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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: II 280/05
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 162 Abs. 1 S. 1
AO § 162 Abs. 2 S. 2
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

II 280/05

Umsatzsteuer 1991 bis 2001

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 22.01.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

Streitig ist, ob das Finanzamt zu Recht aufgrund der Feststellungen einer Fahndungsprüfung die Umsätze für die Streitjahre im Wege der Schätzung erhöht hat.

Der Kläger betreibt seit langen Jahren im Innenstadtbereich von Xxx ein Friseurgeschäft; seine Ehefrau ......... ist in seinem Betrieb beschäftigt. Sie ist Eigentümerin zweier Wohnungen und eines Mehrfamilienhauses. Für die Jahre 1991 bis einschließlich 2000 reichte der Kläger von ihm unterzeichnete Umsatzsteuerjahreserklärungen ein; für das Jahr 2001 wurden nur Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben.

Erklärt waren folgende Besteuerungsgrundlagen:

 VeranlagungsjahrErklärung vomLeistungen in DMUSt in DM
1991   
1992   
1993   
1994   
1995   
1996   
1997   
1998   
1999   
2000   
2001  

Das Finanzamt ordnete mit Bescheid vom 29.06.2001 bei dem Unternehmen des Kläger eine steuerliche Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO u.a. für die Umsatzsteuerveranlagungszeiträume 1997 bis 1999 an; die Prüfung begann am 23.07.2001. Wegen des strafrechtlichen Verdachts der Hinterziehung von Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer der Jahre 1997 bis 1999, der auf die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2001 und wegen Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerhinterziehung auf das Jahr 1996 am 07.11.2002 erweitert wurde, nahmen Beamte der Steuerfahndungsstelle aufgrund richterlicher Beschlüsse vom 15.11.2001 Durchsuchungen des Betriebs und der Wohnung des Klägers und dessen Ehefrau am 22.11.2001 vor. Ab 26.11.2001 wurden bezüglicher der Konten des Klägers und seiner Ehefrau Auskunftsersuchen an die Kreditinstitute für die Zeiträume ab 01.01.1991 gestellt.

Aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndung ergaben sich unter anderem folgende Feststellungen:

Ein Abgleich der Bareinzahlungen mit den Auszahlungen auf den bekannten Konten des Klägers und seiner Ehefrau führte auf den Zeitraum von 1991 bis 2001 gesehen zu einer Differenz von ............ DM. Für die einzelnen Jahre 1991 bis 2001 zeichneten die Prüfer den Bargeldumlauf nach und stellten dabei pro Jahr Fehlbeträge von .... bis über .... DM fest. Die Überprüfung eines privaten Kontos der Ehefrau bei der A-Bank ergab, dass an bestimmten Tagen glatte Geldbeträge einbezahlt wurden, deren Herkunft nicht ersichtlich war, insgesamt ...... DM in 1997, insgesamt ..... DM in 1998 und in 1999 insgesamt ...... DM. Eine für den Zeitraum 1997 bis 1999 erstellte Geldverkehrsrechnung wies einen Fehlbetrag von insgesamt ca. ........... DM aus.

Bei den Ermittlungen wurde weiter festgestellt, dass sich in dem Ladengeschäft des Klägers eine Registrierkasse befand. Es wurden jedoch nicht die ausgedruckten Tagesendsummenbons der Buchführung zugrunde gelegt, sondern für jeden Tag mit einer Rechenmaschine einzeln aufaddierte Kundenumsätze. Nur die von der Ehefrau des Klägers in dieser Weise ermittelten Tagesumsätze wurden in die Buchführung übernommen. Schließlich wurde für die Tage 03.03.2001 und 10.03.2001 festgestellt, dass Kundenumsätze fehlten.

Als Besteuerungsgrundlagen für die Vermögensteuer 1995 ermittelten die Prüfer ein Gesamtvermögen von ......... DM (vgl. Fahndungsprüfungsbericht vom 30.09.2003, Anlage 3).

Da es sich bei dem Friseurgeschäft des Klägers um einen Gewerbebetrieb im Sinne der Richtsatzsammlung handelte, schätzte das Finanzamt die Umsätze bis zum Höchstsatz der Richtsätze im Rahmen der Fehlbeträge (vgl. Ermittlungsbericht vom 15.10.2003 und Fp-Bericht vom 30.09.2003), und erhöhte sie in 1991 um ..... DM, in 1992 um ..... DM, in 1993 um ..... DM, in 1994 um ..... DM, in 1995 um ..... DM, in 1996 um ..... DM, in 1997 um ..... DM, in 1998 um ..... DM, in 1999 um ..... DM und in 2000 um ..... DM. Für 2001 erfolgte eine Zuschätzung zu den bisher angemeldeten Umsätzen von ...... DM.

Aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung erhöhte das Finanzamt die vom Kläger erklärten Umsätze für die Jahre 1991 bis 2001; die übrigen Besteuerungsgrundlagen blieben unverändert. In den Änderungsbescheiden vom 19.12.2003 setzte es die Umsätze und die Umsatzsteuerschuld wie folgt fest:

 VeranlagungszeitraumUmsätze DMUmsatzsteuerschuld DM
1991  
1992  
1993  
1994  
1995  
1996  
1997  
1998  
1999  
2000  
2001 

Bezüglich der Umsatzsteuerbescheide für 1991 bis 2000 wurde jeweils der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Der Vorbehalt der Nachprüfung für die Umsatzsteuer für 2001 blieb bestehen, weil der Kläger die Steuererklärung noch nicht abgegeben hatte.

Die Einsprüche des Klägers hatten nur hinsichtlich der Umsatzsteuer für 1991 insoweit Erfolg, als das Finanzamt nunmehr die Umsätze lediglich um ..... DM auf ...... DM erhöhte und die Umsatzsteuerschuld damit auf .....DM herabsetzte. Im Übrigen wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück (vgl. Entscheidung vom 25.08.2005).

Der Kläger hat fristgerecht Klage erhoben und beantragt, die Umsatzsteuerbescheide 1991 bis 2001 vom 19.12.2003 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.08.2005 aufzuheben.

Zur Begründung trägt er Folgendes vor:

Die vom Finanzamt in Ansatz gebrachten Umsätze und Gewinne seien aus seinem Friseurbetrieb nicht erzielbar gewesen, da es sich nur um ein kleines Geschäft mit fünf Frisierplätzen handele. Es sei daher willkürlich, die Betriebseinnahmen an der Obergrenze der Richtsatzzahlen für Friseurbetriebe mit mehr als zehn Stühlen festzumachen. Es habe nach den Verhältnissen seines Betriebes im VZ 2001 allenfalls ein Jahresumsatz von ......EUR erzielt werden können, also etwa der Umsatz, den er auch erklärt habe.

Im Übrigen sei zu Unrecht nach dem Rohgewinn II, und nicht nach dem Halbreingewinn, geschätzt worden.

Seine Buchführung sei auch formell ordnungsgemäß gewesen. Das Finanzamt stütze die Mängel auf Abweichungen des Reservierungsbuches von den Tageseinnahmen und auf die fehlenden Tagesendsummenbons. Es sei jedoch normal, dass manche Reservierungen nicht eingehalten würden. Im Übrigen seien nur einige Tagesumsätze wegen fehlerhaften Eingaben in der Registrierkasse ersatzweise mit der Rechenmaschine addiert worden. Auch eine Hochrechnung des Wareneinsatzes lasse nicht auf einen höheren Umsatz schließen.

Die von der Steuerfahndung erstellten Geldrechnungen seien fehlerhaft und nicht geeignet, den Beweiswert der Buchführung zu erschüttern. Denn es sei zu berücksichtigen, dass er und seine Ehefrau im Prüfungszeitraum in erheblichen Maße Erbschaften erzielt hätten. So habe seine Ehefrau von ihrem Großvater und ihrem Vater in diesen Jahren insgesamt einen Betrag von etwa ....... DM geerbt bzw. realisieren können. Er selbst habe aus einer Erbschaft in Italien eine Kapitalanlage von ......... DM vorgenommen. Zwar sei richtig, dass Teile der Gelder zunächst nach Luxemburg transferiert worden seien, die Beträge seien jedoch ab 1997 zum Lebensunterhalt der Familie eingesetzt worden. Zu Unrecht habe das Finanzamt das vorhandene Vermögen nicht berücksichtigt.

Schließlich sei das Steuerstrafverfahren gegen ihn eingestellt worden, so dass eine Änderungsmöglichkeit nicht bestanden habe.

