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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 23.01.2009
Aktenzeichen: 7 K 1714/2007
Rechtsgebiete: EStG, AO, BGB


Vorschriften:

EStG § 63 Abs. 1
AO § 8
BGB § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 7. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 23.01.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin und ihre Kinder ihren inländischen Wohnsitz trotz eines längeren Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten von Amerika beibehalten haben.

Die Klägerin war im Streitzeitraum mit einem amerikanischen Soldaten verheiratet, der sich im November 1984 für 20 Jahre bei der Army verpflichtet hatte und bis zu seiner Versetzung in die Vereinigten Staaten im Jahr 1998 in 1 stationiert war. Sie hatte mit ihm im Streitzeitraum drei Söhne, und zwar A , geboren am 15.02.1991, B , geboren am 16.10.1994, und C , geboren am 11.09.2003, für die sie im Streitzeitraum Kindergeld bezog. Die Klägerin besuchte ihren Ehemann in der Folgezeit in den Vereinigten Staaten. Bereits Ende 1998 vermutete die Familienkasse, die Klägerin wolle ihren Wohnsitz in die Vereinigten Staaten verlegen; diese Vermutung bestätigte sich damals nicht. Zum Jahresbeginn 1999 zog die Klägerin mit A und B innerhalb 2 s in das von ihr errichtete Haus Str. 1.

Im Erdgeschoss des Hauses wurden in der Zeit vom 1.10.2003 - 30.9.2005 weder Erdgas noch Wasser verbraucht. Die Klägerin vermietete eine Einliegerwohnung im Untergeschoss (78 m²) des Anwesens Str. 1, 2 vom 1.1.2000 - 1.2.2005 an eine Frau D. Den größten Teil des Dachgeschosses (151 m²) vermietete sie am 7.1.2003 ab dem 1.1.2003 an ein Ehepaar E. In dem Mietvertrag ist keine Mietdauer angegeben, aber die Angabe angekreuzt, dass keine Verlängerungsklausel bestehe und weiter angegeben, dass die Vermieterin die Räume nach Ende des Mietvertrages für A und B nutzen wolle. Am 26.8.2005 zog das Ehepaar E wieder aus.

A und B besuchten bis Februar 2003 die Volksschule 2. Die Klägerin meldete A und B dort Ende Februar 2003 ab und reiste mit ihnen in die Vereinigten Staaten aus.

Die Klägerin kam im Frühsommer 2003 nach Deutschland zurück, wo sie sich am 4.6.2003 einer ärztlichen Untersuchung wegen ihrer Schwangerschaft unterzog.

Der Sohn C wurde am 11.9.2003 in den Vereinigten Staaten im { } Texas, geboren.

Mit Antrag vom 27.10.2003, eingegangen bei der Familienkasse am 11.11.2003, beantragten die Klägerin und ihr Ehemann Kindergeld für C.

Am 23.1.2004 wurde C bei einem Kinderarzt in Deutschland untersucht. Am 28.1.2004 meldete die Klägerin C bei der Gemeinde 2 an. Sie gab dabei als Einzugsdatum den 21.1.2004 an. Aufgrund der Vorlage der Meldebescheinigung zahlte die Familienkasse der Klägerin ab Januar 2004 Kindergeld auch für C.

Mit Marschbefehl vom 17.2.2004 wurde die Verlegung der Einheit, welcher der Ehemann der Klägerin angehörte, für eine Dauer von 365 Tagen oder bis zur bestimmungsgemäßen Erfüllung des Auftrags in den Nahen Osten angeordnet, um an der Operation "Iraqui Freedom" teilzunehmen. Der Einsatz begann am 16.3.2004. Anfang 2004 fragte der Ehemann der Klägerin nach eigenen Angaben bei der Army an, ob auch in seinem Fall die Möglichkeit bestehe, 120 Tage vor dem offiziellen Dienstzeitende (November 2004) auszuscheiden. Er erhielt nach eigenen Angaben im Juni 2004 die Nachricht, dass er bis auf Weiteres bleiben müsse.

