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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 15.06.2009
Aktenzeichen: 6 V 1769/08
Rechtsgebiete: KirchStErhebG, EStG, BayKirchStG


Vorschriften:

KirchStErhebG § 6 Abs. 1
EStG § 51a Abs. 2
BayKirchStG Art. 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

am 15. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache, ob das beklagte Kirchensteueramt gegenüber der Antragstellerin zu Recht Kirchensteuer in Form des besonderen Kirchgeldes für die Jahre 2004 und 2005 festgesetzt hat.

Die Antragstellerin ist Mitglied Kirche in Bayern; ihr Ehemann gehört keiner Kirche an.

Die Antragstellerin und ihr Ehemann wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Aufgrund der vom Veranlagungsfinanzamt - im Wege des Datenträgeraustausches - für die Streitjahre letztgültig mitgeteilten Besteuerungsgrundlagen ...

 20042005
 EUREUR
Einkünfte Ehemann (vd) wenn der evang. Ehegatte keinerlei Einkünfte hat, werden die Einkünfte des nicht-evang. Ehegatten vom Finanzamt nicht mitgeteilt, da die Kircheneinkommensteuerfestsetzung immer 0 EUR betragen würde 411.184,00
Einkünfte Ehefrau (ev)0,001.048,00
gemeinsam zu versteuerndes Einkommen188.587,00391.912,00
Kircheneinkommensteuer-Bemessungsgrundlage0,00148.167,00

... setzte das Kirchensteueramt entsprechend dem von den Eheleuten gemeinsam zu versteuernden Einkommen gegenüber der Antragstellerin Kirchensteuer in Form des besonderen Kirchgeldes in Höhe von 1.860,00 EUR für 2004 (geänderter Bescheid vom 27.06.2007) und in Höhe von 3.600,00 EUR für 2005 (Bescheid vom 02.02.2007) fest.

Die gegen beide Bescheide von den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin eingelegten Einsprüche vom 26.02. und 04.07.2007 wurde vom Kirchensteueramt mit Einspruchsentscheidung vom 23.10.2008 zurückgewiesen. Der ergänzend am 17.07.2007 gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Schreiben der Behörde vom 07.08.2007 abgelehnt. Auf diese Entscheidungen des Beklagten wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 18.11.2008 haben die Prozessbevollmächtigten namens der Klägerin/ Antragstellerin bei Gericht Klage erhoben und gleichzeitig den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide über besonderes Kirchgeld für die Jahre 2004 und 2005 gestellt. Die diesen Bescheiden zugrunde liegenden Bestimmungen im Bayerischen Kirchensteuergesetz -BayKirchStG- seien mit dem Grundgesetz -GG- und der Bayerischen Verfassung -BV- unvereinbar.

Die Regelung über die Erhebung des besonderen Kirchgeldes diskriminiere die Klägerin wegen der Konfessionslosigkeit ihres Ehegatten und verletze sie daher in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 BV. Nur von Umlagepflichtigen mit konfessionslosem Ehegatten werde das besondere Kirchgeld erhoben, nicht hingegen von Umlagepflichtigen mit konfessionsverschiedenem Ehegatten (Art. 4 Nr. 3 und Art. 22 Satz 4 BayKirchStG).

Für diese Ungleichbehandlung, die wie im vorliegenden Fall auch zu erheblichen Nachteilen für Umlagepflichtige mit konfessionslosem Ehepartner gegenüber Umlagepflichtigen mit konfessionsverschiedenem Ehepartner führen könne, fehle eine sachliche Rechtfertigung.

Zur Veranschaulichung rechnen die steuerlichen Vertreter vor, dass dann, wenn beide Ehegatten kirchensteuerpflichtig wären und das zu versteuernde Einkommen der Ehegatten von angenommen 180.000 EUR allein vom Ehemann erzielt werde, dieser Kirchensteuer in Höhe von rund 5.300 EUR schulde, die Ehefrau in diesem Fall aber keinerlei Kirchensteuer und kein besonderes Kirchgeld. Trete nun der Ehemann aus der Kirche aus und sei demzufolge nicht mehr kirchensteuerpflichtig, schulde die Ehefrau besonderes Kirchgeld in Höhe von 1.860 EUR, obgleich sich ihr Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehemann durch dessen Kirchenaustritt lediglich um (5.300 : 2 =) 2.650 EUR erhöht habe. Nach den Berechnungen der Prozessbevollmächtigten wäre hier aber nur ein besonderes Kirchgeld in Höhe von 78,91 EUR gerechtfertigt.

