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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 18.04.2007
Aktenzeichen: 3 K 11463/05
Rechtsgebiete: GG, EStG, HGB


Vorschriften:

GG Art. 20 Abs. 2
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e
HGB § 253 Abs. 1 S. 2 HS 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

3 K 11463/05

Einkommensteuer

Tatbestand:

Streitig ist, ob Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen im Streitjahr 1999 abzuzinsen sind. Die Klägerin (GbR) ist Organträgerin der M GmbH (GmbH, Organtochter). Es besteht ein steuerlich wirksamer Ergebnisabführungsvertrag. Bei der GmbH wurden zum 31.12.1999 in der Bilanz Rückstellungen für Deponie-Rekultivierung, die Rückbauverpflichtung des Hafens sowie für die Rückbauverpflichtung eines Bandkanals gebildet. Die Deponie wird durch die GmbH seit dem Jahr 1979 bewirtschaftet. Es wird darauf Asche aus der Verbrennung bei der GmbH verfüllt. Diese Asche wird teilweise wieder entnommen und durch andere Personen verwertet. Das Verfüllvolumen der Deponie beträgt 486.xxx Kubikmeter. Zum 31.12.1999 waren bereits 396.xxx Kubikmeter verfüllt. Zum 31.12.1998 waren 408.xxx Kubikmeter verfüllt. Im Streitjahr wurde somit mehr Asche entnommen als der Deponie zugeführt wurde. Die unstreitigen Rekultivierungskosten belaufen sich auf einen Betrag von DM x.xxx.xxx (Stand 31.12.1999). Die Bewirtschaftung der Deponie endet im Jahre 2015. Im Rahmen der Betriebsprüfung wurde Einigkeit erzielt, dass der Wert dieser Rückstellung (ohne Abzinsung) DM y.yyy.000 beträgt. Durch die Betriebsprüfung wurde eine Abzinsung auf einen Betrag von DM z.zzz.zzz (VV 0,424581) vorgenommen. In der Steuerbilanz der GmbH wurde ursprünglich ein höherer Betrag ausgewiesen. Ein Teil des Hafens sowie das Gelände, auf dem sich der Bandkanal befinden, stehen in dem Eigentum der B und sind deshalb bei Schließung des Betriebes zurückzubauen. Hinsichtlich der Rückbauverpflichtung des Hafens wird von Rückbaukosten i.H.v. DM a.aaa.aaa ausgegangen. Es wird übereinstimmend von einem Ansammlungszeitraum in den Jahren 1996 - 2015 ausgegangen. Durch die Betriebsprüfung wurde deshalb ein Betrag von DM bbb.000 angesetzt (unstreitig vgl. Bl. 18 Bp-Bericht). Hierbei handelt es sich um den abgezinsten Bilanzansatz. Der unabgezinste Betrag beträgt DM X. Hinsichtlich der Rückbauverpflichtung Bandkanal wird von Rückbaukosten i.H.v. DM ccc.ccc ausgegangen. Es wird weiterhin eine Entfernungspflicht zum 31.12.2015 zugrunde gelegt. Der unabgezinste Betrag beträgt nach der Betriebsprüfung DM ddd.000. Abgezinst beläuft sich der Bilanzansatz auf DM ee.e00. Wegen der Abzinsung aller drei Rückstellungen wurde eine Rücklage gem. § 52 Abs. 16 Einkommensteuergesetz (EStG) i.H.v. DM f.fff.fff ausgewiesen. ...

In der Sache sei (nach Auffassung der Klägerin) zu berücksichtigen, dass der tatsächliche Aufwand für die Deponierekultivierung, den Abbruch des Hafens sowie den Abbruch des Bandkanals erst anfielen, wenn das Kraftwerk keinen Strom mehr produziere und diesem Aufwand keine Erträge mehr entgegenstünden. Aus diesem Grund sei zwar handelsrechtlich eine Rückstellung zu bilden, die Sachleistungsverpflichtung dort jedoch nicht abzuzinsen. Die steuerliche Abzinsung führe dazu, dass sich die Aufwendungen nach Betriebseinstellung nicht auswirkten, wenn die in den Vorjahren gebildete Rückstellung nicht zur Kostendeckung ausreiche. Eine Verrechnung dieses Aufwandes in der sog. Nachsorgephase des Kraftwerkes könne deshalb nicht mehr mit laufendem Einkommen vorgenommen werden. Vorliegend handele es sich um Rückstellungen die zeitanteilig in gleichen Raten entsprechend ihrem tatsächlich entstandenen Verpflichtungsumfang anzusammeln und zu bewerten seien. Hinsichtlich der Rekultivierungspflicht bei der Deponie müsse davon ausgegangen werden, dass diese bereits in der Vergangenheit begonnen habe. Es könne nicht auf das Jahr 2015 abgestellt werden, da z.B. auch das Vorbereiten und Abdichten der Deponie bereits eine Rekultivierungsmaßnahme darstelle. Damit sei nach dem Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 1975 begonnen worden. Hinsichtlich des Beginns der Erfüllung von Rekultivierungsverpflichtungen, sei auf den Beginn der Teilerfüllungen abzustellen. Maßgeblich sei der Zeitpunkt, an dem die erste nicht völlig unbedeutende Erfüllungshandlung vorgenommen werde, auch wenn es sich hierbei nur um einleitende Maßnahmen handele. Hinsichtlich der bergrechtlichen Verpflichtungen habe dies das BMF anerkannt. Dies sei jedoch bereits mit der Abdichtung der Deponie geschehen. Aus diesem Grunde habe eine Abzinsung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a e) Satz 2 EStG nicht mehr erfolgen dürfen. Zudem sei eine Abzinsung auch gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a e) Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG ausgeschlossen. Die Sachleistungsverpflichtung sei verzinslich, weil kalkulatorisch die zu erwartenden Preissteigerungen der Zukunft bei der Rückstellung unberücksichtigt blieben. Es müssten deshalb Zinsen kalkuliert werden, um die Sachleistungsverpflichtung tatsächlich in dem am Bilanzstichtag benötigten Umfang erfüllen zu können. Entweder müsse deshalb von einer Verzinslichkeit ausgegangen oder eine Preissteigerungsrate berücksichtigt werden. Da dies nicht erfolgt sei, habe kompensatorisch eine Abzinsung zu unterbleiben. Es sei jeder wirtschaftliche Nachteil als Zins zu berücksichtigen. Liquiditätsvorteile würden bereits über die Bewertung der Schuld abgegolten, so dass sich eine Abzinsung als Doppel darstellen würde. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht nur die erhaltenen Mittel zur Rekultivierung einzusetzen habe, sondern auch die daraus erzielten Zinsen. Dieser Sachverhalt stünde einer Verzinslichkeit der Schuld gleich. Nur wenn kein den Vorteil kompensierender Nachteil vorliege, könne von einer Unverzinslichkeit ausgegangen werden.

Weiterhin habe eine Abzinsung zu unterbleiben, da Anzahlungen oder Vorausleistungenvorlägen. Darunter seien gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG Leistungen zu verstehen, die erbracht würden, bevor eine Verpflichtung zu erfüllen sei. Aus den Erträgen der Stromlieferungen müssten auch die Kosten ihrer Beseitigung durch die Betriebe finanziert werden. Im Tarif seien deswegen kalkulatorische Zinsen zur Finanzierung der Nachsorgeverpflichtung enthalten. Diese Zahlungen stellten Vorausleistungen i.S. der oben genannten Vorschrift dar. Vorausgesetzt werde nicht, dass diese Verpflichtung auf demselben Rechtsverhältnis beruhe, aufgrund dessen auch die Zahlung zu leisten sei. Zu berücksichtigen sei das Realisationsprinzip, das Ertrag und Aufwand eines Geschäftsvorfalls final miteinander verknüpfe. Die finale Zuordnung des Aufwandes ergebe sich daraus, dass sich wegen der sukzessive realisierten Erträge auch eine Ansammlung der Rückstellung ergebe. Die zusätzliche Abzinsung der Rückstellung durchbreche jedoch die Verwirklichung des Realisationsprinzips. Eine Abzinsung sei auch deswegen nicht möglich, weil die Rückstellung eine Verbindlichkeit darstelle, die auf einer Anzahlung oder Vorausleistung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG beruhe. Da bilanztechnisch schwebende Geschäfte neutralisiert werden müssten, seien entsprechende Ausgleichsposten zu bilden. Eine Abzinsung der Rückstellungen führe jedoch zum Ausweis von schwebenden Geschäften und einem damit zusammenhängenden Gewinnausweis. Da im Strompreis bereits die Rekultivierungsverpflichtungen mit berücksichtigt seien, befinde sich die Klägerin sozusagen in einem wirtschaftlichen Erfüllungsrückstand. Die Einnahmen stellten deswegen anteilig Anzahlungen oder Vorausleistungen auf die zukünftigen Rückbau- oder Rekultivierungsverpflichtungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG dar. Zudem handele sich um eine unzulässige Typisierung. Der Gesetzgeber stelle pauschal auf einen Zinssatz von 5,5% ab, unabhängig davon, dass bei verzinslichen Schulden auch deutlich niedrigere Verzinsungen möglich seien. Typisierungen müssten zur Vereinfachung geeignet und nicht unverhältnismäßig sein. Sie müssten eine Belastungsgleichheit herbeiführen. Für Steuerpflichtige mit niedrig verzinslichen Verbindlichkeiten ergebe sich hierdurch ein Liquiditätsvorteil, der nicht durch eine Übergangsregelung gemäßigt worden sei. Weiterhin werde durch die Abzinsung auf der Passivseite eine Teilwertbewertung vorgenommen, nicht jedoch auf der Aktivseite. Unverzinsliche oder niedrig verzinsliche Forderungen seien auch grundsätzlich mit dem Nennwert zu berücksichtigen, es sei denn es liege eine dauernde Wertminderung vor, die zur Teilwertabschreibung berechtige. Dies sei jedoch nicht der Fall, da z.B. der Barwert bis zur Erfüllung ansteige. Da mit der Abzinsung auf der Passivseite das Teilwertprinzip gelten solle, liege hier ein Ungleichgewicht vor. Ein Vergleich mit den International Accounting Standards (IAS) ergebe, dass bei internationaler Rechnungslegung entweder eine Abzinsung der Rückstellung erfolge und gleichzeitig mit künftigen Preissteigerungen kombiniert oder beides unterlassen würde. Es bestünde eine Verletzung des Realisationsprinzips, da durch die Abzinsung der Rückstellung der Gesetzgeber zu Lasten der Steuerpflichtigen eine künftige gewinnbringende Nutzung der zurückgestellten Liquidität unterstelle. Da Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten nicht verzinst würden, könne der Gesetzgeber eine Gleichstellung mit Verbindlichkeit längerer Laufzeit entweder dadurch erreichen, dass diese Verbindlichkeiten ratierlich angesammelt würden oder eine Abzinsung stattfinde. Der Gesetzgeber habe sich jedoch für den Teilwertgedanken entschieden. Diesem sei jedoch eine zeitlich gestreckte Ansammlung des Rückstellungsbetrages systemfremd.

