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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 30.06.2009
Aktenzeichen: I 21/06
Rechtsgebiete: KStG, UmwStG, UmwG


Vorschriften:

KStG § 47
UmwStG § 20 Abs. 7
UmwStG § 20 Abs. 8
UmwStG § 20 Abs. 2
UmwG § 123
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 30.06.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob sog. "Überentnahmen", die während des Rückwirkungszeitraums im Sinne des § 20 Abs. 8 UmwStG a.F. getätigt wurden, wegen § 20 Abs. 7 UmwStG a.F. zwingend zu einer Aufstockung der Buchwerte führen.

Die Klägerin, die den Bau von Formen und Vorrichtungen betreibt, war mit notariellem Spaltungsplan vom 23.11.1999 rückwirkend gemäß § 20 Abs. 8 UmwStG a.F. zum steuerlichen Umwandlungsstichtag 30.06.1999/01.07.1999 aus der Firma A e.K. hervorgegangen.

Aufgrund einer steuerlichen Außenprüfung (BP-Bericht vom 21.03.2002) erließ das Finanzamt am 23.07.2002 geänderte Bescheide für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000. Die Körperschaftsteuer 1999 setzte es auf 1.735 DM (= 887,09 EUR), die Körperschaftsteuer 2000 auf 3.447 DM (= 1.762,42 EUR) fest, die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG stellte es zum 31.12.1999 (EK 40: 2.124 DM) und zum 31.12.2000 (EK 40: - 143 DM, EK 02: - 27.727 DM) gesondert fest, den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2000 auf 27.728 DM. Den Gewerbesteuermessbetrag 1999 setzte es aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung auf 390 DM (= 199,40 EUR) fest; den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2000 stellte es in Höhe von 19.434 DM (= 9.936 EUR) gesondert fest. Die Vorbehalte der Nachprüfung hob es auf.

Die Betriebsprüfung hatte u.a. folgenden Sachverhalt aufgegriffen:

In der Eröffnungsbilanz zum 01.07.1999 hatte die Klägerin einen Zwischenwertansatz gewählt; die Wirtschaftsgüter wurden um die jeweils enthaltenen stillen Reserven soweit aufgestockt, als die Passiva die Aktiva überstiegen.

Die während des Rückwirkungszeitraums (30.06.1999 - 23.11.1999) getätigten Entnahmen des Gesellschafters A i.H.v. 108.566,50 DM hatte die Klägerin auf dem Konto "Forderungen gegen Gesellschafter" verbucht; eine Aufdeckung stiller Reserven erfolgte insofern nicht.

Der Betriebsprüfer, dem das Finanzamt folgte, missbilligte diese Vorgehensweise und stockte die Buchwerte um 108.566,50 DM auf. Im BP-Bericht vom 21.03.2002, Seite 10, führte der Prüfer hierzu unter Tz. 1.15. ("Korrektur 1") aus (vgl. auch Anlage 9 des Bp-Berichts):

"Die während des Rückwirkungszeitraums der Einbringung auf dem "Forderungskonto Gesellschafter" verbuchten Entnahmen des Gesellschafters A sind gemäß § 20 Abs. 7 UmwStG bzw. Tz. 20.25 des BMF-Schreibens vom 25.03.98 (BStBl. I 1998, 268) bei der Aufstockung der Buchwerte zu berücksichtigen. Das Forderungskonto ist demnach aufzulösen."

Die Klägerin war mit dieser Sachbehandlung nicht einverstanden und legte gegen die nach Betriebsprüfung ergangenen Änderungsbescheide Einspruch ein. Zur Begründung trug sie u.a. vor, eine Zurechnung der in der Interimszeit vorgenommenen Entnahmen als tarifbegünstigter Einbringungsgewinn sei nach dem Gesetzeswortlaut nicht gerechtfertigt. Eine Begründung ergebe sich auch nicht aus dem zitierten BMF-Schreiben vom 25.03.1998 (a.a.O.).

Mit Einspruchsentscheidung vom 19.12.2005 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 19.01.2006 Klage erhoben.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, weder aus dem Gesetzeswortlaut des § 20 UmwStG a.F. noch aus dem Sinn und Zweck des UmwStG ergebe sich die vom Finanzamt vertretene Auffassung, die zulässigen "Überentnahmen" müssten bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag aufgestockt werden.