Die Antragstellerin beantragt

die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide über besonderes Kirchgeld für 2004 vom 27.06.2007 und für 2005 vom 02.02.2007;

sie beantragt weiterhin,

die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben.

Das Kirchensteueramt beantragt

die Ablehnung des Antrags.

Nach Ansicht der Behörde bestehen an der Rechtmäßigkeit des Bayerischen Kirchensteuergesetzes keinerlei nachvollziehbare Zweifel.

II.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide über besonderes Kirchgeld für die Streitjahre 2004 und 2005 ist ohne Erfolg.

Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Sachverhalts hat das Gericht keine ernstlichen Zweifel (vgl. § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bescheide über besonderes Kirchgeld für 2004 und 2005. Die das besondere Kirchgeld in Bayern betreffenden Regelungen sind rechtmäßig zustande gekommen und verstoßen nicht gegen das Verfassungsrecht.

1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide über besonderes Kirchgeld für 2004 und 2005 sind das (staatliche) Gesetz über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, Religions- und weltanschauliche Gemeinschaften in Bayern (Bayerisches Kirchensteuergesetz -BayKirchStG-) in der für die Streitjahre geltenden Fassung vom 24.12.2001 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt -GVBl- 2001, 1002) und das von der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern am 28.11.2002 auf ihrer Herbsttagung in Kempten beschlossene Kirchengesetz über die Erhebung von Kirchensteuern (Kirchensteuererhebungsgesetz -KirchStErhebG-, Kirchliches Amtsblatt -KABl- 2003, 19; Bundessteuerblatt -BStBl- I 2003, 288), das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist (§ 14 Satz 1 KirchStErhebG). Mit der Verabschiedung dieses Kirchensteuererhebungsgesetzes hat die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern eine Steuerordnung im Sinne des Art. 22 Satz 1 BayKirchStG erlassen. Die gemäß Art. 23 Satz 1 BayKirchStG erforderliche Genehmigung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus ist mit Schreiben vom 12.12.2002 erfolgt. Mit Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 10. April 2003 (Az. 34 - S 2442 - 005 - 55 301/02 -) im Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 30.05.2003 (FMBl 2003, 152) wurde das Kirchensteuererhebungsgesetz verkündet. Der für 2004 gültige Kirchensteuerbeschluss vom 10. November 2003 gilt unverändert auch für das Streitjahr 2005 (vgl. BStBl I 2004, 206 und 1051).

1.1 Nach den vorstehend genannten Rechtsvorschriften ist die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern als Körperschaft des öffentlichen Rechts berechtigt, von ihren Angehörigen, deren Ehegatte keiner kirchensteuerberechtigten Religionsgesellschaft angehört (glaubensverschiedene Ehe), ein besonderes Kirchgeld zu erheben (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 BayKirchStG).

Gemäß Art. 22 Satz 1 BayKirchStG wird das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe nach Maßgabe der Steuerordnungen der gemeinschaftlichen Steuerverbände erhoben und von den gemeinschaftlichen Steuerverbänden verwaltet; es wird nach Art. 22 Sätze 3 und 4 BayKirchStG nur von Umlagepflichtigen erhoben, die mit ihrem Ehegatten, der keiner Kirche, Religionsgemeinschaft oder weltanschaulichen Gemeinschaft angehört, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden und nur insoweit, als es die Kirchenumlagen nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayKirchStG übersteigt (Art. 22 Satz 5 BayKirchStG).

