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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.06.2006
Aktenzeichen: 3 K 2331/01
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 3
GG Art. 2
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 14
GG Art. 20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist die Verfassungsmäßigkeit der mit dem Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 eingeführten Regelung des § 2 Abs. 3 S. 3 - 8 EStG.

Der Kläger erzielte im Streitjahr als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen. Die Klägerin erzielte als Apothekerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Kapitalvermögen. Die Kläger erzielen zudem mit der Vermietung mehrerer Wohnungen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Seit 1993 sind sie an der W Grundstücksgesellschaft b.R. (im Folgenden: W) beteiligt (der Kläger zu 70 %, die Klägerin zu 15 %) und erzielen daraus weitere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. In den Jahren 1999 bis 2002 tätigte die W aufgrund eines Mieterwechsels umfangreiche Umbaumaßnahmen. Vormieter der Immobilie (mit 1400 qm Nutzfläche) war das Amt für Arbeitsschutz. Nach der Einnahmen-Überschuss-Rechnung der W erzielte diese im Jahre 1999 einen Verlust in Höhe von rund 1,16 Mio. DM, der vor Allem auf Umbau- und Renovierungskosten in Höhe von rund 975.000 DM beruhte. Von diesem Verlust entfielen auf den Kläger 741.171,83 DM und auf die Klägerin 176.019,07 DM (vgl. die Mitteilung für 1999 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 9. August 2000, Bl. 31 f. Einkommensteuerakten - EA - 1999). In dem Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 3. November 2000 verrechnete der Beklagte aufgrund der Vorschrift des § 2 Abs. 3 S. 3 - 8 EStG in der damals geltenden Fassung den Beteiligungsverlust der Kläger aus 1999 an der W nur i.H.v. 557.318 DM mit positiven Einkünften (vgl. Bl. 64 ff. EA). Dies führte zu einer Einkommensteuernachzahlung i.H.v. 64.074 DM, wohingegen die Kläger bei der bis einschließlich 1998 gültigen Rechtslage - Verrechnungsmöglichkeit in voller Höhe - einen Erstattungsanspruch i.H.v. 3.918 DM gehabt hätten.

In dem Bescheid wurde der Ausgleich nach § 2 Abs. 3 S. 3 - 8 EStG wie folgt berechnet:

 KlägerKlägeringesamt
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 255.064,00 
Einkünfte aus selbstständiger Arbeit593.789,00  
Einkünfte aus KapitalvermögenEinkünfte aus Vermietung und Verpachtung13.280,005.860,00 
aus bebauten Grundstücken aus Bauherren-/Erwerbergemeinschaften60.885,00103.374,0021.786,0011.486,00 
aus GrundstücksgemeinschaftenSumme der positiven Einkünfte-739.363,00607.069,00-142.747,00260.924,00867.993,00
Ausgleichsfähige negative Summe der Einkünfte353.535,00180.462,00533.997,00

Anteilige Einkünfte nach Verlustausgleich i.S.d. § 2 Abs. 3 S. 3 EStG

 KlägerKlägeringesamt
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 78.655,00 
Einkünfte aus selbstständiger Arbeit247.988,00  
Einkünfte aus Kapitalvermögen5.546,001.807,00 
Einkünfte aus V und V-183.854,000,00 
Summe der positiven Einkünfte253.534,0080.462,00 
Gesamtbetrag der Einkünfte253.534,0080.462,00333.996,00

Mit Bescheid zum 31. Dezember 1999 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer vom 3. November 2000 stellte der Beklagte den hiernach nicht ausgeglichenen Verlustanteil des Klägers aus den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 183.854 DM nach § 10 Abs. 4 EStG gesondert fest (vgl. Bl. 67 EA).

Gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 3. November 2000 legten die Kläger Einspruch ein und wandten sich gegen die Verlustabzugsbeschränkung nach § 2 Abs. 3 S. 3-8 EStG a.F. mit der Begründung, diese sei verfassungswidrig. Am 9. April 2001 erging aus hier nicht streitigen Gründen ein Einkommensteueränderungsbescheid für 1999. Darin wurde die Einkommensteuer 1999 unter Berücksichtigung von Sonderausgaben in Höhe von insgesamt 30.845 DM auf 70.448 DM, die Kirchensteuer auf 6.070,32 DM und der Solidaritätszuschlag auf 3.632,58 DM festgesetzt (vgl. Bl. 124 EA).

