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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 29.10.2009
Aktenzeichen: 6 K 21/09
Rechtsgebiete: KStG, AktG, GmbHG, GG


Vorschriften:

KStG § 14 Abs. 1
KStG § 17
KStG § 34 Abs. 9
KStG § 14
AktG § 291 Abs. 1
AktG § 293 Abs. 3
GmbHG § 54 Abs. 1 S. 2
GG Art. 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig sind der Zeitpunkt des Abschlusses eines Ergebnisabführungsvertrags (EAV) und dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Be- und Verarbeitung von Daten, deren typographische Umsetzung sowie die technischen Herstellung von Druckerzeugnissen aller Art einschließlich der damit zusammenhängenden Serviceleistungen. Ihr Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr.

Die Anteile der Klägerin wurden im Streitjahr ausschließlich von der E GmbH (im Folgenden: Organträgerin) gehalten. Alleinige Gesellschafterin der Organträgerin war die E S.A. mit Sitz in Frankreich. Herr E war einzelvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiter Geschäftsführer aller drei Gesellschaften. Weitere Geschäftsführer der Organträgerin waren R und S.

Am 19. November 2002 beschloss die Gesellschafterversammlung der Organträgerin, mit der Klägerin einen EAV abzuschließen. Unter dem 23. Dezember 2002 wurde der EAV zwischen Klägerin und Organträgerin schriftlich niedergelegt. Vor § 1 des Vertrages heißt es: "[Die Vertragsparteien] legen im folgenden schriftlich nieder, was sie am 19. November 2002 vereinbart haben." Nach § 1 (1) des Vertrags sollte die Klägerin ihren Gewinn erstmals für das am 1. Januar 2002 beginnende Geschäftsjahr an die Organträgerin abführen. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin genehmigte den EAV am 27. Dezember 2002. In dem Protokoll über die Gesellschafterversammlung wird insoweit auf den am 19. November 2002 "in privatschriftlicher Form" geschlossenen EAV abgestellt. Auf die unter dem 10. Dezember 2003 datierende Anmeldung zum Handelsregister wurde der Abschluss des Vertrags am 23. Dezember 2003 im Handelsregister eingetragen. Der EAV wurde von den Vertragsparteien bereits für das Jahr 2002 tatsächlich durchgeführt.

Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) setzte gegenüber der Klägerin die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zunächst jeweils auf 0 EUR fest, wobei es vom Bestehen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft ausging. Nach einer Außenprüfung, die auch das Streitjahr umfasste, vertrat das FA die Auffassung, der EAV werde nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der Fassung des Steuervergünstigungsabbaugesetzes (StVergAbG) vom 16. Mai 2003 erst mit seinem schriftlichen Abschluss in 2003 wirksam. Dementsprechend setze es - insbesondere unter Anhebung des Gewinns bzw. Gewerbeertrags um ca. 2.825.000,- EUR - die Körperschaftsteuer für 2002 mit Änderungsbescheid vom 17. Mai 2004 auf 421.921,- EUR und den Gewerbesteuermessbetrag für 2002 mit Änderungsbescheid vom 4. Juni 2004 auf 86.160,- EUR fest.

Die dagegen gerichteten Einsprüche der Klägerin blieben im Hinblick auf die Anerkennung der Organschaft erfolglos. Im Übrigen wurden die Körperschaftsteuer in der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2008 auf 420.602,- EUR und der Gewerbesteuermessbetrag auf 85.895,- EUR herabgesetzt. Mit ihrer Klage vom begehrt die Klägerin weiterhin, die steuerlichen Folgen des EAV bereits im Jahr 2002 zu ziehen.

Sie ist der Ansicht, am 19. November 2002 sei zwischen ihr und der Organträgerin ein EAV geschlossen worden. Dazu behauptet sie, an diesem Tag sei im Rahmen einer Telefonkonferenz zwischen zwei weiteren Geschäftsführern der Organträgerin (R und S), dem damaligen Steuerberater der Klägerin und der Organträgerin (B) sowie Herrn E entschieden worden, einen EAV abzuschließen. In einem weiteren Telefonat zwischen den Herren B, S und R sei die Notwendigkeit des Vertragabschlusses noch am 19. November 2002 besprochen und festgelegt worden. Dabei seien der Inhalt und die Funktionsweise eines EAV erläutert worden, wobei Steuerberater B darauf hingewiesen habe, dass ein mündlicher Vertragsabschluss für die erwünschte steuerliche Wirkung ausreichend sei. Danach sei der EAV zwischen R und Herrn E erörtert und mündlich vereinbart worden. Zum Nachweis hierfür legte die Klägerin ein Gedächtnisprotokoll des Herrn S vom 7. April 2006 vor, auf dessen Inhalt verwiesen wird.

