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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 29.10.2009
Aktenzeichen: 6 K 239/09
Rechtsgebiete: AO, KStG, EStG, BGB, HGB


Vorschriften:

AO § 164 Abs. 1
KStG § 8 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 1
BGB § 315 Abs. 1
BGB § 339
BGB § 343 Abs. 1
HGB § 272 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob aufgrund der Satzung der Klägerin festgesetzte Strafgelder als Betriebseinnahmen zu erfassen sind.

Die Klägerin ist eine Erzeugergemeinschaft in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft, deren Zweck die Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb ist. Gegenstand des Unternehmens ist dabei insbesondere der Handel mit Rohmilch und Molkereiprodukten. Die dafür erforderliche Milch wird ausschließlich von den Mitgliedern an die Klägerin geliefert.

Die Satzung der Klägerin normiert in § 12 lit. h die Pflicht eines jeden Mitglieds, sämtliche in seinem landwirtschaftlichen Betrieb gewonnene und nicht zum unmittelbaren Verbrauch im eigenen Wirtschaftsbereich (Deputate und Haushalt) oder zur Fütterung der eigenen Haustiere benötigte Milch nach Maßgabe der jeweils geltenden Milchlieferungsordnung ausschließlich an die Klägerin zu liefern. Gemäß § 12 lit. k der Satzung hat jedes Mitglied "bei Verstößen gegen wesentliche Mitgliedschaftspflichten unbeschadet sonstiger Schadensersatzansprüche der Genossenschaft die festgesetzten Strafen zu bezahlen." Bei Verstößen gegen die Milchlieferungspflicht wird konkret eine Strafzahlung von bis zu ... Cent je kg der satzungswidrig nicht gelieferten Milchmenge vorgesehen. Details zur Milchlieferungspflicht und der damit verbundenen Strafzahlungen werden in Abschnitt IV der von der Klägerin erlassenen Milchlieferungsordnung geregelt. Nach deren Abschnitt IV Nr. 5 kann die Klägerin für die Berechnung der Strafzahlung die nicht gelieferte Milchmenge mit dem Durchschnitt der in den letzten 24 Monaten bis zur Einstellung der Lieferung angelieferten Milchmenge ansetzen. Gemäß § 39a der Satzung sind erhobene Strafgelder einer zu bildenden Kapitalrücklage zuzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Satzung verwiesen.

Im Streitjahr 2002 vereinnahmte die Klägerin Strafzahlungen aus der Verletzung der Milchlieferungspflicht in Höhe von ... EUR. Die Zahlungen stellte sie erfolgsneutral in die Kapitalrücklage ein. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß zur Körperschaftsteuer 2002. Der Bescheid stand nach § 164 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Bei einer in 2007 durchgeführten Außenprüfung, welche auch die Körperschaftsteuer des Streitjahres umfasste, vertrat der Prüfer die Auffassung, die Strafzahlungen seien wie betrieblich veranlasste Vertragsstrafen zu behandeln und wirkten sich daher gewinnerhöhend aus. Das FA folgte dieser Ansicht und erließ einen entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheid.

Dagegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Sie ist der Ansicht, die Strafzahlungen seien erfolgsneutral zu behandeln, da es sich um Einlagen der Mitglieder außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Einlage handele. Es seien nur Mitglieder der Klägerin von den Strafzahlungen betroffen, so dass deren Ursache im Gesellschaftsverhältnis zu suchen sei. Nichtmitgliedern könne eine Strafzahlung durch den Vorstand der Klägerin nicht auferlegt werden. Die Klägerin beruft sich außerdem auf die Regelung des § 8 Abs. 5 Körperschaftsteuergesetz (KStG). Unter Beiträgen im Sinne der Vorschrift seien auch satzungsmäßig auferlegte Strafen zu verstehen. Die Strafzahlung könne nicht mit einer Vertragsstrafe verglichen werden, da die Vertragsstrafe ihre Grundlage in der Verletzung einer vertraglichen Handlungspflicht habe, die satzungsmäßige Vertragsstrafe hingegen ausschließlich auf der Mitgliedschaft in der Klägerin beruhe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid für 2002 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 28. Februar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2009 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer auf 8.640 EUR und der Solidaritätszuschlag auf 475,20 EUR festgesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. Die Strafzahlungen seien bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht als Vereinsstrafen, sondern als Vertragsstrafen zu beurteilen. Denn die Ursache liege nicht in der Mitgliedschaft, sondern in der Verletzung der Lieferverpflichtung und der daraus folgenden unmittelbaren Störung des Geschäftsbetriebs der Klägerin. Die Strafe diene der Erfüllungssicherung und der Schadenspauschalierung. Dies entspreche dem Wesen einer schuldrechtlichen Vertragsstrafe nach den §§ 339 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es mache keinen Unterschied, ob die Strafzahlung auf einer Satzungsregelung oder einem Einzelvertrag beruhe. § 8 Abs. 5 KStG sei nicht anwendbar, da das Strafgeld eine Gegenleistung für Tätigkeiten der Klägerin sei. Es komme nicht darauf an, ob die Zahlungen auch Nichtmitgliedern auferlegt werden können, da diese zum einen keine Milch an die Klägerin lieferten und zum anderen dies nichts am wirtschaftlichen Vorgang der Zahlung bei Verletzung einer Lieferverpflichtung ändere.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist unbegründet. Der Körperschaftsteuerbescheid für 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FA hat die im Streitjahr vereinnahmten Strafzahlungen zu Recht als Betriebseinnahmen erfasst.