Das besondere Kirchgeld bemisst sich gemäß § 6 Abs. 1 KirchStErhebG nach dem gemeinsam zu versteuernden Einkommen der Eheleute, in entsprechender Anwendung des § 51a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes -EStG-. Es wird nach der Tabelle festgesetzt, wie sie in § 6 Abs. 1 Satz 3 KirchStErhebG dargestellt ist und wie sie auch in den gegenüber der Antragstellerin ergangenen streitgegenständlichen Kirchgeldbescheiden unter "Hinweise zur Steuerfestsetzung" abgebildet ist. Entsprechend dieser Tabelle wird das besondere Kirchgeld in 13-fach gestaffelten, festen Beträgen in Höhe von jährlich 96 bis 3.600 Euro erhoben, wobei der zuerst genannte Betrag für Einkommen von (mindestens) 30.000 Euro und der zuletzt genannte Betrag für Einkommen von 300.000 Euro und mehr gilt. Zwischen der Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer und dem Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe wird eine Vergleichsberechnung durchgeführt. Festgesetzt wird der sich hierbei ergebende höhere Betrag (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KirchStErhebG).

1.2 Das im Streitfall gegenüber der Antragstellerin festgesetzte besondere Kirchgeld in Höhe von 1.860,00 EUR (2004) und 3.600,00 EUR (2005) auf der Grundlage des von den Ehegatten gemeinsam zu versteuernden Einkommens in Höhe von 188.587,00 EUR (2004), und 391.912,00 EUR (2005) entspricht dieser Tabelle (Stufen 10 und 13). Unstreitig war die Antragstellerin in den Veranlagungszeiträumen 2004 und 2005 Angehörige der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und ebenso unstreitig gehörte ihr Ehemann, mit dem sie in allen Jahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde, keiner Kirche, Religionsgemeinschaft oder weltanschaulichen Gemeinschaft an, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Aufgrund der vom Kirchensteueramt vorgenommenen Vergleichsrechnung - laut Einspruchsentscheidung vom 23.10.2008 errechnete sich auf der Grundlage der Einkommensteuerveranlagungen für die Antragstellerin eine Kircheneinkommensteuer von 0,00 EUR (2004) und 29,60 EUR (2005) - hat die Antragstellerin in den Streitjahren auch keine Kirchenumlage nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayKirchStG geleistet.

2. Entgegen dem Vorbringen der Prozessbevollmächtigten verstoßen die angegriffenen Bescheide über besonderes Kirchgeld für die Jahre 2004 und 2005 nicht gegen das Verfassungsrecht.

2.1 Der den Bescheiden zugrunde liegende Besteuerungsmaßstab bzw. Berechnungsmodus verstößt nicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG . Die in diesem Artikel des Grundgesetzes verankerte Freiheit der Entfaltung der Persönlichkeit umfasst auch den grundrechtlichen Anspruch, nicht durch staatlichen Zwang mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist. Insbesondere gehört zur Handlungsfreiheit auch das Grundrecht des Bürgers, nur auf Grund solcher Rechtsvorschriften zu Steuern herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind und deshalb zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören (BVerfG-Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvR 413/60, 416/60, BStBl I 1966, 187 <189>).

2.1.1 Das besondere Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe ist nicht wie die Kircheneinkommensteuer eine Zuschlagsteuer zur Einkommensteuer im Sinne des § 51a EStG, sondern eine eigenständige Steuer, die auf einem kircheneigenen Steuertarif beruht. Die Schaffung solcher Steuern ist grundsätzlich zulässig; denn es ist den Religionsgemeinschaften im Rahmen ihres Besteuerungsrechtes (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV) nicht verwehrt, für die Erhebung der Kirchensteuer neben dem Einkommen andere, nach eigenen Kriterien gestaltete Besteuerungsmaßstäbe heranzuziehen; dabei eröffnet sich ihnen ein weiter Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG-Beschluss vom 23. Oktober 1986 2 BvL 7, 8/84, BVerfGE 73, 388 <399>; ebenso BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 I R 76/04, BStBl II 2006, 274 <277>).