Die Schriftform sei für den wirksamen Abschluss eines EAV nicht erforderlich, da das Gesetz über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) keine Vorschrift wie § 293 Abs. 3 Aktiengesetz (AktG) aufweise. Überdies sei der mit der Formvorschrift verfolgte Minderheitenschutz bei einer personalistisch geprägten GmbH mit nur einer Gesellschafterin nicht erforderlich. Auch die §§ 14 - 17 KStG begründeten kein Formerfordernis. Die Anordnung einer Schriftform bedürfe eines Tätigwerdens des Gesetzgebers. Auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 24. Oktober 1988 (II ZB 7/88, BGHZ 105, 324) ergebe sich nichts anderes, da die Entscheidung lediglich die an die Gesellschafterbeschlüsse zu stellenden Anforderungen betreffe.

Damit sei gemäß § 34 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG weiterhin § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I 2002, 4144; im Folgenden: KStG a.F.) anzuwenden. Denn es komme nach dem Schreiben des Bundesministers für Finanzen (BMF) vom 10. November 2005 (IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl. I 2005, 1038) allein auf den Abschluss des EAV, nicht auf dessen Wirksamkeit an.

Selbst wenn der mündliche Abschluss des Vertrags nicht ausreiche, führe die nach dem StVergAbG vorgesehene verfassungswidrige echte Rückwirkung der Änderung des § 14 KStG zur weiteren Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG a.F.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid für 2002 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 17. Mai 2004 sowie den Bescheid für 2002 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 4. Juni 2004, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2008 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer, Zinsen zur Körperschaftsteuer, der Solidaritätszuschlag sowie der Gewerbesteuermessbetrag jeweils auf 0 EUR festgesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Ansicht, ein EAV bedürfe schon für die zivilrechtliche Wirksamkeit der Schriftform. Ein Unternehmensvertrag könne erst als geschlossen angesehen werden, wenn alle Wirksamkeitserfordernisse bis auf die Handelsregistereintragung erfüllt seien. Zwar reiche nach dem von der Klägerin genannten BMF-Schreiben der Vertragsabschluss durch die vertretungsberechtigten Organe aus, die Schriftform sei gleichwohl unabdingbare Voraussetzung. Da ein schriftlicher Vertrag erst am 23. Dezember 2002 geschlossen worden sei, finde die Übergangsvorschrift des § 34 Abs. 9 Nr. 3 Satz 2 KStG keine Anwendung mehr.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtene Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FA hat das Einkommen der Klägerin im Streitjahr 2002 zu Recht noch nicht der Organträgerin zugerechnet.

1. Nach §§ 17 Satz 1, 14 Abs. 1 Satz 2 KStG in der Fassung des StVergAbG vom 16. Mai 2003 setzt die Zurechnung des Einkommens der Klägerin zur Organträgerin in zeitlicher Hinsicht den Abschluss eines wirksamen EAV bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft voraus. Zwar haben die Klägerin und der Organträgerin in 2002 einen EAV abgeschlossen, der die Voraussetzungen des § 17 Satz 1 KStG i.V.m. § 14 KStG dem Grunde nach erfüllt; der EAV wurde jedoch nicht mehr im Jahr 2002 wirksam. Denn der EAV stellt eine Änderung der im Gesellschaftsvertrag getroffenen Abreden über die Gewinnverteilung dar und wird als solche erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam (§§ 53, 54 Abs. 3 GmbHG). Diese erfolgte erst in 2003.

2. Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf die Anwendung des § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG a.F. berufen. Nach dieser Norm war ein EAV bereits in dem Jahr steuerlich zu berücksichtigen, in dem der Vertrag abgeschlossen wurde, wenn er im folgenden Wirtschaftsjahr (durch die Eintragung ins Handelsregister) wirksam wurde.

a) Den zeitlichen Geltungsbereich der durch das StVergAbG vom 16. Mai 2003 ins Gesetz aufgenommen Neuregelung in § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG gegenüber der Altregelung in § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG a.F. normiert § 34 Abs. 9 Nr. 3 Sätze 1 und 2 KStG. Danach kommt es auf den Abschlusszeitpunkt des EAV an. Nur wenn dieser vor dem 21. November 2002 geschlossen wurde, ist weiterhin die Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG a.F. geboten.

b) Der von der Klägerin und der Organträgerin vereinbarte EAV wurde nicht vor dem 21. November 2002 abgeschlossen, so dass die Neuregelung Anwendung findet.