Mit Einspruchsentscheidung vom 14. August 2001 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Diese Entscheidung begründete der Beklagte damit, dass er als Exekutivorgan nicht die Möglichkeit habe, eine Norm als verfassungswidrig zu verwerfen, so dass von einer Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 S. 3 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 auszugehen sei.

Am 23. August 2001 haben die Kläger Klage erhoben. Sie vertreten weiterhin die Auffassung, § 2 Abs. 3 S. 3 - 8 EStG in der damals geltenden Fassung sei verfassungswidrig. Diese Vorschrift sei wegen ihrer Kompliziertheit weder für Fachleute noch für die Verwaltung - geschweige denn für den "Normalbürger" - verständlich. Vielmehr könne die Vorschrift nur von komplizierten Computerprogrammen "vollzogen" werden. Das Gesetz entfalte Rückwirkung auf vormalig getroffene vermögensrechtliche Dispositionen der Steuerpflichtigen und verstoße daher gegen das Rückwirkungsverbot sowie gegen das Prinzip der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG). Zwar handele es sich vorliegend um einen Fall der "unechten Rückwirkung", die allgemein als zulässig angesehen werde, jedoch habe der Gesetzgeber auch hier Grenzen wie den Vertrauensschutz und die Grundrechtspositionen des Einzelnen zu beachten. Zumindest sei vorliegend eine Übergangsregelung erforderlich gewesen. Ein Immobilieninvestor sei darauf angewiesen, die Anlaufverluste (in der Regel ein Zeitraum von 10 Jahre) mit positiven Einkünften zu verrechnen. Über einen so langen Zeitraum Steuern aus der Substanz vorzuschießen, liefe auf einen schwerwiegenden Vermögensschaden hinaus oder sogar auf den wirtschaftlichen Ruin des Steuerzahlers durch den Fiskus. Im Vertrauen auf den Fortbestand der alten Rechtslage hätten sie im Jahre 1993 den Einstieg in das Investitionsobjekt gewagt. Aufgrund des Auszugs des Amtes für Arbeitsschutz hätten sie die Umbaukosten nicht verhindern können. Die Nichtverrechnung dieser Verluste mit den positiven Einkünften bedeute einen Vermögensentzug, der einer Enteignung gleichstehe. Sie müssten vielmehr Steuern für fiktive Gewinne zahlen, da es sich hier nicht lediglich um die Streckung von buchmäßigen Abschreibungsverlusten handele, sondern um "echte Verluste". Daher verstoße die Verlustabzugsbeschränkung auch gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, das sich an dem Jahresprinzip messen lassen müsse. Außerdem benachteilige die Verlustabzugsbeschränkung bewusst den Mittelstand, sodass der Gleichheitsgrundsatz verletzt sei. Hinsichtlich der Frage der Sicherstellung des Existenzminimums werde auf den BFH-Beschluss vom 7. Juli 2004 (XI B 231/02) verwiesen. Die Definition des Existenzminimums erfordere eine individuell subjektive Betrachtung. In diesem Zusammenhang seien daher auch die im Streitjahr erfolgten Darlehensrückzahlungen zu berücksichtigen. Aus der von ihnen vorgelegten Aufstellung sei ersichtlich, dass nach Rückführung der Darlehen die Steuer aus der Substanz zu zahlen sei. Darin liege eine Nichtbeachtung des individuell subjektiven Nettoprinzips.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14. August 2001 und Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1999 vom 9. April 2001 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich ergibt, wenn die Verluste aus dem Veranlagungsjahr 1999 vollständig zum Abzug zugelassen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Rechtsauffassung fest.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid 1999 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 9. April 2001 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 14. August 2001 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.

Zutreffend hat der Beklagte die von den Klägern erzielten Beteiligungsverluste bzw. Verluste aus Vermietung und Verpachtung lediglich im Rahmen der Grenzen des § 2 Abs. 3 S. 3 - 8 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) - StEntlG - (im Folgenden: § 2 Abs. 3 EStG a.F.) zur Verrechnung zugelassen.

