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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 27.06.2006
Aktenzeichen: II 415/2003
Rechtsgebiete: UStG 1997


Vorschriften:

UStG 1997 § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 4
UStG 1997 § 17 Abs. 1
UStG 1997 § 17 Abs. 1 S. 3
UStG 1997 § 17 Abs. 2 Nr. 2
UStG 1997 § 17 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

In dem Rechtsstreit

hat der II. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch ...

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 27.06.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob das Finanzamt die Vorsteuer gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 UStG berichtigen durfte.

Die Kläger erwarben mit notariellem Bauträgervertrag vom 21.12.1995 von der Fa. A. einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück in B. mit einer noch zu errichtenden Gewerbeeinheit zum Preis von 600.000 DM zuzüglich 90.000 DM Umsatzsteuer. Sie beabsichtigten, ihre voraussichtlich Ende November 1996 bezugsfertigen Räume als Buchhandlung umsatzsteuerpflichtig zu vermieten.

Mit Rechnung vom 22.12.1995 forderte der Bauträger eine Kaufpreisrate von 200.000 DM zuzüglich 30.000 DM Umsatzsteuer und mit Rechnung vom 20.12.1996 eine weitere Rate von 400.000 DM zuzüglich 60.000 DM Umsatzsteuer. Das Finanzamt stimmte den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1995 und 1996 zunächst zu. Die Umsatzsteuer (Vorsteuer) 1995 und 1996 in Höhe von insgesamt 90.000 DM traten die Kläger an den Bauträger wirksam ab.

Im Jahr 1997 setzte der Bauträger die Kläger mit Schreiben vom 18.06.1997 in Kenntnis, dass das Projekt nicht realisiert werden könne. Aufgrund einer zur Absicherung der Vorauszahlungen abgeschlossenen Bürgschaft erhielten die Kläger den Nettokaufpreis von 600.000 DM am 25.07.1997 zurück.

Mit Bescheid vom 17.12.1998 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für die Jahre 1995 und 1996 auf 0,-- DM fest, weil das Gebäude nicht errichtet worden sei. Nachdem der BFH in einem Parallelverfahren (Urteil vom 17.05.2001 V R 38/00) entschied, dass die Vorsteuer im Jahr der Anzahlung unabhängig von der späteren Realisierung des Projekts zu gewähren sei, wenn der Steuerpflichtige die steuerpflichtige Verwendungsabsicht belege, half das Finanzamt den Einsprüchen ab und gewährte mit Bescheiden vom 18.02.2002 den Vorsteuerabzug für 1995 und 1996. Gleichzeitig berichtigte es den in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 UStG in Höhe von 90.000 DM und setzte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid die Umsatzsteuer für 1997 auf 89.894 DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Zur Begründung verwies es auf die Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 17.05.2001 in dem Parallelverfahren, wonach der Vorsteuerabzug im Jahr der Rückerstattung der Anzahlungen gem. § 17 UStG zu berichtigen sei.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Kläger beantragen,

den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 18.02.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.10.2003 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer 1997 auf 105,80 DM festgesetzt wird.

Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor:

Die Vorsteuerberichtigung sei zu Unrecht erfolgt, weil sich die Bemessungsgrundlage nicht geändert habe. Obwohl eine Lieferung nicht erfolgt sei und auch nicht mehr erfolgen werde, sei der Kaufvertrag zivilrechtlich nie rückabgewickelt worden und es seien auch keine berichtigten Rechnungen ergangen. Dies setze die 6. EG-Richtlinie in Art. 20 aber voraus.

Die Rückzahlung des Nettokaufpreises aufgrund der Bankbürgschaft stelle mangels zivilrechtlicher Rückabwicklung des Kaufvertrages Schadensersatz dar. Sie hätten von dem Bauträger kein Geld zurückbekommen, auch eine Rückabtretung des Vorsteueranspruchs sei trotz Aufforderung nicht erfolgt. Die geforderte Vorsteuer wäre daher ohne Gegenleistung aus ihrem Privatvermögen zu zahlen. Dies widerspreche dem Neutralitätsprinzip der Umsatzsteuer, wonach der Unternehmer durch den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Umsatzsteuer entlastet werden solle.