Im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 14.11.2005 zur Klagebegründung und auf den Vortrag in der mündlichen Verhandlung verwiesen. In dem bei Gericht nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 24.01.2008 führt der Kläger unter anderem aus, es falle auf, dass nach den in der mündlichen Verhandlung angesprochenen "Z-Bons" angeblich Umsätze an Sonn- und Feiertagen erzielt worden seien, an denen das Geschäft geschlossen gewesen sei; solche Umsätze seien irreal. Wegen der einzelnen Ausführungen wird auf den nachgereichten Schriftsatz verwiesen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es im Wesentlichen Folgendes vor:

Aufgrund der Fehler in der Buchführung, der Ergebnisse der Geldverkehrsrechnung und der Auswertung des Bargeldumlaufes sei eine Zuschätzung der Umsätze berechtigt gewesen. Eine Anlehnung an die Richtsätze sei zulässig; die Höchstsätze seien dabei nicht überschritten worden.

Die Verwendung der Geldbeträge aus der Erbschaft sei bisher nicht durch geeignete Unterlagen nachgewiesen worden; insbesondere seien Nachweise über Geldanlagen in Luxemburg und deren Verwendungen nicht vorgelegt worden. Die angeblichen Erbschaften aus Italien und vom Vater der Ehefrau des Klägers, insgesamt ....... DM, seien nicht nachgewiesen worden; die Beträge seien auch nicht in den Erbschaftsteuererklärungen angegeben gewesen.

Das Gericht hat die Akten der Staatsanwaltschaft Xxx (Az. ........) zu dem Verfahren beigezogen. Daraus ergibt sich Folgendes:

Das Steuerstrafverfahren gegen den Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Xxx vom 27.01.2005 gemäß § 153 Abs. 2 StPO endgültig eingestellt., die Ehefrau des Kläger, wurde aufgrund des Strafbefehls vom 10.12.2004 und des Urteils des Amtsgerichts Xxx vom 27.01.2005 u.a. wegen Umsatzsteuerhinterziehung 1996 bis 2000 rechtskräftig zu einer Gesamtgeldstrafe von .....EUR verurteilt (vgl. Akten der StA Xxx , Az. .....). Der Einspruch gegen den Strafbefehl war auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg, weil das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen zutreffend ermittelt bzw. ergänzend geschätzt hat. Die angefochtenen Steuerbescheide sind nicht rechtswidrig und der Kläger ist durch sie nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Eine Schätzung ist insbesondere dann erforderlich, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO), und/oder seiner Erklärungspflicht gemäß § 149 AO nicht nachkommt und keine Steuererklärungen abgibt und/oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO-Kommentar, § 162 AO Tz. 4, 30 ff m.w.N.). Das Gleiche gilt, wenn die Buchführung des Steuerpflichtigen oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO).

Eine Schätzung hat den durch die Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen zu beachten und muss in sich schlüssig und wirtschaftlich vernünftig sein (vgl. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Tz. 44; BFH-Beschluss vom 20.07.1994 I B 11/94, BFH/NV 1995,198).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweisen sich zur Überzeugung des Gerichts (§ 96 FGO) die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide als rechtmäßig. Denn das Finanzamt war aufgrund der Mängel der Buchführung zur Schätzung befugt; die Art und Weise der Schätzung ist nicht zu beanstanden und auch die Höhe der Schätzung bewegt sich im zulässigen Rahmen.

a) Die Schätzungsbefugnis war bereits wegen materieller Mängel in der Buchführung eröffnet (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO). Schon die Unregelmäßigkeiten bei der Aufzeichnung der Tageseinnahmen, die zum Teil nicht über die Registrierkasse, sondern von Hand erfasst wurden (vgl. § 146 Abs. 1 Satz 2 AO), machen den Beweiswert der Buchführung angreifbar. Vor allem aber erschüttern die Ergebnisse der Geldrechnungen den Beweiswert der Buchführung (§ 158 AO). Denn den Verprobungsmethoden der Geldrechnungen und Vermögensvergleichsrechnungen kommen wegen ihrer Genauigkeit eine sehr hohe Beweiskraft zu (vgl. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Tz. 22). Die Feststellungen der Prüfer hierzu sind nachvollziehbar und schlüssig. Anhand der Bankunterlagen konnte ermittelt werden, dass in den Streitjahren erhebliche Bareinzahlungen im Abstand von jeweils wenigen Tagen vorgenommen wurden, wobei es sich ganz überwiegend um glatte Beträge im zumeist vierstelligen Bereich handelte. Die Herkunft dieser einzelnen Beträge hat der Kläger nicht zu erklären gewusst. Die Ausführungen der Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung, sie habe von ihrem Vater angespartes Bargeld gefunden, das sie nach und nach auf ihr eigenes Konto einbezahlt habe, waren widersprüchlich und für das Gericht nicht glaubhaft. Denn ein solches Verhalten würde weder dem vernünftigen Geschäftsgebahren eines verständigen Bürgers noch den Gepflogenheiten des Klägers und seiner Ehefrau, größere Geldbeträge zinsbringend anzulegen, entsprechen. Es hätten aus den angeblich vorgefundenen .. bis .. Tausend DM auch nicht einmal die festgestellten Einzahlungsbeträge von über .... DM im Jahre 1992 abgedeckt werden können. Schließlich waren die aus den Erbschaften tatsächlich nachgewiesenen Geldbeträge durch Geldanlagen im In- und Ausland weitgehend gebunden. Unter diesen Umständen konnte als Einkunftsquelle nur der Friseurbetrieb des Klägers in Betracht kommen. Daher waren die erklärten Umsätze durch ergänzende Schätzungen zu korrigieren.