§ 2 Abs. 3 EStG a.F. galt erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 (§ 52 Abs. 1 EStG). Gemäß § 2 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 EStG war die Summe der positiven Einkünfte, soweit sie den Betrag von 100.000 DM übersteigt, durch negative Summen der Einkünfte aus anderen Einkunftsarten nur bis zur Hälfte zu mindern. Die Minderung war in dem Verhältnis vorzunehmen, in dem die positiven Summen der Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten zur Summe der positiven Einkünfte stehen. Überstieg die Summe der negativen Einkünfte den nach Satz 3 ausgleichsfähigen Betrag, waren die negativen Summen der Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten in dem Verhältnis zu berücksichtigen, in dem sie zur Summe der negativen Einkünfte standen. Die Sätze 6 bis 8 bestimmten, wie der Verlustausgleich bei zusammenveranlagten Ehegatten durchzuführen war, wenn nicht ausgeglichene negative Einkünfte eines Ehegatten beim anderen Ehegatten noch ausgeglichen werden konnten. Verbliebene nicht ausgleichbare negative Einkünfte konnten nur im Wege des Verlustvortrags bzw. Verlustrücktrags nach Maßgabe des § 10 d Abs. 1 S. 2, 3 EStG ausgeglichen werden. § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz ab dem Veranlagungszeitraum 2004 aufgehoben. Der Beklagte hat die Verluste der Kläger aus Vermietung und Verpachtung von insgesamt 717.851 DM nur in Höhe von 533.997 DM zum Abzug zugelassen, wohingegen er den verbleibenden Verlust von 183.854 DM in dem Bescheid vom 3. November 2000 gesondert festgestellt hat. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Beklagte die Vorschrift des § 2 Abs. 3 EStG a.F. zutreffend angewendet hat.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist § 2 Abs. 3 EStG a.F. auch verfassungsgemäß.

a) Die Vorschrift widerspricht nicht dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der sich aus einem Zusammenwirken des Demokratieprinzips, der Freiheitsrechte, der Gleichheitsrechte und des Sozialstaatsgedankens ableitet, ist freiheitsschützend (Art. 2 , Art. 14 des Grundgesetzes - GG -), fordert zugleich aber auch sozial ausgewogene Verteilungsgerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1, Art. 20 GG). Die Steuer ist eine Gemeinlast, die alle Inländer je nach ihrem Einkommen, Vermögen und ihrer Nachfragekraft zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben heranzieht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91 -, BVerfGE 93, 121 <134>). Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz verlangt in ihrer bereichsspezifischen Anwendung, dass jeder Inländer je nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1998 - 1 BvL 10/98 -, BStBl II 1999, 509). Das Leistungsfähigkeitsprinzip statuiert absolute und relative Grenzen. Die Besteuerung muss im Verhältnis zu den Mitsteuerpflichtigen angemessen sein, sie darf aber auch bestimmte absolute Grenzen nicht überschreiten. Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bestimmt, in welchem Maß der Einzelne als zur Solidarität verpflichtetes Mitglied der Gesellschaft zur Steuerleistung heranzuziehen ist. Eine Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips ist das sog. Nettoprinzip (vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Aufl., 1998, § 4 Rz. 113, § 9 Rz. 42 f.). Leistungsfähigkeit zur Steuerzahlung setzt erst nach Berücksichtigung des erwerbs- und existenzsichernden Aufwandes ein. Nur der Betrag, der dem Steuerpflichtigen nach Abzug notwendiger Ausgaben - netto - verbleibt, ist geeignete Grundlage zur Bemessung der Steuer. Das objektive Nettoprinzip gebietet den Abzug von (erwerbssichernden) Aufwendungen, die mit der Einkunftserzielung in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen. Es ist von Verfassungswegen nicht notwendigerweise in jedem einzelnen - aus rein erhebungstechnischen Gründen gewählten - Veranlagungszeitraum zu verwirklichen (vgl. Tipke/Lang, a.a.O., § 9 Rz. 44).

Das objektive Nettoprinzip ist durch § 2 Abs. 3 EStG gewahrt. Denn die grundsätzliche Abziehbarkeit der entstandenen Verluste ist nicht in Frage stellt. Die Vorschrift schränkt das Prinzip allerdings dadurch ein, dass sie den sofortigen Ausgleich von positiven und negativen Einkünften verschiedener Einkunftsarten (vertikaler Verlustausgleich) von einer bestimmten Höhe an nicht mehr zulässt. Der überschießende Anteil an negativen Einkünften wird auf andere Veranlagungszeiträume rück- bzw. vorgetragen.