1. Betriebseinnahmen sind in Gesamtschau der §§ 4 Abs. 4, 8 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine betriebliche Veranlassung ist anzunehmen, wenn ein objektiver wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht. Subjektive Kriterien sind dabei für die Beurteilung der betrieblichen Veranlassung ohne Bedeutung (BFH-Urteil vom 22. Juli 1988 III R 175/88, BStBl II 1988, 995). Demgegenüber liegt bei einer Körperschaft eine steuerneutrale Einlage im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG vor, wenn die Zuführung von Wirtschaftsgütern in den Betrieb durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (BFH-Urteil vom 20. November 2005 I R 3/04, BStBl. II 2008, 809).

Die Abgrenzung zwischen betrieblicher und gesellschaftsrechtlicher Veranlassung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, durch einen Fremdvergleich vorzunehmen. Von einer betrieblichen Veranlassung ist demnach auszugehen, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 80/96, BFH/NV 1998, 624 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Der Begriff Nichtgesellschafter wird in der Regel für einen (gedachten) fremden Dritten verwendet, der weder Gesellschafter ist, noch einem Gesellschafter nahe steht. Übertragen auf die Ebene einer Genossenschaft ist für die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis danach maßgeblich, ob ein Nichtmitglied, welches auch keinem Mitglied nahe steht, der Genossenschaft die Vorteile nicht gewährt hätte.

Dabei ist vorliegend von entscheidender Bedeutung, dass der Gesellschaftszweck der Klägerin -wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung zu Recht betont hat- in besonderer Weise auf die Vermögensmehrung der Mitglieder und nicht auf Gewinnerzielung um ihrer selbst Willen ausgerichtet ist. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu anderen gewerblich tätigen Körperschaften, wie z.B. einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Diese ist darauf angelegt, Gewinne zu erzielen, die sie dann an ihre Gesellschafter ausschüttet. Der Unternehmensgegenstand tritt demgegenüber in den Hintergrund. Bei einer Genossenschaft wie der Klägerin stehen dagegen nicht mögliche Ausschüttungen im Vordergrund, sondern die Förderung der unternehmerischen Tätigkeit der Mitglieder. Dies führt zu einer Überschneidung von der betrieblichen Tätigkeit der Genossenschaft und dem Gesellschaftsverhältnis.

Um dieser Besonderheit Rechnung zu tragen, ist hier ein modifizierter Fremdvergleich vorzunehmen. Da die Mitglieder der Klägerin gleichzeitig deren Lieferanten sind, betrifft der vorzunehmende Fremdvergleich nicht die Frage, ob irgendein (gedachter) fremder Dritter der Gesellschaft den Vermögensvorteil gewährt hätte. Vielmehr ist zu unterscheiden, ob das Gesellschaftsverhältnis oder das zwischen dem Mitglied und der Gesellschaft bestehende Lieferantenverhältnis Anlass für die Gewährung des Vermögensvorteils war. Es kommt somit darauf an, ob und inwieweit das Mitglied bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil auch dann eingeräumt hätte, wenn er kein Mitglied, sondern nur ein Lieferant gewesen wäre. Dabei ist von wesentlicher Bedeutung, für welche Zwecke der Vermögensvorteil eingeräumt wurde und ob und inwieweit die Wahrnehmung dieser Zwecke zum Aufgabenbereich des Lieferanten oder der Gesellschaft gehört (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 80/97, a.a.O.).