Insoweit kann dahinstehen, ob die Vertragsparteien am 19. November 2002 in der von der Klägerin geschilderten Telefonkonferenz tatsächlichen bereits auf einen Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärungen abgegeben haben oder ob zu diesem Zeitpunkt lediglich diesbezügliche Absichtserklärungen ohne Bindungswillen ausgetauscht wurden, wie insbesondere der Beschluss der Organträgerin vom 19. November 2002 nahelegt. Denn selbst wenn die zu diesem Zeitpunkt abgegebenen Willenserklärungen bereits einen hinreichenden Regelungsgehalt und den entsprechenden Bindungswillen gehabt haben sollten, reichte dies für einen Vertragsschluss im Sinne des § 34 Abs. 9 Nr. 3 KStG nicht aus. Ein "abgeschlossener" Vertrag im Sinne dieser Norm setzt über die bloße Einigung hinaus die Einhaltung der bestehenden Formvorschriften und damit analog § 293 Abs. 3 Aktiengesetz (AktG) die Schriftform voraus.

aa) Ein Vertrag ist erst abgeschlossen im Sinne von § 34 Abs. 9 Nr. 3 KStG, wenn eine etwa zu beachtende Form des Vertrags eingehalten worden ist. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte des StVergAbG. Denn obwohl dieses erst am 16. Mai 2003 verabschiedet wurde, war § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG, wie sich aus § 34 Abs. 9 Nr. 3 KStG unmittelbar ergibt, bereits im Jahr 2002 anwendbar. Damit soll nach der Gesetzesbegründung verhindert werden, dass über Vorratsgestaltungen in der Zeit vom Tag des Kabinettbeschlusses bis zum Ende des Veranlagungszeitraums 2002 aus rein steuerlichen Gründen noch die Möglichkeit einer rückwirkenden Organschaft offen gehalten wird (BT-Drucksache 15/119, S. 44). Der in der Gesetzesbegründung angesprochene Kabinettsbeschluss wurde am 20. November 2002 gefasst.

Würde nunmehr für die Anwendung des § 34 Abs. 9 Nr. 3 Satz 2 KStG, welcher die Anwendbarkeit des Altrechts fixiert, ein die vorgeschriebene Form missachtender Vertragsschluss ausreichen, könnte das durch die Regelung bezweckte Ziel kaum verwirklicht werden. Denn dann wäre auch für Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien ein mündlicher Vertragsschluss entgegen § 293 Abs. 3 AktG ausreichend, wenn dieser später schriftlich festgehalten wird. Ein mündlicher Vertragsschluss lässt sich aber in der Regel nur schwer durch die Finanzbehörden überprüfen. Damit läge es in der Hand der Steuerpflichtigen, durch die bloße Behauptung eines zunächst mündlich geschlossen und später schriftlich vereinbarten Vertrags, die beabsichtigte Verhinderung der rückwirkenden Entstehung von Organschaften faktisch zu umgehen. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift muss § 34 Abs. 9 Nr. 3 KStG daher so verstanden werden, dass nur ein in der gesetzlich vorgeschrieben Form abgeschlossener Vertrag die dort beschriebenen Rechtsfolgen auslösen kann. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich der Vertragsschluss nur auf einen dem Grunde nach wirksamen Vertrag beziehen kann.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Tz. 5 des BMF-Schreibens vom 10. November 2005 (IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl. I 2005, 1038). Dort wird lediglich ausgeführt, der Vertragsschluss der vertretungsbefugten Organe vor dem 21. November 2002 reiche für die Anwendung des Altrechts aus, ohne dass es auf die Zustimmung der Gesellschafterversammlung ankomme. Da das Schreiben keine Ausführungen zur Form des Vertragsabschlusses enthält, kann daraus für die Frage, ob der Vertrag schriftlich abzuschließen ist, nichts hergeleitet werden.

bb) Der Abschluss eines EAV bedarf sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch nach den - soweit ersichtlich mittlerweile einhelligen - im Schrifttum vertretenen Auffassungen zumindest der Schriftform. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

