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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 25.11.2008
Aktenzeichen: II 341/2005
Rechtsgebiete: AO, BGB, UStG


Vorschriften:

AO § 47
AO § 168
AO § 233a
BGB § 389
UStG § 16 Abs. 1
UStG § 16 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

aufgrund mündlicher Verhandlung 25.11.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob bzw. wann die Abtretung von Umsatzsteuererstattungsansprüchen zu berücksichtigen ist und deshalb Zinsen nach § 233 a AO bei der Klägerin für die Jahre 1996 und 1997 nicht angefallen sind.

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts (S.A.R.L.), die im Jahr 1995 gegründet wurde. Unternehmensgegenstand ist im Wesentlichen die Durchführung von Transporten mit Binnenschiffen. Mehrheitsgesellschafter war zunächst AB C und daneben seine Ehefrau DC- E ; seit dem 04.09.1997 ist FC Alleingesellschafter.

Im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs mietete die Klägerin von der G mbH (im Folgenden: G ) und von der H mbH (im Folgenden: H ) Motorschiffe an und führte mittels dieser Schiffe Güterbeförderungen durch. Die von der Klägerin in Luxemburg eingereichten Mehrtwertsteuererklärungen für die Jahre 1996 und 1997 weisen jeweils steuerpflichtige Umsätze von 0 Luxemburger Franc wegen steuerbefreiten Auslandsumsätzen und jeweils abziehbare Vorsteuer aus. Die Klägerin beantragte zunächst die Erstattung der ihr von der G und der H in den Jahren 1996 und 1997 in Rechnung gestellten Vorsteuern beim Bundesamt für Finanzen als im Ausland ansässiges Unternehmen in dem Verfahren nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV. Sie vertrat den Standpunkt, in Folge in Luxemburg ausgeübter Geschäftsleitung nicht in Deutschland ansässig zu sein. In einem deswegen durchgeführten finanzgerichtlichen Verfahren wies das Finanzgericht Köln mit Urteil vom 21.03.2001 Az. 2 K 6848/98 die Klage ab. Es war der Auffassung, dass die Klägerin nicht am Vorsteuer-Vergütungsverfahren teilnehmen dürfe, weil es sich bei ihr nicht um ein im Ausland ansässiges Unternehmen i.S.d. § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV handle. Es führte dazu in den Urteilsgründen aus, dass sich die Geschäftsführung der Klägerin im Inland ( I ) befunden habe, weil die damalige Geschäftsführerin DC- E, die Geschäftsleitungsfunktion für die Klägerin faktisch alleine von I aus ausgeübt habe. Noch im Jahr 1998 seien Rechnungen für die Klägerin an die Adresse in I versandt worden. Demgegenüber gebe es kaum Anknüpfungspunkte für eine Geschäftsleitung von Luxemburg aus. Die gegen das Urteil des FG Köln vom 21.03.2001 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BFH mit Beschluss vom 14.03.2002 Az. V B 119/01 zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das FG Köln Urteil vom 21.03.2001 2 K 6848/98 (EFG 2001, 1330) und auf den BFH-Beschluss vom 14.03.2002 V B 119/01 (BFH/NV 2002, 1038) verwiesen.

Am 06.03.2003 reichte die Klägerin beim Finanzamt J Umsatzsteuerjahreserklärungen 1996 (für den Zeitraum 01.07.-31.12.1996) und 1997 (für den Zeitraum 01.01.-30.09.1997) ein, in denen als Betriebsstätte I angegeben war. In den Erklärungen, die mit dem Tag des Eingangs beim Finanzamt als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkten (§ 168 Satz 1 AO), erklärte die Klägerin folgende Besteuerungsgrundlagen:

Den Umsatzsteuerjahreserklärungen 1996 und 1997 waren Abtretungsanzeigen wegen Umsatzsteuererstattungen der G und der H beigefügt, die von den Beteiligten (Abtretende/Abtretungsempfängerin) jeweils am 03.03.2003 unterschrieben waren. Danach hat die G an die Klägerin wegen Umsatzsteuererstattung für 1996 einen Betrag von 93.597,10 DM und für das Kalenderjahr 1997 in Höhe von 140.456,80 DM abgetreten und die H für das Kalenderjahr 1996 eine Umsatzsteuererstattung in Höhe von 12.768,60 DM und für das Jahr 1997 in Höhe von 7.724,10 DM. Als Abtretungsgrund war jeweils der Ausgleich der erhöhten Frachtgutschriften wegen Umsatzsteuer angegeben. Beigefügt waren den Abtretungsanzeigen Schreiben der G und der H an die Klägerin alle vom 03.03.2003, betreffend "Rücknahme unserer Korrekturen vom 10.05.2002", "Korrektur unserer Frachtgutschriften für den Zeitraum 01.07.1996 bis 30.09.1997", "Neue Frachtgutschriften für den Zeitraum 01.07. bis 31.12.1996" bzw. "...für den Zeitraum 01.01.-30.09.1997". Aus den neuen Frachtgutschriften ergeben sich die an die Klägerin abgetretenen Beträge. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben vom 03.03.2003 nebst Aufstellungen verwiesen.