Zudem sei die Abzinsung i.V.m. der Bildung einer Rücklage gem. § 52 Abs. 16 Satz 7 EStG verfassungswidrig. Die Vorschrift verstoße gegen das in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) enthaltene Gebot der Besteuerung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie den Grundsatz der Folgerichtigkeit und Systemkonsequenz. Es müsse eine Belastungsgleichheit der Gewinnermittlungsarten herbeigeführt werden, wonach Rückstellungen bei der zulässigen Einkommensermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zu berücksichtigen seien. Deshalb müssten auch nicht realisierte Wertsteigerungen und nicht realisierte Wertminderungen berücksichtigt werden. Durch den Ansatz von Rückstellungen werde unsicheres Vermögen aus der Bemessungsgrundlage ausgeklammert. Durch die Abzinsung würden jedoch Zinserträge vorweggenommen, die sich ggf. erst in der Zukunft einstellen könnten. Art. 14 Abs. 1 GG verbiete es jedoch, nach dem Grundsatz der eigentumsschonenden Besteuerung derartig unsichere Indikatoren von Leistungsfähigkeit bei der Besteuerung heranzuziehen. Da die in der Abzinsung enthaltenen künftigen Nutzungsvorteile kein Gegenwartseinkommen des Steuerpflichtigen darstellten, läge hierin ebenfalls ein Verstoß. Ein gedachter Erwerber würde nicht nur den Zins- und Liquiditätsvorteil der Rückstellung erkennen, sondern gleichzeitig künftige Preissteigerungen des Erfüllungsbetrages gegen rechnen. Dies sei jedoch bei der Abzinsungshöhe von 5,5% nicht berücksichtigt worden. Der BFH habe z.B.1975 (Az. I R 28/73) die Auffassung vertreten, dass die fehlende Möglichkeit einer zuverlässigen Schätzung des später zu entrichtenden Betrages durch eine fehlende Abzinsung kompensiert werde. Die Abzinsung verstoße gegen das Netto-Prinzip, da die Erfolgswirksamkeit der Aufwendungen durch die Neuregelung zeitlich in die Zukunft verschoben werde. Dadurch werde das Gegenwartseinkommen nicht mehr abgebildet. Zu berücksichtigen sei eine Belastungsgleichheit in der Zeit. Deswegen könnten Vermögensmehrungen früherer Perioden nicht nachträglich aufgeholt oder Vermögensmehrungen späterer Perioden antizipiert werden. Die Gewinnermittlung des Betriebsvermögensvergleichs habe zum Inhalt, dass sämtliche Vermögensbelastungen betrieblicher Art mit ihren realitätsgerechten Werten abzubilden seien. Diese Entscheidung müsse folgerichtig fortgeführt werden. Nach diesem Grundsatz seien langfristige Verbindlichkeiten und Rückstellungen im Zeitpunkt der Entstehung mit dem vollen Erfüllungsbetrag anzusetzen. Der Gesetzgeber habe beabsichtigt, die in den Rückstellungsansätzen enthaltenen "stillen Reserven" durch die Abzinsung zu objektivieren. Aus diesem Grunde seien Verbindlichkeiten und Rückstellungen, auch wenn deren Erfüllung noch lange Zeit ausstünde, beim Betriebsvermögensvergleich zu berücksichtigen. Da jedoch Vermögensvorteile gegen zu rechnen seien, sei der Gesetzgeber diesem Gebot nicht gerecht geworden. In der Vergangenheit sei es abgelehnt worden, Rückstellungen ohne Zinsanteil abzuzinsen, da entgegen dem Realisationsprinzip künftige Zinserträge vorweggenommen würden. Die prognostizierten künftigen Nutzungsvorteile gehörten jedoch nicht zum Gegenwartseinkommen des Steuerpflichtigen, sondern könnten erst in der Zukunft erwirtschaftet werden. Zudem verstoße die Regelung gegen das verfassungsrechtlich verbürgte Rückwirkungsverbot. Durch die Anordnung, dass auch Rückstellungen, die vor dem 01.01.1999 gebildet worden seien, abzuzinsen sind, werde auf den zum 31.12.1998 ermittelten Rückstellungsbetrag ein außerordentlicher Ertrag ausgewiesen. Den in den Vorjahren anerkannten Aufwendungen werde somit rückwirkend die Anerkennung versagt, was lediglich durch die Verteilung auf zehn Jahre (Stundung) steuerlich gemindert werde. Vorliegend sei deshalb eine sog. echte Rückwirkung gegeben. Da das jeweilige Gegenwartseinkommen der Steuerpflichtigen erfasst werden solle, müsse maßgeblicher Stichtag für diese Beurteilung das Ende des jeweiligen Besteuerungszeitraums sein. Diese Belastungsentscheidung des Gesetzgebers könne nachträglich jedoch nicht mehr korrigiert werden. Dem stehe auch das Prinzip des formellen Bilanzenzusammenhanges entgegen, da danach allein Korrekturen für rechtsfehlerhafte Bilanzansätze vorgenommen werden dürften. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Entsprechendes werde auch für die sog. Drohverlustrückstellungen nach § 5 Abs. 4a EStG vertreten. Es läge keine der Ausnahmen vor, nach denen das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine echte Rückwirkung zulasse. Die Steuerpflichtigen dürften vorliegend auf eine jahrelang geltende Rechtslage vertrauen. Diese läge den finanziellen Verpflichtungen der jeweiligen Unternehmen zugrunde. Die Abzinsungsproblematik sei erstmals im März 1999 angesprochen worden. Die Abzinsungsregelung diene dazu, Mehreinkünfte beim Staat zu erzielen. Dies könne jedoch kein akzeptables Kriterium des Allgemeinwohles sein. Der Fiskus habe den auszugleichenden Finanzbedarf durch andere gesetzgeberische Maßnahmen selbst geschaffen. Es sei in diesem Falle eine Güterabwägung zwischen dem Vertrauen der Steuerpflichtigen in die bestehende günstigere Rechtslage und öffentlichen Belangen vorzunehmen. Die Unternehmen hätten jahrzehntelang auf die Grundsätze der Rückstellungsbildung und -bewertung vertrauen können. Diese Grundsätze hätten sie ihren Finanzierungsdispositionen zugrunde gelegt. Die Übergangsregelung sei auch nicht ausreichend, um die Rückwirkung zurechtfertigen. Das Finanzierungsinteresse des Staates rechtfertige das Vorgehen nicht. Nach dem Grundsatz der Besteuerung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dürfe zudem nur ein realer Vermögenszuwachs bei Steuerpflichtigen der Besteuerung unterworfen werden. Der durch die Abzinsung entstehende Ertrag stelle jedoch keinen solchen Vermögenszuwachs dar. Weiterhin läge ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG vor. Das in der Vergangenheit aufgebaute Betriebsvermögen unterliege als "ruhendes Vermögen" einem gesteigerten Schutz. Dieses werde jetzt jedoch rückwirkend der Besteuerung unterworfen. Dies stelle eine verfassungswidrige Substanzbesteuerung dar.

Läge vorliegend keine echte Rückwirkung vor, könne der Gesetzgeber die Bilanzierung von langfristigen Dauerrechtsverhältnissen immer wieder neu mit Wirkung für die Vergangenheit ändern, solange die Rechtsverhältnisse noch nicht endgültig abgeschlossen seien. Die (Teil )Auflösung der bis zum 31.12.1998 angesammelten Rückstellungen stelle keinen betrieblichen Vorgang im Streitjahr dar, sondern korrigiere die in den Vorjahren bilanzierten Werte. Materiell-rechtlich läge deshalb eine echte Rückwirkung vor. Dies sei z.B. nicht zu vergleichen mit der nachträglichen Verlängerung der Frist nach § 23 EStG. Dieser läge z.B. eine eigenverantwortliche Disposition der Steuerpflichtigen zugrunde. Entscheidend sei der Veräußerungsakt als solcher. Dieser läge eindeutig nach Inkrafttreten des Gesetzes. Vorliegend gäbe es jedoch keine nachträglichen Dispositionen der Steuerpflichtigen. Es werde deshalb künstlich ein Gewinn erzeugt. Die Verteilung dieses Gewinnes auf zehn Jahre entspreche ebenfalls nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Sie könne nicht zu einer Rechtfertigung einer echten Rückwirkung reichen. Entsprechendes gelte auch für den Hafenrückbau sowie den Abbruch des Bandes. Hinsichtlich des Hafens sei zu berücksichtigen, dass Erfüllungsbeginn das Jahr 2015 sei. Grundsätzlich sei eine Rückstellung für Abbruchverpflichtungen vollumfänglich im Erstjahr der Nutzung entstanden. Sie sei aufgrund der Entscheidung des Gesetzgebers zeitlich verteilt anzusammeln. Werde hier jetzt zusätzlich noch eine Abzinsung vorgenommen ohne künftige Preissteigerungen zu berücksichtigen, werde ein zeitlicher Streckungseffekt doppelt berücksichtigt. Dies sei jedoch nicht zulässig. Diese nachteilige Doppelverwertung sei verfassungswidrig. Deshalb sei in der Vergangenheit auch keine Abzinsung erfolgt. Aus diesem Grunde scheide eine Abzinsung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a e) Satz 2 EStG aus. Es bestehe zudem eine Schlechterstellung gegenüber abzuzinsenden Darlehensverbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Abbruchverpflichtung für den Bandkanal sei von einem Ansammlungszeitraum bis Ende 2015 auszugehen. Die Abzinsung sei jedoch verfassungswidrig. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass hilfsweise eine Abzinsung erst in Höhe der Zuführungsbeträge ab dem Jahr 1999 zur Rückstellung erfolgen dürfe. Dies führe dazu, dass für die Deponie Rekultivierungsrückstellung 1999 keine Abzinsung erfolgen könne. Hinsichtlich des Hafens sei der Zuführungsbetrag i.H.v. DM Y abzuzinsen, so dass sich ein Gesamtrückstellungsbetrag von DM Z ergäbe ... . Hinsichtlich der Rückstellung Bandkanal sei lediglich der Ansammlungsbetrag von DM A abzuzinsen. Zugrunde zu legen sei ein Abzinsungszeitraum von 16 Jahren. Danach ergebe sich eine Rückstellung i.H.v. DM B ... .

Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend, dass eine Abzinsung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e) EStG zwingend vorzunehmen sei. Die Abzinsung sei für das vorliegende Wirtschaftsjahr erstmalig vorzunehmen und umfasse auch Rückstellungsbeträge aus den Vorjahren. Der Erfüllungszeitraum für die Deponierückstellung beginne mit den wesentlichen auf die Oberflächenabdichtung gerichteten Maßnahmen. Diese würden jedoch erst nach Ende der Betriebsphase der Deponie vorgenommen werden, somit ab dem Jahr 2016. Beginne die Erfüllung bereits mit der Bodenabdichtung, liefe die Abzinsung faktisch ins Leere. Die Rückstellung selbst sei für Maßnahmen gebildet worden, die zeitlich nach der Ablagerungsphase der Deponie vorgenommen würden. Es erscheine widersinnig, dass Aufwendungen, die bei Beginn der Bewirtschaftung der Deponie anfielen und bilanziell berücksichtigt würden, Auswirkungen auf zukünftige und zusätzliche Aufwendungen hätten. Aufwendungen in der Errichtungs- und Ablagerungsphase einer Deponie dienten vorrangig der Lagerung und stellten deshalb sofortigen Aufwand dar bzw. seien als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren. Überwiegend dienten diese Aufwendungen dem Betrieb der Deponie. Ohne eine Basisabdichtung einer Deponie sei deren Betrieb rechtlich nicht möglich. Nur Aufwendungen in der Stilllegungs- und Nachsorgephase dienten der umweltgerechten Wiederherstellung des Grundstückes und stellten keine Wertverbesserung dar. Ein Vergleich mit den bergrechtlichen Verpflichtungen sei hier nicht möglich. Das Auffüllen eines Hohlraumes mit anschließender Rekultivierung im Bergbau sei nicht vergleichbar mit der Rekultivierung einer Deponie, auf der umweltbelastende Stoffe verfüllt worden seien. Ein entsprechendes bindendes BMF-Schreiben liege nicht vor. Eine steuerliche Gleichbehandlung sei nur innerhalb eines Wirtschaftszweiges erforderlich. Hinsichtlich der Verpflichtungen liege auch keine Verzinslichkeit vor. Nach dem BMF-Schreiben (IV B 2 - S 2175 - 7/05) stelle eine Verzinsung eine Nutzungsvergütung für eine Kapitalüberlassung dar. Jedes wirtschaftliche Nutzungsentgelt führe somit zu einer Verzinsung. Zwar seien im Preis kalkulatorische Zinsen für die Aufwendungen für Nachsorge und Rekultivierung enthalten. Mit den Kunden sei jedoch weder ein Zinssatz vereinbart noch gingen diese von einer Verzinslichkeit aus. Es liege keine Zinszahlung als Gegenleistung für eine Kapitalüberlassung vor. Aus dem selben Grund leisteten die Kunden keine Teilleistungen, die Anzahlungen oder Vorausleistungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG darstellten. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass der Strompreis auch kalkulatorische Anteile für die künftige Rekultivierung u.s.w. enthalte. Diese Beträge stellten jedoch keine Anzahlungen oder Vorauszahlungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG dar. Sollte dies der Fall sein, müsse der entsprechende Anteil als Verbindlichkeit in der Bilanz ausgewiesen werden. Leistungen des Energieunternehmens und Gegenleistungen der Kunden seien jedoch ausgeglichen, so dass in voller Höhe eine Gewinnrealisierung vorliege. Durch die Bildung der Rückstellung werde der Ertrag, der auf den Rekultivierungsanteil entfalle, gewinnmäßig wieder ausgeglichen. Eine Anzahlung oder Vorausleistung könne nicht vorliegen, da diese als Teil einer vom anderen Vertragpartner zu erbringenden Lieferung oder Leistung angesehen würden. Der Kunde erbringe keine Leistungen gegenüber dem Kraftwerk. Eine Leistung erbringe lediglich das mit der Rekultivierung beauftragte Unternehmen, das jedoch keine Geldzahlung im Streitjahr leiste. Zudem seien zu erwartende Preissteigerungen berücksichtigt, da an jedem Bilanzstichtag eine Rückstellung an das Preisniveau des Bilanzstichtages anzupassen sei. Lediglich eine Hochrechnung auf das Preisniveau zum 31. Dezember 2015 sei nicht zulässig. Kostensteigerungen, die bis zur tatsächlichen Erfüllung der Verpflichtung eintreten könnten, blieben am Bilanzstichtag zunächst unberücksichtigt, da sie künftige Wertverhältnisse beträfen. Das von der Klägerin angeführte Urteil des BFH vom 19. Februar 1975 sei nicht einschlägig. 2004 habe der BFH (Urteil vom 17.03.2004 II R 76/00) entschieden, dass Rekultivierungsverpflichtungen erst in ferner Zukunft zu erfüllen seien und deswegen der Aufwand zeitversetzt anfalle. Dieser wertbildenden Eigenschaft der Verpflichtung sei durch Abzinsung Rechnung zu tragen. Die Tatsache, dass bei einer niedrigen Verzinsung einer Verbindlichkeit keine Abzinsung vorzunehmen sei, führe nicht automatisch dazu, dass die Abzinsung bei Zinslosigkeit falsch sei. Möglicherweise müsse auch bei niedrig verzinslichen Verbindlichkeiten eine Abzinsung vorgenommen werden. Der Gesetzgeber habe sich bewusst für eine typisierende Regelung entschieden. Bei solchen, im Steuerrecht häufig auftretenden Pauschalierungen, müssten geringfügige oder in besonderen Fällen auftretende Ungleichheiten in Kauf genommen werden, damit die ganze Regelung praktikabel bleibe. Dem Gesetzgeber stehe ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum hinsichtlich typisierender, generalisierender und pauschalierender Regelungen zu. Er müsse hierbei nicht allen Besonderheiten des Einzelfalles durch Sonderregelungen Rechnung tragen. Die Unterscheidung zwischen unverzinslichen und verzinslichen Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungen begegne jedoch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum eingehalten sei. In der Kommentierung werde auch bei unverzinslichen Forderungen eine Abzinsung gefordert. Rechtsprechung hierzu gebe es noch nicht.

Das Steuerentlastungsgesetz ( StEntlG) 1999/2000/2002 habe eine Objektivierung der Gewinnermittlung verwirklichen wollen. Mit dem darin enthaltenen bilanzsteuerlichen Abzinsungsgebot habe berücksichtigt werden sollen, dass unverzinsliche gewisse oder ungewisse Verbindlichkeiten bei längerer Laufzeit wirtschaftlich belastender seien als verzinsliche Schulden. Durch die Abzinsung werde lediglich in der Aufstockungszeit der Rückstellung eine Steuerstundung bewirkt. Die Aufwendungen würden jedoch grundsätzlich anerkannt. Der bei erstmaliger Vornahme der Abzinsung entstehende Gewinn werde in den Folgejahren durch die erhöhten Zuführungen vollständig kompensiert. Es entstünden dadurch keine Kosten, die steuerlich nicht berücksichtigt werden könnten. Es werde lediglich ein Zeitfaktor als Bewertungsmoment berücksichtigt. Zum 31. Dezember 2015 stimme die Höhe der Rückstellungen in der Handels- und in der Steuerbilanz überein. Lediglich die Höhe der Zuführung in den einzelnen Wirtschaftsjahren sei unterschiedlich. Wie das Beispiel Rückbauverpflichtung des Hafens ergebe, übersteige die Gewinnminderung wegen Abzinsung nur bis zum siebten Jahr den Aufwand. Ab dem achten Jahr überstiegen die Aufstockungsbeträge den Abzinsungsbetrag (Bl. 24 des Einspruchsbescheids). Es ergebe sich sowohl beim Berechnungsmodell ohne Abzinsung wie auch bei dem mit Abzinsung bis zum 31.12.2015 (derselbe) Gesamtaufwand. Es bestünde auch keine Ungleichbehandlung zwischen der Aktiv- und Passivseite der Bilanz. Forderungen auf der Aktivseite würden mit den Anschaffungskosten bzw. mit dem Teilwert bewertet. Da es sich bei Rückstellungen um Positionen handele, die dem Grunde nach ungewiss oder der Höhe nach noch unbestimmt seien, könne eine entsprechende Bewertung nicht erfolgen. Es bestünden weder Anschaffungskosten noch ein Teilwert. Auch müsse keine korrespondierende Bewertung von Forderungen und Rückstellungen gegeben seien. Selbst bei Forderungen und Verbindlichkeiten komme keine deckungsgleiche Bilanzierung zum Ansatz. Maßgeblich sei das steuerliche Realisationsprinzip und nicht das handelsrechtliche Imparitätsprinzip. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Das Abzinsungsgebot stelle keine Steuererhöhung dar, sondern nur eine zeitliche Verschiebung der Besteuerung. Der Aufwand aus der Rekultivierungsverpflichtung solle sich nicht vorzeitig, sondern erst bei seiner Realisierung steuerlich auswirken. Der Gesamtgewinn des Unternehmens ändere sich hierdurch nicht. Unverzinsliche oder niedrig verzinsliche Geldschulden seien für die Steuerpflichtigen weniger belastend als Schulden mit marktüblicher Verzinsung. Der Ausweis der Rückstellungen zum voraussichtlichen Erfüllungsbetrag führe zu einer beträchtlichen steuerlichen Entlastung, die nicht einer nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erforderlichen Belastung entspräche. Das Handelsrecht könne nicht herangezogen werden, da es vom Gedanken des Gläubigerschutzes getragen sei. Das Steuerrecht hingegen ziele darauf ab, den richtigen Gewinn zu erfassen. Durch eine Verbindlichkeit werde die Leistungsfähigkeit nur insoweit herabgesetzt als eine "objektive" Belastung vorliege. Der Vorteil einer zinslosen Verbindlichkeit mindere jedoch diese Belastung. Durch die Abzinsung werde eine Objektivierung der Bewertung erreicht. Ein zukünftiger Aufwand mache in der Gegenwart lediglich die Bereitstellung eines abgezinsten Aufwands erforderlich. Unerheblich sei, ob es sich um der Rückstellung zugrunde liegende Geld- oder Sachleistungsverpflichtungen handele.