b) Es erheben sich keine Bedenken gegen die Art der vorgenommenen Schätzung. Ohne Denkfehler konnte das Finanzamt bei der Lage und der Kostenstruktur des Friseurgeschäftes des Kläger von einem für einen äußeren Betriebsvergleich im Rahmen der amtlichen Richtsätze geeigneten Unternehmen ausgehen und den obersten Richtsatzwert für Vergleichsbetriebe zum Maßstab nehmen (vgl. . Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Tz. 18, § 162 AO Tz. 47). Damit verblieb auch die Höhe der Zuschätzung in einem vernünftigen und wirtschaftlich plausiblen Rahmen, weil er sich in den Grenzen der Erfahrungswerte für Vergleichsbetriebe hielt. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Streitjahren seine Gewinne mittels einer Einnahmen- Ausgabenrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG berechnete, weil grundsätzlich auch bei dieser Gewinnermittlungsart eine Schätzungskorrektur unter Berücksichtigung der Richtsatzwerte vorgenommen werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 02.03.1982 VIII R 225/80, BStBl. II 1984, 504 undvom 15.04.1999 IV R 68/98, BStBl. II 1999, 481).

c) Es sind auch nicht die für die jeweiligen Besteuerungszeiträume vorgenommenen Zuschätzungen der Höhe nach zu beanstanden. Denn auch in Fällen der Steuerhinterziehung bleibt das Recht des Finanzamtes zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich der hinterzogenen Steuern bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 07.11.2006 VIII R 81/04, BStBl. II 2007, 364). Bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durfte das Finanzamt zu Lasten des Klägers an die Obergrenze des zulässigen Schätzungsrahmens gehen. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung muss der Steuerbürger, der - wie hier der Kläger - Veranlassung zur Schätzung gibt, es hinnehmen, dass die im Wesen der Schätzung liegende Unsicherheit gegen ihn ausschlägt (vgl. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Tz. 45). Es soll ihm nämlich kein Vorteil daraus erwachsen, dass er die zutreffende Steuer bewusst und gewollt nicht erklärt. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen im Streitfall hat das Gericht keine Zweifel daran, dass der Kläger vorsätzlich zumindest die vom Finanzamt ermittelte Umsatzsteuer verkürzt hat (vgl. BFH-Urteil vom 07.11.2006 VIII R 81/04, a.a.O.). Gerade zu Gunsten des Klägers hatte das Finanzamt die durch die Geldverkehrsrechnungen belegten Fehlbeträge von jährlich ...... DM im Durchschnitt nur soweit dem Unternehmen zugeordnet, als der damit ermittelte Umsatz auch wirtschaftlich nachvollziehbar und vertretbar war. Dies ist jedenfalls bei einer Ergänzungsschätzung anzunehmen, die sich an den Obergrenzen des Rohgewinnsatzes II der amtlichen Richtsatzsammlung orientiert. Schließlich kann dem Einwand des Klägers, die Schätzung habe sich am Halbreingewinn zu orientieren, nicht gefolgt werden. Denn es ist aus den Akten nicht ersichtlich, welche allgemeinen sachlichen Betriebsaufwendungen zusätzlich zu den bereits erklärten Beträgen hätten berücksichtigt werden müssen; der Kläger hat solche Aufwendungen auch nicht geltend gemacht.