Nach der erneuten Einreise in die Vereinigten Staaten Anfang 2004 beantragte die Klägerin am 11.03.2004 die Erlaubnis zu einem dauerhaften Aufenthalt ("permanent residence"). Am 26.10.2004 wurde ihr zunächst eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis für die Vereinigten Staaten bis zum 25.10.2005 und danach eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bis zum 8.11.2014 erteilt.

Ende August 2005 kehrte die Klägerin mit ihrer Familie nach 2 zurück. Ab dem 13.09.2005 besuchten A und B die Hauptschule in 2.

Am 04.08.2006 wurde der Familienkasse mitgeteilt, dass die Klägerin mit ihren Kindern drei Jahre lang in den Vereinigten Staaten gewesen sei und ihren Wohnsitz in Deutschland nur wegen des Kindergeldes gemeldet habe. Nachdem die Familienkasse in Erfahrung gebracht hatte, dass A und B ab März 2003 die Schule in 2 nicht mehr besucht hatten, hörte sie die Klägerin mit Schreiben vom 06.10.2006 zu einer möglichen Rückforderung des Kindergeldes an.

Mit Bescheid vom 16.11.2006 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für A und B ab März 2003 und für C ab September 2003 auf und forderte von der Klägerin 12.936 EUR zurück.

Auf den Einspruch der Klägerin vom 18.12.2006 schränkte die Familienkasse die Rückforderung insofern ein, dass für C das Kindergeld erst ab Januar 2004 zurückgefordert wurde. Der Rückforderungsbetrag reduzierte sich damit auf 12.320 EUR. Im Übrigen wies die Familienkasse den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21.09.2007 zurück. Sie begründete sie im Wesentlichen damit, dass die Kinder der Klägerin im Streitzeitraum in den Vereinigten Staaten gelebt und damit ihren Wohnsitz außerhalb Deutschlands gehabt hätten; auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten die Kinder nicht in Deutschland gehabt.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 24.10.2007. Die Klägerin trägt vor, im April 1998 sei ihr Ehemann, der zuvor bei der US-Army in 1 stationiert gewesen sei, in die Vereinigten Staaten versetzt worden. Sie habe ihn in dieser Zeit öfter besucht. Ihr Ehemann habe versucht, wieder nach Deutschland zurückversetzt zu werden, was jedoch wegen der Ereignisse in den Vereinigten Staaten (11. September) und dem nachfolgenden Irak-Krieg nicht möglich gewesen sei. Ein längerer Aufenthalt in den Vereinigten Staaten sei zu keiner Zeit geplant gewesen, weshalb auch die Wohnung in Deutschland nicht aufgegeben worden sei. Deren Kosten seien weitergelaufen. Der Aufenthalt sei zunächst nur für die Zeit von März 2003 bis Sommer 2003 geplant gewesen. Sie habe in dieser Zeit mit ihrer Familie in einer von der Army zugewiesenen Wohnung gelebt; eine Mietwohnung sei nicht gesucht worden. Im Sommer 2003 sei sie mit ihren Kindern zurück nach Deutschland geflogen, damit diese hier wieder in die Schule gehen könnten; sie sei jedoch im September 2003 mit ihren Kindern wieder in die USA geflogen, wobei geplant gewesen sei, dort bis Ende des Jahres 2003 zu verbleiben, weil der Ehemann sodann aus der Armee habe entlassen werden sollen. Wegen des Irak-Krieges sei er jedoch nicht entlassen worden, sondern sein Dienst sei verlängert worden. Sie sei dann mit C im Januar 2004 nach Deutschland gereist. Bei der Rückkehr in die Vereinigten Staaten Anfang März 2004 habe sie Schwierigkeiten bekommen; ihr sei auferlegt worden, sich einem Einwanderungsverfahren zu unterziehen, um ein lebenslanges Einreiseverbot zu vermeiden. Dieses Verfahren habe sich hingezogen, bis ihr Ende Oktober 2004 eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt worden sei. Schließlich sei die Entlassung des Ehemannes im August 2005 erfolgt und die Familie endgültig im August 2005 nach Deutschland zurückgekehrt.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie und ihre Kinder hätten ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten. Die vollständig ausgestattete Wohnung in 2 habe jederzeit als "Bleibe" dienen können und sei auch genutzt worden. Sie erfülle somit den Begriff des Wohnsitzes nach § 8 AO. Sie habe sich mit ihren Kindern während des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes über längere Zeiträume in Deutschland aufgehalten. Als Belege für diese Angaben könnten Flugtickets nicht vorgelegt werden, weil sie nicht mehr vorhanden seien. Auch sei die Vorlage von Reisepässen nicht möglich, weil diese Pässe zwischenzeitlich erneuert und die alten Pässe durch die Gemeinde einbehalten worden seien.