Aufgrund der Abtretung sei die Vorsteuer nicht an sie ausbezahlt, sondern mit der Steuerschuld des Bauträgers verrechnet worden. Dieser habe den Vorsteuererstattungsanspruch ohne rechtlichen Grund erlangt und sei verpflichtet, den erlangten Vorteil zurückzugewähren. Das Finanzamt müsse daher die Vorsteuer nicht von ihnen, sondern vom Bauträger verlangen.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus:

Die Vorsteuer sei zu berichtigen, weil die Kläger Anzahlungen auf eine neu herzustellende Gewerbeeinheit geleistet und den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hätten. Die vereinbarte Leistung -Lieferung einer bezugsfertigen Gewerbeeinheit- sei aber unstreitig nicht erbracht worden. Nach dem Gesetzeswortlaut sei die Vorsteuerberichtigung unabhängig davon vorzunehmen, ob der Kaufvertrag zivilrechtlich rückabgewickelt, die Rechnung berichtigt oder die Anzahlungen zurückbezahlt worden seien. Der Vorsteuerabzug sei in dem Veranlagungszeitraum zu berichtigen, in dem die vereinbarte Lieferung und damit der Rechtsgrund für die geleisteten Anzahlungen entfalle. Im Streitfall sei dies das Jahr 1997 und nicht erst der Veranlagungszeitraum, in dem gegebenenfalls die Rechnung berichtigt werde. Im Übrigen hätten Ermittlungen der Finanzkasse ergeben, dass die Bauträgerfirma berichtigte Voranmeldungen abgegeben habe und ihr die Umsatzsteuer vom zuständigen Finanzamt C. im Jahr 1997 erstattet worden sei.

Die Kläger könnten ihre Rechtsstellung im Steuerfestsetzungsverfahren nicht durch Abtretung des Zahlungsanspruchs beseitigen. Der Rückforderungsanspruch richte sich außerdem im Falle der Abtretung nicht nur gegen den Abtretungsempfänger, sondern auch gegen den Abtretenden (§ 37 Abs. 2 Satz 3 AO). Abtretender und Abtretungsempfänger seien Gesamtschuldner der Rückforderung (§ 44 Abs. 1 S. 1 AO). Die Inanspruchnahme der Kläger als Abtretende sei ermessensgerecht, denn der Abtretungsempfänger existiere nicht mehr und hinsichtlich eines eventuellen Rückforderungsanspruchs sei bereits Zahlungsverjährung eingetreten. Der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer sei durch die Vorsteuerberichtigung nicht verletzt, weil der Unternehmer, der vor Erbringung der Leistung bezahle, das Risiko dafür trage, dass die Leistung nicht erbracht werde und der Vertragspartner sich zur Rückzahlung als unfähig erweise.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg. Das Finanzamt hat zu Recht die Vorsteuer im Streitjahr berichtigt.

1.

Gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 UStG hat der Unternehmer, der für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet hat, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn die Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausgeführt worden ist. Diese Vorschrift ist das notwendige Korrektiv zur Anzahlungsbesteuerung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 4 bzw. Buchst. b UStG, wonach die Steuer bei Voraus- bzw. Anzahlungen bereits vor Ausführung der Leistung entsteht, und zur Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, wonach die Steuer, die auf eine Zahlung vor Ausführung der Leistung entfällt, als Vorsteuer bereits abziehbar ist, wenn die Zahlung geleistet ist. Kommt der Unternehmer seinen Pflichten aus § 17 UStG zur Berichtigung nicht nach, ist das Finanzamt berechtigt und verpflichtet, die Berichtigungen von Amts wegen durchzuführen. Die Berichtigung ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Abtretung des Steueranspruchs berührt die Stellung des Steuerpflichtigen im Steuerfestsetzungsverfahren nicht (st. Rspr. vgl. BFH-Urteil vom 21.03.1975 VI R 238/71, BStBl. II 1975, 669).

2.

Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 UStG sind im Streitjahr gegeben. Die Kläger haben das Entgelt in zwei Raten 1995 und 1996 entrichtet, die vereinbarte Lieferung ist aber nicht ausgeführt worden. Der Bauträger hat 1997 mitgeteilt, dass das Projekt in B. endgültig nicht mehr realisiert werden wird. Damit war die Vorsteuerberichtigung gegenüber den Klägern im Jahr 1997 vorzunehmen. Der Senat schließt sich insoweit der Entscheidung des BFH in einem Parallelfall an, wonach die dortigen Kläger den Vorsteuerabzug im Jahr der Rückerstattung der Anzahlung gem. § 17 UStG zu berichtigen hatten (BFH-Urteil vom 17.05.2001 V R 38/00, BStBl. II 2003, 434).

a)

Die Einwände der Kläger gegen die Vorsteuerberichtigung überzeugen nicht. Obwohl § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf § 17 Abs. 1 UStG verweist, handelt es sich steuersystematisch nicht um eine Änderung der Bemessungsgrundlage, sondern um den Fall, dass gar kein Umsatz getätigt worden ist. Es ist zwischen den Parteien insoweit unstreitig, dass kein Umsatz erfolgt ist und auch nicht mehr erfolgen wird. Die zivilrechtliche Rückabwicklung des Kaufvertrages ist für den vorliegenden Fall ohne Belang. Es braucht daher auch nicht entschieden zu werden, ob in dem Schreiben des Bauträgers eine Rücktrittserklärung gesehen werden kann und die Rückabwicklung des Kaufvertrages durch die Auszahlung des Bürgschaftsbetrages erfolgt ist. Ebenso ist die rechtliche Einordnung der Zahlung als Rückgewähr oder als Schadensersatz ohne Bedeutung. Denn der Gesetzeswortlaut stellt nicht darauf ab, ob das Entgelt zurückgewährt worden ist.