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG a.F. dürfe die Klägerin das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Buchwert oder einem höheren Wert ansetzen. Der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetze, gelte für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile (§ 20 Abs. 4 UmwStG a.F.). Der Gesetzgeber habe in § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG a.F. klar den Fall eines zwingenden Zwischenwertansatzes geregelt. Danach müsse zum steuerlichen Übertragungsstichtag (30.06.1999) ein Ansatz des Betriebsvermögens mindestens in der Höhe erfolgen, dass sich Passiv- und Aktivposten ausglichen.

In § 20 Abs. 7 Satz 1 UmwStG a.F. werde der Sonderfall der Rückwirkung geregelt. Entsprechend § 20 Abs. 7 Satz 1 UmwStG a.F. seien das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Kapitalgesellschaft auf Antrag so zu ermitteln, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtages auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Demzufolge sei zum 30.06.1999 auch § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG a.F. berücksichtigt worden.

Nach § 20 Abs. 7 Satz 2 UmwStG a.F. gelte die Rückbeziehung auf den steuerlichen Umwandlungsstichtag aber gerade nicht für die Behandlung von Entnahmen und Einlagen im Rückwirkungszeitraum. Nach § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG a.F. sei der Saldo aus Entnahmen und Einlagen bei den Anschaffungskosten der Beteiligung in Ansatz zu bringen:

Sinn und Zweck des UmwStG in seiner ursprünglichen Fassung und Intention des Gesetzgebers sei es, den Rechtsformwechsel steuerneutral zu ermöglich, soweit die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt sei.

Im vorliegenden Fall seien einbringungsgeborene Anteile beim Gesellschafter entstanden, daher bestehe die Gefahr eines Ausfalls der Besteuerung gemäß § 21 UmwStG a.F. nicht, wenn der Wert, der als Anschaffungskosten gelte, die im Rückwirkungszeitraum getätigten "Überentnahmen" berücksichtige.

Die Sicherstellung der Besteuerung sei ursprünglich durch den Ausweis eines Darlehens an den Gesellschafter in Höhe der "Überentnahmen", die in der Interimszeit getätigt worden seien, erfolgt. Daher stimme der Gewinn aus der Veräußerung des ausgegliederten Einzelunternehmens zum 30.06.1999 mit dem Gewinn aus der Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile an der GmbH unmittelbar nach deren Gründung überein, soweit die Forderung der GmbH gegenüber dem Gesellschafter untrennbar mit den einbringungsgeborenen Anteilen verbunden sei. Zur Sicherstellung hätte es daher eines Negativausweises im EK 04 bedurft, oder aber eines Eintrages in der vom Finanzamt geführten Liste über die Anschaffungskosten. Vor dem Hintergrund, dass eine Eintragung in das Handelsregister nur zulässig sei, wenn im Zeitpunkt der Eintragung das Vermögen der GmbH in Höhe des Stammkapitals ungemindert vorhanden sei, sei dies die einzig zutreffende Behandlung.

Vom Gesetzeswortlaut keinesfalls gedeckt sei ein Vorziehen der Versteuerung. Für den Fall, dass in der Interimszeit die Einlagen die Entnahmen überstiegen, komme das Finanzamt auch nicht auf den Gedanken, die Erhöhung der Anschaffungskosten als Verlust vorgezogen zu berücksichtigen.

In der Literatur werde die Behandlung der Überentnahmen im Rückwirkungszeitraum unterschiedlich diskutiert. Neben dem zwangsweisen Zwischenwertansatz werde - unter Verweis auf Patt/Rasche in DStR 1995, 1533 - die Lösung des negativen Ausgleichspostens ebenfalls für gangbar gehalten. In beiden Fällen sei die Besteuerung sichergestellt.

Die Lösung der vorliegenden Streitfrage sei aus der Stellung und der Intention des Umwandlungssteuerrechts zu beantworten und nicht anhand einzelner Begrifflichkeiten. § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG a.F. enthalte insofern eine eindeutige und klare Berechnungsanweisung.

Für die Berücksichtigung als negativer Ausgleichs- bzw. Merkposten spreche, dass das Steuerrecht zwischenzeitlich in weiten Bereichen handelsrechtliche Begrifflichkeiten bei Bedarf ignoriere und insofern ein Primat des Zivilrechts für das Steuerrecht bereits seit längerer Zeit aufgegeben worden sei.

