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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 17.02.2009
Aktenzeichen: 2 K 1138/2008
Rechtsgebiete: UStG, MwStSystRL


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1
UStG § 2 Abs. 1
MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. g
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

aufgrund mündlicher Verhandlung am 17.02.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für Januar, Februar, März und April 2008 , jeweils vom 20.06.2008, werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin steuerpflichtige Leistungen gegen Entgelt gegenüber ihren Gesellschaftern erbracht hat bzw., ob die Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sind.

Die Klägerin ist eine von der A und von den zur B zusammengeschlossenen C und D gegründete Arbeitsgemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Sie wurde mit dem Vertrag vom 29.11.2007 errichtet mit dem Zweck, Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch ausschließlich für ihre Gesellschafter zu erfüllen. Rechtsgrundlage für die Errichtung der Arbeitsgemeinschaft sind die Vorschriften §§ 197b, 219 SGB V, § 94 Abs. 1a SGB X. Sie erbringt für ihre Gesellschafter Leistungen der Informations- und Kommunikationstechnologie zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben ihrer Gesellschafter, die diese vorher selbst wahrgenommen haben. Nach dem Errichtungsvertrag sind die Gesellschafter verpflichtet, der Klägerin alle für die sach- und termingerechte Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Ressourcen und Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen (§ 6 Abs. 1). Die Gesellschafter sind verpflichtet, den für die Erfüllung aller der Arbeitsgemeinschaft übertragenen Aufgaben erforderlichen Finanzierungsbedarf vollständig zu tragen (§ 7 Abs. 1). In dem Errichtungsvertrag ist weiter bestimmt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht in Wettbewerb zu externen Dritten tritt und, dass die für ihre Tätigkeit anfallenden Kosten durch ihre Gesellschafter erstattet werden (§ 1 Abs. 2). Die Beschäftigungsverhältnisse des für ihre Tätigkeit erforderlichen und an sie von den Gesellschaftern überlassenen Personals bestehen unverändert mit dem jeweiligen Gesellschafter fort (vgl. § 5 Abs. 1). Die Klägerin unterliegt der staatlichen Aufsicht gemäß § 94 Abs. 2 Satz 1 SGB X (vgl. § 1 Abs. 5).

Wegen der Regelungen im Einzelnen wird auf den Vertrag für die E und die Protokollnotiz vom 29.11.2007 verwiesen.

Mit dem Datenschutzvertrag vom 14.12.2007 regelten die Gesellschafter und die Klägerin die von ihr zu erbringenden Leistungen im Einzelnen. Wesentlicher Gegenstand des Vertrages ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung zu schützender Daten im Sinne von § 67 SGB X (Sozialdaten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse), §§ 93 ff SGB XI (personenbezogene Daten der Pflegeversicherung), Art. 4 BayDSG, § 3 SächsDSG und § 3 ThürDSG (personenbezogene Daten der Mitarbeiter der Gesellschafter/Auftraggeber) sowie interner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Auftrag der Gesellschafter/Auftraggeber auf der Grundlage von § 80 SGB X bzw. § 11 BDSG sowie der entsprechenden Regelungen der für die Gesellschafter/Auftraggeber geltenden Landesdatenschutzgesetze. Unter anderem ist auch bestimmt, dass Unterauftragnehmer, die für die Klägerin/Auftragnehmer unmittelbar Daten der Gesellschafter/Auftraggeber erheben, verarbeiten oder nutzen, von der Klägerin/Auftragnehmer nur mit vorheriger, schriftlicher Einwilligung der Gesellschafter/Auftraggeber eingeschaltet werden dürfen (vgl. § 5 Abs. 1). Wegen der Regelungen im Einzelnen wird auf den Datenschutzvertrag vom 14.12.2007 verwiesen.

In der Dienstvereinbarung vom 22.10.2007 zwischen dem Vorstand der A und dem Gesamtpersonalrat der A wurden Regelungen der Personalbeistellung sowie der betrieblichen Mitbestimmung getroffen. Danach wird grundsätzlich das von der Klägerin benötigte Personal von der A, der D und der C, vorbehaltlich der Zustimmung des Beschäftigten, beigestellt. Die bisherigen Arbeits- und Dienstverhältnisse der beigestellten Beschäftigten bleiben unberührt (vgl. § 3 Abs. 1). Wegen der Einzelheiten wird auf die Dienstvereinbarung vom 22.10.2007 verwiesen.