b)

Nach dem Gesetzeswortlaut ist weiterhin irrelevant, ob eine etwaige Rechnung zurückverlangt bzw. berichtigt worden ist. Ein Belegaustausch ist im Gesetz nur in den Fällen des § 17 Abs. 4 UStG vorgesehen. Aus dieser Regelung kann im Umkehrschluss gefolgert werden, dass der Gesetzgeber für andere Fälle einen Belegaustausch nicht für erforderlich hält. Hierfür spricht auch, dass den an einem Leistungsaustausch Beteiligten in der Regel der Eintritt der Umstände des § 17 UStG bekannt ist (vgl. Tehler in Reiß, Kraeusel, Langer, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 17 RdNr. 81). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht. Nach Art. 20 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie wird der ursprüngliche Vorsteuerabzug nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war. Das Gleiche gilt, wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrages berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, insbesondere bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten. Diese Regelung räumt den Mitgliedstaaten einen weitgefassten Spielraum ein, innerhalb dessen sich die Regelungen des § 17 UStG halten (vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Kommentar zur Umsatzsteuer, § 17 RdNr. 3).

c)

Die Inanspruchnahme der Kläger widerspricht auch nicht dem im Umsatzsteuerrecht herrschenden Grundsatz der Neutralität. Denn der Unternehmer, der vor Erbringung der Leistung bezahlt, trägt das Risiko dafür, dass die Leistung nicht erbracht wird und der Vertragspartner sich zur Rückzahlung als unfähig erweist (Reiß, Betriebsberater 1981, 1632; FG München, Beschluss vom 20.12.1995 3 V 3344/95, EFG 1996, 397). Dieses Risiko kann nicht in sachlich ungerechtfertigter Weise auf den Fiskus verlagert werden. Anderenfalls entstünde diesem und damit der Allgemeinheit ein Schaden, denn die Bauträgerfirma hat berichtigte Voranmeldungen abgegeben und die Umsatzsteuer 1997 vom zuständigen Finanzamt erstattet bekommen. Es war aber allein die Entscheidung und das Risiko der Kläger, die Umsatzsteuer (Vorsteuer) an den Bauträger abzutreten, ohne sich für den Fall eines möglichen Ausfalls abzusichern.

3.

Mit der Berichtigung des Vorsteuerabzugs gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 UStG entsteht ein Rückforderungsanspruch des Steuergläubigers gegenüber dem Leistungsempfänger hinsichtlich der gewährten Steuervergütung, für deren Auszahlung der rechtliche Grund im Nachhinein ganz oder teilweise weggefallen ist, § 37 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AO (BFH-Urteil vom 09.04.2002 VII R 108/00, BStBl. II 2002, 562 m.w.N.). Im Falle der Abtretung eines Steuererstattungs- bzw. -Vergütungsanspruchs und der Auszahlung des Steuerbetrages an den Abtretungsempfänger (Zessionar) richtet sich der Rückforderungsanspruch des Finanzamts nach ständiger Rechtsprechung zwar regelmäßig wegen rechtsgrundloser Erstattung bzw. Vergütung gegen den Zessionar, da dieser hinsichtlich des Zahlungsanspruchs in die Rechtsstellung des Abtretenden (Zedenten) eingetreten ist und - aufgrund der willentlichen Leistung des Finanzamts - den ohne rechtlichen Grund ausgezahlten Betrag aus eigenem -erworbenen- Recht erhalten hat (BFH-Urteile vom 13.06.1997 VII R 62/96, BFH/NV 1998, 143; vom 13.02.1996 VII R 89/95, BStBl. II 1996, 436). Ungeachtet dessen kann der Rückforderungsanspruch aber auch gegen den Zedenten geltend gemacht werden (§ 37 Abs. 2 Satz 3 AO). Abtretender und Abtretungsempfänger sind Gesamtschuldner des Rückforderungsanspruchs (§ 44 Abs. 1 AO), das Finanzamt hat bei der Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners ein Auswahlermessen. Nachdem der Bauträger rechtlich nicht mehr existent ist und ein Rückforderungsanspruch ihm gegenüber auch verjährt wäre, war es ermessensgerecht, die Kläger in Anspruch zu nehmen. Die Gesamtschuldnerschaft soll der Finanzbehörde grundsätzlich eine möglichst rasche und sichere Erhebung der Steuerschuld ermöglichen. Darum kann die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners grundsätzlich auch nicht daran scheitern, dass dieser von dem anderen Gesamtschuldner keinen Ausgleich mehr erlangen kann (BFH-Urteil vom 28.02.1973 II R 57/71, BStBl. II 1973, 573).

Die Klage war danach abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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