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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: 5 K 189/97
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 21 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin führt Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit- BAfA - und für den Arbeitsförderungsdienst der Bundeswehr durch. Sie veranstaltete in den Streitjahren - i.d.R. einjährige - Kurse in den Fachbereichen Gastronomie, Floristik, Textil und EDV / Schreibtechnik. Teilnehmer waren überwiegend Langzeitarbeitslose, Spätaussiedler und Asylanten. Für Aussiedler und Asylanten veranstaltete sie außerdem Deutschkurse. Die Entgelte für die Durchführung der Bildungsmaßnahmen gewährte die BAfA nach dem ArbeitsförderungsG - AFG - in Form von Lehrgangsgebühren, deren Höhe sich nach der Teilnehmerzahl richtete sowie Kosten für Lehr- und Lernmittel bis zu einem Pauschbetrag i.H.v. X DM mtl. Prüfungsgebühren und Kosten für Arbeitskleidung je Teilnehmer "auf Nachweis und Empfangsbestätigung". Außerdem gewährte die BAfA auf besonderen Antrag für die sozialpädagogische Betreuung der Teilnehmer eines Lehrgangs mtl. Y DM.

Die Klägerin besitzt gem. Erlass des Nds MF v. 19.5.1994, Nds MinBl S 941, in Verbindung mit einer Bestätigung der BAfA eine Bescheinigung, dass sie eine Einrichtung i.S.v. § 4 Nr. 21 Buchst b UStG ist, die auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Aufgrund dieser Bescheinigung betrachtete sie sämtliche Zahlungen der BAfA als Entgelte für steuerbefreite Umsätze.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung beließ der Beklagte die Lehrgangsgebühren und einen Teil der Kostenerstattungen für Lehr- und Lernmaterial und Arbeitskleidung steuerfrei. Die Kosten für die sozialpädagogische Betreuung und für Lehr- und Lernmaterial und Arbeitskleidung, soweit es sich dabei nicht um selbsterstellte Gegenstände handelte, unterwarf er der Regelbesteuerung.

Gegen die entsprechend geänderten Bescheide für die Streitjahre wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage. Zur Begründung trägt sie vor: Die sozialpädagogische Betreuung gehöre unmittelbar zu den dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen gem. § 4 Nr. 21 UStG. Sie sei integraler Teil der Bildungsmaßnahme. Das ergebe sich aus den Ausschreibungen des Arbeitsamtes Nordhorn der BAFA, ihren, der Klägerin, Angeboten und aus der daraufhin erfolgten Auftragsvergabe. Durch die sozialpädagogische Betreuung würden den Teilnehmern an den Fortbildungsmaßnahmen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, die für die Berufstätigkeit, auf die die Schule vorbereite, förderlich seien. Entsprechend erkenne die Verwaltung die soziale Betreuung durch Berufsförderungswerke für Behinderte als steuerfreie Umsätze gem. § 4 Nr. 21 UStG an. Sie, die Klägerin, erbringe eine einheitliche Leistung. Der angestrebte Schul- und Bildungszweck könne nur unter Einbeziehung der sozialpädagogischen Betreuung erreicht werden. Die getrennte Abrechnung der Lehrgangsgebühren und der Kosten für die sozialpädagogische Betreuung stehe nicht entgegen. Letztere sei eine Nebenleistung zur Hauptleistung Aus- und Fortbildung. Außerdem besitze sie, die Klägerin, eine Bescheinigung gem. § 4 Nr. 21 UStG, die die durchgeführten Maßnahmen in ihrer Gesamtheit umfassten. Insoweit sei ein Vertrauenstatbestand entstanden.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Leistungen, für die die Klägerin die Steuerbefreiung begehrt, sind ...nicht begünstigt..

Gem. § 4 Nr. 21 Buchst b UStG 91/93 sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Umsätze privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.

Die Klägerin ist eine solche Einrichtung. Laut Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums v. 19.5.1994, Nds MinBl 1994,941 genügt die Bescheinigung der BAfA gem. § 34 AFG, die die Klägerin besitzt, den Anforderungen des § 4 Nr. 21 Buchst b UStG. Gegen diese Zuständigkeitsregelung bestehen von Gerichts wegen keine Bedenken.

Diese Bescheinigung entfaltet im vorliegenden Verfahren Tatbestandswirkung, soweit die zuständige Behörde darin festgestellt hat, dass die Klägerin auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet, BFH BStBl II 89,815. Ob ihre Leistungen, insbesondere die sozialpädagogischen Betreuungsleistungen u n m i t t e l b a r dem Schul- und Bildungszweck dienen, muss die Finanzbehörde bzw. das Finanzgericht selbst entscheiden.