Bereits mit dem Schreiben vom 31.05.2007 hatte sich die A an das Bayerische Staatsministerium der Finanzen gewandt und die beabsichtigte Gründung der Klägerin mitgeteilt. Sie bat darin um Erteilung einer Auskunft mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben zu den ertragsteuerlichen und umsatzsteuerlichen Folgen der von der Klägerin zu erbringenden Leistungen. In dem Antwortschreiben vom 17.07.2007 wies das Ministerium auf die Zuständigkeit des beklagten Finanzamtes hin, teilte jedoch allgemein seine Auffassung mit, dass die Leistungen der Klägerin umsatzsteuerpflichtig seien. Daraufhin verzichtete die A auf die Stellung eines Antrages auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft.

Die Klägerin begann ihre Tätigkeit zum 01.01.2008, reichte jedoch keine Umsatzsteuervoranmeldungen ein. Nach Aufforderung und Erinnerung durch das Finanzamt legte die Klägerin mit dem Schreiben vom 15.05.2008 eine Kostenaufstellung der von ihr bezogenen Leistungen und Lieferungen sowie die von ihren Mitgliedern vereinnahmten Kostenbeiträge vor. Die monatlichen Kosten beliefen sich auf 1.576.196 EUR im Januar 2008, auf 2.967.810 EUR im Februar 2008, auf 2.662.784 EUR im März 2008 und auf 7.370.972 EUR im April 2008. In dem Schreiben vertrat sie die Auffassung, dass sie wegen fehlender Unternehmereigenschaft keine umsatzsteuerbaren Leistungen erbringe.

Auf der Grundlage dieser Kostenaufstellung erließ das Finanzamt am 20.06.2008 den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2008 mit einer Erstattung von 0,08 EUR, den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Februar 2008 mit einer Umsatzsteuer von 0 EUR, den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für März 2008 mit einer Umsatzsteuer von 0,07 EUR und den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für April 2008 mit einer Erstattung von 0,04 EUR.

Die Klägerin erhob am 23.07.2008 Sprungklage nach § 45 FGO, der das Finanzamt zustimmte.

Sie beantragt,

die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Januar, Februar, März und April 2008 , jeweils vom 20.06.2008, aufzuheben.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte vor:

Sie erbringe mit ihren Leistungen gegenüber ihren Gesellschaftern die diesen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben. Sie sei ausschließlich für ihre Gesellschafter tätig. Der Zweck dieser Form der Aufgabenzusammenführung sei es, Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen und Verwaltungskosten einzusparen. Die von ihr zu erbringenden Leistungen seien vorher von ihren Gesellschaftern selbst getätigt worden.

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben verwende sie unentgeltlich und uneingeschränkt die bei ihren Gesellschaftern bereits vorhandenen IT-Anlagen und die von ihren Gesellschaftern entwickelte Software. Sie beschäftige keine eigenen Arbeitnehmer, diese würden von den Gesellschaftern beigestellt. Sie sei ausschließlich kostendeckend gegenüber ihren Gesellschaftern tätig. Die ihr entstehenden Kosten lege sie anteilig auf ihre Gesellschafter um. In den Jahren 2008 und 2009 erfolge die Kostenaufteilung hälftig für die A und die B. Die Kosten würden unverändert, also ohne Aufschlag, an die Gesellschafter weitergegeben.

Sie unterliege bei ihrer Tätigkeit den für Sozialversicherungsträger geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen (§ 80 SGB X). Insbesondere sei gemäß § 80 Abs. 5 SGB X die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten durch nichtöffentliche Stellen grundsätzlich ausgeschlossen und könne deshalb nur durch einen - zu den öffentlichen Stellen zählenden - Träger der Sozialversicherung oder durch eine von mehreren solcher Leistungsträger gebildeten Arbeitsgemeinschaft, die ebenfalls den für ihre Träger geltenden Vorschriften unterliege, durchgeführt werden.

Ihre Klage sei zulässig, weil sie durch die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide beschwert sei. Die Belastung liege zwar nicht in der Höhe der festgesetzten Vorauszahlungen, aber in der Annahme ihrer Umsatzsteuerpflicht dem Grunde nach.

Ihre Tätigkeit sei nicht umsatzsteuerbar, weil ihr die hierzu erforderliche Unternehmereigenschaft fehle. Ihre Tätigkeit sei nicht nach außen gerichtet, sondern sie sei lediglich als Innengesellschaft ein Zusammenschluss von Rechtsträgern. Dabei koordiniere sie lediglich die Leistungen ihrer Gesellschafter. Durch die bloße gemeinsame Nutzung von Wirtschaftsgütern durch mehrere Personen könne ein Unternehmen im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG nicht begründet werden.

