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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 26.09.2007
Aktenzeichen: III 178/05
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 218 Abs. 1
AO § 356 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

III 178/05

Aufrechnungserklärung des Finanzamts vom 07.06.2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 26.09.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Mit Schreiben vom 07.06.2002 erklärte der Beklagte gegen ein Guthaben des Klägers aus der Einkommensteuer 2000 und dem Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2000 in Höhe von insgesamt 248,64 EUR die Aufrechnung mit Gerichtskosten aus sechs näher bezeichneten Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in Höhe von insgesamt 183,69 EUR. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 07.06.2002 verwiesen. Der Aufrechnungserklärung lagen entsprechende Vollstreckungsersuchen der Staatsoberkasse X - Buchungsstelle A - zugrunde.

Mit Schreiben vom 10.06.2002 erhob der Kläger gegen die Aufrechnung "Widerspruch" mit dem Begehren, den aufgerechneten Betrag erstattet zu bekommen.

Mit Schreiben vom 08.07.2002 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass eine Überprüfung, ob die (Gerichts-)Kosten sachlich und rechtlich zutreffend festgesetzt wurden, dem Finanzamt nicht zustehe. Die erklärte Aufrechnung entspreche den einschlägigen Vorschriften und sei nicht zu beanstanden. Das "Widerspruchsschreiben" sei mit der Bitte um Stellungnahme an das Bayerische Verwaltungsgericht A weitergeleitet worden. Wegen des weiteren Inhalts wird auf das Schreiben vom 08.07.2002 verwiesen.

Mit unanfechtbarem Beschluss vom 30.09.2002 wies der VI. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs u.a. die Kostenerinnerungen gegen die der Aufrechnung zugrunde liegenden Kostenfestsetzungen (Az. W ) zurück. Mit Schreiben vom 01.09.2004 teilte der Beklagte dem Kläger dies mit und führte aus, die Gerichtsko-sten seien zu Recht erhoben worden, die Aufrechnung mit Steuererstattungsansprüchen sei rechtens gewesen. Der Kläger wurde gebeten, die Erfolgsaussichten seines Einspruchs zu überdenken.

Nachdem der Kläger darauf nicht antwortete, verwarf der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 17.12.2004 den Einspruch vom 10.06.2002 gegen die Aufrechnungserklärung des Finanzamts vom 07.06.2002 als unzulässig mit der Begründung, die Aufrechnung des Finanzamts mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sei kein mit dem Einspruch anfechtbarer Verwaltungsakt.

Mit Schreiben vom 18.01.2005 übersandte der Beklagte dem Finanzgericht gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 FGO ein Schreiben des Klägers vom 12.01.2005, gerichtet an das Finanzamt - Vollstreckungsstelle -, mit dem er sich gegen die Einspruchsentscheidung vom 17.12.2004 und das Mitteilungsschreiben vom 01.09.2004 wandte. Mit Schreiben des Finanzgerichts Nürnberg vom 24.01.2005 ist der Kläger gebeten worden klarzustellen, ob er mit seinem Schreiben vom 12.01.2005 gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Einspruchsentscheidung vom 17.12.2004 begehrt. Der Kläger hat daraufhin u.a. mitgeteilt, er halte seinen Widerspruch gegen die Einspruchsentscheidung vom 17.12.2004 aufrecht. Das Gericht hat den Kläger mit Schreiben vom 21.02.2005 darauf hingewiesen, dass sein Schriftsatz vom 12.01.2005 als Klage erfasst wurde.

Zur Begründung der Klage rügt der Kläger im Wesentlichen die seiner Auffassung nach unzutreffenden, insbesondere willkürlichen Handlungen und Entscheidungen der im Verwaltungsverfahren beteiligten Behörden und Gerichte bzw. Richter. Der Beklagte habe sich über die übersandten Beschwerdeschriften hinweggesetzt. Er und die anderen Miteigentümer des Grundstücks Fl.St.Nr. der Gemarkung B würden der Gemeinde C keine Beiträge, Säumniszuschläge und keine Gerichtskosten schulden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Aufrechnungserklärung vom 07.06.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 17.12.2004 aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 183,69 EUR zu verpflichten.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung mit der Begründung, die Aufrechnung mit Einkommensteuererstattungsansprüchen sei nicht willkürlich gewesen, bezüglich der Gerichtskosten hätten vollstreckbare Ansprüche bestanden. Ein Abrechnungsbescheid sei nicht beantragt worden. Ein solcher würde auch die der Aufrechnung zugrunde liegende Forderung nicht ändern können.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Dem Senat liegen die Vollstreckungsakten des Klägers (Band I bis III) und die Rechtsbehelfsakte vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

