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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 21.10.2008
Aktenzeichen: 7 K 773/08
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 77 Abs. 1
EStG § 77 Abs. 2
AO § 118
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 7. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

ohne mündliche Verhandlung

am 21.10.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die beklagte Familienkasse dem Kläger die Kosten für ein vorangegangenes Tätigwerden des Klägervertreters zu ersetzen hat.

Der Kläger bezog Kindergeld für seine Tochter A, geb. 11.9.1982. Die Familienkasse forderte den Kläger im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung mit Schreiben vom 19.6.2007 auf, Nachweise für das Fortbestehen der Behinderung von A und über die Höhe ihrer Einkünfte und Bezüge vorzulegen; um eine Unterbrechung der Kindergeldzahlung zu vermeiden, seien die Unterlagen innerhalb von vier Wochen vorzulegen. Mit Einschreiben vom 27.6.2007, eingegangen bei der Familienkasse am 29.6.2007, reichte der Kläger eine Kopie des Schwerbehindertenausweises (Merkzeichen G, Grad der Behinderung 90%) und Gehaltsabrechnungen ein. Am 18.7.2007 übersandte er erneut eine Kopie des Schwerbehindertenausweises. Trotzdem stellte die Familienkasse ab August die Kindergeldzahlungen für A ein; der Kläger erhielt am 10.8.2007 nur noch Kindergeld für sein zweites Kind. Daraufhin erhob er mit Schreiben vom 16.8.2007, eingegangen am 21.8.2007, "Widerspruch gegen die Rücknahme des Kindergeldes". Mit Schreiben vom 11.9.2007 gab er an, er habe die notwendigen ärztlichen Unterlagen eingereicht. A sei weiter außerstande, alleine ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Er verlange daher die Fortzahlung des Kindergeldes. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.9.2007 wies die Familienkasse den Einspruch des Klägers als unzulässig zurück, da es sich beim angefochtenen Schreiben nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe.

Mit Schreiben vom 25.9.2007 forderte die Familienkasse ein aktuelles ärztliches Gutachten an. Die Rehastelle der Bundesagentur für Arbeit kam am 9.10.2007 nach Aktenlage zur Auffassung, dass A in der Lage sei, eine 15 Stunden umfassende Beschäftigung auszuüben.

Mit Schreiben vom 11.10.2007 wandte sich nunmehr der Klägervertreter unter Vorlage einer am 27.9.2007 vom Kläger unterschriebenen Vollmacht an die Familienkasse und legte die Kopie des Schwerbehindertenausweises, die Anforderung des Versorgungsamtes, den Ausweis zur Verlängerung vorzulegen, und die Gehaltsabrechnung für August 2007 vor. Mit Schreiben vom 16.10.2007 erläuterte die Familienkasse dem Klägervertreter, dass aufgrund der Einschätzung der Rehastelle ein aktuelles ärztliches Gutachten erforderlich sei. Mit Schreiben vom 18.12.2007 vertrat der Klägervertreter die Auffassung, die Ursächlichkeit von A s Behinderung für die Unmöglichkeit, eine gewöhnliche Arbeit zu finden, sei im Hinblick auf den Änderungsbescheid vom 27.5.2002, der den Grad der Behinderung von 100% auf 90% herabsetzte und das Merkzeichen H entfallen ließ, "offensichtlich". Mit Schreiben vom 23.1.2008 legte er ein ärztliches Attest vor, wonach A außer Stande sei, selbst und alleine für ihren Lebensunterhalt zu sorgen und eine Vollzeitbeschäftigung unter den Bedingungen des normalen Arbeitsmarktes auszuüben. Daraufhin stellte die Familienkasse mit Bescheid vom 28.1.2008 fest, dass A als behindertes Kind berücksichtigt werde, und kündigte eine Nachzahlung für die Zeit von August 2007 - Januar 2008 an.

Mit Schreiben vom 4.2.2008 begehrte der Klägervertreter die Übernahme von Kosten i. H. v. 1.150,02 EUR. Die Familienkasse teilte ihm mit Schreiben vom 18.2.2008 mit, dass die Kosten nicht nach § 77 EStG erstattungsfähig seien, da diese Vorschrift das Vorliegen eines Einspruchsverfahrens voraussetze, das nicht vorgelegen habe. Mit Schreiben vom 7.4.2008, eingegangen am 8.4.2008, wies der Klägervertreter auf die Einspruchsentscheidung vom 24.9.2007 hin, die zeige, dass ein Einspruchsverfahren gelaufen sei. Da aufgrund der Einstellung der Kindergeldzahlung und der Nachzahlung aufgrund eines Bescheides mit Rechtsbehelfsbelehrung eine "Einspruchslage" bestanden habe, sei § 77 EStG analog anzuwenden. Die Familienkasse wies seinen Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 9.4.2008 als unbegründet zurück. Das damals durchgeführte Einspruchsverfahren habe nicht zu einem Erfolg geführt, sondern der Einspruch sei als unzulässig verworfen worden. Die Festsetzung des Kindergeldes sei nicht aufgehoben worden, sondern nur sicherheitshalber die Zahlung eingestellt worden, solange die erforderlichen Nachweise nicht vorgelegen hätten. Es habe sich bei der Zahlungseinstellung lediglich um einen Realakt gehandelt. Der Klägervertreter sei außerhalb dieses Rechtsbehelfsverfahrens tätig geworden. Dieses sei aber kostenfrei, wie sich im Umkehrschluss aus § 178 AO ergebe.