Bloße Erwartungshaltungen seien durch das GG nicht geschützt. Es bestünde deswegen kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend, dass bereits bestehende Bewertungsvorschriften unverändert bestehen blieben. Es liege zudem keine echte Rückwirkung vor. Dies ergebe sich aus den Entscheidungen des BFH zur Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze bei § 17 EStG (vom 01.02.2005 Az VIII R 92/03) sowie dem Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz zur Wertaufholung bei einer Teilwertabschreibung (vom 20.08.2003 Az 3 K 2970/00). Auch sei ab dem 01.01.1997 ein Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen gem. § 5 Abs. 4a EStG gegeben. Eine echte Rückwirkung liege nicht vor, da die gesetzliche Regelung nicht in einem bereits vergangenen Veranlagungszeitraum rückwirkend in Kraft getreten sei und deswegen auch nicht zur Korrektur schon erlassener Steuerbescheide zwinge. Das Abzinsungsgebot stelle eine dem Grunde nach zulässige unechte Rückwirkung dar. Es greife in gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte ein und bewirke Änderungen für die Zukunft. In der Vergangenheit hätten sich aufgrund des Vorteils der Zinslosigkeit hohe stille Reserven bei den Rückstellungen gebildet. Diese Zinsen würden jedoch erst 1999 oder später realisiert, somit in der Gegenwart bzw. der Zukunft nach der Gesetzesänderung. Es läge auch kein Vertrauensschutz vor. Selbst bei unbefristeten und über Jahrzehnten unveränderten Steuervergünstigungen könnten sich die Steuerpflichtigen nicht darauf berufen, dass keine Änderungen zu ihren Lasten einträte. Es gäbe keine grundrechtlich geschützte allgemeine Erwartung des unveränderten Fortbestandes des Rechts. Dem stünden auch erhebliche Vermögensdispositionen nicht entgegen. Als wichtiger Belang des Allgemeinwohls sei das Interesse des Staates am Ausgleich von unerwarteten Mindereinnahmen oder durch bestimmte Lenkungseffekte des Steuerrechtes zu berücksichtigen. Durch die Gesetzesänderung habe sich lediglich eine Steuerstundung im Aufstockungszeitraum der Rückstellung ergeben. Der bei der erstmaligen Abzinsung entstehende Gewinn werde jedoch später vollständig kompensiert. Die Leistungsfähigkeit der Betroffenen werde deswegen nicht berührt, da der gesamte Aufwand gewinnmindernd berücksichtigt werden könne. Einer ggf. existenzbedrohenden Wirkung der Einführung der Abzinsung werde durch den zehnjährigen Übergangszeitraum ausreichend Rechnung getragen. Es ergebe sich keine doppelte Benachteiligung der Klägerin, sondern lediglich eine sachgerechte Kombination zwischen ratierlicher Ansammlung und Abzinsung der Rückstellung. Der Vergleich mit einem zinslosen Darlehen gehe fehl, da ein solches bereits von Anfang an in voller Höhe bestehe, auch wenn es erst in der Zukunft fällig werde. Ansammlungsrückstellungen seien jedoch Verpflichtungen, die Jahr für Jahr anstiegen. Lediglich zu Beginn des Abzinsungszeitraumes sei der Aufwand bei Zuführung zur Rückstellung geringer. Die gewinnmindernde Zuführung erhöhe sich jedoch mit Herannahen des Bilanzstichtages zu nehmend. Der Gesamtaufwand sei sowohl in der Handels- wie auch in der Steuerbilanz, bei der eine Abzinsung zu berücksichtigen sei, identisch.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im vollen Umfang unbegründet. ...

2) Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass sich aus der einfachgesetzlichen Auslegung der einschlägigen Vorschriften eine Abzinsung der streitigen Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen ergibt. Sie ist bei den drei Rückstellungen nicht zu beanstanden, da weder eine Verzinslichkeit noch Vorausleistungen bzw. Anzahlungen gegeben sind. Rechnerisch ergeben sich keine Beanstandungen zugunsten der Klägerin.

a) Bei allen drei Rückstellungen ist nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Abzinsung vorzunehmen.

aa) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstaben d, e Einkommensteuergesetz i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 ( EStG) sind Rückstellungen höchstens unter Berücksichtigung folgender Grundsätze anzusetzen, d.h. Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich sind, sind zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln. Rückstellungen für Verpflichtungen sind mit einem Zinssatz von 5,5% v.H. abzuzinsen; § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG ist entsprechend anzuwenden. Für die Abzinsung von Rückstellungen für Sachleistungs-Verpflichtungen ist der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung maßgebend. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 sieht nach seinem Satz 2 vor, dass von der Abzinsung Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf eine Anzahlung oder Vorausleistung beruhen, ausgenommen sind. Zum Ausgleich für die vorgenommene Abzinsung ist gem. § 52 Abs. 16 Satz 6 ff, 10 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 eine Rücklage zu bilden. Diese Regelung lautet wie folgt: § 6 Abs. 1 Nr. 3 i.d.F. des Gesetzes vom 24. März 1999 ist auch für Verbindlichkeiten, die bereits zum Ende eines vor dem1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahres angesetzt worden sind, anzuwenden. Für den Gewinn, der sich aus der erstmaligen Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in den in Satz 6 genannten Verbindlichkeiten ergibt, kann jeweils i.H.v. 9/10 eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden neun Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens 1/9 gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum). § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG i.d.F. des Gesetzes vom 24. März 1999 ist auch auf Rückstellungen, die bereits zum Ende eines vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahres gebildet worden sind, anzuwenden. Auch die Rücklage ist entsprechend für Rückstellungen anzuwenden ( § 52 Abs. 16 Satz 10 EStG). bb) Unstreitig handelt es sich vorliegend in allen drei Fällen um Rückstellungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe d EStG, nämlich um Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist, und die zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln sind. Die Rekultivierungsverpflichtung für die Deponie sowie die Rückbauverpflichtungen für den Bandkanal und den Hafen sind durch den Betrieb verursacht. Da sich der Betrieb über einen längeren Zeitraum erstreckt, sind die Rückstellungsbeträge zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln. Danach sind sie gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG grundsätzlich mit einem Zinssatz von 5,5 v.H. abzuzinsen. Unerheblich ist hierbei, dass sich Aufwendungen nach der aktiven Phase des Unternehmens ggf. nicht mehr auswirken könnten, wenn die Rückstellung vorher nicht in ausreichender Höhe gebildet wurde. Hierbei handelt es sich um ein betriebswirtschaftliches Problem, dem steuerlich im Rahmen eines Verlustrücktrags oder einer weiterbestehenden aktiven Tätigkeit der Gesellschafterinnen Rechnung getragen werden kann.

b) Eine Ausnahme i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e Satz 1 2. Halbsatz i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG ist nach der Auffassung des Senates nicht gegeben. Es handelt sich weder um Rückstellungen für eine verzinsliche Verbindlichkeit noch für Rückstellungen auf Anzahlungen oder Vorausleistungen. aa) Nach der Auffassung des Senats ist § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG auch auf Rückstellungen anzuwenden, denen Sachleistungsverpflichtungen zugrunde liegen.

Der Gesetzeswortlaut sieht lediglich für die Frage der Bewertung in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe b EStG eine Sonderregelung für die Bewertung von Sachleistungsverpflichtungen vor und in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe d S. 2 EStG für die Stillegung von Kernkraftwerken. Im Übrigen wird im Gesetz nicht zwischen den Rückstellungen zugrunde liegenden Geld- und Sachleistungsverpflichtungen unterschieden. Auch die Tatsache, dass ursprünglich lediglich eine Abzinsung für Rückstellungen für Geldleistungsverpflichtungen vorgesehen war, steht dem nicht entgegen, da der Gesetzgeber in der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs 14/443, S. 53) ausdrücklich festgehalten hat, dass die Gründe, die für die Abzinsung von Rückstellungen für Geldleistungen gelten, auch entsprechend für Rückstellungen, denen Sachleistungsverpflichtungen zugrunde liegen, gelten. Somit wurde eine Abzinsung für Sachleistungsverpflichtungen bewusst mit in das Gesetz aufgenommen. Aus diesem Grund kann auch die seit 2003 geltende Ausnahme für die Abzinsung von Rückstellungen, denen eine gesetzliche Verpflichtung zur Rücknahme und Verwertung von Erzeugnissen zugrunde liegt ( § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe d S. 2 EStG 2003) nicht zu einem gegenteiligen Ergebnis führen. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahme von der Abzinsungspflicht für eine bestimmte Sachleistungsverpflichtung und nicht um eine, die genannte Rückstellung betreffende, Klarstellung.

