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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 26.09.2007
Aktenzeichen: III 208/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10a
EStG § 82
EStG § 85 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

III 208/05

Einkommensteuer 2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 26.09.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, in welcher Höhe Beiträge zur Altersversorgung als Sonderausgaben nach § 10a EStG zu berücksichtigen sind.

Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von brutto 105.055 EUR. Die Klägerin ist Hausfrau. Die Kläger haben 4 Kinder, A, geb. 02.06.1981, im Streitjahr Student, B, geb. 27.11.1983, im Streitjahr in Schulausbildung, sowie C, geb. 10.05.1988 und D, geb. 18.06.1992.

Im Streitjahr leisteten beide Kläger Beiträge zur Altersvorsorge i.S. § 10a EStG in Höhe von jeweils 525 EUR. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2002 begrenzte das beklagte Finanzamt bei der Berechnung des Abzugsbetrags im Rahmen der sog. "Günstigerprüfung" ( § 10a Abs. 2 Satz 3 EStG) die begünstigten Beiträge auf den dem Kläger zustehenden Höchstbetrag von 525 EUR. Die von der Klägerin aufgewendeten Altersvorsorgebeiträge berücksichtigte es nicht. Zu einem Sonderausgabenabzug kam es nicht, weil die aus der begrenzten Beitragsanrechnung errechnete Steuerermäßigung geringer war als die Altersvorsorgezulage nach Abschnitt XI EStG in Höhe von insgesamt 260 EUR für beide Kläger und vier zu berücksichtigende Kinder.

Mit Bescheid vom 24.01.2005 setzte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuer 2002 bei einem zu versteuerndem Einkommen von 71.401 EUR unter Hinzurechnung des ausbezahlten Kindergeldes auf 24.642 EUR fest.

Gegen den Steuerbescheid legten die Kläger mit der Begründung Einspruch ein, ziehe man von den Gesamtbeiträgen von 1.050 EUR die zustehenden Zulagen i.H.v. 260 EUR ab, verbliebe noch eine Eigenleistung von 790 EUR. Die darauf entfallende Einkommensteuer würde insgesamt 298 EUR betragen. Das wären 38 EUR mehr als die Zulagen ausmachen würden. Berücksichtige man als Sonderausgaben nur die maximalen Beiträge des rentenversicherungspflichtigen Ehegatten, was dann logischerweise zur Folge haben müsste, dass die dem anderen Ehegatten zustehenden Zulagen außer Ansatz bleiben müssten, ergäbe sich sogar eine Differenz von 152 EUR. Keine Auswirkungen würden sich ergeben, wenn nur der maximale Eigenbeitrag des rentenversicherungspflichtigen Ehegatten als Sonderausgabe berücksichtigt würde, davon aber dann auch die Zulagen für den Ehegatten abgesetzt würden, was aber schon deshalb willkürlich wäre, weil damit ein Teil der Beiträge aus versteuertem Einkommen aufgebracht werden müsste, obwohl die Renten später ebenfalls versteuert werden müssten.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 05.08.2005). Mit beim beklagten Finanzamt am 07.09.2005 eingegangenen Schriftsatz haben die Kläger Klage erhoben.

Die Klägerin sei bis kurz nach der Geburt des ersten Kindes berufstätig und in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen. Durch die Kindererziehung und die schlechten Kinderbetreuungsmöglichkeiten im ländlichen Raum sei ihr die Wiederaufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit bis heute nicht möglich gewesen. Aufgrund ihrer kurzen Erwerbsbiographie und der geringen rentenrechtlichen Berücksichtigungszeiten von jeweils nur 1 Jahr für die ersten drei Kinder habe die Klägerin nur geringe eigene Rentenansprüche von höchstens 250 EUR erworben. Die Kläger hätten sich deshalb zur Verbesserung der Altersvorsorge für die "Riesterrente" entschieden. Mit der Einkommensteuerveranlagung 2002 hätten sie feststellen müssen, dass die Förderung von Familien mit Kindern nur auf dem Papier stehe; kinderlose, beiderseits erwerbstätige Ehepaare erhielten über den Sonderausgabenabzug im Ergebnis höhere staatliche Zuwendungen als sie selbst trotz der Kinderzulagen. Die Regelungen zum Sonderausgabenabzug der Altersvorsorgebeiträge verletzten Verfassungsvorschriften und missachteten die Rechtsprechung des BVerfG zur besseren Berücksichtigung der Erziehungsleistung beim Aufbau der eigenen Altersvorsorge. Ehegatten mit mehreren Kindern, bei denen nur ein Ehegatte berufstätig sei, würden bei der steuerlichen Berücksichtigung ihrer Altersvorsorgebeiträge dadurch rechtswidrig benachteiligt, dass die dem nicht berufstätigen Ehegatten gewährten Zulagen beim berufstätigen Ehegatten angerechnet würden, was in ihrem Fall dazu führe, dass ein Teil der Eigenbeiträge im Ergebnis aus versteuertem Einkommen geleistet und so auf Grund der nachgelagerten Besteuerung doppelt versteuert werden müsse.