Ihre Tätigkeit gegenüber ihren Gesellschaftern als Sozialversicherungsträger vollziehe sich nicht im Rahmen eines Leistungsaustausches und nicht gegen Entgelt. Ihre Leistungen würden lediglich durch Umlagen vergütet werden. Sie erbringe auch nicht gewerbliche oder berufliche Leistungen, sondern erfülle die hoheitlichen Aufgaben ihrer Gesellschafter. Sie könne nämlich die ihr übertragenen Aufgaben nur unter den Bedingungen erfüllen, dass sie bei Ausübung ihrer Tätigkeit den Anforderungen unterliege, die auch für ihre Gesellschafter gelten würden, wenn sie die IT-Leistungen selbst erbrächten. Eine gewerbliche und damit eine unternehmerische Tätigkeit setze voraus, dass die zu erbringenden Leistungen gleichermaßen von einer Privatperson ausgeübt und am Markt angeboten werden könnten. Dies sei bei ihrer Tätigkeit gerade nicht möglich. Die von ihr erfassten und verarbeiteten Daten seien durch § 80 Abs. 5 SGB X geschützte Sozialdaten, die grundsätzlich von privaten Dienstleistern weder erhoben noch verarbeitet oder genutzt werden könnten. Ihre Tätigkeit beschränke sich folglich auf einen Bereich, in dem eine privatwirtschaftliche Tätigkeit und damit ein Wettbewerb mit Dritten ausgeschlossen sei.

Selbst wenn sie als Unternehmerin und somit die von ihr erbrachten Leistungen als umsatzsteuerbar anzusehen seien, so seien diese jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 4 Nr. 15 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Danach seien die Umsätze der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung untereinander sowie deren Umsätze an die Versicherten steuerfrei. Ihre Gesellschafter seien von der persönlichen Befreiungsvorschrift erfasste Träger der Sozialversicherung. Die von ihr - der Klägerin - als eine von Trägern der Sozialversicherung gebildete Arbeitsgemeinschaft nach § 94 Abs. 1a SGB X zu erbringenden Dienstleistungen würden unmittelbar dem Zwecke der Ausübung der steuerbefreiten Tätigkeiten dienen. Es handele sich um einen notwendigen Teil des Leistungserstellungsprozesses. Die Verlagerung dieser Tätigkeiten, die weder mit einer inhaltlichen Änderung der zu erbringenden Leistungen noch mit veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen einhergehe, könne zu keiner abweichenden umsatzsteuerlichen Behandlung im Vergleich zu den zuvor von ihren Gesellschaftern erbrachten Leistungen führen. Soweit § 4 Nr. 15 UStG als eine persönliche Steuerbefreiungsvorschrift anzusehen wäre, sei jedoch eine funktionale Betrachtung geboten. Zwar sei sie selbst kein Träger der Sozialversicherung, es finde jedoch in ihr eine Konzentration der steuerbefreiten Tätigkeiten ihrer Gesellschafter statt. Nach außen hin würden unverändert ihre Gesellschafter in Erscheinung treten.

Die Vorschrift sei im Einklang mit der ihr zugrundeliegenden Regelung in der EG-Richtlinie auszulegen. Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) beschränke die Steuerbefreiung nicht auf einzelne Rechtsträger, sondern knüpfe primär an die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit an. Unter diese Begriffsbestimmung würden auch die von ihr erbrachten Dienstleistungen im IT-Bereich fallen. Bei richtlinienkonformer Auslegung seien die von ihr erbrachten Leistungen daher als von der Umsatzsteuer befreit anzusehen.

Jedenfalls folge die Steuerfreiheit ihrer Leistungen aus der direkten Anwendung des nicht in innerstaatliches, deutsches Recht umgesetzten Vorschrift in Art. 132 Abs. 1 Buchstabe f MwStSystRL. Denn bei ihr handele es sich um einen solchen gewinnlosen Zusammenschluss, wie in der Vorschrift verlangt, da sie allein nach Maßgabe einer Kostenumlage vergütet werde. Als einer eigenständigen Organisationsform i.S.v. § 94 Abs. 1a SGB X und als Gesellschaft bürgerlichen Rechts komme ihr eine rechtliche Selbständigkeit zu. Ansonsten wären ihre Leistungen unmittelbar ihren Gesellschaftern zuzurechnen. Die von ihr erbrachten Leistungen dienten unmittelbar der Ausübung der steuerbefreiten Tätigkeiten ihrer Gesellschafter. Sie erbringe ihre Leistungen ausschließlich an ihre Gesellschafter und auch lediglich nur gegen genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten. Damit bestehe auch nicht die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung. Die von ihr erbrachten Dienstleistungen dürften von Dritten nicht vorgenommen werden. Sie trete mit ihren Leistungen daher nicht in Konkurrenz mit anderen Anbietern von IT-Dienstleistungen auf dem freien Markt. Die von ihr verarbeiteten Sozialdaten dürften nach § 80 Abs. 5 SGB X von nichtöffentlichen Stellen nur dann im Auftrag erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn beim Auftraggeber sonst Störungen im Betriebsablauf auftreten könnten oder die übertragenen Arbeiten beim Auftragnehmer erheblich kostengünstiger besorgt werden könnten und der Auftrag nicht die Speicherung des gesamten Datenbestandes des Auftraggebers umfasse. Beide Alternativen der Ausnahmevorschrift seien im Streitfall ausgeschlossen. Die Bündelung der IT-Aufgaben bei ihr diene gerade der Kostensenkung, so dass die Übertragung der Aufgaben an nichtöffentliche Stellen zwecks Kostenreduktion nicht in Betracht komme. Ihre Tätigkeit beschränke sich folglich auf einen Bereich, in dem eine privatwirtschaftliche Tätigkeit und damit ein Wettbewerb mit Dritten ausgeschlossen sei.