(1) Der BGH hat im Beschluss vom 24. Oktober 1988 (II ZB 7/88, BGHZ 105, 324) die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines von zwei GmbH abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrags konkretisiert. Zwar war - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - die Entscheidung maßgeblich durch die Frage geprägt, welche Form- und Mehrheitserfordernisse an die Gesellschafterbeschlüsse der an dem EAV beteiligten GmbH zu stellen sind. Gleichwohl stellt der BGH unter III.2.c) der Gründe wie selbstverständlich fest: "Zu Recht wird daher für den Unternehmensvertrag lediglich die Schriftform, hingegen für den Zustimmungsbeschluss die notarielle Beurkundung entsprechend § 53 II 1 GmbHG verlangt." Der Entscheidung lässt sich mithin entgegen der Auffassung der Klägerin das Schriftformerfordernis entnehmen, auch wenn dies kein tragender Gesichtspunkt der Entscheidung gewesen sein mag. Denn unter die besagten Unternehmensverträge fällt gemäß § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG insbesondere der Gewinnabführungsvertrag.

(2) Auch dem Schrifttum lässt sich keine gegenteilige Auffassung entnehmen. Teilweise wird dort das Schriftformerfordernis aus § 54 Abs. 1 Satz 2 GmbH hergeleitet. Denn wenn der Anmeldung zum Handelsregister der vollständige Wortlaut des Vertrags beizufügen ist, müsse dieser auch schriftlich vereinbart worden sein (Danelsing, in: Blümich, EStG - KStG - GewStG, § 17 KStG Rn. 9; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Aufl. 2006, Schlussanhang Rn. 54). Andere Stimmen vertreten hingegen eine analoge Anwendung des § 293 Abs. 3 AktG, wonach ein Unternehmensvertrag zwischen Aktiengesellschaften der Schriftform bedarf, auch auf einen EAV, in dem eine GmbH zur Gewinnabführung verpflichtet wird (Emmerich, in: Scholz, Kommentar zum GmbHG, I. Band, 9. Auflage 2000, Anhang Konzernrecht Rn. 151; Decher, in: Priester/Mayer (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 3, 3. Auflage 2009, § 70 Rn. 5; Servatius, in: Ziemons/Jaeger (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar, GmbHG, Systematische Darstellungen: Konzern, Rn. 365; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Auflage 2009, Anhang § 13 Rn. 32, 105; Zeidler, in: Michalski, Kommentar zum GmbHG, Band I, 2002, Systematische Darstellung 4, Rn. 67). Letztlich wird ohne weiteres die Schriftform befürwortet (Neumann, in: Gosch, KStG, 2. Auflage 2009, § 17 Rn. 2; Wicke, GmbHG, München 2008, Anhang § 13 Rn. 6). Auch Witt/Dötsch (in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 17 KStG Rn. 10) weisen darauf hin, dass die Praxis für Gewinnabführungsverträge die Schriftform verlange. Eine ausdrückliche Abstandnahme vom Schriftformerfordernis wird also auch dort nicht vertreten. Soweit abweichende Meinungen vertreten werden, beziehen diese sich allenfalls auf die noch strengere Form eines notariellen Vertragsabschlusses (Pache, GmbhR 1995, 90).

(3) Zwar reichte es im Ergebnis wohl nicht aus, das Schriftformerfordernis aus den der Handelsregisteranmeldung gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 GmbHG beizufügenden Unterlagen zu entnehmen. Denn damit sollen lediglich die Anforderungen für eine Eintragung, nicht jedoch an den Vertrag als solches umschrieben werden. Jedoch ist aus Sicht des Senats die analoge Anwendung des § 293 Abs. 3 AktG gerechtfertigt.

Eine Analogie setzt einen vergleichbaren Sachverhalt und eine planwidrige Regelungslücke voraus (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 III R 19/03, BStBl. II 2005, 82 m.w.N.). Da das GmbHG keine Regelungen zum Konzernrecht, insbesondere zu Unternehmensverträgen enthält, obwohl in der Praxis - wie schon der hier zu beurteilende Fall zeigt - dafür ein erhebliches Bedürfnis existiert, besteht eine planwidrige Regelungslücke. Es ist dabei dem Grunde nach anerkannt, bestimmte Regelungen des AktG auf die GmbH anzuwenden. Zwar darf dies aufgrund der strukturellen Unterschiede zwischen einer GmbH und einer Aktiengesellschaft nicht zu einer Gesamtanalogie der aktienrechtlichen Vorschriften führen. Gleichwohl sind die Regelungen des AktG dann einer entsprechenden Anwendung zugänglich, wenn die Situation bei Aktiengesellschaft und GmbH vergleichbar ist (Emmerich, in: Scholz, Kommentar zum GmbHG, I. Band, 9. Aufl. 2000, Anhang Konzernrecht, Rn. 139f).