2.1.2 Der nach § 6 Satz 1 KirchStErhebG für die Bemessung des besonderen Kirchgelds herangezogene Besteuerungsmaßstab des "gemeinsam zu versteuernden Einkommens" geht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 1965 1 BvR 606/60 (BVerfGE 19, 268 <282>, BStBl I 1966, 196) zurück. Hier hatte das Gericht am Ende seines Urteils Folgendes ausgeführt:

" Es könnte unbillig erscheinen, wenn ein einer steuerberechtigten Kirche angehörender Ehegatte, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sich durch die Ehe erhöht hat, weil sein - der Kirche nicht angehörender - Ehegatte ein hohes Einkommen bezieht, mangels eigenen Einkommens im Sinne des Einkommensteuergesetzes kirchensteuerfrei bliebe. Wenn diesen Bedenken Rechnung getragen werden soll, müßten, da die Kirche nur den ihr angehörenden Ehegatten besteuern darf, Besteuerungsmerkmale gewählt werden, die in dessen Person gegeben sind. Gegenstand der Besteuerung dürfte dann nicht das Einkommen (im Sinne des Einkommensteuerrechts) des anderen Ehegatten, sondern könnte etwa der 'Lebensführungsaufwand' des kirchenangehörigen Ehegatten sein. ..."

Im Anschluss an diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat die Regelung des besonderen Kirchgeldes, also des Kirchgeldes bei glaubensverschiedener Ehe, seit 1966 Eingang in die Kirchensteuergesetze der Länder gefunden (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Dezember 2000 9 K 258/00, [...]Dokument Nr. STRE200171459), zuletzt in Bayern mit Wirkung ab 1.1.2004. Einheitlich - in allen Bundesländern - wird das besondere Kirchgeld nach dem Lebensführungsaufwand bemessen, auch wenn diese Anknüpfung (an den Lebensführungsaufwand) nicht ausdrücklich erwähnt ist.

2.1.3 Angesichts der Schwierigkeiten, den "Lebensführungsaufwand" des jeweiligen kirchenangehörigen Ehegatten zu ermitteln, ist es nach einheitlicher höchstrichterlicher Rechtsprechung (Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil vom 18. Februar 1977 VII C 48.73, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1977, 1304; BVerfG-Beschluss vom 30. August 1982 1 BvR 1109/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 1984, 73; BFH-Beschluss vom 22. Januar 2002 I B 18/01, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2002, 674 und BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 I R 76/04, BStBl II 2006, 274 <277>) im Sinne einer Typisierung verfassungsrechtlich unbedenklich, die dem "Lebensführungsaufwand" zugrunde liegende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten am Einkommen beider Ehegatten zu messen. Dass auf diese Weise mittelbar auch das Einkommen des konfessionslosen Ehegatten in die Kirchenbesteuerung mit einbezogen wird, ist der Anknüpfung an den Lebensführungsaufwand als eigenständigem Besteuerungsmaßstab immanent. Gerechtfertigt ist dies nicht zuletzt dadurch, dass der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch des Ehegatten auf einen angemessenen Teil des gemeinsamen Einkommens gemäß § 1360a des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB- (sog. Taschengeldanspruch) den Gesetzesmaterialien (vgl. schriftlicher Bericht zu BTDrucks. 2/3409, S. 37) zufolge ausdrücklich auch der Deckung von kirchlichen Mitgliedsbeiträgen dienen soll (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 I R 76/04, BStBl II 2006, 274 <277>).

2.1.4 Bei der gesetzlichen Ausgestaltung eines am Lebensführungsaufwand des Kirchensteuerpflichtigen ausgerichteten besonderen Kirchgelds muss berücksichtigt werden, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten bei geringerem Einkommen beider Ehegatten stark eingeschränkt ist, dass ein Teil des gemeinsamen Einkommens nicht zur Erhöhung dieses Lebensführungsaufwandes führt und dass von einer gewissen Einkommenshöhe an der Lebensführungsaufwand nicht mehr steigt (so zuletzt BFH-Beschluss vom 22. Januar 2002 I B 18/01, BFH/NV 2002, 674). Eine ausdrückliche Bezeichnung des Lebensführungsaufwands als Bemessungsgrundlage ist hingegen nicht erforderlich. Es muss auch nicht danach differenziert werden, ob die Ehegatten in einer Zugewinngemeinschaft leben oder Gütertrennung vereinbart haben; denn der Güterstand ist für die Bestimmung des Lebensführungsaufwands als steuerliche Bemessungsgrundlage ohne Bedeutung. Lediglich die Wahl der getrennten Veranlagung schließt die Bestimmung des Lebensführungsaufwands nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten aus (vgl. BFH-Urteile vom 19. Oktober 2005 I R 76/04, BStBl II 2006, 274 <278>, vom 21. Dezember 2005 I R 64/05, [...]Dokument Nr. STRE200650329 und vom 25. Januar 2006 I R 62/05, [...]Dokument Nr. STRE200650690).