Sie stimme einer Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren (V R 5/07) nicht zu. Denn sie habe ein Interesse an der Weiterführung ihres Rechtsstreits und an einer zeitnahen Entscheidung über ihre Sprungklage.

Wegen des Vortrags der Klägerin im Einzelnen wird auf die Klageschrift vom 22.07.2008 mit Anhängen, auf die Duplik vom 13.10.2008 und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt es Folgendes aus:

Es habe der Sprungklage zugestimmt, sie sei somit zulässig.

Zur Begründung verweise es zunächst auf die Äußerungen in dem Schreiben des bayerischen Finanzministeriums vom 17.07.2007. Nach Abschnitt 23 Abs. 3 UStR sei eine Tätigkeit, die der Erfüllung von Hoheitsaufgaben diene, stets steuerbar, wenn sie nicht vom ursprünglichen Aufgabenträger selbst, sondern von Dritten ausgeübt werde. Die Tätigkeit des beauftragten Dritten sei regelmäßig als Geschäftsbesorgung aufgrund vertraglicher Vereinbarung zu beurteilen. Da eine unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung auf der Ebene der beauftragten Dritten zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde, müsste eine eingeschaltete Arbeitsgemeinschaft nach § 94 Absatz 1a SGB X bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit ebenso behandelt werden wie jeder andere beauftragte Unternehmer. Die Klägerin erbringe daher eine umsatzsteuerbare Geschäftsbesorgungsleistung.

Unter wirtschaftlicher Betrachtung lägen besonders berechnete sonstige Leistungen der Klägerin vor, die der Umsatzsteuer unterlägen. Denn die Überlassung von Gegenständen, Rechten, Personal und Arbeitsergebnissen an die Klägerin gegen Erstattung bzw. Verrechnung mit den Kosten der Inanspruchnahme durch die Gesellschafter erfolgten ebenfalls im Rahmen eines steuerbaren Leistungsaustausches. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG erbringe eine Personenvereinigung auch dann steuerbare Leistungen gegen Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustausches, wenn sie nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig werde. Es sei allein maßgeblich, ob ein Leistungsaustausch im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliege.

Es komme auch nicht eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 15 Buchstabe a UStG in Betracht, weil die Leistungen der Klägerin nicht von einem gesetzlichen Träger der Sozialversicherung erbracht würden.

Im Übrigen verweise es auf das derzeit beim BFH anhängige Verfahren zur Frage der unmittelbaren Berufung auf die Anwendung der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchstabe f MwStSystRL (BFH V R 5/07).

Wegen des Vortrags des Finanzamts wird auf den Schriftsatz vom 28.08.2008 und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat Erfolg, weil die Klägerin mit ihrer Tätigkeit gegenüber ihren Gesellschaftern keine steuerbaren Umsätze im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 2005 erbringt. Die angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten; sie waren daher aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Die von der Klägerin erhobene Sprungklage ist gemäß § 45 Abs. 1 FGO ohne Vorverfahren zulässig, weil das beklagte Finanzamt seine Zustimmung erklärt hat.

Die Zulässigkeit der Klage scheitert auch nicht an einer fehlenden Beschwer der Klägerin im Sinne von § 40 Abs. 2 FGO wegen der Steuerfestsetzungen von 0 EUR. Sie kann ihr Beschwerderecht daraus ableiten, dass das beklagte Finanzamt sie als Unternehmer im Sinne von § 2 UStG und den daraus folgenden Rechten und Pflichten in Anspruch nimmt (vgl. BFH-Beschluss vom 25.06.1999 V B 107/98, BFH/NV 1999, 1649).