Die Kläger beantragen

den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 24.01.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.08.2005 dergestalt zu ändern, dass die von den Klägern insgesamt geleisteten Altersvorsorgebeiträge im Rahmen des Sonderausgabenabzugs bis zur doppelten gesetzlichen Höchstgrenze unter Anrechnung aller steuerlichen Zulagen berücksichtigt werden und die Einkommensteuer 2002 entsprechend niedriger festgesetzt wird.

Das beklagte Finanzamt beantragt

Klageabweisung.

Die Ermittlung der begehrten Sonderausgaben nach § 10a EStG sei gemäß den gesetzlichen Bestimmungen erfolgt.

Das Gericht hat am 23.07.2007 (zugestellt am 26.07.2007) nach §§ 90a, 79a Abs. 2 und 4 FGO durch Gerichtsbescheid entschieden. Hiergegen haben die Kläger am 27.08.2007 (Montag) mündliche Verhandlung beantragt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

1. Nach § 10a Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG können in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte Altersvorsorgebeiträge i.S. § 82 EStG zuzüglich der dafür nach Abschnitt XI des Gesetzes zustehenden Zulage im Veranlagungszeitraum 2002 bis zu 525 EUR als Sonderausgaben abziehen (sog. unmittelbar Begünstigte).

Gemäß § 10a Abs. 2 EStG erhöht sich die unter Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Zulage, wenn der Sonderausgabenabzug nach Absatz 1 für den Steuerpflichtigen günstiger ist als der Anspruch auf die Zulage nach Abschnitt XI. In anderen Fällen scheidet der Sonderausgabenabzug aus. Die Günstigerprüfung wird von Amts wegen vorgenommen.

Nach § 10a Abs. 3 EStG steht der Abzugsbetrag nach Absatz 1 im Fall der Zusammenveranlagung jedem Ehegatten unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 gesondert zu. Gehört jedoch nur ein Ehegatte zu dem nach Absatz 1 begünstigten Personenkreis und ist der andere Ehegatte nach § 79 Satz 2 EStG zulageberechtigt, namentlich weil ein auf seinen Namen lautender Altersvorsorgevertrag besteht (sog. mittelbar Begünstigte), sind bei dem nach Absatz 1 abzugsberechtigten Ehegatten die von beiden Ehegatten geleisteten Altersvorsorgebeiträge und die dafür zustehenden Zulagen (d.h. die Grundzulagen nach § 84 EStG von jeweils 38 EUR im Kalenderjahr 2002 und die Kinderzulagen nach § 85 EStG für vier berücksichtigungsfähige Kinder von jeweils 46 EUR, die grundsätzlich der Mutter zugeordnet werden, § 85 Abs. 2 EStG; insgesamt 260 EUR) sowohl bei der Anwendung der Absatzes 1 (d.h. bei der Bemessung des Höchstbetrags) als auch des Absatzes 2 (d.h. bei der Günstigerprüfung) zu berücksichtigen.

Das Finanzamt hat die Berechnung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben durchgeführt. Da die Klägerin nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert und damit nicht i.S. des Absatzes 1 unmittelbar begünstigt ist, kommt ein Sonderausgabenabzug nur für den Kläger bis zu einer Höhe von 525 EUR in Betracht. Der Anspruch auf Altersvorsorgezulage in Höhe von 260 EUR übersteigt die Steuerersparnis von 190 EUR aus dem Abzug der begünstigten Altersvorsorgebeiträge in Höhe von 525 EUR als Sonderausgabe.