Die Klägerin beantragt,

den Verwaltungsakt vom 16.11.2006 über die Aufhebung der Festsetzung und Rückforderung von Kindergeld sowie die Einspruchsentscheidung vom 21.09.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezweifelt, dass die Wohnung der Klägerin und ihrer Familie während des Auslandsaufenthaltes überhaupt zur Verfügung stand, da das der Klägerin gehörende Haus auch anderweitig habe genutzt worden sein können. Es fehle, abgesehen von der Arztrechnung aus dem Juni 2003, an den erforderlichen Nachweisen für die von der Klägerin angegebenen Inlandsaufenthalte. Im Hinblick auf die Einschränkungen der Fluggesellschaften für den Transport Schwangerer habe die Klägerin spätestens zwei Monate vor der Geburt C s in die Vereinigten Staaten zurückfliegen müssen. Außerdem seien Visa für Aufenthalte von einer Dauer von über 90 Tagen notwendig gewesen. Nachweise für einen Aufenthalt der Kinder während des Streitzeitraums in Deutschland seien, abgesehen von der ärztlichen Untersuchung C s im Januar 2004, nicht vorgelegt worden. Nach Ansicht der Beklagten ist es nicht ausreichend, über eine Wohnung im Inland zu verfügen. Sie müsse auch regelmäßig genutzt werden. Je länger ein Auslandsaufenthalt dauere, um so häufiger und länger müssten die Inlandsaufenthalte sein, damit noch von einem zwischenzeitlichen "Wohnen" im Inland gesprochen werden könne.

Der Senat hat durch Zeugeneinvernahme Beweis erhoben zu der Frage, ob die Söhne der Klägerin B und A sie bei den Aufenthalten in Deutschland im Sommer 2003 und Januar/Februar 2004 begleitet haben. Auf die hierüber in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2009 gefertigten Niederschriften wird ebenso Bezug genommen wie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 07.11.2008.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

In der Zeit von März 2003 - August 2005 fehlt es an einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder der Klägerin A, B und C im Inland.

1.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG werden Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben, nicht für Zwecke des Kindergeldes berücksichtigt.

Einen Wohnsitz in diesem Sinne hat nach § 8 AO jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Die Wohnung muss also objektiv dem Inhaber jederzeit, d.h. wann immer er es wünscht, als Bleibe zur Verfügung stehen und von ihm subjektiv zu einer entsprechenden Nutzung auch bestimmt sein. Aus der Sicht des jeweils in Rede stehenden Zeitraums sind im Rahmen einer Prognose aus objektiven Tatsachen Schlüsse auf das künftige Verhalten einer Person zu ziehen (BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BStBl II 2001, 294). Für die Beibehaltung einer Wohnung in diesem Sinne spricht es, wenn der Betroffene diese Wohnung, die er vor und nach einem Auslandsaufenthalt als einzige ständig nutzt, während dieses Aufenthalts unverändert und in einem ständig nutzungsbereiten Zustand bereithält (BFH-Urteil vom 19.03.1997 I R 69/96, BStBl II 1997, 447). So führen kürzere Auslandsaufenthalte nicht von vornherein zu einer Aufgabe der Wohnung.