2. Nach diesen Grundsätzen haben die Strafzahlungen ihren Ursprung im betrieblichen Bereich der Klägerin und nicht im Gesellschaftsverhältnis. Das Lieferverhältnis der Klägerin zu ihren Mitgliedern basiert zwar auf einer gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung, hat aber gleichwohl seine Veranlassung im Rahmen einer auch unter fremden Dritten üblichen Lieferverpflichtung, welche dem betrieblichen Bereich der Klägerin zuzuordnen ist.

a) Soweit die Klägerin (unter Verzicht auf die Durchführung eines Fremdvergleichs) die gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Zahlungen bereits deshalb annimmt, da nur Mitglieder von den Strafzahlungen betroffen sind, vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar müssen vordergründig nur die Mitglieder der Klägerin die Strafe zahlen, da nur sie Milchlieferungen an die Klägerin ausführen und sich die Satzungsregelungen nur an die Mitglieder richten. Allein aus der bloßen Betroffenheit der Mitglieder folgt aber nicht als Automatismus eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung. Vielmehr ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Strafzahlungen einen Schadensersatzcharakter haben. Dies folgt zunächst aus dem Wortlaut von § 12 lit. k der Satzung, wonach die Strafen "unbeschadet sonstiger Schadensersatzansprüche" zu zahlen sind. Aus der Verwendung des Wortes "sonstiger" wird dabei deutlich, dass die Strafzahlung selbst ebenfalls einen Schadensersatzcharakter haben soll. Dieses Ergebnis wird bestärkt durch den zweiten Absatz der genannten Vorschrift, wonach dem Mitglied Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist, wenn der Vorstand beabsichtigt "eine Strafe festzusetzen und/oder Schadensersatzansprüche geltend zu machen". Letztlich deutet auch die Berechnung der Vertragsstrafe auf eine Schadensersatzregelung hin, da Maßstab für die Berechnung der Strafe die durchschnittlich angelieferte Milchmenge ist. Diese Vorgehensweise entspricht der pauschalierten Berechnung eines entgangenen Gewinns.

Steht danach fest, dass die Strafregelung zumindest auch Schadensersatzgesichtspunkte umfasst, ist aus der ausschließlichen Betroffenheit der Mitglieder nichts gewonnen. Denn die Verpflichtung zum Schadensersatz ist keine typische, nur den Mitgliedern obliegende Pflicht. Vielmehr wäre jeder Lieferant, welcher versprochene Lieferungen nicht ausführt, zum Schadensersatz verpflichtet.

b) Auch kann die Veranlassung durch das Mitgliedschaftsverhältnis entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deswegen angenommen werden, weil in der Satzung eine Vereinsstrafe, nicht aber eine Vertragsstrafe geregelt worden sei. Die Unterscheidung zwischen Vereins- und Vertragsstrafe mag für die zivilrechtliche Beurteilung von Bedeutung sein, etwa ob das Gericht eine Strafe auf das angemessene Maß kürzen kann (§ 343 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder die Strafe mit Eintritt des Verzugs verwirkt ist (§ 339 Satz 1 BGB) bzw. erst einer Festsetzung bedarf. Steuerrechtlich maßgeblich ist hingegen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Danach ist die steuerrechtliche Beurteilung an den spezifischen Regelungszielen einer steuerrechtlichen Regelung und deren eigengesetzlicher Terminologie festzumachen. Es stellt sich die Frage, ob der bewirkte wirtschaftliche Erfolg einen Steuertatbestand erfüllt (Bundesverfassungsgericht-Urteil vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212). Für die zu beurteilenden Fragen macht es danach steuerrechtlich keinen Unterschied, wie die Strafzahlungen zivilrechtlich zu behandeln sind. Denn sowohl eine Vertrags- als auch eine Vereinsstrafe stellen eine Reaktion auf die ausgebliebene Erfüllung bestimmter Verbindlichkeiten dar. Beide Regelungsmöglichkeiten dienen der Sanktionierung eines begangenen Pflichtenverstoßes und wirken durch das Inaussichtstellen der Strafe präventiv. Dabei macht es keinen entscheidenden Unterschied, ob die zugrunde liegende Verpflichtung gesellschafts- oder rein schuldrechtlichen Ursprungs ist bzw. ob die Regelung in einem Gesellschaftsvertrag oder einer davon getrennten einzelvertraglichen Regelung erfolgt, zumal auch zivilrechtlich zur Lückenfüllung selbst bei gesellschaftsrechtlicher Ausgestaltung einer Lieferverpflichtung auf die schuldvertraglichen Regelungen zurückzugreifen ist (Beuthien, GenG, 14. Auflage 2004, § 18 Rn. 10). Der wirtschaftliche Erfolg ist damit in beiden Fällen identisch: Die Klägerin erhält eine pauschalierte Zahlung für das Ausbleiben von Milchlieferungen.