bb) Verzinslich sind in der Regel Verbindlichkeiten, die auf die Leistung eines Geldbetrages gerichtet und erst nach geraumer Zeit zu tilgen sind, und bei denen sich der Auszahlungsbetrag mit dem Rückzahlungsbetrag im Einzelfall deckt. Dies ist der Fall, wenn nicht von der Möglichkeit einer sofortigen Erfüllung der Verbindlichkeit zum Barwert ausgegangen werden kann (Urteil des BFH vom 30. November 2005 I R 1/05, BStBl II 2006, 471), somit insbesondere bei Kreditgeschäften. Die Annahme von Zinszahlungen setzt i.d.R. einen Vertrag voraus (Littmann/Bitz/Pust-Hoffmann § 6 EStG, Rn. 672), während vorliegend eine gesetzliche Verpflichtung zur Rekultivierung gegeben ist. Der Verpflichtung zur Rekultivierung bzw. zum Rückbau der Anlagen liegt zudem keine Schuld zugrunde, die sofort mit dem Barwert abgelöst werden könnte. Vielmehr kann damit erst nach Stillegung des Betriebes bzw. der Deponie oder des Hafens begonnen werden. Der Vorgang ist somit nicht einem Kreditgeschäft vergleichbar. Insbesondere kann auch nicht von einem gegenseitigen Rechtsgeschäft zwischen der GmbH und der diese zum Rückbau verpflichtenden öffentlichen Hand ausgegangen werden. Nach einer Auffassung in der Literatur sind bei der Bilanzierung von Rückstellungen immer unverzinsliche Verbindlichkeiten gegeben, da der Zins ein Preis ist, den der Geldgeber für die Hingabe von Kapital erwartet und den der Empfänger dafür zahlen muss, dass er mit diesem Kapital arbeiten kann. Bei Rückstellungen werde aber kein Kapital zur Verfügung gestellt, sondern ein errechneter Gewinn wegen der ungewissen Verbindlichkeiten in der Zukunft stichtagsbezogen gemindert (Niemann, zur Abzinsung von Rekultivierungsrückstellungen, StB 2000, 213, 217). Dem schließt sich der Senat an.

Nach der Auffassung des Senats genügt nicht jeder wirtschaftliche Vorteil, der aus der Verpflichtung entsteht, um eine Verzinslichkeit zu bejahen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, das ausdrücklich auf Zinsen und nicht auf wirtschaftliche Vorteile verweist. Der Senat kann hierin auch kein Unterlassen des Gesetzgebers wegen der kurzfristigen Erweiterung der Abzinsungsproblematik auf Sachleistungsverpflichtungen erkennen, da in diesem Falle mittlerweile genügend Zeit geblieben ist, dieses Unterlassen zu korrigieren. Zudem verweist der Gesetzgeber in seiner Begründung darauf, dass die Überlegungen zur Abzinsung von Geldverbindlichkeiten entsprechend gelten. Die Ausweitung des Abzinsungsverbots auf die in den Preisen enthaltenen kalkulatorischen Zinsen für künftige Verpflichtungen würde dazu führen, dass Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen zumindest in großem Umfang nicht abzuzinsen wären. Da sich durch die ratierliche Ansammlung über einen langen Zeitraum, bevor die zugrunde liegenden Belastungen eintreten, Gewinn- und Steuerminderungen ergeben, die die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen tatsächlich erhöhen, wohingegen die Belastungen durch Geldabfluss tatsächlich noch nicht eingetreten sind, hält der Senat eine Ausdehnung des Zinsbegriffes nicht für erforderlich. Weiterhin fehlt es an einem Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen dem Kraftwerk und den Abnehmern, was die Rekultivierung bzw. den Rückbau anbelangt. Letztere werden anderen Personen als den Stromkunden geschuldet. Auch wäre eine sofortige Ablösung der Verpflichtung nicht möglich.

cc) Es liegen zudem keine Anzahlungen bzw. Vorausleistungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG vor.Anzahlungen sind Vorleistungen auf eine vom anderen Vertragsteil zu erbringende Lieferung oder Leistung (Weber-Grellet in Schmidt, § 5 EStG, Rdn. 270 Anzahlungen). Sie werden in Erfüllung eines zu einem späteren Zeitpunkt noch zu vollziehenden Rechtsgeschäftes erbracht (BMF vom 26. Mai 2005 IV B 2-S 2175-7/05, BStBl I 2005, 699, 702 m.w.N.). Der Klägerin kann nicht in ihrer Argumentation gefolgt werden, dass Abnehmer den im Endpreis enthaltenen Teilbetrag für Rekultivierungsmaßnahmen als Anzahlungen oder Vorausleistungen i.S. dieser Vorschrift erbringen. Die Kunden zahlen nicht in Erfüllung eines zu einem anderen Zeitpunkt noch zu vollziehenden Rechtsgeschäftes zwischen ihnen und dem produzierenden Werk, sondern in Vollziehung des aktuellen Lieferungsvertrages. Weitere nachfolgende Rechtsgeschäfte sind zwischen ihnen weder vereinbart noch zwangsläufig. Insbesondere kommt zum Zeitpunkt der Rückbaumaßnahmen kein Rechtsgeschäft mehr zustande, da das Werk dann nicht mehr produziert. c) Der Abzinsung steht auch nicht § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e Satz 2 EStG entgegen, wonach für die Abzinsung für Rückstellungen von Sachleistungsverpflichtungen der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung maßgebend ist. Die Errichtung einer Deponie umfasst Maßnahmen zur Schaffung der Voraussetzungen für die Inbetriebnahme einer Deponie wie Verbesserungen oder Vervollständigungen geologischer Barrieren, Abdichtungen, Sickerwassererfassung u.s.w. (vgl. BMF vom 25.07.2005 IV B 2 - S 2137 - 35/05 Steuerbilanzielle Behandlung von Aufwendungen zur Stillegung, Rekultivierung und Nachsorge von Deponien, BStBl I 2005, 826). Maßgeblich für den Beginn der Erfüllung einer Rekultivierungspflicht ist der Zeitpunkt des erstmaligen Tätigwerdens im Rahmen der Erbringung der geschuldeten Leistung (Ernsting StuB 1999, 457, 458).

Die Erfüllung einer Rekultivierungsmaßnahme beginnt nicht bereits mit dem Abdichten einer Deponie vor deren Inbetriebnahme bzw. der Regulierung des Wasserstandes während der Verfüllung o.ä. Tätigkeiten. Diese Vorgänge sind vielmehr eine Maßnahmen, mit der erreicht werden soll, dass die Deponie überhaupt erst in Betrieb genommen bzw. ggf. weiterbetrieben werden kann. Sie dienen somit der Errichtung/dem Betrieb der Deponie. Für den Fall, dass entsprechende Maßnahmen nicht oder nicht vollständig umgesetzt werden, könnte eine Genehmigung der Deponie verweigert bzw. diese wieder entzogen werden. Bei den von der Klägerin angeführten Maßnahmen handelt es sich somit um Tätigkeiten, die nicht der Erfüllung der Rekultivierung dienen, sondern der Inbetriebnahme bzw. dem Betrieb der Deponie. Der Senat geht deshalb davon aus, dass mit einer Rekultiverung noch nicht begonnen wurde und nach derzeitiger Erkenntnis mit dem Beginn der Erfüllung erst ab dem Jahr 2016 gerechnet werden kann. Sofern eine Rekultivierung tatsächlich, wie z.B. beim Abbau von Bodenschätzen, parallel zu deren Abbau voranginge, wäre entsprechend der vorgenommenen Rekultivierungsaufwendungen die Rückstellung aufzulösen und insoweit der Abzinsungszeitraum zu beenden (so auch Niemann, Zur Abzinsung von Rekultivierungsrückstellungen, StB 2000, 213, 215). Dies führt jedoch nach Auffassung des Senats nicht dazu, dass die vollständige Abzinsung entfällt, da nicht mit einer vollständigen Rekultivierung begonnen worden wäre. Eine solche fällt regelmäßig erst nach der Beendigung des Abbaus bzw. nach vollständiger Verfüllung der Deponie an. Bei der Regelung des BMF zum Rückbau im Bereich des Bergbaus (VV DEU BMF 1999-12-09 IV C 2-S 2175-30/99, BStBl I 1999, 1127) handelt es sich nach der Auffassung des Senats um eine Ausnahmeregelung die wegen des nicht vergleichbaren Sachverhaltes auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden kann. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung ergibt sich hieraus nicht.

Bei den von der Klägerin angeführten Maßnahmen handelt es sich deshalb um Aufwendungen, die mit der Errichtung der Deponie in Zusammenhang stehen und nicht den Beginn der Rekultivierung darstellen.

d) Künftig zu erwartende Preissteigerungen sind vorliegend nach der Auffassung des Senats ebenfalls nicht zu berücksichtigen.

Grundsätzlich sind Rückstellungen im Umfang nach den voraussichtlich zu erbringenden Leistungen sowie der Höhe nach entsprechend den Preisverhältnissen zum Bilanzstichtag zu bemessen. Bislang waren künftige Preisentwicklungen nicht einzubeziehen, da der Schätzung eine fehlende Abzinsung gegenüberstünde (Urteil des BFH vom 19. Februar 1975 I R 28/73, BStBl II 1975, 480 mit Bezug auf die vorhergehende Rechtsprechung). Bei der Bewertung sind die Verhältnisse des Bilanzstichtags zugrunde zu legen. Künftig zu erwartende Preis-, Gehalts- oder Steuertarifsteigerungen können nicht berücksichtigt werden (Urteil des BFH vom 5. Februar 1987 IV R 81/84, BStBl II 1987, 845 zu Jubiläumsrückstellungen; Urteil des BFH vom 10. März 1993 I R 70/91, BStBl II 1993, 446 zur Urlaubsrückstellung).