2.1.5 Den genannten Vorgaben entspricht der maßgebliche § 6 Abs. 1 Satz 3 KirchStErhebG mit der in 13 Stufen gestaffelten Bemessungsgrundlage und dem sich progressiv erhöhenden Kirchgeld von 96 EUR bis höchstens 3.600 EUR (s. o. Ziff. 1.1). Die Ausgestaltung des Staffeltarifes zeigt, dass die Erhebung des besonderen Kirchgeldes in der Sache nicht das Ehegatteneinkommen und auch nicht dessen Hälfte, sondern den Lebensführungsaufwand des der Kirche angehörenden Ehegatten zum Gegenstand hat. Vergleicht man das in der Tabelle festgelegte Kirchgeld mit der sich nach dem Halbteilungsgrundsatz ergebenden Kirchensteuer (Hälfte des Kirchensteuerbetrages, der zu zahlen wäre, wenn beide Ehegatten der Kirche angehören würden), so ergibt sich für sämtliche Stufen, dass das Kirchgeld deutlich hinter dem Zuschlag zur Einkommensteuer zurück bleibt, der bei Zusammenveranlagung in konfessionsgleichen oder konfessionsverschiedenen Ehen als Kirchensteuer hälftig auf jeden der beiden Ehegatten entfiele.

Wie das Kirchensteueramt der Antragstellerin in der Einspruchsentscheidung vorgerechnet hat, ergäbe sich vorliegend für den Veranlagungszeitraum 2005 bei der für beide Ehegatten nach der Splittingtabelle festgesetzten Kirchensteuer-Bemessungsgrundlage von 148.167 EUR eine Kirchensteuer von (148.167 x 8% =) 11.853 EUR, halbteilig für die Antragstellerin also 5.926 EUR, im Ergebnis 2.326 EUR mehr als das festgesetzte Kirchgeld in Höhe von 3.600 EUR. Zudem wird das Kirchgeld überhaupt erst ab der nicht unbeträchtlichen Einkommenshöhe von 30.000 EUR erhoben und berücksichtigt damit ausreichend, dass der Lebensführungsaufwand bei geringerem Familieneinkommen eingeschränkt ist. Von einem Einkommen in Höhe von mehr als 300.000 EUR an steigt das Kirchgeld nicht mehr und trägt so dem Umstand Rechnung, dass ab einer gewissen Höhe das Einkommen typischerweise nicht mehr in vollem Umfang zur Deckung des laufenden Unterhaltsbedarfs und damit zur Lebensführung verwendet wird, sondern auch und gerade zur Vermögensbildung (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 18. Juni 2004 1 K 6487/02 Ki, EFG 2004, 1547 <1549>, bestätigt durch BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 I R 76/04, BStBl II 2006, 274).

2.2 Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG bzw. des Art. 118 BV liegt nicht vor, auch wenn das besondere Kirchgeld - wie von den Prozessbevollmächtigten herausgestellt - nur von Kirchensteuerpflichtigen erhoben wird, die in glaubensverschiedener Ehe leben. Einheitlich in allen Bundesländern haben der staatliche und der kirchliche Gesetzgeber das besondere Kirchgeld bewusst als "Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe" definiert.

2.2.1 Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Der Gesetzgeber hat hierbei einen weiten Ermessensspielraum, seine Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo kein einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung besteht. Er überschreitet nicht die von Art. 3 GG gezogenen Grenzen seiner gesetzgeberischen Freiheit, wenn er im Einzelfall nicht die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung findet (ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. Beschluss vom 6. Dezember 1983 2 BvR 1275/79, BStBl II 1984, 72 <77>).