2. Die Klage ist begründet.

Die Klägerin führt keine steuerbaren Umsätze aus. Sie ist zwar in ihrem Tätigkeitsbereich selbständig gegenüber ihren Gesellschaftern; ihre Leistungen erbringt sie jedoch nicht gegen Entgelt.

a) Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG 2005 unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (vgl. Art. 9 MwStSystRL). Das deutsche Umsatzsteuergesetz gibt keine gesetzliche Definition des Begriffs der Selbständigkeit. Es beschreibt in § 2 Abs. 2 UStG lediglich zwei Fallgruppen, in denen eine Tätigkeit nichtselbständig ausgeübt wird, nämlich einerseits die Tätigkeit natürlicher Personen in Weisungsabhängigkeit von einem Unternehmer (z.B. arbeitsvertragliche Verhältnisse; vgl. Art. 10 MwStSystRL) und zum anderen juristische Personen, die aufgrund eines Organschaftsverhältnisses in ein anderes Unternehmen eingegliedert sind (vgl. Art. 11 MwStSystRL). Soweit die Selbständigkeit von Personengesellschaften zu beurteilen ist, hat der BFH entschieden, dass Personengesellschaften des Handelsrechts nicht unselbständig im Sinne von § 2 Abs. 2 UStG sein können (vgl. BFH-Urteil vom 08.02.1979 V R 101/78, BStBl II 1979, 362; Abschnitt 17 Abs. 5 UStR 2008; vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, § 2 Rz. 60, 79). Nach der Rechtsprechung des BFH bleibt hierdurch nur ein eng begrenzter Rahmen für die Unselbständigkeit nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen mit der Folge nicht steuerbarer Innenumsätze zwischen den an der Personenvereinigung beteiligten Personen (vgl. BFH-Urteil vom 08.02.1979 V R 101/78, a.a.O., Tz. 5 und 7 am Ende).

b) Die Klägerin ist nach diesen Rechtsgrundsätzen und unter Berücksichtigung der sozialgesetzlichen Regelungen und der Bestimmungen des Vertrages vom 29.11.2007 über die Errichtung der Arbeitsgemeinschaft als selbständig im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG zu beurteilen.

Sie wurde mit dem Vertrag vom 29.11.2007 als Arbeitsgemeinschaft gebildet. Rechtsgrundlage für die Übertragung von den den Trägern der Sozialversicherung obliegenden Aufgaben auf Arbeitsgemeinschaften bildet § 197b SGB V bzw. zur Bildung übergreifender Arbeitsgemeinschaften die Vorschriften in § 219 SGB V und § 94 Abs. 1a SGB X. Aufgrund dieser Rechtsvorschriften wurde die Klägerin errichtet. Organisatorisch bilden solche Arbeitsgemeinschaften eine selbständige Einheit zur tatsächlichen, rechtlichen und finanziellen Zusammenarbeit der Beteiligten. Die Wahl der Rechtsform ist den Beteiligten dabei freigestellt (vgl. Engelmann in von Wulffen SGB X - Kommentar, 6. Aufl. 2008, § 94 Rz. 4, 6b, 11). Als Tätigkeitsbereich kommen im Wesentlichen Koordinierungsaufgaben in Betracht, nicht jedoch die Gegenstände der eigentlichen Leistungsverwaltung. Die wesentlichen Teile des Aufgabenbereiches verbleiben bei den die Arbeitsgemeinschaft tragenden Leistungsträgern. Die Kernaufgaben können somit nicht übertragen werden (vgl. Breitkreuz in LPK-SGB X § 94 Rz. 17; Engelhardt in Hauck/Noftz, SGB V - Kommentar, § 197b Rz. 9, 12). Die Arbeitsgemeinschaft kann auch nur solche Aufgaben wahrnehmen, die zu dem durch Gesetz festgelegten Aufgabenkreis der beteiligten Stellen gehören (vgl. Sehnert in Hauck/Noftz, SGB X - Kommentar, § 94 Rz. 6). Die Arbeitsgemeinschaften unterliegen gem. § 94 Abs. 2 SGB X der staatlichen Rechtsaufsicht.

c) Für die Selbständigkeit der Arbeitsgemeinschaft, also der Klägerin, sprechen auch die Bestimmungen des Vertrages vom 29.11.2007 (dort II. Gesellschafterversammlung und III. Leitung der Gesellschaft). Auch wenn in § 1 der Vereinbarung bestimmt ist, dass die Klägerin ihre Aufgaben ausschließlich für ihre Gesellschafter zu erfüllen habe, sie nicht in Wettbewerb zu externen Dritten stehe und sie im Schriftverkehr mit Dritten auf ihre Gesellschafter hinzuweisen hat, sind die organschaftlichen Regelungen (§§ 8 - 11) so ausgestaltet, dass der Klägerin in ihrem eigenverantwortlichen Handlungsbereich eine gegenüber ihren Gesellschaftern bestehende Eigenständigkeit zukommt. Hierfür spricht auch, dass die der Klägerin übertragenen Aufgaben unter bestimmten Voraussetzungen auch durch Dritte, also Personen des Privatrechts, wahrgenommen werden können (§ 197b SGB V).