Bei längeren Auslandsaufenthalten ist ein "zwischenzeitliches Wohnen" in der bisherigen Wohnung erforderlich. Hierfür wiederum genügt nicht, dass der Wohnungsinhaber, der sich dauernd und langfristig mit seiner Familie im Ausland aufhält, nur gelegentlich im Urlaub oder zu Besuchszwecken die beibehaltene Wohnung nutzt (vgl. BFH-Urteil vom 12.01.2001 VI R 64/98, BFH/NV 2001, 1231).

Für minderjährige Kinder gilt: Zwar können sie aufgrund der Gestaltung der tatsächlichen Verhältnisse abweichend vom Willen ihres gesetzlichen Vertreters einen Wohnsitz begründen (BFH-Urteil vom 22.04.1994 III R 22/92, BStBl II 1994, 887). Fehlt es jedoch an solchen abweichenden Gestaltungen, verbleibt es in der Regel bei der bürgerlich-rechtlichen Bestimmung, dass Kinder den Wohnsitz der Eltern teilen (§ 11 Bürgerliches Gesetzbuch). Haben die Eltern mehrere oder unterschiedliche Wohnsitze, dann kommen auch für das minderjährige Kind mehrere Wohnsitze in Betracht (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1997, 447).

2.

Im vorliegenden Fall haben nach den tatsächlichen Umständen die Klägerin und ihre Kinder ihren Wohnsitz im Streitzeitraum nicht in Deutschland ( 2 ) gehabt.

a)

Der Klägerin und ihrer Familie stand während des Aufenthalts in den Vereinigten Staaten zwar eine Wohnung im Erdgeschoss des Anwesens Str. 1 in 2 zur Verfügung; das Untergeschoss und der erste Stock mit den Kinderzimmern waren in der Zeit von März 2003 - August 2005 vermietet. Das Erdgeschoss als solches kommt als Wohnung für eine fünfköpfige Familie durchaus in Betracht und war nach Überzeugung des Senats auch unverändert möbliert und nicht anderweitig genutzt.

b)

Nach den Umständen des Falles war aber für den Streitzeitraum nicht von einer Beibehaltung und tatsächlichen Nutzung dieser Wohnung durch die Klägerin und ihre Kinder auszugehen. Die Klägerin und ihre Kinder haben nach Überzeugung des Senats Ende Februar 2003 ihren Wohnsitz - wenn auch auf Zeit - in die Vereinigten Staaten verlegt. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin von Anfang an einen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten zumindest bis zum damals erwarteten Ende der Dienstzeit ihres Mannes (November 2004, ggf. abzüglich der 120 Tage im Fall einer vorzeitigen Entlassung) plante.

aa)

Der Senat stützt diese Überzeugung in erster Linie auf die Abmeldung von A und B zur Mitte des Schuljahres aus der Schule. Wäre es der Klägerin allein um kurzzeitige Kontakte der Familie zum in den Vereinigten Staaten stationierten Vater gegangen, wären auch Besuche mit den Kindern in den Vereinigten Staaten während der Ferien oder Besuche des Vaters - ein solcher wurde für den Sommer 2003, wenn auch erst in der mündlichen Verhandlung am 23.1.2009, vorgetragen - in Deutschland möglich gewesen. Der Wechsel in ein anderes Schulsystem ist mit erheblichen Belastungen für die Kinder verbunden. Das lässt darauf schließen, dass die Klägerin einen längerfristigen Aufenthalt in den USA geplant hatte. Die Behauptung der Klägerin, die Kinder seien zunächst nur für einige Monate aus der Schule genommen worden, hält der Senat nicht für glaubhaft. Ein mehrfacher Wechsel des Schulsystems hätte schulischen Erfolgen der Kinder erheblich entgegengestanden. Hiermit deckt sich auch die von der Klägerin angegebene Kontaktaufnahme mit der Schule wegen eines Schulbesuchs von A und B beim Aufenthalt in Deutschland im Juni 2003. Im Hinblick auf die Schulpflicht hätte die Schulbehörde die Kinder, wenn sie von einem Wohnsitz in Deutschland ausgegangen wäre, nicht abweisen dürfen. Die der Klägerin angeblich erteilte Auskunft, die Kinder bräuchten während des Deutschlandaufenthalts nicht in die Schule zu gehen, ist nur so erklärbar, dass die Klägerin auch der Schule gegenüber einen für längere Zeit geplanten Aufenthalt in den Vereinigten Staaten angegeben haben muss, so dass es sich auch aus Sicht der Schulbehörde um einen reinen Ferienbesuch in Deutschland handelte.