d) Im Übrigen ist das Gericht der Überzeugung, dass das Finanzamt zu Gunsten des Klägers von einer an sich gerechtfertigten höheren Zuschätzung im gewerblichen Bereich Abstand genommen hat. Denn bei zutreffender Berechnung der Rohgewinnsätze ist erkennbar, dass das Finanzamt mit seinen Zuschätzungen deutlich unter dem Höchstsatz von 62% des Rohgewinns II der Richtsatz-Sammlung geblieben ist, etwa im Jahre 1991 nach dem Ergebnis laut Einspruchsentscheidung bei 58% und im Jahre 1994 mit der betragsmäßig höchsten Zuschätzung bei nur 50%, also deutlich unter dem Mittelsatz des Rohgewinn II von 54%. Bei einer Gesamtwürdigung der von der Steuerfahndung getroffenen Feststellungen liegt es also nahe, dass ein wesentlich höherer Geldzufluss aus dem Friseurbetrieb anzunehmen war. Dies folgt nicht nur aus den tatsächlich vorhandenen Geldmitteln, deren Herkunft der Kläger nicht nachvollziehbar belegt hat. Gerade die in regelmäßigen Abständen vorgenommenen Bareinzahlungen belegen laufende Einnahmen aus einer Einkunftsquelle, die zur Überzeugung des Gerichts nur der Friseurbetrieb gewesen sein konnte. Es hätte daher das Finanzamt eine wesentlich höhere Zuschätzung im gewerblichen Bereich des Klägers vornehmen müssen und zwar deutlich über den Zuschätzungen in Anlehnung an die Richtsatzwerte. Das Finanzgericht kann jedoch eine verbösernde Entscheidung nicht treffen (vgl. Gräber/von Groll, FGO-Kommentar, 6. Aufl. 2006, § 96 Rz. 5 und § 100 Rz. 29).

3. Das Finanzamt war schließlich berechtigt, die Umsatzsteuerbescheide rückwirkend bis zum Veranlagungszeitraum 1991 zu ändern. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beginnt im Falle der Abgabe der Steuererklärung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) und beträgt 10 Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen worden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).

a) Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger die Umsatzsteuer für die Streitjahre mit Vorsatz verkürzt hat. Denn er war es, der die fehlerhaften Umsatzsteuererklärungen unterschrieben und damit dem Finanzamt gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Ihm war angesichts der Umstände der Abrechnung der Tageseinnahmen durch seine Ehefrau und der Höhe der nicht über die Buchführung erfassten Geldbeträge durchaus die Fehlerhaftigkeit seiner Steuererklärungen bewusst. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Beschluss des Amtsgericht Xxx vom 27. Januar 2005, das Steuerstrafverfahren gegen den Kläger gemäß § 153 Abs. 2 StPO einzustellen, da eine Einstellung nach dieser Vorschrift ein Vergehen, also eine vorsätzliche Steuerhinterziehung voraussetzt, bei dem jedoch die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre (§ 153 Abs. 1 Satz 1 StPO). Im Übrigen wäre die durch das Urteil das Amtsgericht Xxx vom 27. Januar 2005 ausgesprochene Verurteilung der Ehefrau des Kläger zu berücksichtigen, weil es für die Eigenschaft einer Steuer als hinterzogen im Sinne von § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht auf die Täterschaft des Steuerpflichtigen ankommt, sondern sich der Kläger das Verhalten seiner Ehefrau zurechnen lassen muss (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 169 AO Tz. 18).

b) Daraus folgt, dass die Festsetzungsverjährung für das Jahr 1991 und die folgenden Veranlagungszeiträume bei Ergehen der Änderungsbescheide am 19.12.2003 noch nicht abgelaufen war. Denn die Erklärung für die Umsatzsteuer 1991 war am 26.05.1993 eingereicht worden, so dass die zehnjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31.12.1993 begann, der Ablauf der Frist am 31.12.2003 aufgrund der zwischenzeitlichen Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung im November 2001 gehemmt war und somit die Festsetzungsfrist insoweit nicht ablief, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§§ 169 Abs. 2 Satz 1; 171 Abs. 5 Satz 1 AO i.V.m. § 108 AO u. §§ 187, 188 BGB).

4. Der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung am 24.01.2008 bei Gericht eingegangene Schriftsatz war nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 90 Rz. 8, § 93 Rz. 7 m.w.N. der Rechtsprechung). Es hat das Gericht die Entscheidung auch nicht auf die in dem nachgereichten Schriftsatz erörterten Sachverhalte gestützt, dass bei den Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung "Z-Bons" für den Zeitraum vom 20.10.2001 bis zum 16.11.2001 vorgefunden wurden.

Danach konnte die Klage unter keinem Gesichtspunkt erfolgreich sein.

Der Kläger hat als der unterliegende Beteiligte die Kosten zu tragen (§§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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