3. Die Klägerin hat aber mit ihrer Tätigkeit gegenüber ihren Gesellschaftern keine steuerbaren Umsätze erbracht, denn sie hat für ihre Leistungen kein Entgelt erhalten.

a) Eine sonstige Leistung gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG wird erbracht, wenn zwischen Leistendem und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. Der Leistungsempfänger muss somit einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt, und die vom Leistenden empfangene Vergütung muss einen tatsächlichen Gegenwert für die von ihm erbrachte Dienstleistung bilden (vgl. FG Köln-Urteil vom 30.01.2008 Az. 7 K 3412/06, EFG 2008, 732 m.w.N. der Rechtsprechung des BFH). Ein Leistungsaustausch in diesem Sinne kann auch zwischen einer Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern stattfinden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG), auch wenn die Gesellschaft lediglich einen Aufwendungsersatz erhält (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.2008 XI R 59/07, UR 2009, 127 und vom 05.12.2007 V R 60/05, UR 2008, 616 und FG Köln-Urteil vom 30.01.2008 a.a.O. m.w.N.).

An einem Leistungsaustausch fehlt es jedoch in der Regel, wenn eine Gesellschaft Geldmittel nur erhält, damit sie in die Lage versetzt wird, sich in Erfüllung ihres Gesellschaftszwecks zu betätigen (vgl. Abschnitt 6 Abs. 1 Satz 3 UStR 2008). Denn der umsatzsteuerrechtliche Leistungsaustausch erfordert eine zielgerichtete, konkrete Leistung. Diese fehlt, wenn der Empfänger der Zuwendung dadurch ganz allgemein in die Lage versetzt werden soll, überhaupt tätig zu werden. Entscheidend ist, dass eine Konkretisierung von Leistung und Gegenleistung stattfindet und infolge dessen bestimmte, verselbständigte Leistungen, die als Objekt eines Leistungsaustausches in Betracht kommen, erkennbar gemacht werden (BFH-Urteil vom 20.04.88 X R 3/82, BStBl II 1988, 792; BFH-Beschluss 19.03.2004 V 166/03, [...]). Dabei muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung und der Gegenleistung bestehen (BFH-Urteile vom 29.10.2008 XI R 59/07, a.a.O. und vom 05.12.2007 V R 60/05, a.a.O.).

b) Nach diesen Grundsätzen liegt ein entgeltlicher Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und ihren Gesellschaftern nicht vor.

Weder in dem Vertrag für die E vom 29.11.2007, noch in weiteren Vereinbarungen ist erkennbar ein konkretes Entgelt für die von der Klägerin zu erbringenden Leistungen beschrieben. Der Vertrag vom 29.11.2007 regelt in §§ 6 und 7 eine Kostentragungspflicht der Gesellschafter und ein Verfahren zur Finanzierung des bei der Klägerin für ihre Tätigkeit anfallenden Aufwandes nach Anteilen der Gesellschafter (vgl. § 7 Abs. 4a). Die entstandenen Kosten wurden tatsächlich unverändert und ohne konkreten Bezug zu einer im Einzelnen erbrachten Leistung an die Gesellschafter weitergegeben und von diesen zu gleichen Anteilen getragen. Dies wird auch aus der mit dem Schreiben vom 15.05.2008 vorgelegten Aufstellung über die im streitigen Zeitraum angefallenen Kosten deutlich, die das Finanzamt als Besteuerungsgrundlagen für die angefochtenen Vorauszahlungsbescheide ansetzte. Diese monatlich stark differierenden Kostenübernahmen zeigen, dass die Beträge nicht als Entgelte für damit unmittelbar im Zusammenhang stehende Leistungen zu verstehen sind. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von den tatsächlichen Verhältnissen, die der Entscheidung des BFH vom 29.10.2008 (XI R 59/07, a.a.O.) zugrunde lagen. Dort wurde die Tätigkeit eines Vereins gegenüber seinen Mitgliedern durch umsatzabhängige Mitgliedsbeiträge und Etatzuweisungen finanziert.

c) Auch unter dem Gesichtspunkt der Personalüberlassung der Gesellschafter an die Klägerin ist die Entgeltlichkeit der zu erbringenden Leistungen nicht begründbar. Nach § 5 Abs. 1 des Vertrages vom 29.11.2007 bestehen die Beschäftigungsverhältnisse des an die Klägerin überlassenen Personals unverändert mit den jeweiligen Gesellschaftern fort und zwar ohne Änderung der geltenden Tarifverträge und des Dienstordnungsrechts. Diese Grundsätze wurden in der Dienstvereinbarung vom 22.10.2007 ausdrücklich bestätigt.