bb)

Dieser erhebliche Einschnitt in das nicht nur schulische Leben der Kinder steht zudem in einem augenfälligen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem seinerzeit drohenden und am 20.3.2003 schließlich beginnenden Irak-Krieg. Die Klägerin wollte offensichtlich den Kindern eine gemeinsame Zeit mit dem Vater ermöglichen. Insbesondere das Risiko eines eventuellen Irakeinsatzes, der für ihren Ehemann zwar noch nicht konkret angeordnet, aber als Möglichkeit im Raum stand, legte eine solche Planung nahe. Außerdem konnte dann auch der Ehemann zur Zeit der Geburt C s bei seiner Familie sein.

cc)

Hinzu kommt, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2008 angegeben hat, ihr Sohn A habe - bedingt durch die mit der Trennung vom Vater einhergehenden seelischen Nöte - Inkontinenzprobleme bekommen, so dass es angezeigt gewesen sei, ihm ein Zusammenleben mit dem Vater zu ermöglichen. Auch dieser Hinweis spricht für das Vorhaben eines längeren Zusammenlebens der Familie in den USA.

Hiermit stimmt die Aussage der Zeugin Samorski überein, wonach die Klägerin ihr als Motiv für die Ausreise gesagt habe, es solle einmal wieder "Familienleben herrschen". Soweit diese Zeugin jedoch in diesem Zusammenhang (auf Nachfrage) angab, es seien nur kurze USA-Aufenthalte geplant gewesen, ist dies für den Senat schon in Anbetracht der vorstehend gekennzeichneten Umstände (Irak-Krieg; Schulbesuche der Kinder) nicht nachvollziehbar.

dd)

Die Planung des Aufenthalts in den Vereinigten Staaten für eine Dauer von mindestens eineinhalb Jahren wird außerdem bestätigt durch die Angabe der Zeugin { } , die in der mündlichen Verhandlung am 23.1.2009 angegeben hat, die Klägerin habe ihr gegenüber vor der Abreise in die Vereinigten Staaten im Frühjahr 2003 erklärt, sie wolle für zwei Jahre in die Vereinigten Staaten gehen. Diese Aussage ist glaubhaft, zumal die Angabe erkennbar aus dem Zusammenhang der Erinnerung an die damaligen Begegnungen (d.h. vor der Ausreise der Klägerin im Februar/März 2003) geschöpft war. Die Zeugin gab sogar an, zunächst gefragt zu haben, ob die Klägerin überhaupt nach Deutschland zurückkommen wolle; diese habe dann erwidert, sie komme auf jeden Fall nach zwei Jahren beim Dienstende des Ehemannes zurück. Die fehlende Erinnerung der übrigen Zeuginnen und des Zeugen, insbesondere der Eltern, an Gespräche mit der Klägerin über die geplante Dauer des Aufenthalts ist demgegenüber nach Auffassung des Senats nicht nachvollziehbar. Die Frage nach der Dauer des Aufenthalts drängt sich einem Gesprächspartner, dem ein Freund oder Angehöriger erklärt, er wolle in die Vereinigten Staaten gehen, geradezu auf. Diese Frage muss die Eltern als nahe Angehörige besonders bewegt haben, zumal sie sich um das Haus und die Mietangelegenheiten kümmern wollten.