2.2.2 Den "einleuchtenden Grund" für die unterschiedliche Besteuerung von Kirchenangehörigen, die nicht mit einem konfessionsgleichen oder konfessionsverschiedenen Ehepartner in einer konfessionsgleichen oder konfessionsverschiedenen Ehe, sondern mit einem konfessionslosen Ehepartner in einer glaubensverschiedenen Ehe zusammenleben (vgl. hierzu Art. 9 BayKirchStG), hat das Bundesverfassungsgericht in seinem oben unter Ziffer 2.1.1 zitierten Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvR 413/60, 416/60 (BStBl I 1966, 187) selbst genannt; und er lässt sich augenfällig auch aus den vorstehend unter Ziffer 1.2 und Ziffer 2.1.5 dargestellten Vergleichsberechnungen entnehmen.

Würde der Ehemann der Antragstellerin ebenfalls einer umlageerhebenden Religionsgemeinschaft angehören, hätten die Eheleute im Jahr 2005 auf der Grundlage ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens von 391.912 EUR und der daraus errechneten Kirchensteuerbemessungsgrundlage von 148.167 EUR insgesamt (148.167 x 8% =) 11.853 EUR Kirchensteuer bezahlt, entweder an die gleiche Kirche (konfessionsgleiche Ehe) oder an zwei verschiedene umlageerhebende Kirchen (konfessionsverschiedene Ehe), unabhängig davon, wie sich die Einkünfte im Einzelnen auf die Ehegatten verteilen.

Gehört hingegen der Ehemann der Antragstellerin - wie vorliegend - keiner Kirche an (glaubensverschiedene Ehe), und ist er der (fast) Alleinverdiener, bliebe die evangelische Antragstellerin - ohne das besondere Kirchgeld - (fast) kirchensteuerfrei, obwohl sie die verschiedenen von der Kirche angebotene Leistungen (für die Kinder etwa Möglichkeit des Besuchs kirchlicher Kindergärten oder Schulen, Teilnahme an der Konfirmation; kirchliches Begräbnis) beanspruchen kann. Um hier mehr Finanzierungsgerechtigkeit zu schaffen (vgl. FG Bremen, Urteil vom 14. Januar 2004 2 K 223/03 (1), EFG 2004, 587 <591>) hat sich (zuletzt auch) die Evangelische Landeskirche in Bayern zur Einführung des besonderen Kirchgelds entschlossen, das vorliegend das gemeinsam zu versteuernde (Familien-)Einkommen der Eheleute im Jahr 2005 in Höhe von 391.912 EUR mit 3.600 EUR (= 0,92%) belastet, ohne Berücksichtigung des steuerlichen Vorteils, der sich durch die Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG ergibt.

2.3 Gegen die Erhebung eines besonderen Kirchgeldes bestehen auch im Übrigen keine rechtlichen Bedenken. Eine aktuelle [...]Abfrage zum Kurztext "besonderes Kirchgeld" listet insgesamt 44 Gerichtsentscheidungen auf (davon 1x BVerfG, 1x BVerwG, 10x BFH), in denen einheitlich die Verfassungsmäßigkeit des besonderen Kirchgelds bejaht wird.

Die erneut beim Bundesverfassungsgericht in Sachen besonderes Kirchgeld (in Nordrhein-Westfalen) anhängig gemachte Verfassungsbeschwerde vom 25.07.2006 (Az. 2 BvR 591/06 ) - gegen das BFH-Urteil vom 21. Dezember 2005 I R 44/05 ([...]Dokument Nr. STRE200650330), Vorinstanz FG Köln, Urteil vom 11. Mai 2005 11 K 6619/02 ([...]Dokument Nr. STRE200571015) - führt zu keiner anderen Beurteilung. Sie begründet insbesondere keinen Anspruch auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide.

III.

Soweit die Prozessbevollmächtigten auch beantragt haben, die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben, ist dieser Antrag unzulässig.

Da für rückständige Kirchensteuern von den Evang.-Luth. Kirchensteuerämtern in Bayern seit einem im Oktober 1994 gefassten Vorstandsbeschluss keine Säumniszuschläge (mehr) erhoben werden, fehlt für den Antrag der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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