stillen Reserven nicht dem progressiven Einkommensteuertarif zu unterwerfen (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1997, IV R 84/96 BStBl. II 1998, 104). In diesem Sinne kommt es daher darauf an, dass sämtliche Wirtschaftsgüter, in denen stille Reserven enthalten sind und die damit wesentliche Betriebsgrundlagen darstellen, mitveräußert werden (BFH-Urt. v. 10. November 2005, IV R 29/04, BStBl. II 2006, 173 unter 2. a. der Gründe). Dies gilt neben der hier gegebenen Fallgestaltung der Teilanteilsveräußerung ebenso bei der Veräußerung des gesamten Betriebes oder Mitunternehmeranteils, wie auch bei der Veräußerung eines Teilbetriebs.

Zwar steht es beispielsweise einer tarifbegünstigten Praxisveräußerung im Ganzen nicht entgegen, wenn Patienten- oder Mandantenbeziehungen zurückbehalten werden, auf die in den letzten drei Jahren weniger als 10 v.H. der Umsätze entfallen sind (vgl. BFH-Urteile vom 7. November 1991, IV R 14/90 BStBl II 1992, 457, und vom 29. Oktober 1992, IV R 16/91 BStBl II 1993, 182). Daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass eine steuerbegünstigte Teilanteilsveräußerung auch dann anzunehmen sei, wenn der Wert des Anteils am Sonderbetriebsvermögen, der nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung an sich hätte mitveräußert werden müssen, lediglich 10 v.H. des für den Teilanteil erzielten Veräußerungspreises beträgt (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2005, IV R 7/05 BStBl II 2006, 176). Maßgeblich ist vielmehr generell die Beurteilung des Wirtschaftsgutes als wesentliche Betriebsgrundlage. Die Bedeutung einer -vorliegend gegebenen- funktional wesentlichen Betriebsgrundlage kann indes nicht aus deren Verkehrswert hergeleitet werden. Der Gesichtspunkt der Geringfügigkeit könnte daher allenfalls dann eine Rolle spielen, wenn der Veräußerer nur zu einem geringen Anteil an der von der Praxis genutzten wesentlichen Betriebsgrundlage beteiligt ist (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2005, IV R 7/05 BStBl II 2006, 176). Davon kann jedoch bei einem Anteil von einem Drittel nicht die Rede sein.

Werden nicht sämtliche stille Reserven aufgedeckt, so widerspräche die Gewährung der Steuervergünstigung deren Zweck. Die Besteuerung mit dem regulären Steuersatz ist dann nicht unverhältnismäßig, auch wenn sich im Einzelfall erhebliche Auswirkungen ergeben können. Der Senat sieht auch keinen Anlass, die Steuervergünstigung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in der von der Klägerin vorgeschlagenen modifizierten Weise zu gewähren. Die systematisch bereits nur schwer zu begründende Steuervergünstigung für die Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils ist nicht dazu geeignet, sie im Wege einer verfassungskonformen Auslegung noch weiter auszudehnen (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Oktober 1999, GrS 2/98 BStBl II 2000, 123).

7. Das Verfahren war auch nicht wegen des unter dem Aktenzeichen 2 K 335/05 geführten Billigkeitsverfahren gem. § 74 FGO auszusetzen. Zwar ist die Billigkeitsentscheidung im Verhältnis zum Feststellungsverfahren Grundlagenbescheid, indes wäre die Aussetzung des Verfahrens vorliegend nicht zweckmäßig. Die wesentlichen Fragen sachlicher und rechtlicher Art, insbesondere die konkreten Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung gem. § 34 EStG, waren sinnvollerweise zunächst im Feststellungsverfahren zu klären, bevor eine Entscheidung zur eventuellen sachlichen Unbilligkeit der gesetzlichen Regelung getroffen wird. Zudem entsprach die gemeinsame Verhandlung der beiden Verfahren und Entscheidung am selben Tage, wie vorliegend erfolgt, dem ausdrücklich geäußerten Willen der Parteien.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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