ee)

Ein weiteres Indiz für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts bis Ende August 2005 ist die Vermietung des Dachgeschosses durch die Klägerin. Ein mögliches Motiv für eine solche Vermietung kann zwar auch sein, dass die Kinderzimmer erst benötigt werden, wenn die Kinder bereits größer sind. Dieses Motiv ist aber schon im Hinblick auf das Alter von A und B ausgeschlossen. Die problemlose Beendigung des Mietverhältnisses Ende August 2005 zeigt, dass das Mietverhältnis von vornherein auf die Dauer des Auslandsaufenthaltes der Klägerin und ihrer Kinder angelegt war.

Mit Ausreise in die Vereinigten Staaten Ende Februar 2003 gaben die Klägerin und ihre Kinder daher ihren Wohnsitz in 2 auf.

c)

Dieser Würdigung stehen die späteren Aufenthalte der Klägerin im Sommer 2003 bzw. Januar 2004 nicht entgegen.

aa)

Fraglich ist schon, ob den Angaben der Klägerin und der Zeuginnen/des Zeugen zu folgen ist, bei beiden Aufenthalten seien die Söhne B und A dabei gewesen. Für diesbezügliche Zweifel spricht der Verlauf des Verfahrens: Die Klägerin hat noch im Verwaltungsverfahren zunächst nur von ihren Aufenthalten in Deutschland gesprochen (z.B. Schriftsätze vom 06.07. und 09.08.2007). Erstmals mit Schriftsatz vom 29.08.2007 - nach entsprechenden Hinweisen durch den Sachbearbeiter - wird ausgeführt, die Klägerin sei im Juni 2003 "mit den beiden älteren Kindern für 4 bis 6 Wochen in Deutschland" gewesen. In demselben Schriftsatz wird im Übrigen ausgeführt, im Februar 2004 sei die Klägerin "diesmal mit dem jüngsten Kind" für ca. 4 Wochen in Deutschland gewesen.

Zu bedenken ist zudem, dass die Kinder inzwischen in den USA die Schule besucht hatten und es auch dort nicht so einfach sein dürfte, für mehrere Wochen dem Unterricht fernzubleiben. Zwar hat die Klägerin - nach entsprechenden Hinweisen durch den Senat - behauptet, sie habe bei ihrem Sommeraufenthalt 2003 versucht, beiden den Schulbesuch in 2 zu ermöglichen; dies sei jedoch nicht gelungen. Doch konnte sie auch nicht annähernd angeben, mit welcher zuständigen Person sie gesprochen habe.

bb)

Die genaue Dauer des Aufenthalts im Sommer 2003 ist nicht mehr feststellbar. Weder hat die Klägerin selbst eine genaue Erinnerung, noch konnten Flugtickets oder Reisepässe vorgelegt werden. Jedenfalls war die Klägerin am 4.6.2003 bei einer Ärztin in Deutschland. Die Zeuginnen und der Zeuge haben übereinstimmend bestätigt, dass A und B die Klägerin begleitet haben; Angaben zu konkreten Daten konnten sie aber nicht machen.