1. Das Schreiben des Klägers vom 12.01.2005 ist unter Berücksichtigung seiner wohlverstandenen Interessen als Klage gegen die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 17.12.2004 zu werten. Nachdem der Kläger auf die ausdrückliche Anfrage des Gerichts hin eine Rückgabe seines "Widerspruchs" an das beklagte Finanzamt nicht beantragt hat und das gegen die Einspruchsentscheidung einzig mögliche weitere Rechtsmittel eine Klage zum Finanzgericht ist, ist sein Schreiben vom 12.01.2005 entsprechend auszulegen. Unter Berücksichtigung seines Vorbringens begehrt er die Aufhebung der Aufrechnungserklärung vom 07.06.2002 und der Einspruchsentscheidung sowie die Zahlung des zur Aufrechnung gelangten Betrages i.H.v. 183,69 EUR. Weitere Beträge werden von der strittigen Aufrechnungserklärung nicht umfasst. Die Einspruchsentscheidung bezieht sich nicht auf andere Maßnahmen im Erhebungs- bzw. Vollstreckungsverfahren oder andere Forderungen.

2. Soweit der Kläger die Zahlung eines Betrages von 183,69 EUR begehrt, hat die Klage keinen Erfolg, weil bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer Aufrechnung durch Abrechnungsbescheid und in dem sich daran anschließenden Einspruchsverfahren und Klageverfahren zu entscheiden ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 07.07.1998 VII B 312/97, BFH/NV 1999, 150 m.w.N.). Für die Erhebung einer allgemeinen Leistungsklage besteht solange kein Anlass, als über die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob der geltend gemachte Erstattungsanspruch - teilweise - durch Aufrechnung seitens des Finanzamts erloschen ist, nicht durch Abrechnungsbescheid entschieden ist. Eine auf Zahlung gerichtete Leistungsklage kann dagegen nur dann Erfolg haben, wenn aufgrund eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens der geltend gemachte Anspruch durch Verwaltungsakt festgestellt ist und nur noch seine Verwirklichung im Sinne des § 218 Abs. 1 AO aussteht (vgl. BFH, a.a.O.).

Demnach hat im Streitfall das auf Zahlung bzw. Erstattung des Betrages in Höhe von 183,69 EUR gerichtete Begehren keinen Erfolg. Ein anfechtbarer Abrechnungsbescheid nebst erfolglos durchgeführtem Vorverfahren ist nicht gegeben, selbst dann nicht, wenn der "Widerspruch" des Klägers vom 10.06.2002 auch als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 AO und das Schreiben des Beklagten vom 08.07.2002 als entsprechender Bescheid zu werten wäre. Das Schreiben vom 08.07.2002 könnte zwar bei objektiver Betrachtungsweise, d.h. nach dem sog. Empfängerhorizont aufgrund der darin enthaltenen Feststellung des Beklagten, die mit Schreiben vom 07.06.2002 erklärte Aufrechnung entspreche den einschlägigen Vorschriften und sei nicht zu beanstanden, als Abrechnungsbescheid qualifiziert werden. Dieser wäre aber bestandskräftig geworden. Das Schreiben vom 08.07.2002 enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung, die Einlegung eines Einspruchs ist deshalb binnen der Jahresfrist nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO möglich gewesen. Innerhalb dieser Frist ist jedoch weder nach dem Vorbringen der Beteiligten noch nach dem Inhalt der vorliegenden Akten ein Einspruch dagegen eingelegt worden.

Anders als das Schreiben des Beklagten vom 08.07.2002 kann das Schreiben vom 01.09.2004 nicht als Abrechnungsbescheid verstanden werden. Es enthält zwar einerseits die Feststellung, die Gerichtskosten seien zu Recht erhoben worden und die Aufrechnung mit Steuererstattungsansprüchen sei rechtens gewesen. Andererseits ergibt sich aber insbesondere aus der darin enthaltenen Bitte, die Erfolgsaussichten des Einspruchs zu überdenken, dass der Beklagte mit diesem Schreiben keine abschließende Entscheidung oder Regelung, vor allem nicht außerhalb des Einspruchsverfahrens treffen wollte.

Zudem bezieht sich die Einspruchsentscheidung vom 17.12.2004 ausdrücklich nur auf den Einspruch vom 10.06.2002 gegen die Aufrechnungserklärung vom 07.06.2002, sie kann nicht als Entscheidung über einen Abrechnungsbescheid angesehen werden.

3. Die Verwerfung des Einspruchs gegen die Aufrechnungserklärung vom 07.06.2002 mit Einspruchsentscheidung vom 17.12.2004 als unzulässig war zutreffend. Eine Aufrechnungserklärung des Finanzamts nach § 226 Abs. 1 AO, §§ 388, 389 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- stellt grundsätzlich keinen Verwaltungsakt dar (vgl. BFH-Urteil vom 28.07.1987 VII R 145/83, BFH/NV 1988, 213; Tipke/Kruse, AO-FGO, § 226 AO Tz. 50 m.w.N.). Sie ist auch im Streitfall nach Inhalt und Form nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Ein Einspruch gegen die Aufrechnungserklärung war deshalb nicht statthaft (vgl. § 347 AO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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