Die Abtretungen waren in den von der Klägerin eingereichten Umsatzsteuererklärungen hinsichtlich der Abschlusszahlung nicht berücksichtigt.

Mit Datum 24.04.2003 erging an die Klägerin jeweils eine Abrechnungsmitteilung für die Jahre 1996 und 1997, wonach die abzurechnende Umsatzsteuer -wie von der Klägerin errechnet- für das Jahr 1996 83.074,10 DM (42.475,11 EUR) und für 1997 89.698,60 DM (45.862,17 EUR). Zugleich erging eine Zahlungsaufforderung für die am 07.04.2003 in der genannten Höhe fällig gewesenen Beträge. Mit der Abrechnungsmitteilung verbunden waren Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für das Jahr 1996 in Höhe von 24.490,90 DM (12.522 EUR) und für 1997 in Höhe von 21.072,11 DM (10.774 EUR). Der Zinsberechnung nach § 233 a AO wurde für das Jahr 1996 der Zeitraum vom 01.04.1998 bis 06.03.2003 und für die Zinsen 1997 vom 01.04.1999 bis 06.03.2003 zugrunde gelegt. Bemessungsgrundlage war die jeweils festgesetzte Umsatzsteuer.

Mit Schreiben jeweils vom 28.04.2003 legte die Klägerin "Einspruch gegen den Bescheid für 1996 über Zinsen und Umsatzsteuer vom 24.04.2003" und ebenfalls gleichlautend für 1997 ein.

Sie hat dazu vorgetragen, dass bei der Festsetzung des Zahlbetrages von 42.475,11 EUR (1996) bzw. 45.862,17 EUR (1997) die Abtretungserklärungen der G und H rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt worden seien. Bei entsprechender Verrechnung ergebe sich für sie ein Erstattungsbetrag. Auch Zinsen seien zu Unrecht festgesetzt worden. Die Vorsteuerabtretungen seien bereits in den Jahren 1996 und 1997 also zu den Zeitpunkten zu berücksichtigen, in denen die Leistung bewirkt worden sei. Das Recht auf Vorsteuerabzug für die G und die H sei bereits 1996 und 1997 entstanden. Dies werde durch das BFH-Urteil vom 08.03.2001 Az V R 24/98 bestätigt. Für die lange Zeitdauer des Rechtsstreites dürfe sie nicht nachträglich belastet werden.

Das Finanzamt hat die Einsprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 24.04.2003 für 1996 und 1997 über Zinsen zur Umsatzsteuer als unbegründet zurückgewiesen. Es hat in den Gründen (Seite 4 der Einspruchsentscheidung) darauf hingewiesen, dass die Einspruchsentscheidung ausschließlich die Zinsfestsetzung betreffen soll. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 02.11.2005 verwiesen.

Die Klägerin hat Klage erhoben und zuletzt beantragt, die Zinsfestsetzung für die Jahre 1996 und 1997 in den Bescheiden über Zinsen zur Umsatzsteuer vom 24.04.2003 in Gestalt der gemeinsamen Einspruchsentscheidung vom 02.11.2005 ersatzlos aufzuheben.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor:

Die Zinsfestsetzung sei dem Grunde nach rechtswidrig. Das Finanzamt J sei für ihre Besteuerung örtlich nicht zuständig. Sie habe ihren Sitz in Luxemburg und sei bei den zuständigen Steuerbehörden Luxemburgs als in Luxemburg unbeschränkt steuerpflichtig erfasst worden und sei ihrer Steuerpflicht in Luxemburg durch Abgabe der Steuererklärungen 1996 und 1997 sowie der Zahlung der fälligen Steuern vollumfänglich nachgekommen. Eine am 07.10.1997 erfolgte Überprüfung durch die Steuerverwaltung Luxemburg habe ihre unbeschränkte Steuerpflicht in Luxemburg bestätigt.

Nach dem Urteil des FG Köln und dem Beschluss des BFH vom 14.02.2002 Az. V B 119/01, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen worden sei, habe sie entgegen ihrer eigenen Rechtsauffassung davon ausgehen müssen, dass sie in den Jahren 1996 und 1997 in Deutschland -in I - ansässig gewesen sei und eine steuerpflichtige Betriebsstätte innegehabt habe.