Außerdem gebe es - unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zu § 17 Abs. 7 UmwStG 1969 - Indizien, die darauf hinwiesen, dass der Gesetzgeber das Problem der Nichtbesteuerung der Entnahmen und Einlagen im Rückwirkungszeitraum gesehen habe und dieses mit § 20 Abs. 7 UmwStG a.F. habe vermeiden wollen; die Bildung eines negativen Ausgleichspostens werde diesem Ziel gerecht.

Die Herleitung eines zwingenden Zwischenwertansatzes mit dem Hauptargument, negative Anschaffungskosten gebe es nicht, sei nicht überzeugender als die Möglichkeit, einen negativen Ausgleichsposten mit dem Argument zuzulassen, das Umwandlungssteuerrecht solle gerade den steuerneutralen Rechtformwechsel ermöglichen; die Rückwirkung sei explizit zugelassen und auch geregelt. Im Steuerrecht sei negatives Eigenkapital, welches zu einer Erhöhung des Gewinns führe, nichts Außergewöhnliches. Patt/Rasche (a.a.O.) hätten darauf hingewiesen, dass die Behandlung der Überentnahmen im Rückwirkungszeitraum in Form eines negativen Ausgleichspostens vom Wortlaut des Gesetzes selbst bei Ablehnung "negativer Anschaffungskosten" nicht ausgeschlossen sei. Weshalb ein negativer Ausgleichsposten, wenn man negative Anschaffungskosten ablehne, im Rahmen des § 21 UmwStG a.F. nicht berücksichtigungsfähig sein sollte, erschließe sich nicht.

Die Klägerin hat beantragt,

die angefochtenen Bescheide vom 23.07.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 19.12.2005 dahin zu ändern, dass den Bescheiden um 108.566,50 DM verminderte Buchwerte zum 30.06.1999 zugrunde gelegt werden (AfA-Minderung).

Das Finanzamt hat Klageabweisung beantragt.

Zur Begründung hat es vorgetragen, für die Ebene der GmbH regele § 20 Abs. 7 UmwStG a.F. die Methodik der steuerrechtlichen Rückwirkung. Im Streitfall fingiere § 20 Abs. 7 Satz 1 UmwStG a.F., dass der Sacheinlagegegenstand zum 01.07.1999 auf die zivilrechtlich noch nicht existente Kapitalgesellschaft übergegangen sei.

Die Rückbeziehungsmöglichkeit nach § 20 Abs. 7 und 8 UmwStG a.F. führe aus systemimmanenten Gründen in bestimmten Fällen jedoch zu einer gesetzlichen Einschränkung des Bewertungswahlrechts für das eingebrachte Vermögen. Dies gelte insbesondere, wenn im Zeitraum zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und der Einbringung Entnahmen getätigt würden, welche die Buchwerte des einzubringenden Betriebsvermögens überschreiten.

In § 20 UmwStG a.F. werde durchgängig der Begriff "eingebrachtes" Betriebsvermögen gebraucht. Nur für das eingebrachte Betriebsvermögen könne ein Bewertungswahlrecht bestehen und eine Wertermittlung auf einen rückbezogenen Stichtag erfolgen. Vor diesem tatsächlichen Einbringungszeitpunkt aus dem Betriebsvermögen entnommene Wirtschaftgüter könnten nicht mehr in das Vermögen der Kapitalgesellschaft gelangen und damit auch nicht mehr im Sinne des § 20 Abs. 7 UmwStG a.F. eingebracht werden.

§ 20 Abs. 7 Satz 2 UmwStG a.F. schließe deshalb die Rückbeziehung hinsichtlich der Ermittlung des Einkommens und des Gewerbeertrags für Entnahmen und Einlagen aus. Auf diese Weise solle auch vermieden werden, dass durch die grundsätzliche Anwendung körperschaftsteuerlicher Vorschriften Vorgänge als verdeckte Gewinnausschüttung besteuert würden, die nach dem Recht des Einzelunternehmens Entnahmen gewesen wären.

Auf der Ebene des Einzelunternehmens stelle sich der Vorgang wie Folgt dar: Da an der Umstrukturierung nur das Einzelunternehmen und die GmbH beteiligt seien und die Entnahmen nicht an der Rückwirkung teilnähmen, müsse die steuerliche Berücksichtigung zwangsläufig noch bei dem Einzelunternehmen erfolgen. Daher bestimme § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG a.F. für den Einzelunternehmer, dass die Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile, die gleichzeitig den Veräußerungspreis darstellten, um den Buchwert der Entnahmen zu vermindern seien.