Erstmals wurde in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass der Ehemann der Klägerin im Sommer 2003 in Deutschland gewesen sei; der Ehemann gab diesbezüglich einen Zeitraum vom 20.6.2003 bis ca. 10.7.2003 an. Der Senat konnte jedoch nicht zu seiner Überzeugung feststellen, dass dem so gewesen ist. Denn während des gesamten bisherigen Verfahrens ist nie vorgetragen worden, dass auch der Mann der Kl.in bei einem der Besuche (also nach Februar 2003) zugegen gewesen sei. Die dahin gehende Behauptung erfolgte erstmals im Zusammenhang mit der Aussage der Zeugin E, die - insoweit nicht gesondert protokolliert - zunächst von d r e i Besuchen der Klägerin in Deutschland sprach, wobei sie angab, erst später festgestellt zu haben, dass die Klägerin bei ihrem - für die Zeugin vermeintlichen - zweiten Besuch mit C schwanger gewesen sei (die Klägerin habe ihr nach der Geburt Fotos geschickt). Jedenfalls sei sie bei dem e r s t e n Besuch "bei ihnen" (der Klägerin, ihrem Ehemann, den beiden Kindern und Freunden) zum Grillen gewesen. Die o.a. Verwechslung (die Klägerin brachte nach dem e r s t e n Besuch im Sommer 2003 C im Oktober 2003 zur Welt!) deutet darauf hin, dass die von der Zeugin erwähnte Grillfeier tatsächlich in einem früheren Jahr stattgefunden haben muss. Auch die übrigen Zeuginnen haben schließlich nicht angegeben, im Sommer 2003 den Ehemann der Klägerin gesehen zu haben. Auch bleibt zweifelhaft, ob Herr der Mann der Kl.in angesichts des bereits im Gange befindlichen Irak-Krieges noch einen Auslandsurlaub von 3 Wochen nehmen durfte.

Die Klägerin behauptete weiter, noch vier bis sechs Wochen länger in Deutschland geblieben zu sein. Auch diese Angabe hält der Senat jedenfalls insofern nicht für glaubhaft, als es um die Anwesenheit der Kinder geht, die - wie ausgeführt - inzwischen in den USA die Schule besuchen mussten. Deswegen ist es auch unerheblich, dass die Klägerin bei einem errechneten Geburtstermin am 4.10.2003 nach den üblichen Vorgaben von Fluggesellschaften noch bis Anfang September den Flug hätte antreten können. Wollte man den Angaben der Eltern der Klägerin folgen, die für den Sommer 2003 einen Aufenthalt von insgesamt 6 Wochen angegeben haben, dann muss man weiter davon ausgehen, dass die Klägerin nicht zusammen mit dem Ehemann und den Kindern in Deutschland gewesen bzw. - und wenn doch - einige Wochen nach ihnen allein in die Vereinigten Staaten zurückgeflogen ist. Trotz der nicht unerheblichen Dauer von 6 Wochen i h r e s Aufenthalts stand dieser einer Verlegung ihres Wohnsitzes in die USA nicht entgegen, sondern entsprach eher einem Ferienaufenthalt. Noch mehr gilt dies für den Wohnsitz der Kinder, die nach Überzeugung des Senats (s.o.) bei diesem Besuch entweder überhaupt nicht dabei gewesen sind oder die Klägerin nicht über einen Zeitraum von 6 Wochen (oder gar länger) begleitet haben können.

cc)