Sie habe am 04.03.2003 für die Betriebsstätte in I neben anderen Steuererklärungen auch die Umsatzsteuererklärungen 1996 und 1997 eingereicht. In dem Anschreiben zu den Erklärungen sei ausdrücklich auf die als Anlage beigefügten Abtretungserklärungen der G und H hingewiesen und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden, dass diese Bestandteil der Erklärungen seien. Die Abtretungen seien bei der Festsetzung der Jahressteuer zu berücksichtigen gewesen, also gegen eine sich zunächst ergebende Umsatzsteuer aufzurechnen gewesen, was zu einer Umsatzsteuererstattung geführt hätte.

Die Berechnung stelle sich wie folgt dar:

Das Finanzamt habe rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass ihre Umsatzsteuerpflicht aus den Umsätzen mit der G und der H als auch die Vorsteuerabzugsberechtigung der Gesellschaften in demselben Besteuerungszeitraum eingetreten seien. Das Finanzamt erkenne jedoch für die G und H die Berechtigung zum Vorsteuerabzug im Besteuerungszeitraum 2003 an, die Umsatzsteuerpflicht bei ihr aus den an die G und H ausgeführten Umsätzen solle jedoch in den Jahren 1996 und 1997 entstehen.

Das zeitliche Auseinanderziehen der Entstehung von Umsatzsteuer und Vorsteuer durch das Finanzamt sei rechtswidrig. Es sei vielmehr so, dass der Umsatzsteueranspruch und der Vorsteueranspruch zeitlich zusammenfielen und damit zeitgleich Anrechnungsmöglichkeiten der abgetretenen Vorsteuererstattungsansprüche entstünden mit der Folge, dass bei ihr keine Sollzinsen anfielen. Wenn der Bevollmächtigte der Klägerin zur Vermeidung einer unnötigen Liquiditätsbelastung der Klägerin den Firmen G und H empfohlen habe, der möglicherweise rechtswidrigen Gesetzesauslegung des Beklagten zu folgen und die Änderungen der Umsatzsteuer im Jahr 2003 anzuzeigen, so könne dies nicht umgedeutet werden, als Verzicht auf den Rechtsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie. Sie habe zutreffend davon ausgehen können, dass unabhängig vom Zeitpunkt der Erklärung der G und H deren Vorsteuererstattungsansprüche in den Jahren 1996 bzw. 1997 also zeitgleich mit der Zahlungsverpflichtung der Klägerin entstanden seien und damit auch ab diesem Zeitpunkt des Entstehens an sie abgetreten seien. Damit sei die Aufrechnungslage gegeben. Es ergebe sich somit für die Jahre 1996 und 1997 anstelle der Zahllast für sie eine Erstattung.

Nach Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie entstehe das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entstehe. Die Verknüpfung von Umsatzsteuer und Vorsteuer werde zuletzt im Urteil des EuGH vom 08.06.2000 Az. C-400/98 "Breitsohl" Tz. 36 bestätigt. Danach entstehe das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entstehe. Nach Art. 10 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie sei dies der Fall, sobald die Lieferung des Gegenstandes oder die Dienstleistung an den vorsteuerabzugsberechtigten Steuerpflichtigen bewirkt werde.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es im wesentlichen Folgendes vor:

Die Zinsen für die Streitjahre seien nach § 233 a AO zutreffend berechnet und festgesetzt.

Ein abgetretenes Steuerguthaben diene der Tilgung festgesetzter Beträge und könne somit vor Festsetzung dieser Beträge keine Tilgungswirkung entfalten. Insoweit sei ein abgetretenes Steuerguthaben bei der Zinsberechnung nicht zu berücksichtigen. Die Zinsberechnung könne nicht dergestalt durchgeführt werden, dass die festgesetzte Steuer und damit die Bemessungsgrundlage der Zinsfestsetzung von vornherein um die abgetretenen Guthaben zu kürzen wäre. Ebenso sei abzulehnen, die Zinsen fiktiv so festzusetzen, als sei die festgesetzte Steuer vor ihrer Festsetzung getilgt worden. Zedent und Zessionar seien getrennte Rechtssubjekte.

Soweit die Klägerin vorträgt im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 18.03.2004 Az. V R 23/93 erneut Klage erhoben zu haben, so könnten eventuell erforderliche Folgeänderungen nach § 233 a Abs. 5 AO nachvollzogen werden.