Im Übrigen weisen die hier in Rede stehenden Strafzahlungen eine deutliche Nähe zu Vertragsstrafen auf. Zwar spricht die satzungsmäßige Verortung eher für eine Vereinsstrafe. Jedoch entsprechen die getroffenen Regelungen inhaltlich denen einer Vertragsstrafe. Denn bei diesen steht neben der Erfüllungssicherung auch die Erleichterung einer Schadensersatzforderung und Sicherung eines beweisfreien Mindestersatzes im Vordergrund (Gottwald, im: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2007, Vorbemerkung § 339 BGB Rn. 6). Beide Hauptzwecke einer Vertragsstrafe werden hier erfüllt. Zum einen wird die Erfüllung der Lieferverpflichtung durch die drohende Strafe gesichert, zum anderen wird ein pauschalierter Ersatz für ausgebliebene Lieferung angedroht.

c) Nach dem vorzunehmenden Fremdvergleich stellen sich die Strafzahlungen als betrieblich und nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst dar. Ein bloßer Lieferant der Klägerin hätte dieser ebenfalls ein Strafversprechen, in diesem Fall in Form einer Vertragsstrafe, gegeben.

Ausgangspunkt ist dabei eine dauernde Lieferverpflichtung der Mitglieder. Denn auch die sich aus der Satzung ergebende Lieferverpflichtung sieht eine andauernde Belieferung für die Dauer der Mitgliedschaft vor. Aufgrund der einzuhaltenden Kündigungsfristen (§ 5 der Satzung) entspricht mithin die mitgliedschaftliche Pflicht zur Milchlieferung wirtschaftlich betrachtet einem Dauerlieferungsvertrag. Gerade bei andauernden Lieferbeziehungen entspricht es aber dem typischen Interesse der abnehmenden Partei, pauschalierende Regelungen für den Fall der ausgebliebenen Belieferung zu treffen, um auf diese Weise ggf. komplizierte Berechnungen zur Bezifferung eines Schadens zu vermeiden, gleichzeitig aber das Lieferverhältnis unberührt zu lassen. Dabei stehen insbesondere ein pauschalierter Schadensersatz als auch die bereits bezeichnete Vertragsstrafe zur Verfügung. Ein Lieferant wird sich im Hinblick auf die notwendigen Vorhaltekosten des Lieferungsempfängers, z.B. aus der Bereitstellung von Tanksammelwagen oder Übernahmestellen für die Milch, sowie auf den entgangenen Gewinn redlicherweise auf eine derartige Regelung einlassen, wenn und soweit sich die Pauschalierung innerhalb eines wirtschaftlich vertretbaren und damit angemessenen Rahmens bewegt. Denn wirtschaftlich steht der Lieferant durch die Vertragsstrafe nicht zwingend schlechter, da auch ihm - ggf. zur Vermeidung langwieriger Prozesse und der damit verbundenen Kosten - an einer Pauschalierung des gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruchs gelegen sein kann. Zudem wird dem Lieferanten allein durch die Dauer der Lieferverpflichtung eine Sicherheit derart geboten, dass die Abnahme der erzeugten Milch gewährleistet ist. Einem Eingehen auf eine entsprechende Vertragsstrafe steht damit nichts entgegen, zumal Anhaltspunkte für eine unangemessene Höhe der Strafzahlungen nicht ersichtlich sind.