Die stillen Reserven würden von den einbringungsgeborenen Anteilen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG a.F.) repräsentiert, so dass die Besteuerung lediglich in die Zukunft verschoben werde. Daraus folge, dass der Gewinn aus der Veräußerung des ausgegliederten Einzelunternehmens (stille Reserve) zum 30.06.1999 mit dem Gewinn aus einer Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile an der GmbH unmittelbar nach deren Gründung der Höhe nach übereinstimmen müsse.

Im Streitfall hätten die Entnahmen die Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile überstiegen; negative Anschaffungskosten gebe es jedoch nicht. Dies hätte zur Folge, dass im Falle einer Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile der maßgebliche Gewinn niedriger wäre als die im Betriebsvermögen des eingebrachten Einzelunternehmens steuerverstrickt angewachsenen stillen Reserven. Im Streitfall entspräche diese Gewinnlücke dem Wert der Entnahmen nach dem Sacheinlagestichtag, soweit diese die Anschaffungskosten gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG a.F. überstiegen.

Eine zusätzliche Aufstockung der Buchwerte um den Betrag von 108.566,50 DM sei im vorliegenden Fall deshalb zwingend geboten gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist jedenfalls unbegründet.

1. Trotz Bedenken hält der erkennende Senat die Klage insgesamt für zulässig.

Zwar bestehen Bedenken hinsichtlich der Beschwer der Klägerin. Der Klageantrag der Klägerin hätte bezüglich Körperschaftsteuer 1999 im Erfolgsfall zur Folge, dass sich wegen einer verminderten Afa-Bemessungsgrundlage ein höheres zu versteuerndes Einkommen ergäbe. Eine Saldierung der festgesetzten Körperschaftsteuer 2000 mit der Körperschaftsteuerfestsetzung 1999 würde ebenfalls zu keiner Beschwer führen. Auch aus diesem Grund ergibt sich in den Streitjahren hinsichtlich des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) keine Beschwer. Zudem stellt der der Körperschaftsteuerveranlagung des Umwandlungsjahres 1999 zugrunde gelegte Bilanzansatz lediglich eine unselbständige Besteuerungsgrundlage im Rahmen der Gewinnermittlung der Klägerin dar, jedoch - trotz seiner faktischen Bindungswirkung bezüglich der Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile des Einbringenden (vgl. § 21 Abs. 4 UmwStG a.F.) - keinen formalrechtlichen Grundlagenbescheid im Sinne der §§ 179 ff AO.

Da jedoch im Rahmen einer Zusammenschau auch Effekte zu berücksichtigen sind, die sich gegebenenfalls erst in späteren Veranlagungszeiträumen auswirken (vgl. BFH-Urteil vom 30.11.2005 I R 1/05, BStBl. II 2006, 471), kann eine Beschwer - bezogen auf spätere Veranlagungszeiträume - jedenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.

2. Die Klage hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.

Der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin, Herr A, hat mit seiner Umstrukturierungsmaßnahme die Voraussetzung der Sacheinlage im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG a.F. erfüllt, indem er einen Betrieb in eine Kapitalgesellschaft gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingebracht und als Gegenleistung die aus der Gründung hervorgegangenen neuen Anteile erlangt hat.

Gemäß § 20 Abs. 2 UmwStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung darf die (aufnehmende) Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit seinem Buchwert oder mit einem höheren Wert ansetzen. Der Buchwert ist der Wert, mit dem der Einbringende das eingebrachte Betriebsvermögen im Zeitpunkt der Sacheinlage nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung anzusetzen hat. Übersteigen die Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten, so hat die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mindestens so anzusetzen, dass sich die Aktivposten und die Passivposten ausgleichen; dabei ist das Eigenkapital nicht zu berücksichtigen.

Geht Vermögen im Wege der Sacheinlage durch Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung nach § 123 UmwG auf eine Kapitalgesellschaft über, darf der Stichtag als steuerlicher Übertragungsstichtag angesehen werden, für den die Schlussbilanz jedes der übertragenden Unternehmen aufgestellt ist; dieser Stichtag darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung in das Handelsregister liegen (§ 20 Abs. 8 Sätze 1 und 2 UmwStG a.F.).

Eine Rückverlagerung des steuerlichen Übertragungsstichtages im notariellen Spaltungsplan vom 23.11.1999 auf den 30.06.1999 war im Streitfall somit gemäß § 20 Abs. 8 Sätze 1 und 2 UmwStG a.F. zulässig.