In der Literatur wird aus dieser Rechtsprechung teilweise gefolgert, dass aufgrund der nunmehr bestehenden Abzinsung bei der Höhe der Rückstellung die voraussichtlichen Preissteigerungen einzubeziehen seien (Kirchhof/Söhn/Mellinghoff § 6 EStG, Rdn. Da 41). Da handelsrechtlich nach § 253 Abs. 1 S. 2 HS 1 Handelsgesetzbuch (HGB) der Ansatz des Betrages, der "nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist" möglich ist, wird vertreten, dass künftige Preissteigerungen berücksichtigt werden können (Lüdenbach, BB 2003, 835, 837). Die Kombination von Abzinsungsgebot und Verbot der Berücksichtigung künftiger Kostenentwicklungen wird für systemwidrig gehalten (Littmann/Bitz/Pust-Hoffmann § 6 EStG, Rn. 673). Mit Bezug auf die Begründung des BFH-Urteils vom 19. Februar 1975 (I R 28/73 a.a.O.) wird die Einbeziehung von Preissteigerungen aufgrund der jetzt gesetzlich vorgesehenen Abzinsung für erforderlich angesehen (Roser/Tesch/Seemann, Grundsätze der Abzinsung von Rückstellungen, FR 1999, 1345f). Andererseits werden künftige Preissteigerungen mit Hinweis auf die o.g. BFH-Rechtsprechung für nicht zulässig gehalten (Ortmann-Babel in Lademann/Söffing § 6 EStG, Rn. 864d).

Es kann vorliegend letztlich dahinstehen, ob künftige Preissteigerungen einzubeziehen sind, da solche nicht geltend gemacht wurden, keinerlei Anhaltspunkte für eine künftige Kostenentwicklung und deren Höhe bestehen und diese vom Senat mangels Anhaltspunkten auch nicht geschätzt werden können. Die Problematik der Doppelberücksichtigung der zeitlichen Streckung durch Ansammlung und fehlende Zuschätzung von Preissteigerungen in der Zukunft stellt sich somit nicht.

Zwar sind nach IAS 37 künftige Preissteigerungen zu berücksichtigen und die gebildeten Rückstellungen abzuzinsen, hierbei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass Rückstellungen zum Zeitpunkt ihrer rechtlichen Entstehung in voller Höhe erfolgsneutral zu bilden sind, so dass sich Aufwand in den einzelnen Jahren lediglich über die AfA und die Aufzinsung der Rückstellungen ergibt. Hierbei liegt der Rückstellungsbildung eine andere Systematik zugrunde, die keine zwingenden Rückschlüsse auf das Steuerrecht zulässt.

e) Auch die Abzinsung mit einem Zinssatz von 5,5% ist nach der Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden, da es sich um eine zulässige Typisierung des Gesetzgebers handelt und dieser Zinssatz für Bewertungsfragen im Steuerrecht i.d.R. zugrunde gelegt wird.

aa) Mit der Abzinsung von Rückstellungen wollte der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Verpflichtungen bei den einzelnen Steuerpflichtigen erst sehr lange Zeit nach Beginn der aktiven Geschäftstätigkeit erfüllt werden müssen, die für die Verpflichtung ursächlich war (vgl. BTDrucks 14/443, S.53). Diese typisierenden Grundannahmen des Gesetzgebers sind bereits bei der Auslegung der Vorschrift zu beachten (Urteil des BFH vom 20. September 1995 X R 86/94 , BFHE 178, 555 , BStBl II 1996, 53 zu § 233a AO). Der Gesetzgeber kann, ohne gegen das Willkürverbot zu verstoßen, im Interesse einer einfachen Erhebung typisierend bewerten und damit die Berufung auf besondere Umstände des Einzelfalles --wie etwa den marktüblichen Zinssatz und eine fehlende Möglichkeit zinsgünstiger Anlageformen-- ausschließen (Urteil des BFH vom 20. September 1995 X R 86/94 a.a.O. , m.w.N.; Urteil des BFH vom 05. Juni 1996 X R 234/93, BStBl II 1996, 503).

Einerseits wird in der Literatur vertreten, dass das Gesetz eine unwiderlegbare Vermutung über die Höhe des Zinsvorteils enthalte, die bei niedrigeren tatsächlichen Zinssatz die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht mehr abbilde und deswegen zu einer Überbesteuerung führe (Frotscher § 5 EStG, Rn. 411). Andererseits wird im langfristigen Trend der Zinssatz als zulässige Typisierung als vertretbar angesehen (Hermann/Heuer/Raupach-Kiesel § 6 EStG, Anm. 1143 zu Verbindlichkeiten).

bb) Der Senat hält eine typisierende Abzinsung mit 5,5% nicht für bedenklich.

Dieser Zinssatz wird im Bewertungsrecht durchgängig angewandt und stellt eine zulässige Typisierung des Gesetzgebers dar, die der Vereinfachung der Besteuerung dient. Dadurch wird vermieden, dass für jeden Steuerpflichtigen und jeden Veranlagungszeitraum ein individueller Zinssatz zu ermitteln ist. Sollten sich in einzelnen Jahre gravierende Abweichungen ergeben, so wäre ggf. eine Korrektur im Erlassverfahren möglich.

Unbeachtlich ist auch, dass sich bei erst kurzer Laufzeit der Rückstellungsansammlung vergleichsweise geringe Abzinsungsbeträge ergeben. Hierauf hat ein Abzinsungszinssatz keinerlei Auswirkungen. Zudem handelt es sich bei der Abzinsung von Rückstellungsbeträgen, die vor 1999 angesammelt wurden, nicht um endgültige Gewinnminderungen. Letztlich liegt nur eine Verschiebung des steuerlichen Aufwands näher zum Auflösungszeitpunkt der Rückstellung vor.

Auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Erbschaftsteuerrecht (Beschluss vom 7. November 2006 1 BvL 10/02, BStBl II 2007, 192) ergibt sich nichts Gegenteiliges, da das Gericht hierin eine Unterbewertung des Betriebsvermögens rügt und einen Gleichklang der Bewertung mit dem gemeinen Wert herbeiführen will. Dies legt nahe, einen einheitlichen Zinssatz zugrunde zu legen und eine Abzinsung herbeizuführen, da dadurch eine Höherbewertung des Betriebsvermögens, das als unterbewertet angesehen wird - herbeigeführt werden kann. Für den Bereich der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens hat der BFH (Urteil vom 17. März 2004 II R 76/00, BFH/NV 2004, 1072) entschieden, dass eine Abzinsung entsprechend dem Bewertungsgesetz (BewG) von Rekultivierungsrückstellungen zu erfolgen hat. Insoweit wurde durch den Gesetzgeber ein Gleichklang erzielt.

f) Aus dem in § 5 Abs. 1 EStG niedergelegten Maßgeblichkeitsgrundsatz, dem handelsrechtlichen Realisationsprinzip und dem Vergleich mit internationalen Rechnungslegungsvorschriften ergibt sich kein anderes Ergebnis. aa) Nach § 5 Abs. 1 EStG ist bei buchführenden Gewerbetreibenden für des Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das sich nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ergibt. Rückstellungen sind gem. §§ 249, 253 Abs. 1 S. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) gemäß ihrer wirtschaftlichen Verursachung ratierlich anzusammeln, mit den am Bilanzstichtag geltenden Preisen zu bewerten und gem. § 253 Abs. 1 S. 2 HS 2 HGB nicht abzuzinsen. Davon wird durch die Abzinsung der streitigen Rückstellungen abgewichen, und der Maßgeblichkeitsgrundsatz durchbrochen.

Steuerliche Durchbrechungen sind im EStG jedoch mehrfach vorgesehen ( §§ 4 bis 6 EStG). Grundsätzlich wird die Maßgeblichkeit jedoch noch gewahrt.

In der Literatur wird vertreten, dass eine Abzinsung gegen das Realisationsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 Handelsgesetzbuch (HGB) verstößt, da der Vorteil aus der günstigen Verzinsung erst in den Perioden der niedrigen bzw. unterbliebenen Zinszahlungen realisiert wird. Außerdem liege ein Verstoß gegen das Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 HGB vor, wonach Schulden vollständig auszuweisen sind. Die Abzinsung von ungewissen Verbindlichkeiten, deren Erfüllungsbetrag keinen Zinsanteil enthält, stelle einen Verstoß gegen das handels- und steuerrechtlich zu beachtende Realisationsprinzip dar, da es zu einer Vorwegnahme unsicherer, allenfalls sich erst zukünftig realisierender Gewinne/Zinserträge komme. Bei Sachleistungsverpflichtungen kämen Abzinsungen überhaupt nicht in Betracht, da Zinsen das Bestehen einer auf die Hauptleistung gerichteten Kapitalschuld voraussetzten (aus der Facharbeit des IDW, WpG 1999, 293 f.).

Es wird teilweise auch vertreten, dass handelsrechtlich eine Nichtabzinsung zu einer "übervorsichtigen" Bewertung führe, da die in der Rückstellung gebundenen Mittel den Unternehmen einen Zins- und Liquiditätsvorteil verschafften, der im Rahmen einer Abzinsung berücksichtigt werden sollte. Eine Passivierung von Rückstellungen zum Nennwert führe zu einem wirtschaftlich verfrühten Verlustausweis. Faktisch sei ein Zinsanteil enthalten. Auch Pensionsrückstellungen seien abzuzinsen, so dass ein Gleichklang herbeigeführt werden könne (vgl. Lüdenbach, BB 2003, 835, 837f). Es wird zudem vertreten, dass zumindest der Zinserertrag aus einer sicheren Geldanlage, die als realisierbar unterstellt werden kann, gegengerechnet werden darf (Littmann/Bitz/Pust-Hoffmann § 6 EStG, Rn. 672).

bb) Nach der Auffassung des Senats stellt das Abzinsungsgebot mit einem typisierten Zinssatz eine zulässige Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes dar.

Die Steuerbilanz hat eine andere Zielrichtung als den handelsrechtlichen Gläubigerschutz. Es soll der tatsächliche steuerliche Gewinn erfasst werden. Bei der Bildung von Rückstellungen wird jedoch Aufwand wirtschaftlich einer Periode zugeordnet, der erst in einem späteren Zweitraum anfallen wird. Deshalb wird durch einen geringeren Aufwand kein nicht realisierter hoher Gewinn ausgewiesen, sondern der steuerliche und noch nicht abgeflossene Aufwand gemindert. Die Schulden werden in Form der abgezinsten Rückstellung vollständig, wenn auch mit einem niedrigeren Wert ausgewiesen. Zudem kommt es durch die Abzinsung auch nicht zum Ausweis nicht realisierter Zinsen. Sofern Rückstellungen neu gebildet werden, führt diese Regelung lediglich dazu, dass steuerlich ein geringerer Aufwand ausgewiesen wird. Ein Zinsertrag ergibt sich hierdurch grundsätzlich nicht. Im vorliegenden Fall kommt es durch die Abzinsung der Rückstellungsbeträge zum 31.12.1998 zu einem Betrag, der im Rahmen einer Rücklage über den Zeitraum von 10 Jahren aufzulösen ist. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen Zinsertrag, sondern letztlich um die Rückgängigmachung von in den Vorjahren überhöht berücksichtigtem Aufwand. Dieser geht im Übrigen nicht verloren, sondern kann gegen Ende des Rückstellungszeitraum zeitnah als Aufwand berücksichtigt werden, da sich durch die Gesetzesänderung an der zulässigen Höhe der Rückstellung nichts ändert.

Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs 14/443, S. 51) wurde zudem der Maßgeblichkeitsgrundsatz nicht vollständig durchbrochen, da bei niedrigerem Ausweis in der Handelsbilanz dieser Wert in die Steuerbilanz zu übernehmen ist. Somit wurde dieser Grundsatz vorliegend nur eingeschränkt und nicht völlig aufgehoben. In der Gesamtheit wird durch die vorhandenen Durchbrechungen der Kernbereich des Maßgeblichkeitsprinzips nicht getroffen.

cc) Auch aus den Vorschriften der International Accounting Standards (IAS) ergibt sich keine Änderung der Auffassung des Senats.

Nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften sind Rückstellungen bzw. Verbindlichkeiten abzuzinsen, gleichzeitig sind sie jedoch auch mit den künftigen Erfüllungskosten zu berücksichtigen (IAS 37.48 und 37.45; zum Ganzen Schulze-Osterloh, BB 2003, 351; Roser/Tesch/Seemann, FR 1999, 1345, 1349f; zum Ganzen vgl. Ernsting StuB 1999, 457, 458ff).

Zwar sind nach IAS 37 künftige Preissteigerungen zu berücksichtigen und die gebildeten Rückstellungen abzuzinsen, hierbei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass Rückstellungen zum Zeitpunkt ihrer rechtlichen Entstehung in voller Höhe erfolgsneutral zu bilden sind, so dass sich Aufwand in den einzelnen Jahren lediglich über die AfA und die Aufzinsung der Rückstellungen ergibt. Es liegt somit eine andere Systematik der Bildung und Bewertung von Rückstellungen vor. Allerdings wird ein vergleichbares Ergebnis durch die vorliegende Regelung in der Steuerbilanz erreicht. Eine Gleichbehandlung ist nicht erforderlich.

Die Ansammlung der Rückstellungsbeträge schlägt somit nicht die Abzinsung in der Bilanz. Zwar hat der Gesetzgeber die Abzinsungsregelung mit dem Teilwertgedanken begründet, letztlich handelt es sich bei der Bewertung der streitigen Rückstellungen jedoch um Schätzungen, bei denen der Schätzungsmaßstab modifiziert wird. Letztlich kann bei Rückstellungen mit langem Ansammlungszeitraum weder von Anschaffungskosten noch von Teilwerten gesprochen werden. Eine Ungleichbehandlung der Aktiva und der Passiva bei der Bewertung der einzelnen Posten erkennt der Senat deshalb nicht.

3) Der Senat hat hinsichtlich der streitigen Regelungen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Er erkennt keinen Verstoß gegen das in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verankerte Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. aa) Diesem liegt das sog. Netto-Prinzip zugrunde. Beim objektiven Netto-Prinzip handelt es sich um eine einfach-gesetzliche, durch den Gesetzgeber bestimmte Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Gebots der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und der Funktionsmerkmale unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reicht (vgl. BVerfG vom 2. Dezember 1992 1 BvR 1996/88, Bundesverfassungsgerichtsentscheidung -BVerfGE- 88, 5, 12; vom 26. Januar 1993 1 BvR 38, 40, 43/92, BVerfGE 88, 87, 96; vom 14. Juli 1999 1 BvR 995, 2288, 2711/95, BVerfGE 101, 54, 101; vom 4. April 2001 2 BvR 7/98, BVerfGE 103, 313, 318; vom 6. März 2002 2 BvR 17/99, BVerfGE 105, 73,110). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, den jeweiligen Sachverhalten bestimmte Rechtsfolgen zuzuordnen wird durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeiten durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt (vgl. BVerfG vom 8. April 1987 2 BvR 909, 934, 935 und andere, BVerfGE 75, 108, 157; vom 6. März 2002, 2 BvR 17/99, BVerfGE 105, 73, 125 f.). Die objektive Leistungsfähigkeit wird nach dem Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den Erwerbsaufwendungen andererseits gebildet (objektives Nettoprinzip). Ausfluss des objektiven Nettoprinzips ist es, dass steuerlich nur die "Reineinkünfte" zu erfassen sind, d.h. dass die Einkünfte durch hierdurch veranlasste Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben und Werbungskosten) zu mindern sind. Da Lenkungsziele vom Gesetzgeber Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip erfordern, bedürfen Abweichungen einer Rechtfertigung und Abwägung zwischen der Leistungsfähigkeit und Gerechtigkeitsvorstellungen sowie anderen Gestaltungszielen (Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Unternehmenssteuerreform, StuW 2000, 328, 330). In der Literatur wird hierzu ausgeführt, dass wahrscheinliche Risiken über Rückstellungen erfolgswirksam zu berücksichtigen sind, da anderenfalls ein unsicherer Gewinn ausgewiesen werde, der nach dem Konzept der relativen Sicherheit nicht zulässig sei (Beißer, Die Abzinsung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen im Licht des Leistungsfähigkeitsprinzips, Der Betrieb 2001, 296). Durch die Abzinsung der Rückstellungsbeträge werde ein Zinsertrag ausgewiesen, ohne dass Mittel zugeflossen seien, die Zinserträge bringen könnten. Dies führe zur Besteuerung eines Gewinns, der von den Steuerpflichtigen tatsächlich nicht realisiert werde. Das Leistungsfähigkeitsprinzip werde verletzt, weil nur fiktives Einkommen besteuert werde; dies führe gleichzeitig zu einer Verletzung des Nettoprinzips (Beiser, DB 2001, 296, 297; Frotscher § 5 EStG, Rn. 405; ähnlich Ernsting StuB 1999, 457, 462). Aufgrund der Ausgestaltung als Jahressteuer entspreche es dem Leistungsfähigkeitsprinzip eine Belastungsgleichheit in der Zeit herbeizuführen (Koths Abzinsung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen, StBJB 2001/2002, 267, 273).

Durch die Abzinsung werde unterstellt, dass der Rückstellungsbetrag verzinslich angelegt und deswegen mit Hilfe der Zinsen ein höherer Rückstellungsbetrag finanziert werden könne. Dies führe dazu, dass zum gegenwärtigen Bilanzstichtag noch nicht verwirklichte (Zins-) Gewinne ausgewiesen würden. Dies stelle jedoch einen Verstoß gegen das Realisationsprinzip dar (Frotscher § 5 EStG, Rdn. 400). Durch die Abzinsung werde eine künftige, erwartete wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als gegenwärtig eingetretene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuert. Es werde somit eine Steuer auf unrealisierte, unsichere künftige Gewinne erhoben. Auch der in der Gesetzesbegründung angeführte Teilwertgedanke greife hier nicht, da ein höherer Teilwert nur dann der Besteuerung zugrundegelegt werden könne, wenn er realisiert sei. Weiterhin werde durch die ratierliche Ansammlung der Sachleistungsverpflichtungen das Zeitmoment bereits berücksichtigt. Hierfür bestehe kein sachlicher Grund. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 3 GG dar (Frotscher § 5 EStG, Rdn. 405 f.). Andererseits wird auch vertreten, dass sich durch entspr. Rückstellungen Steuerstundungen mit Zinsvorteilen ergeben, die zu einer Liquiditätsverbesserung führten, die wiederum einen geldwerten Vorteil mit Verbesserung der Leistungsfähigkeit darstellten (Doralt, DB 1998, 1357).

bb) Der Senat schließt sich den Ausführungen des Gesetzgebers insoweit an.

Dieser hat in der Gesetzesbegründung (BT-Drs 14/23, S. 239) durchaus das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gesehen. Er geht jedoch davon aus, dass kein Verstoß vorliegt, da unverzinsliche Geldleistungsverpflichtungen wirtschaftlich weniger belastend sind als marktüblich verzinste Schulden. Der Ausweis von Rückstellungen zum voraussichtlichen Erfüllungsbetrag führt zu steuerlichen Entlastungen, obwohl dieser noch keine reale Belastung des Steuerpflichtigen gegenüber steht. Weiterhin ist auch die Entlastung durch ersparte Steuern zu berücksichtigen, so dass die Abzinsung der Rückstellungen auch nach der Auffassung des Senats mit dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vereinbar ist. Es handelt sich lediglich um eine Änderung der Bewertung der Rückstellungen, die zu einer Zuführung in letztlich progressiv ansteigender Höhe führt. Dadurch wird die gegen Ende des Rückstellungszeitraums eintretende tatsächlich näherrückende Belastung der Steuerpflichtigen eingefangen, ohne Gewährung von frühzeitigen Steuerentlastungen, die bereits in erheblichem Umfang - wie vorliegend bei der Deponierekultivierung - eintreten können.

Weiterhin sind durch die Zuführung zur Rückstellung der Klägerin auch keine Mittel abgeflossen, d.h. es wird ein geringerer als der tatsächlich realisierte Gewinn versteuert. Hierbei wird nicht verkannt, dass das Zuflussprinzip beim Betriebsvermögensvergleich nicht gilt und die Belastungen systemgerecht zugeordnet werden müssen. Grundsätzlich ist eine Aufstockung der Rückstellungen bis zum erforderlichen Nennbetrag jedoch gewährleistet. Es erfolgt lediglich nicht mehr wie bisher eine Zuordnung der einzelnen Beträge auf die Jahre in gleichbleibender Höhe, sondern in ansteigenden Beträgen. Je näher der Erfüllungszeitraum rückt, desto höher werden die Zuführungen, was nach der Auffassung des Senats der dann stärker eintretenden Verminderung der Leistungsfähigkeit entspricht. Es ist durchaus möglich, bei der Höhe der Zuführungen zu einer Rückstellung die Zeitnähe, in der die Leistungsfähigkeit durch tatsächliche Inanspruchnahme der Klägerin beeinträchtigt werden wird, zu berücksichtigen.