Diese Voraussetzungen sind für das Schriftformerfordernis des § 293 Abs. 3 AktG erfüllt. Die Vorschrift bezweckt die Sicherung einer ausreichenden Publizität (Koppensteiner, in: Zöllner/Noack (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 6, 3. Aufl. 2006, § 293 Rn. 12; Altmeppen, in: Kropff/Semler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Band 8, 2. Auflage 2000, § 293 Rn. 16; Hüffer, Aktiengesetz, 8. Auflage 2008, § 293 Rn. 26). Die Publizität ist bei der Aktiengesellschaft zum einen wegen des Schutzes der Aktionäre erforderlich. Allein insoweit ließe sich das Schriftformerfordernis nicht auf die eher personalistisch geprägte GmbH, die noch dazu im Streitfall nur eine Gesellschafterin hat, übertragen. Die Publizität dient aber auch und gerade dem Schutz von Gesellschaftsgläubigern (Koppensteiner, a.a.O.). Sie soll - neben den Gesellschaftern bzw. Aktionären - der Öffentlichkeit wie Arbeitnehmern, künftigen oder gegenwärtigen Gläubigern und potentiellen Anteilserwerbern die Möglichkeit gewährleisten, sich über die Rechtsverhältnisse von Kaufleuten und Gesellschaften zu unterrichten (BGH-Beschluss vom 24. Oktober 1998 II ZB 7/88, a.a.O). Diese Schutzrichtung der Publizität lässt sich ohne weiteres auf einen zwischen zwei GmbH zu schließenden EAV übertragen. Damit sind auch die bei einer Aktiengesellschaft bzw. einer GmbH bestehenden Situationen miteinander vergleichbar und die analoge Anwendung des § 293 Abs. 3 AktG ist danach geboten.

Schließlich besteht auch kein Grundsatz, wonach Formvorschriften einer analogen Anwendung nicht zugänglich sind. Beispielhaft sei hier die Rechtsprechung zur Anwendung der Vorschriften über Verbraucherkredite auf den Schuldbeitritt eines Verbrauchers genannt (vgl. BGH-Versäumnisurteil vom 27. Juni 2000 XI ZR 322/98, NJW 2000, 3496). Die entsprechende Anwendung bezieht sich dabei ausdrücklich auch auf die Formvorschriften.

3. Das rückwirkende Inkraftsetzen der Neuregelungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) folgt das so genannte Rückwirkungsverbot. Dieses basiert auf der Verlässlichkeit der Rechtsordnung. Einerseits schafft der Gesetzgeber verbindliche Regelungen und erwartet vom Bürger, sein Verhalten danach auszurichten. Andererseits muss der Bürger im Gegenzug darauf vertrauen können, dass sein im Hinblick auf bestehende Gesetze ausgerichtetes Verhalten nicht durch rückwirkende Gesetzesänderung mit anderen Rechtsfolgen belegt wird.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist zwischen "echter" und "unechter" Rückwirkung bzw. Rückbewirkung der Rechtsfolgen und tatbestandlicher Rückanknüpfung zu unterscheiden. Erstere liegt vor, wenn der Eintritt nachteiliger Rechtsfolgen auf einen Zeitraum vor der Verkündung des Gesetzes erstreckt wird. Von einer unechten Rückwirkung bzw. einer tatbestandlichen Rückanknüpfung ist auszugehen, wenn das Gesetz auf in der Vergangenheit begründete, aber noch nicht abgeschlossene Sachverhalte einwirkt (BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67; BFH-Beschluss vom 9. Mai 2001 XI B 151/00, BStBl. II 2001, 552 m.w.N.).

Während die unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung regelmäßig nicht gegen die Bestimmungen des GG verstößt, bedarf demgegenüber die echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen in erhöhtem Maße einer Rechtfertigung, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen. Maßgeblich ist insoweit die Frage, ob auf das Fortbestehen der bisherigen Rechtslage vertraut werden durfte. Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand einer bisherigen Rechtsfolgenlage entfällt indes regelmäßig bereits im Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses über die Neuregelung. Mit dem Tag des Gesetzesbeschlusses durch die zuständigen Legislativorgane müssen die Betroffenen mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen; es ist ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten. Der Gesetzgeber ist deshalb berechtigt, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Regelung auch auf den Zeitpunkt von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44/92 - BVerfGE 95, 64).