Nach dem BFH-Urteil vom 01.07.2004 V R 33/01 könne der Unternehmer die Vorsteuerbeträge erst in dem Besteuerungszeitraum abziehen, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG insgesamt vorliegen. Dazu gehöre auch eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis.

Auch der EuGH sei in der Entscheidung vom 29.04.2004 C-152/02, das dem Urteil des BFH vom 01.07.2004 vorausgegangen sei, davon ausgegangen, dass Art. 18 Abs. 2 Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie dahin auszulegen sei, dass der Vorsteuerabzug nicht nur davon abhänge, dass die Lieferung der Gegenstände oder Dienstleistung bewirkt worden sei, sondern auch der Steuerpflichtige die Rechnung oder das Dokument besitze, das nach den von den Mitgliedsstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden könne. Letztlich sei jedoch darauf hinzuweisen, dass die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuererstattungsansprüche nicht originär ihr, sondern anderen Firmen zugestanden hätten und auf sie nur kraft Abtretung übergegangen seien.

Wegen der Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Die zulässige Klage ist unbegründet, denn die Zinsfestsetzung des Finanzamts im Bescheid vom 24.04.2003 ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Soweit sich die Klägerin mit der Klage ursprünglich auch gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 1996 und 1997 gewendet sowie den Erlaß der festgesetzten Zinsen im Billigkeitswege gem. § 227 AO begehrt hat, verfolgt sie dies im anhängigen Verfahren nicht mehr.

1. Führt die Festsetzung der Steuer (hier: Umsatzsteuer), vermindert um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen zu einem Unterschiedsbetrag (§ 233 a Abs. 3 AO), ist dieser gem. § 233 a Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233 a Abs. 2 Satz 1 AO). Wird die Umsatzsteuerfestsetzung geändert, ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer maßgebend für die Zinsberechnung (§ 233 a Abs. 5 AO). Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden (§ 233 a Abs. 4 AO).

a) Der Gesetzgeber hat die Erhebung der Zinsen in § 233 a AO nach dem Sollprinzip ausgestaltet (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 233 a AO Tz. 32). Der Unterschiedsbetrag ergibt sich aus einem Abgleich der festgesetzten Steuer (Soll) mit einer ggf. zuvor festgesetzten Steuer (Vorsoll) , wobei Nachforderungszinsen entstehen, wenn der Steuerpflichtige eine Nachzahlung zu leisten hat. Festgesetzte Steuer ist auch diejenige, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt ist.

b) Die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr (Jahressteuer) entsteht i.S. der genannten Vorschrift in dem Zeitpunkt, in dem sie nach § 16 Abs. 1 und 2 UStG berechenbar ist. Dieser Zeitpunkt ist das Ende des Besteuerungszeitraums, mithin das Kalenderjahr (BFH-Urteil vom 09.05.1996 V R 62/94, BStBl. II 1996, 662). Damit beginnt der Zinslauf wie hier für die Umsatzsteuer 1996 am 01.04.1998 bzw. für das Jahr 1997 am 01.04.1999. Der Zinslauf endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233 a Abs. 2 Satz 3 AO), im Streitfall somit zutreffend am 06.03.2003 mit dem Eingang der Umsatzsteuererklärungen der Klägerin beim Finanzamt.

c) Zweck der Regelung des § 233 a AO ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuer bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig wird. Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gem. § 233 a AO ist dann grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Schuldner der Steuernachforderung Liquiditätsvorteile gehabt hat, weil er von der Zahlung der geschuldeten Steuer vorerst "freigestellt" war (BFH-Urteil vom 30.03.2006 V R 60/04 a.a.O).

d) Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Urteil vom 30.03.2006 Az. V R 60/04, BFH/NV 2006, 1434 m.w.N.). Entscheidend ist der liquiditätswirksame Abfluss beim Steuerpflichtigen. Daher ist es für die Festsetzung von Nachforderungszinsen für nachträglich festgesetzte Umsatzsteuer beim Leistenden ohne Belang, dass sich in gleicher Höhe im Saldo ein Ausgleich mit dem Vorsteuererstattungsanspruch des Leistungsempfängers ergibt (BFH-Urteil vom 20.01.1997 V R 28/95, BStBl. 1997, 716; Loose in Tipke/Kruse a.a.O., § 233 a Tz. 40). D.h., da § 233a AO bei Nachforderungszinsen auf einen Vorteil des Steuerpflichtigen abstellt, ist es unerheblich, ob sich Vorteil und Nachteil der verspäteten Festsetzung beim Fiskus per Saldo wegen des Zusammenhangs von Umsatzsteuer und abziehbarer Vorsteuer möglicherweise ausgleichen (vgl. BFH-Urteile vom 02.11.2006 V B 24/05, BFH/NV 2007,208 , vom 12.04.2000 XI R 21/97, BFH/NV 2000,1178 und vom 20.01.1997 V R 28/95, BStBl. II 1997, 716)