Die handelsrechtlichen Erwägungen der periodengerechten Zuordnung von Erträgen und Aufwendungen treten insoweit in den Hintergrund.

Ungleichbehandlung mit Rückstellungen für niedrig verzinsliche Verbindlichkeiten führt nach Auffassung des Senats nicht zur Verfassungswidrigkeit der streitigen Regelungen, da ggf. eine ungerechtfertigte Bevorzugung dieser Vergleichsgruppe gegeben ist, die jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung an sich führt. Da gewährleistet ist, dass sich der gesamte Rückstellungsbetrag steuerlich auswirkt - wenn auch aufgrund einer anderen Verteilung auf die einzelnen Veranlagungszeiträume - ist ein Verstoß gegen das Gebot der eigentumsschonenden Besteuerung nicht erkennbar. Härten durch die Abzinsung wurden durch die 10jährige Übergangsregelung abgemildert.

Zum Maßgeblichkeitsprinzip vgl. die Ausführungen zu Punkt 2 f). Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin teilt der Senat nicht.

b) Weiterhin kann der Senat keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot für Gesetze erkennen. Es ist deshalb auch der Bestand der Rückstellungen zum 31.12.1998 abzuzinsen und nicht nur die Zuführungen zu den Rückstellungen im Streitjahr.

aa) Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Gesetzes, das abgeschlossene Tatbestände erfasst, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Rechtsstaatsprinzip ( Art. 20 Abs. 2 GG) herzuleiten (Urteil des BVerfG vom 03.12.1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 67, 88). Grundsätzlich ist nur ein belastendes Gesetz möglich, dessen Rechtsfolgen für einen frühestens mit der Verkündung beginnenden Zeitraum eintreten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG ist zwischen echter und unechter Rückwirkung bzw. zwischen einer Rückwirkung der Rechtsfolgen und einer tatbestandlichen Rückanknüpfung zu unterscheiden. Dabei unterliegt die tatbestandliche Rückanknüpfung, d.h. die Einwirkung eines Gesetzes auf in der Vergangenheit begründete, aber noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft weniger strengen Beschränkungen (Beschluss des BVerfG vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67). Eine Rückwirkung von Rechtsfolgen und damit eine "echte" Rückwirkung liegt vor, wenn der Eintritt nachteiliger Rechtsfolgen auf einen Zeitraum vor der Verkündung eines Gesetzes erstreckt wird. Dies ist grundsätzlich unzulässig (Beschluss des BVerfG vom 7. Juli 1992 2 BvR 1631, 1728/90, BVerfGE 87, 48, 91). Der von einem Gesetz Betroffene muss grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer Neuregelung darauf vertrauen dürfen, dass er nicht nachträglich einer bisher nicht geltenden Belastung unterworfen wird. Aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit lässt sich der Verfassungsrechtssatz ableiten, dass belastende Steuergesetz grundsätzlich ihre Wirksamkeit nicht auf abgeschlossene Tatbestände erstrecken dürfen. Das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot darf allein aus zwingenden Gründen des gemeinen Wohls oder wegen eines nicht -oder nicht mehr- vorhandenen schutzbedürftigen Vertrauens der Einzelnen durchbrochen werden (Beschluss des BVerfG vom 14. Mai 1986 2 BvR 2/83, BVerfGE 72, 200, 258). In der Rechtsprechung des BVerfG sind Rechtsfertigungsgründe falltypisch, aber nicht erschöpfend entwickelt worden. Liegt in diesem Sinne ein Grund vor, der es von Verfassung wegen rechtfertigt, das Rückwirkungsverbot zu durchbrechen, so darf diese Durchbrechung gleichwohl nicht zu Ergebnissen führen, die den grundrechtlichen Schutz des Lebenssachverhaltes verletzen, der von dem Eingriff betroffen ist (Urteil des BVerfG vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 83). Allerdings ist das Vertrauen der Steuerpflichtigen nicht schutzwürdig, wenn dieser im Hinblick auf eine bestimmte Rechtslage nicht schutzwürdig ist, so z.B. wenn er mit dieser Regelung rechnen musste (Urteil des BVerfG vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97 a.a.O.). Bei Veranlagungssteuern liegt bei Änderungen von Steuergesetzen im laufenden Veranlagungszeitraum eine unechte Rückwirkung vor, die grundsätzlich zulässig ist (Urteil des BVerfG vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 252f).

In der Literatur wird u.a. vertreten, dass auch bei unechter Rückwirkung das Vertrauen von Steuerpflichtigen auf einmal geschaffene wirtschaftliche Dispositionsgrundlagen schutzwürdig ist, zumindest wenn es sich um eine kurzfristige Begünstigung wie z.B. eine Sonderabschreibung handelt (Spindler, Rückwirkung von Steuergesetzen DStJG 27 (2004), 69, 88f). Der Vertrauensschutz soll bereits mit Beginn der wirtschaftlichen Disposition beginnen (Melinghoff, Vertrauen in das Steuergesetz DStJG 27 (2004), 25, 39). Entscheidend sei auf die Erfüllung einzelner Besteuerungstatbestände und nicht auf den Eintritt der Rechtsfolgen abzustellen (Melinghoff a.a.O. S. 43f). Die Rückbewirkung der Rechtsfolgen unter Einbeziehung des gesetzlichen Tatbestands kann zur echten Rückwirkung führen (vgl. zu § 23 EStG, Birk/Kulosa FR 1999, 433, 438).

bb) Der Senat erkennt vorliegend keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, da eine sog. unechte Rückwirkung vorliegt. Entgegen der Auffassung der Klägerin, handelt es sich bei der Abzinsung des Rückstellungsbetrages zum 31.12.1998 nicht um eine echte Rückwirkung. Zwar wurde der Aufwand in den Vorjahren steuerlich geltend gemacht und durch die Abzinsung wird er teilweise wieder rückgängig gemacht. Dies erfolgt jedoch nicht durch Änderung der Bescheide für die Vorjahre, sondern durch eine Verteilung auf das Streitjahr sowie die künftigen neun Jahre. Es liegt somit kein Eingriff in die Besteuerung bereits abgeschlossener Veranlagungszeiträume vor, der zu einer echten Rückwirkung führt. Der Tatbestand bei der Bildung einer Rückstellung ist nach der Auffassung des Senats erst dann vollständig abgeschlossen, wenn bei Ansammlungsverpflichtungen der Gesamtbetrag erreicht ist. Dies ist hier nicht der Fall, da die Rückstellungen erst zum 31.12.2015 in voller Höhe gebildet werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bildung von Rückstellungen um einen Dauertatbestand handelt, der sich vorliegend über Jahrzehnte erstreckt. Es muss schon allein aus diesem Grund eine Möglichkeit geben, die einschlägige Regelung zu ändern.

Durch den Gesetzgeber wurde lediglich die Bewertung der streitigen Rückstellungen für die künftigen Jahre neu geregelt. Dabei sind zwangläufig auch die Zuführungen der Vorjahre erfasst. Würde hierin eine unzulässige Rückwirkung gesehen, wäre es dem Gesetzgeber untersagt, eine Bewertung, die er als überhöht erkannt hat, für bereits bestehende Rückstellungen zu ändern. Auch eine Abzinsung nur der Zuführung wäre inkonsequent und somit verfassungsrechtlich bedenklich.

Der Gesetzgeber greift auch nicht endgültig in eine Vermögensdisposition der Klägerin ein, die diese bereits in der Vergangenheit z.B. mit der Inbetriebnahme der Deponie, des Kohlehafens sowie des Kohlebandkanals getroffen hat. Letztlich ist es der Klägerin möglich, bis zum Eintritt der Rückbauverpflichtungen die Rückstellung in der erforderlichen Höhe zu bilden. Durch die Neuregelung der Bewertung der Rückstellungsbeträge wird lediglich eine zeitliche Verschiebung der Zuführung der einzelnen Beträge erreicht und damit des im einzelnen Veranlagungszeitraum künftig steuerlich wirksamen Zuführungsbetrages. Weiterhin wird die Abzinsung des vor dem Streitjahr gebildeten Rückstellungsbetrages durch eine 10jährige Übergangsregelung abgemildert, die nur in einigen Jahre zu einem verminderten steuerlichen Aufwand führt, wie der Beklagte dargelegt hat. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich hinsichtlich des Rückstellungsbetrages für die Deponierekultivierung kein uneingeschränkter Vertrauensschutz der Klägerin ergeben kann, da sich der zu bilanzierende Betrag allein schon wegen der Entnahme bislang eingelagerter Aschen vermindert.

Der Änderung durch den Gesetzgeber stehen auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte der Klägerin entgegen, da diese lediglich darauf vertrauen durfte, dass ein Rückstellung in voller Höhe bis zum Eintritt der Verpflichtungen möglich ist. Dieses Vertrauen wurde durch die Gesetzesänderung nicht berührt, es wurde lediglich eine Modifizierung der Rückstellungshöhe vorgenommen. Dies ist auch durch Gründe des gemeinen Wohls, nämlich der Sicherung des Steueraufkommens gerechtfertigt. Hierbei stellt der Senat nicht auf den Finanzierungsbedarf aufgrund der weiteren Änderungen des StEntlG ab, sondern darauf, dass durch die bisherige Regelung Aufwand in erheblichem Umfang in Zeiträume verlagert werden konnten, die weit vor der Ausführung der zugrunde liegenden Verpflichtung liegen. Durch die Gesetzesänderung wird der Rückstellungsaufwand, der die Steuerpflichtigen in den Veranlagungszeiträumen nur wirtschaftlich, nicht jedoch tatsächlich durch Vermögensabfluss belastet, mehr zum Ende des Ansammlungszeitraums verlagert. Dies erscheint dem Senat sachgerecht und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere auch, weil der sich ergebende Ertrag auf einen Zeitraum von 10 Jahren zu verteilen ist.

4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, 3 und § 139 Abs. 4 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat.



Ende der Entscheidung

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