2. Auf eine Begünstigung wie sie die Kläger fordern, nämlich dass bei der Sonderausgabenberechnung /Günstigerprüfung nur die Beiträge des Ehemannes im Rahmen der Höchstbeträge anerkannt werden, ohne dass hierbei eine Anrechnung der der Ehefrau gewährten Grund- und Kinderzulage erfolgt oder dass die von ihnen insgesamt geleisteten Beiträge im Rahmen des Sonderausgabenabzugs bis zur Höchstgrenze unter Anrechnung aller steuerlichen Zulagen berücksichtigt werden, besteht auch aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Anspruch.

Zwar verbietet der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 des Grundgesetzes auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt wird, diese einem anderen Personenkreis aber vorenthalten bleibt, ohne dass sich sachliche Gründe für die gesetzliche Differenzierung finden lassen (BVerfG-Urt. v. 6.3.2002 2 BvL 17/99, EuGRZ 2002, 74). Mit der Beschränkung des unmittelbar begünstigten Personenkreises auf in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte (§ 10a Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG), die von der Absenkung des Leistungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung betroffen sind und auf den Personenkreis des § 10a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz EStG, d.h. Personen, die der wirkungsgleichen Absenkung des Niveaus der öffentlichen Altersversorgung unterfallen, folgt der Gesetzgeber sachlichen Gründen. Nach den Gesetzesmaterialien (BR Drs. 764/00, 145) handelt es sich bei dem Kreis der durch § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG (unmittelbar) begünstigten Personen um solche, bei denen zur Stabilisierung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung das Rentenniveau abgesenkt wurde und für die ein Anreiz geschaffen werden soll, zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung eine freiwillige kapitalgedeckte private Altersvorsorge aufzubauen. Die Klägerin, die im Streitjahr nicht zum Personenkreis des § 10a Abs. 1 EStG gehörte und keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtete, ist insoweit von den Auswirkungen der Absenkung des Leistungsniveaus nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - betroffen (vgl. auch BVerfG Beschluss v. 18.12.2002 2 BvR 367/02, DB 2003, 371 zum Ausschluss selbständig tätiger Rechtsanwälte vom Sonderausgabenabzug des § 10a EStG).

Soweit sich der Kläger gegen die Anrechnung der Kinderzulage bei ihm wendet, verkennt er, dass jeder, der die Fördervoraussetzungen erfüllt, die Altersvorsorgezulage, die aus einer Grundzulage und einer Kinderzulage besteht, erhält. Sie wird lediglich im Fall der mittelbaren Begünstigung, wenn nicht beide Elternteile anderes beantragen, von Gesetzes wegen der Mutter zugeordnet ( § 85 Abs. 2 EStG), in der Annahme, dass die Kindererziehung überwiegend von der Mutter geleistet wird. Unter dem o.g. Zweck der Altersvorsorgezulage besteht auch unter dem Gesichtspunkt der Familienförderung kein sachlicher Grund, nur seine Beiträge, nicht aber seine Kinderzulagen in die Höchstbetragsberechnung mit einzubeziehen. Unter Außerachtlassung des Grundbetrags der Ehefrau wäre die auf den Kläger entfallende Förderung in Höhe von 222 EUR immer noch höher als die Steuerersparnis von 190 EUR.

Unter dem Blickwinkel des o.g. Gesetzeszwecks, die private Altersvorsorge zu fördern, sind die mittelbare Berechtigung des zusammenveranlagten Ehegatten und die Kinderzulagen nicht gebotene, sondern über den unmittelbaren Gesetzeszweck hinausgehende Begünstigungen. Bei der Frage, ob, in welchem Umfang und welcher Ausgestaltung der Gesetzgeber Begünstigungen grundsätzlich gewährt, hat er ein weites Gestaltungsermessen. Mit der Einbeziehung des zusammenveranlagten Ehegatten in den (mittelbar) begünstigten Personenkreis hat der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung getragen, dass auch der nicht pflichtversicherte Ehegatte von der Rentenniveauabsenkung des Pflichtversicherten betroffen ist. Die Kinderzulage trägt nach den Gesetzesmaterialien gerade dem von den Klägern geforderten Umstand Rechnung, dass Eltern wegen der Kindererziehung nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Erzielung von Erwerbseinkommen und damit zum Aufbau einer zusätzlichen privaten Altersversorgung haben.

Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Förderung von Ehe und Familie im Steuerrecht hat der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des Familienleistungsausgleichs mit den Kinderfreibeträgen und dem Kindergeld ( § 31 EStG) Rechnung getragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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