Darüber hinaus können zwingende Gründe des gemeinen Wohls eine Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots auch dann rechtfertigen, wenn der Sachverhalt zeitlich bereits vor dem Abschluss des Gesetzes verwirklicht war. Aufgrund der Dauer des Gesetzgebungsverfahrens besteht die Gefahr, dass die Normadressaten nach Ankündigung einer Gesetzesänderung Dispositionen zur Anwendung der bestehenden Gesetzeslage vor Beschluss des Gesetzes treffen und so die Neuregelung unterlaufen könnten. Wird eine Gesetzesänderung angekündigt, muss das Vertrauen in die bestehende Rechtslage mit dem Interesse an einem effektiven Gesetzgebungsverfahren abgewogen werden. Das Vertrauen der Steuerpflichtigen hat dabei ein geringeres Gewicht, wenn es darum geht, einen Ankündigungseffekt zu vermeiden, der die beabsichtigte Wirkung der Gesetzesänderung ganz oder zum Teil zunichte zu machen droht (BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, a.a.O.). Bei der Beurteilung, ab welchem Zeitpunkt die Wirkung der Ankündigung den Gesetzeszweck durchkreuzt und bei der daran orientierten Bestimmung von Stichtagen steht dem Gesetzgeber ein beträchtlicher Gestaltungsspielraum zu (BFH-Beschluss vom 27. August 2002 XI B 94/02, BStBl II 2003, 18 m.w.N.). Mit einer Änderung der Rechtslage muss danach bereits mit dem Tag eines auf Änderung der Rechtslage gerichteten Kabinettsbeschluss der Bundesregierung gerechnet werden (BVerfG-Beschluss vom 8. Februar 1993 2 BvR 1765/92, DStR 1993, 356; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 20. Januar 1975 IX L 116/74, EFG 1975, 161).

b) Diesen Anforderungen werden die Bestimmungen der §§ 14 Abs. 1 Satz 2, 34 Abs. 9 Nr. 3 KStG gerecht.

Im Ergebnis bedarf es aber keiner Entscheidung, ob vorliegend von einer echten oder einer unechten Rückwirkung auszugehen ist. Denn selbst bei einer echten Rückwirkung bestand zum Zeitpunkt des schriftlichen Abschlusses des EAV am 23. Dezember 2002 kein Vertrauenstatbestand mehr, die der Rückwirkung entgegenstünde. Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung wurde durch die rückwirkende Inkraftsetzung nicht beeinträchtigt.

Die Bundesregierung verabschiedete bereits am 20. November 2002 den Entwurf des StVergAbG. Entsprechend stellt die Übergangsregelung des § 34 Abs. 9 Nr. 3 KStG auf den 20. November 2002 als Stichtag zur Anwendung der alten bzw. der neuen Rechtslage ab. Dieses Vorgehen des Gesetzgebers stößt nicht auf Bedenken. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung (a.a.O.) sollte die Rückwirkung gerade einen Ankündigungseffekt und damit das Unterlaufen der beabsichtigen Neuregelung vermeiden. Damit hat sich der Gesetzgeber von seinem Gestaltungsspielraum in einer mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang stehenden Weise Gebrauch gemacht. Das Vertrauen der Klägerin auf den Bestand der geltenden Gesetzeslage war angesichts dessen nicht mehr schützenswert. Dies gilt umso mehr, als dass ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Gedächtnisprotokolls des Herrn Schmid die "anstehenden steuerlichen Änderungen im Zusammenhang mit der steuerlichen Organschaft" Hintergrund des Vertragsabschlusses waren. Die geplante Gesetzesänderung war also bekannt und war gerade der Anlas für die Umstrukturierungsmaßnahmen zum Jahresende 2002.

4. Da die Voraussetzungen des § 14 KStG nicht erfüllt sind, gilt die Klägerin nicht als Betriebsstätte der Organträger (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Gewerbesteuergesetz). Die Festsetzung des Gewerbsteuermessbetrags durch das FA gegenüber der Klägerin begegnet daher keinen Bedenken.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; die Frage, ob der Abschluss eines EAV der Schriftform bedarf, hat grundsätzliche Bedeutung.

Hinweise: Revision zugelassen

Ende der Entscheidung

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