Gemäß § 20 Abs. 7 UmwStG a.F. sind das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Kapitalgesellschaft auf Antrag so zu ermitteln, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags (Abs. 8) auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Dies gilt hinsichtlich des Einkommens und des Gewerbeertrags nicht für Entnahmen und Einlagen, die nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgen.

Auf diese Weise soll vermieden werden, dass durch die grundsätzliche Anwendung körperschaftsteuerlicher Vorschriften Vorgänge als verdeckte Gewinnausschüttungen besteuert werden, die im Übrigen beim Einzelunternehmer Entnahmen gewesen wären (vgl. BFH-Urteil vom 29.04.1987 I R 192/82, BStBl. II 1987, 797).

Im Streitfall hatte der spätere Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin im Rückbeziehungszeitraum (Interimszeitraum) Entnahmen getätigt, deren Buchwerte höher waren als der Buchwert der Sacheinlage zum steuerlichen Übertragungsstichtag (30.06.1999/01.07.1999).

Der Klägerin stand das Bewertungswahlrecht des § 20 Abs. 1 UmwStG a.F. deshalb von Gesetzes wegen nurmehr in eingeschränktem Umfang zu. Da der Buchwert aller Entnahmen im Interimszeitraum höher war, als der Buchwert der Sacheinlage zum steuerlichen Übertragungsstichtag, war das eingebrachte Vermögen mit einem über dem Buchwert liegende Wert anzusetzen; die Entnahmen müssen von den Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile vollständig abgezogen werden können. Der erkennende Senat schließt sich damit einem Großteil der steuerrechtlichen Literatur an.

Entgegen der Aussage der Klägerin vertreten Patt/Rasche auch in ihrem Aufsatz in DStR 1995, 1534 diese Auffassung ohne Einschränkung; überzeugend belegen sie ihre Aussage (a.a.O., Seite 1533), die Annahme eines negativen Ausgleichspostens sei dem von ihnen vertretenen Lösungsweg unterlegen. Im Ergebnis legen sie überzeugend dar, dass das Bewertungswahlrecht der aufnehmenden Kapitalgesellschaft gem. § 20 Abs. 7 Satz 2 und Abs. 2 Satz 4 UmwStG a.F. eingeschränkt wird, wenn die Entnahmen in der Interimszeit den Buchwert des Betriebvermögens zum Übertragungsstichtag übersteigen; eine Buchwertfortführung und damit eine erfolgsneutrale Einbringung ist dadurch ausgeschlossen.

Bereits auf Seite 1531 geben sie für den gegenständlichen Fall eine eindeutige Stellungnahme zu einer zumindest partiellen Aufdeckung der stillen Reserven ab; die Vorschrift des § 20 Abs. 7 Satz 2 und 3 UmwStG a.F. führe in den Fällen, in denen die Entnahmen nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag (ggf. saldiert mit Einlagen in diesem Zeitraum) den Buchwert des einzubringenden Betriebsvermögens zu dem o.a. Stichtag abzüglich des Werts der neben den Gesellschaftsrechten gewährten Wirtschaftsgüter überstiegen, zu einer gesetzlichen Einschränkung des Bewertungswahlrechts gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG a.F. Die stillen Reserven des Sacheinlagegegenstands seien gem. § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG a.F. durch einen Ansatz des Betriebsvermögens mindestens so weit aufzudecken, dass ein vollständiger Abzug der Entnahmen von den sich dadurch ergebenden Anschaffungskosten möglich sei. Sowohl der Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 7 Sätze 2 und 3 UmwStG a.F. als auch die Systemantik des § 20 UmwStG a.F. erforderten diese Vorgehensweise.

Patt bekräftigt diese Rechtsauffassung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 20 UmwStG, Rn. 264, § 20 UmwStG (SEStEG) Rn. 325, indem er ausführt, es komme zu einer gesetzlichen Einschränkung des Bewertungswahlrechts der aufnehmenden Kapitalgesellschaft für das eingebrachte Betriebsvermögen, wenn der Buchwert aller Entnahmen im Rückbezugszeitraum (ggf. saldiert mit den entsprechenden Einlagewerten) höher sei als der Buchwert der Sacheinlage zum steuerlichen Übertragungsstichtag. In diesem Fall müsse das eingebrachte Vermögen mit einem über dem Buchwert liegenden Wert angesetzt werden, so dass die Entnahmen von den Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile, die sich aus dem Ansatz des übernommenen Vermögen nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG n.F. ergeben, vollständig abgezogen werden können.