Insoweit unterscheidet sich die Regelung über die Personalgestellung im Streitfall von der Regelung, wie sie nach der Entscheidung des FG Köln vom 30.01.2008 (a.a.O., EFG 2008, 732, Rev. BFH V R 10/08) vereinbart war. Dort war in einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag festgelegt, dass die Lohnaufwendungen der Gesellschafter von der Gesellschaft zu ersetzen seien.

d) Der hier zu entscheidende Sachverhalt unterscheidet sich auch von den tatsächlichen Verhältnissen, die der BFH-Entscheidung vom 05.12.2007 (V R 60/05, a.a.O.) zugrunde lagen. Darin war von der Gesellschaft eine marktgängige konkrete Leistung zu erbringen, die in der Entwicklung und der Pflege eines Vergütungssystems bestand. Dieses Produkt hätten die Gesellschafter auch von dritten Anbietern beziehen können.

Im hier zu entscheidenden Streitfall liegt die Leistung der Klägerin jedoch in der Wahrnehmung der datenrechtlichen Aufgaben, die ihren Gesellschaftern obliegen (vgl. § 2 Vertrag vom 29.11.2007 und §§ 1, 2 - 5 Datenschutzvertrag vom 14.12.2007). Die getroffenen Vereinbarungen zielen hier nicht auf im Einzelnen bestimmbare Leistungen zu einem damit unmittelbar zusammenhängenden Entgelt.

4. Die Entgeltlichkeit lässt sich auch nicht über die Regelungen der Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG begründen. Danach wird das Entgelt für einen Umsatz bei der Leistung einer Personenvereinigung im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Gesellschafter entsprechend § 10 Abs. 4 UStG nach den Selbstkosten bzw. den entstandenen Ausgaben bemessen, wenn die Leistung ohne Entgelt erbracht wird (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, § 10 Rz. 441). Die Regelung in § 10 Abs. 5 UStG ist jedoch eng auszulegen und kommt nach ihrem Sinn und Zweck, wie er sich aus der Ermächtigungsgrundlage in Art 27 der 6. EG-RL ergibt, nur zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder Umgehung zur Anwendung (vgl. EuGH-Urteil vom 29.05.1997 C-63/96, BStBl. II 1997, 841). Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Denn es liegt bei der Regelung, wie sie die Klägerin und ihre Gesellschafter getroffen haben, weder eine unangemessene Gestaltung noch ein Verbrauchstatbestand vor, der der Umsatzsteuer zu unterwerfen wäre (vgl. Wagner, a.a.O., § 10 Rz. 416 ff, 423 ff). Vielmehr soll durch die von den Sozialgesetzen ausdrücklich gestattete Errichtung von Arbeitsgemeinschaften eine Kostensenkung in der Sozialverwaltung erreicht werden, die in Folge einer Umsatzbesteuerung der auf die Arbeitsgemeinschaft übertragenen Aufgaben gerade in ihr Gegenteil verkehrt würde.

5. Bereits unter diesen Gesichtspunkten war der Klage stattzugeben. Im Hinblick auf die von der Klägerin hilfsweise vorgetragenen rechtlichen Überlegungen weist das Gericht darauf hin, dass die Klage auch deshalb im Ergebnis erfolgreich ist, weil die Leistungen der Klägerin, deren Steuerbarkeit unterstellt, von der Umsatzsteuer befreit wären.

a) Eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin gegenüber ihren Gesellschaftern unterstellt, kann sie sich jedoch nicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 15 Buchstabe a UStG berufen.

Danach sind die Umsätze der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung untereinander von der Steuer befreit. Die Gesellschafter der Klägerin sind Träger der Sozialversicherung (§ 29 SGB IV, § 4 SGB V). Die Klägerin selbst gehört nicht zu den in der Vorschrift benannten begünstigten Einrichtungen. Als eine solche ist ausdrücklich nur die Arbeitsgemeinschaft nach § 44b Abs. 1 SGB II genannt. Damit scheidet die unmittelbare Anwendung dieser Steuerbefreiungsvorschrift aus.

b) Die Klägerin kann sich auch nicht auf die zugrunde liegende - weiter gefasste - Richtlinienregelung berufen. Diese bestimmt in Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g MwStSystRL, dass die Mitgliedstaaten die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialen Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden, von der Steuer befreien.

Damit sind nach den Richtlinienregelungen nur Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, die ihrer Art nach eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind. Die Klägerin erbringt jedoch an ihre Gesellschafter Leistungen auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (vgl. § 2 des Vertrages vom 29.11.2007 und § 1 des Datenschutzvertrages vom 14.12.2007). Ihre Leistungen fallen somit nicht unter den Anwendungsbereich dieser Richtlinienregelung.