Unbeachtlich ist grundsätzlich, ob der Steuerpflichtige die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen hat. Die Verzinsung der nachträglich festgesetzten Umsatzsteuer nicht auch nicht deshalb sachlich unbillig ist, weil der Leistende von einer sog. Null-Situation (keine Umsatzversteuerung durch den Leistenden, kein Vorsteuerabzug des Empfängers) ausgegangen war.

e) In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der aus § 15 UStG resultierende, in der Person des Unternehmers entstandene und von ihm geltend zu machende Vorsteuerabzugsanspruch lediglich eine unselbständige Besteuerungsgrundlage innerhalb der ihn betreffenden Steuerberechnung und -festsetzung ist und kein Anspruch mit verfahrensrechtlichem Eigenleben. Allein dann, wenn sich bei dieser Steuerberechnung als Saldo ein rechnerischer Überschuß zugunsten des Unternehmers ergibt (vgl. §§ 16 Abs. 2 Satz 1, 18 Abs. 1 und 3 UStG), erwächst ihm ein selbständiger und damit abtretbarer Auszahlungsanspruch (BFH-Urteil vom 24.03.1983 V R 8/81, BStBl. II 1983, 612). Es konnte daher der Umsatzsteueranspruch des Finanzamts nicht bereits bei seinem Entstehen durch Aufrechnung mit dem abgetretenen Erstattungsanspruch erlöschen (§ 47 AO, § 389 BGB).

f) Selbst wenn zu diesem Zeitpunkt bereits eine wirksame Aufrechnungserklärung vorgelegen hätte, würde für die Berechnung der Zinsen die Rückwirkung der Aufrechnung nicht über den Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld der Klägerin hinausgehen; denn es soll die verspätete Festsetzung der Steuerschuld nicht im Nachhinein mit der rechtzeitigen Festsetzung gleichgestellt werden (vgl. AEAO zu § 226 Tz. 2 Abs. 2; Loose in Tipke/Kruse AO/FGO, Kommentar, § 238 AO Tz. 5; FG-Nürnberg-Urteil vom 26.10.2004 II 373/2002, [...]recherche nachfolgend bestätigt durch BFH-Beschluss vom 28.10.2005 V B 196/04, BFH/NV 2006,245).

2. Vorstehende Rechtsgrundsätze auf den Streitfall angewendet, hat das Finanzamt die Zinsen nach § 233 a AO nach Grund und Höhe zutreffend festgesetzt.

Im Streitfall ist Umsatzsteuer für die Klägerin für die Jahre 1996 und 1997 erstmals mit Eingang der Steuererklärungen beim Finanzamt J am 06.03.2003 festgesetzt worden. Denn die Steuererklärungen wirkten mit dem Tag des Eingangs beim Finanzamt (06.03.2003) als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 Satz 1 AO). Soweit Steuerguthaben abgetreten sind, dienen diese der Tilgung festgesetzter Beträge. Denn vor Festsetzung ist eine Tilgung nicht möglich. Auch können nach der Rechtsprechung -wie unter Ziff. 1. der Entscheidungsgründe dargestellt- die Zinsen nicht so festgesetzt werden als sei fiktiv die festgesetzte Steuer vor ihrer Festsetzung getilgt worden. Die Abtretung des Vorsteuererstattungsanspruchs der G und der H an die Klägerin am 03.03.2003 hatte daher keine Tilgungswirkung für die bei der Klägerin mit Ablauf des Besteuerungszeitraums (Kalenderjahr) entstandene Umsatzsteuer für die Jahre 1996 und 1997. Darüber hinaus ist zu beachten, dass für die Unternehmen G und H das Recht zum Abzug der Vorsteuer erst mit den Frachtgutschriften entstanden ist, in denen Umsatzsteuer ausgewiesen war. Denn der Unternehmer kann die Vorsteuerbeträge erst in dem Besteuerungszeitraum abziehen, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG insgesamt vorliegen. Dazu gehört auch eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis (BFH-Urteil vom 01.07.2004 V R 33/01, BStBl. II 2004, 861).

Im Übrigen sind Einwendungen gegen die Berechnung der Zinsen weder von der Klägerin vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich. So entsprechen die Zinsberechnung anhand der festgesetzten Steuer, Zinslaufzeit und Zinssatz den gesetzlichen Vorgaben. Auch hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er sich lediglich gegen die Zinsfestsetzung dem Grunde nach wendet.

Danach blieb die Klage ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Ende der Entscheidung

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