Im Rahmen der sozialpädagogischen Betreuung kümmern sich die Mitarbeiter der Klägerin um Fahrgelegenheiten für die Lehrgangsteilnehmer zu den Unterrichtsstätten. Sie sorgen für die Betreuung der Kinder, indem sie Kindergarten- und Hortplätze besorgen und für Teilnehmer, die Drogenprobleme haben, vermitteln sie Kontakte zu Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen. Verschuldeten Teilnehmern versuchen sie durch Gespräche mit Banken oder Schuldenberatungsstellen zu helfen. Mit anderen Teilnehmern an den Fortbildungsmaßnahmen müssen sie Rechnen, Lesen und Schreiben üben.

Diese Aufgaben haben sich nach den Aussagen der Zeugen in der mündlichen Verhandlung beispielhaft als Inhalt der sozialpädagogischen Betreuung herausgestellt. Es sind - mit Ausnahme der Lese-, Schreib- und Rechenübungen - keine unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen gem. § 4 Nr. 21 Buchst b UStG; denn die danach steuerbefreiten Leistungen müssen i h r e r A r t n a c h den Zielen der Berufsaus- und Fortbildung dienen, vgl. das Urteil des BFH vom 10. Juni 1999 V R 84/98, BStBl II 1999, 578 (579). Hilfen für die private Lebensführung, die der Berufsaus- oder Fortbildung nützen und für die sie im Einzelfall wichtig sind, fallen nicht darunter. Das folgt aus dem Zweck des Gesetzes, die steuerliche Gleichstellung von privaten und öffentlichen Schulen zu gewährleisten.

Die sozialpädagogische Betreuung ist keine unselbständige Nebenleistung zur Schul- und Ausbildungsleistung, die umsatzsteuerlich wie die Hauptleistung behandelt werden müsste. Unselbständige Nebenleistungen sind Leistungen, die in engem Zusammenhang (im Sinne einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung) mit einer Hauptleistung stehen, im Verhältnis zu dieser nebensächlich sind und in deren Gefolge üblicherweise vorkommen, vgl. Bunjes/Geist, UStG, 6. Auflage § 3 Rz 8 m.w.N.. Für die sozialpädagogische Betreuung mit den Inhalten, die die Zeugen in der mündlichen Verhandlung beschrieben haben, treffen diese Voraussetzungen überwiegend nicht zu. Hilfe bei Drogen- und Schuldenproblemen, Kinderbetreuung und Beschaffung von Fahrgelegenheiten gehören grundsätzlich weder zur schulischen und beruflichen Aus- und Fortbildung noch kommen sie in deren Gefolge üblicherweise vor. Dabei ist dem Gesetzeszweck entsprechend auf einen objektiven Begriff Schul- und Bildungszweck abzustellen, der besondere Hilfsbedürftigkeiten einzelner Schüler im täglichen Leben nicht umfasst.

Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich nichts anderes. Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst i der 6. EG-Richtlinie befreien die Mitgliedstaaten den Schul- und Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen. Die Vorschrift ist, soweit die e n g verbundenen Dienstleistungen in Betracht kommen, mit "u n m i t t e l b a r dem Schul- und Bildungszweck dienend" in deutsches Recht umgesetzt und wie vorstehend bereits ausgeführt auszulegen.

Schließlich sind § 4 Nr. 21 Buchst b UStG und Art. 13 der 6. EG-Richtlinie als Steuerbefreiungsvorschriften und Ausnahmeregelungen nach allgemeinen Grundsätzen eng auszulegen, vgl. das Urteil des EuGH v. 5.6.97 - Rs C - 2/95, RiW 97, 705. Deshalb ist nicht ersichtlich, wie die OFD Hannover in der Verfügung vom 4. April 2002, UR 02, 186 zu der Erkenntnis gelangt, "die begünstigten abH-Maßnahmen umfassten den gesamten Rahmen förderungswürdiger Maßnahmen i.S.d. § 241 SGB III...", zu denen u.a. die sozialpädagogische Begleitung gehört.

Von den insgesamt angebotenen sozialpädagogischen Betreuungsmaßnahmen dienen nach Ansicht des Senats die Schreib-, Rechen- und Leseübungen zwar unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck. Die Klägerin konnte aber nicht darlegen, welchen Umfang diese Leistungen im Rahmen der gesamten sozialpädagogischen Betreuung einnehmen. Aus den Akten ergaben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte. Deshalb war der Senat auch nicht in der Lage, die Gesamtleistungen in steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze aufzuteilen. Die Entscheidung ergeht auch insoweit zu Lasten der Klägerin, denn sie beruft sich auf eine Steuerbegünstigung, für deren Voraussetzungen sie darlegungs- und beweispflichtig ist.

Ende der Entscheidung

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