Dieser Argumentation folgt auch der Kommentar zum UmwStG von Frotscher/Mass in Rz. 187 unter ausdrücklichem Verweis auf den o.g. Aufsatz von Patt/Rasche in der DStR (a.a.O.).

Dehmer (in UmwG, UmwStG 1996, § 20 UmwStG Rz. 231) äußert sich bezüglich der angesprochenen Rechtsfrage dahin gehend, dass sich in der steuerlichen Eröffnungsbilanz der GmbH ein negativer Korrekturposten ergebe, der an sich zu negativen Anschaffungskosten der Geschäftanteile führe, wenn die Entnahmen während der Rückbeziehungsfrist höher als die Anschaffungskosten seien. Hieraus lässt sich - im Zusammenwirken mit § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG a.F. - für die Ebene der Kapitalgesellschaft der Schluss ziehen, dass auch nach Auffassung von Dehmer eine entsprechende Buchwertaufstockung zu erfolgen hat.

Auch Widmann (in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG, Rz. 822) vertrat bislang diese Auffassung. In der Kommentierung zu SEStEG grenzt er sich jedoch von dieser Rechtsauffassung ab und ist nunmehr der Meinung (Widmann, a.a.O. § 20 UmwStG - SEStEG - R 553), dass bei der Ermittlung des Kapitalkontos des Einbringenden nach dem Zeitpunkt der Sacheinlage getätigte Entnahmen bzw. Einlagen nicht so zu berücksichtigen seien, als ob sie zum Zeitpunkt der Sacheinlage erfolgt wären, wenn ein Antrag gem. § 20 Abs. 5 UmwStG n.F. (entspricht § 20 Abs. 7 UmwStG a.F.) gestellt werde. Entnahmen könnten somit kein negatives Kapitalkonto herbeiführen bzw. ein solches erhöhen; Einlagen könnten kein negatives Kapitalkonto beseitigen bzw. vermindern. Als Konsequenz dieser Änderung der Rechtsmeinung von Widmann läge kein Fall einer gesetzlich vorgeschriebenen Aufdeckung stiller Reserven (z.B. durch Ansatz eines Zwischenwertes) vor. Allerdings hat Widmann keine Begründung für den Meinungswechsel gegeben.

Mit Schmitt (in Schmitt/Hörtnagel/Stratz, UmwG, UmwStG2009, § 20 UmwStG - SEStEG - Rz. 249), der sich eingehend mit der Systematik des § 20 UmwStG und den Folgen der Rechtsauffassung von Widmann auseinandersetzt, ist diese geänderte Auffassung von Widmann zu verwerfen. Überzeugend legt er dar, dass sich Entnahmen und Einlagen auf den Buchwert des übertragenen Vermögens auswirken müssen, um der Systematik des Umwandlungssteuergesetzes gerecht zu werden; so wie dies auch von Patt (in Dötsch, a.a.O.) und im BMF-Schreiben vom 25.03.1998, Rn. 20.25 (a.a.O.) vertreten werde.

Das Umwandlungssteuerrecht behandelt die steuerlichen Auswirkungen sowohl für den untergehenden als auch für den neuen / aufnehmenden Rechtsträger. Soweit sich die Klägerin auf die Vorschriften des § 21 UmwStG oder des § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG beruft, argumentiert sie mit Vorschriften, die primär die steuerlichen Folgewirkungen des Umwandlungsvorgangs beim nunmehrigen Anteilseigner abhandeln. Diese Vorschriften lassen nur bedingt Rückschlüsse für die Sachbehandlung im Wirkungskreis der neu gegründeten / aufnehmenden Kapitalgesellschaft - im Streitfall: der Klägerin - zu.

Der erkennende Senat folgt der Klägerin auch nicht in ihrer Argumentation, die Sachbehandlung durch das Finanzamt ignoriere, dass das Umwandlungssteuergesetz stets die Steuerneutralität der Umwandlungsvorgänge sicherstelle, soweit nicht die Parteien anderes wünschten. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 20 Abs. 7 UmwStG a.F. ausdrücklich klargestellt, dass er Entnahmen und Einlagen, die im Interimszeitraum getätigt werden, einer eigenständigen Regelung unterwerfen wollte; ein Verweis auf die allgemeinen Grundsätze des Umwandlungsteuerrechts ist daher nicht geeignet, die Rechtsauffassung der Klägerin überzeugend zu begründen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sie in der Sache unterlegen ist (§§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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