Dabei ist auch das vorgesehene Bestimmungsrecht des Vorstands der Klägerin, ob eine Strafe verhängt werden soll, nicht untypisch und für einen Lieferanten akzeptabel. Denn neben dem gesetzlichen Leitbild einer Vertragsstrafe, wonach diese mit Verzugseintritt verwirkt ist (§ 339 Satz 1 BGB), ist ebenso eine Gestaltung über ein Bestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB denkbar und üblich (vgl. z.B. Bundesgerichtshof-Urteil vom 30. September 1993 I ZR 54/91, NJW 1994, 45). Zudem erlaubt das Erfordernis der Straffestsetzung zuvor eine einvernehmliche Regelung zu treffen.

3. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf Literaturstimmen geltend macht, die Strafzahlungen seien handelsrechtlich nach § 272 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) als in die Kapitalrücklage einzustellende Einlage zu behandeln (z.B. Schulte, in: Lang/Weidmüller, Genossenschaftsgesetz -GenG-, 36. Auflage 2008, § 7 Rn. 35), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Unabhängig von der Frage, ob der steuerrechtliche Einlagenbegriff weiter ist als der handelsrechtliche (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 2005 I R 3/04, a.a.O.), was zur Folge hätte, dass trotz der fehlenden Maßgeblichkeit des Handelsrechts (§ 5 Abs. 6 EStG) eine handelsrechtliche Einlage stets auch ein solche im Sinne des Steuerrechts wäre, vermag der Senat dem in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen.

Die Strafzahlungen können allenfalls § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB unterliegen, wonach in der Kapitalrücklage der Betrag von anderen - ohne Gegenleistung erbrachten - Zuzahlungen, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten, auszuweisen ist. Eine Leistung in das Eigenkapital ist nur dann gegeben, wenn der leistende Gesellschafter bzw. das leistende Mitglied eine Leistungszweckbestimmung derart setzt, dass die Zahlung in das Eigenkapital erfolgen soll, wobei sich die Zweckbestimmung aus Art und Anlass des Zuschusses ergibt (Reiner, in: Münchener Kommentar zum HGB, 2. Auflage 2008, § 272 Rn. 68). Damit ist auch für die handelsrechtliche Einordnung entscheidend, ob Art und Anlass des Zuschusses ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis haben oder den betrieblich bedingten Geschäftsvorfällen zuzuordnen ist. Zwar kann der Austausch von Wirtschaftsgütern und sonstigen Leistungen auch bei einer Genossenschaft auf gesellschaftsrechtlicher oder vertraglicher Grundlage stattfinden. Vorliegend haben die Klägerin und ihre Mitglieder die Milchlieferungen in der Satzung geregelt. Die Bestimmung eines von der Klägerin für die Milch zu zahlenden Entgelts und die übrige Ausgestaltung entsprechen jedoch einer "normalen" Vertragsdurchführung. Dies kommt unter anderem auch darin zum Ausdruck, dass die Milchlieferungen selbst von der Klägerin nicht als Einlage behandelt, sondern dem betrieblichen Bereich zugeordnet wurden. Da die Strafzahlungen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Milchlieferverpflichtung der Mitglieder stehen, sind sie ebenfalls dem betrieblichen Bereich zuzuordnen.

4. Bei den Strafzahlungen handelt es sich auch nicht um Mitgliedsbeiträge im Sinne von § 8 Abs. 5 KStG. Bereits begrifflich setzen Mitgliedsbeiträge eine Veranlassung aus dem Mitgliedsverhältnis voraus, das heißt, die Beiträge müssen gerade in der Eigenschaft als Mitglied gezahlt werden. Es ist nicht Sinn der Steuerbefreiung, Einkünfte aus solchen Tätigkeiten freizulassen, die bei Gewerbetreibenden oder Angehörigen der freien Berufe der Steuer unterworfen werden (BFH-Urteil vom 6. Juni 1966 I 151/63, BStBl. III 1966, 632). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es fehlt schon an einer Veranlassung aus dem Mitgliedschaftsverhältnis, da die Strafzahlungen dem betrieblichen Bereich der Klägerin zuzurechnen sind. Die Vereinnahmung entsprechender Strafzahlungen aus der Verletzung von Lieferverpflichtungen unterläge auch bei anderen Gewerbetreibenden der Steuer und kann daher bei der Klägerin nicht steuerfrei gestellt werden.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; die Frage, ob in der Satzung einer Genossenschaft geregelte Strafzahlungen Einlagen oder Betriebseinnahmen darstellen, hat grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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