6. Die Klägerin kann sich jedoch, die Steuerbarkeit ihrer Leistungen unterstellt, auf die unmittelbare Anwendung von Art. 132 Abs. 1 Buchstabe f MwStSystRL berufen (vgl. FG Düsseldorf-Urteil vom 22.11.2006 Az. 5 K 3327/02 U, UR 2007, 462, Rev. BFH V R 5/07).

a) Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten Dienstleistungen, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.

Die Befreiungsvorschriften der Richtlinie sind autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts. Sie sind als Ausnahmevorschriften zum allgemeinen Grundsatz der Steuerpflichtigkeit von unternehmerischen Dienstleistungen zwar eng auszulegen. Die Auslegung muss jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden und sie muss dem Neutralitätsgrundsatz entsprechen. Insbesondere dürfen sie nicht so eng ausgelegt werden, dass den Befreiungen ihre Wirkung genommen und sie praktisch unanwendbar werden (vgl. EuGH-Urteil vom 11.12.2008 C-407/07, UR 2009, 52).

Die Vorschrift in Art. 132 Abs. 1 Buchstabe f MwStSystRL hat der deutsche Gesetzgeber zwar bisher nicht in das Umsatzsteuergesetz aufgenommen (vgl. Treiber in Sölch/Ringleb, § 4 Rz. 12). Die Klägerin kann sich jedoch unmittelbar auf die Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift berufen (vgl. FG Düsseldorf-Urteil vom 22.11.2006 Az. 5 K 3327/02 U, a.a.O.; vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, vor § 1 Rz. 20 ff; Treiber in Sölch/Ringleb, § 4 Rz. 20 ff).

b) Die Klägerin erfüllt mit ihrer Tätigkeit gegenüber ihren Gesellschaftern die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift. Wie oben bereits ausgeführt, ist sie ein selbständiger Zusammenschluss. Ihre Gesellschafter sind Personen, die unstreitig nach § 4 Nr. 15 UStG eine steuerbefreite Tätigkeit ausüben. Die Klägerin erbringt Dienstleistungen an ihre Gesellschafter für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser steuerbefreiten Tätigkeit. Es werden auch die gemeinsamen Kosten anteilmäßig erstattet, wie es die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dargestellt hat.

Schließlich konnte das Gericht im Streitfall keine Wettbewerbsverzerrung feststellen. Eine Wettbewerbsverzerrung ist in der konkreten Gestaltung, die die Klägerin und ihre Gesellschafter gewählt haben, weder vorhanden noch zu befürchten. Die Klägerin tritt selbst am Markt nicht werbend auf, sondern bedient nur ihre Gesellschafter. Sie greift daher mit ihrer Tätigkeit nicht in das konkurrierende Marktgeschehen ein.

Andererseits sind Unternehmer, die am Markt datenverarbeitende Dienstleistungen anbieten, grundsätzlich von der Möglichkeit ausgeschlossen, für die Gesellschafter der Klägerin tätig zu werden. Ein Marktangebot ist von Gesetzes wegen reglementiert und beschränkt (vgl. § 80 Abs. 5 SGB X; § 179b SGB V). Eine konkrete Benachteiligung bestehender Unternehmen, die vergleichbare Dienste anbieten, wie sie die Klägerin gegenüber ihren Gesellschaftern erbringt, ist weder ersichtlich noch vom Finanzamt vorgetragen worden.

c) Abschließend ist festzustellen, dass die Steuerpflicht der Leistungen der Klägerin zu einer Verteuerung der steuerbefreiten Sozialversicherungsleistungen ihrer Gesellschafter führen würde, da diese nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Dies würde der Zielrichtung der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 15 UStG, Sozialleistungen nicht mit Umsatzsteuer zu belasten, widersprechen.

Auch der Neutralitätsgrundsatz des Mehrwertsteuersystems wäre nicht gewährleistet. Die Gesellschafter der Klägerin hätten die Umsatzsteuer wie Endverbraucher zu tragen, weil sie zwar Unternehmer, aber wegen der Steuerbefreiung ihrer Leistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Die von den Gesellschaftern beabsichtigte Kostensenkung durch eine Zentralisierungsmaßnahme würde in ihr Gegenteil verkehrt. Denn die Klägerin bedient sich, um ihre Leistung erbringen zu können, unentgeltlich der Wirtschaftsgüter ihrer Gesellschafter (Daten, Räume, Personal etc.), müsste aber dieser wiederum die zu erbringende Leistung mit Mehrwertsteuer berechnen.

7. Die Revision war zur Bildung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die beim BFH anhängigen Revisionsverfahren V R 5/07 und V R 10/08 zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO. Danach hat das Finanzamt als der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Ende der Entscheidung

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