Die Länge des Aufenthaltes der Klägerin im Januar 2004 ist noch ungewisser als die des Aufenthaltes im Sommer 2003. Anlass der Reise war offensichtlich der 60. Geburtstag der Mutter der Klägerin am 26.1.2004. Flugtickets und Passeintragungen liegen auch diesbezüglich nicht vor. Die Mutter der Klägerin konnte sich an die Dauer des Aufenthalts nicht erinnern; der Vater der Klägerin sprach von einer Dauer von ebenfalls rd. sechs Wochen. Er konnte sich aber auf Befragen nicht erinnern, ob die Klägerin und ihre Kinder bereits an Weihnachten oder über den Jahreswechsel in Deutschland gewesen wären, was nach den eigenen Angaben der Klägerin nicht der Fall war. Es steht lediglich fest, dass die Klägerin C am 23.1.2004 bei einem Kinderarzt in Deutschland hat untersuchen lassen und ihn am 28.1.2004 in 2 angemeldet hat. Auffallend ist, dass im Erdgeschoss des Hauses der Klägerin in der Zeit vom 1.10.2003 - 30.9.2005 nach den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen der Firma { } weder Gas noch Wasser verbraucht wurde. Nach den gesamten Umständen ist daher auch diesbezüglich nicht glaubhaft, dass die Klägerin tatsächlich mit A und B in Deutschland war. Sie selbst hat während des schriftlichen Verfahrens stets einen Besuch allein mit C angegeben. Soweit sie erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2008 sowie die Zeuginnen und der Zeuge ausgesagt haben, auch bei diesem Aufenthalt seien A und B zugegen gewesen, ist ihnen schon wegen dieser ins Auge fallenden Unstimmigkeiten nicht zu glauben. Hinzu kommen die Bedenken des Senats wegen des Schulbesuchs der beiden in den USA (siehe zu aa). Zutreffend ist daher nach Überzeugung des Senats der Besuch der Klägerin im Januar 2004 a l l e i n mit C. Zudem ist hoch wahrscheinlich, dass sie mit ihm im Hause ihrer Eltern übernachtet hat, auch wenn dies von ihr selbst und den Eltern bestritten worden ist. Anders lässt sich das Fehlen jeglichen Verbrauchs bei Heizung und Warmwasser auch in der Periode 1.10.2003 - 30.9.2004 nicht erklären. Letztlich geht der Senat von einem kurzen Besuch von bis zu zwei Wochen aus. Dieser Aufenthalt war ein reiner Besuchsaufenthalt und führte nicht zur Beibehaltung des Wohnsitzes.

dd)

Angesichts der Überzeugung des Senats, dass die Klägerin bereits bei der Ausreise im März 2003 vor hatte, den Wohnsitz auch der Kinder in die USA zu verlegen, kommt es auf den - aus Sicht der Klägerin zwangsläufigen - Aufenthalt in den Vereinigten Staaten nach der Rückkehr im Januar/Februar 2004 nicht an. Im Übrigen mögen der Klägerin tatsächlich erhebliche Schwierigkeiten aufgrund einer vorangegangenen eventuellen Überschreitung eines Visums gedroht haben, denen sie durch die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis zu entgehen versuchte. Selbst wenn es aus Sicht der Klägerin notwendig war, den Ausgang des Verfahrens in den Vereinigten Staaten abzuwarten, stellte ein solches Verfahren kein Hindernis an der Ausreise, sondern allenfalls für eine Wiedereinreise dar. Die Entscheidung der Klägerin, mit den Kindern in den Vereinigten Staaten zu bleiben, war eine freie Entscheidung, die nach den Kriterien des § 8 AO den Verlust des Wohnsitzes auch dann nicht hätte verhindern können, wenn der Wohnsitz bis zu diesem Zeitpunkt noch in Deutschland bestanden hätte. Ganz im Gegenteil deutet die Beantragung einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis darauf hin, dass die Beziehungen nach Deutschland sich weiter gelockert hatten. So vergingen weitere 17 Monate bis zur endgültigen Rückkehr ohne erneute Aufenthalte in Deutschland, obwohl diese spätestens nach der Erteilung der vorläufigen Aufenthaltserlaubnis am 26.10.2004 möglich gewesen wären. Da der Ehemann der Klägerin sich zu dieser Zeit im Irak befand, war auch die Familienzusammenführung als Grund für den Aufenthalt in den Vereinigten Staaten entfallen. Das Verbleiben der Klägerin und ihrer Kinder in den Vereinigten Staaten über diesen Zeitpunkt hinaus belegt deutlich die von Anfang an vorhandene Absicht, bis zum Dienstzeitende des Ehemannes in den Vereinigten Staates zu bleiben (und ggf. die sich anschließende Entwicklung der Dinge im Zusammenhang mit einer Stellensuche durch ihn in den USA abzuwarten).

A, B und C hatten daher während des Streitzeitraums keinen Wohnsitz in Deutschland.

Die Klage war somit abzuweisen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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