Mit seiner Klage vom 13.5.2008 begehrt der Kläger, vertreten durch den Klägervertreter, weiterhin die von diesem geltend gemachten Kosten. Die Einstellung der Kindergeldzahlungen sei eine Regelung eines Einzelfalles mit Außenwirkung gewesen. Folgerichtig habe die Familienkasse die Kindergeldzahlung nach Erlass eines förmlichen Bescheides wiederaufgenommen. Ein solcher Bescheid sei nach der Argumentation der Familienkasse nicht notwendig gewesen und zeige, dass diese selbst die Entscheidung über die Zahlungen als Verwaltungsakt ansehe. Das Verhalten der Familienkasse sei eine Umgehung des § 77 EStG, der zumindest analog anzuwenden sei.

Der Kläger beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 18.2.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9.4.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die dem Kläger im Vorverfahren bei der Erstreitung des Kindergeldes entstandenen Gebühren zu erstatten.

Die Familienkasse beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Familienkasse bleibt bei der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter gem. § 79a Abs. 3 und 4 FGO und ohne mündliche Verhandlung gem. § 90 Abs. 2 FGO einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, da die Entscheidung über die Kostenerstattung einen Verwaltungsakt i.S.d. § 118 Satz 1 AO darstellt.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 77 EStG.

1. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Familienkasse, soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist, demjenigen, der den Einspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt entsprechend für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung (BFH-Urteil vom 23.7.2002 VIII R 73/00, BFH/NV 2003, 25).

a) Im vorliegenden Fall lag zunächst weder eine (geänderte) Kindergeldfestsetzung noch die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung vor, sondern die beklagte Familienkasse hat lediglich im Rahmen einer Überprüfung vom Kläger Unterlagen angefordert, um festzustellen, ob die Behinderung bzw. deren Ursächlichkeit für das Fehlen der Möglichkeit, einen gewöhnlichen Arbeitsplatz zu finden, noch vorlagen und ob die Angaben zu den Einkünften und Bezügen A s noch zutreffend waren. Die diesbezügliche Anfrage beim Kläger vom 19.6.2007 war kein Verwaltungsakt. Nach § 118 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Das Schreiben der Familienkasse enthielt keine Aussage, ob in Zukunft für A Kindergeld gezahlt würde, sondern stellte lediglich eine Aufforderung an den Kläger zur Vorlage von Nachweisen dar. Die Zahlungsunterbrechung war ein bloßes Unterlassen der Zahlung und enthielt ebenfalls keine Regelung. Auch die Zusammenschau der Anfrage und der Zahlungsunterbrechung führen nicht zum Vorliegen einer Regelung, sondern das Schreiben vom 19.6.2007 stellt ausdrücklich einen Zusammenhang zwischen der fristgerechten Vorlage der angeforderten Unterlagen und der Vermeidung einer Unterbrechung der Zahlungen her. Der Begriff der "Unterbrechung" stellt unmissverständlich klar, dass es sich noch nicht um eine dauerhafte Zahlungseinstellung, sondern um eine vorläufige Maßnahme bis zum Ende der Überprüfung handelt. Es fehlt daher bereits an einer Kindergeldfestsetzung, die Gegenstand des ursprünglichen Einspruchsverfahrens hätte werden können. Der spätere Bescheid vom 28.1.2008 enthält zwar eine (erneute) Kindergeldfestsetzung; diese ist aber nicht Gegenstand eines Einspruchsverfahrens geworden. Bereits mangels Kindergeldfestsetzung ist der Tatbestand des § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG daher nicht erfüllt.

b) Der vom Kläger erhobene Einspruch war außerdem nicht erfolgreich. Der Kläger hat zwar im Ergebnis sein Ziel, weiter Kindergeld für A zu erhalten, erreicht. Der eingelegte Einspruch war hierfür allerdings nicht ursächlich, sondern wurde als unzulässig verworfen. Ein unzulässiger Einspruch ist nicht erfolgreich.

Damit ist der Tatbestand des § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht erfüllt, so dass kein Anspruch auf Kostenerstattung besteht.

2. Darüber hinaus wäre die Zuziehung des Klägervertreters nicht notwendig i.S.d. § 77 Abs. 2 EStG gewesen. Die Zuziehung eines Rechtsanwaltes kann begrifflich nur notwendig gewesen sein, wenn sie überhaupt stattgefunden hat. Der Klägervertreter wurde jedoch im Rahmen des Einspruchsverfahrens nicht zugezogen. Das Einspruchsverfahren war bereits abgeschlossen, bevor der Klägervertreter tätig oder auch nur vom Kläger mandatiert wurde. Gegen den nach dem Tätigwerden des Klägervertreters erlassenen Bescheid wurde kein Einspruch eingelegt.

3. Für eine Kostenerstattung für das Tätigwerden eines Rechtsbeistandes im Verwaltungsverfahren besteht keine gesetzliche Grundlage. Der Gesetzgeber hat sich in § 77 EStG erkennbar dafür entschieden, lediglich für das Einspruchsverfahren eine solche Möglichkeit vorzusehen. Diese Regelung ist eine - als solche eng auszulegende - Ausnahme, da im Steuerrecht das Einspruchsverfahren grundsätzlich kostenfrei ist und eine Kostenübernahme somit nicht in Betracht kommt. Eine zur Kostenerstattung berechtigende "Einspruchslage", wie sie der Klägervertreter zu erkennen glaubt, gibt es nicht, zumal kein Verwaltungsakt ergangen war. Der Klägervertreter war lediglich in einem laufenden Verwaltungsverfahren tätig.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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