Die Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs verhindert nicht den Abzug erwerbssichernden Aufwandes und verstößt nicht gegen das allgemeine Leistungsfähigkeitsprinzip. Dieses Prinzip verlangt nicht, dass jedwede Verluste sofort zu verrechnen sind. Es genügt vielmehr, dass die Verluste überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1998 - 2 BvR 1818/91 -, BVerfGE 99, 88). Gerade in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige neben hohen Verlusten auch hohe positive Einkünfte erzielt hat, kann der Gesetzgeber eine differenzierende Lösung vorsehen, die trotz der Verluste den begrenzten steuerlichen Zugriff auf die positiven Einkünfte erlaubt. Der Gesetzgeber kann dabei berücksichtigen, dass Steuerpflichtige, die über hohe positive Einkünfte verfügen, häufig durch gezielte Maßnahmen, die steuerrechtlich zu Verlusten führen, ihre Einkommensteuerschuld herabzusetzen versuchen. So hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 2 Abs. 3 EStG darauf reagiert, dass das Aufkommen an Einkommensteuer kontinuierlich gesunken war. Der Gesetzgeber war berechtigt, dieser Entwicklung entgegenzutreten, um die Aushöhlung der Basis der Einkommensteuer zu verhindern und dafür Sorge zu tragen, dass auch Steuerpflichtige mit hohen positiven Einkünften der Gemeinschaft der Einkommensteuerzahler erhalten bleiben und dass das Gleichmaß der Belastung unter Beachtung des Übermaßverbotes wieder hergestellt wurde. Von daher ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nichts dafür ersichtlich, dass § 2 Abs. 3 EStG a.F. unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG eine bewusste Benachteiligung des Mittelstandes beinhaltet.

Die bloße Existenz steuerlicher Verluste erzwingt noch nicht deren unbedingte und uneingeschränkte Berücksichtigung. Der Gesetzgeber kann vielmehr danach differenzieren, durch welche Umstände die Minderung der Leistungsfähigkeit eingetreten ist. Die Leistungsfähigkeit ist normativ, nicht faktisch zu bestimmen. Sie ist Ausdruck einer fairen Belastungssymmetrie. Da das Leistungsfähigkeitsprinzip stets im Rahmen der Rechts- und Sozialordnung zu interpretieren ist, kann der Gesetzgeber berücksichtigen, dass Verluste häufig planvoll und bewusst zur Verrechnung mit positiven Einkünften herbeigeführt werden.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei den in Rede stehenden Verlusten um sog. "echte Verluste" handelt, diese also nicht auf Sonderabschreibungen beruhen, ihnen vielmehr sofort abziehbarer Aufwand, nämlich Umbau- und Renovierungskosten zu Grunde liegen. Allein der Umstand, dass solche sog. "echten Verluste" vorliegen und diese nur eingeschränkt ausgleichsfähig sind, begründet keinen Verstoß gegen das Prinzip der Leistungsfähigkeit (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Mai 2001 - XI B 151/00, BStBl II 2001, 552).

Der Bundesfinanzhof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 2 Abs. 3 a.F. im Rahmen von einstweiligen Rechtschutzverfahren ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG a.F. bei den sog. "echten Verlusten" nur insoweit festgestellt, als in Anwendung dieser Norm eine Einkommensteuer selbst dann festzusetzen ist, wenn die beschränkt ausgleichsfähigen negativen Einkünfte die positiven Einkünfte dergestalt übersteigen, dass dem Steuerpflichtigen infolge des tatsächlichen Mittelabflusses von seinem im Veranlagungszeitraum Erworbenen nicht einmal das Existenzminimum verbleibt und er hat damit die individuelle, subjektive Ausprägung des Nettoprinzips berücksichtigt (vgl. BFH, Beschlüsse vom 14. Januar 2005 - XI B 129/02 -, BFH/NV 2005, 1105 und vom 25. Februar 2005 - XI B 78/02 -, BFH/NV 2005, 1279). Im übrigen sieht der BFH unter Hinweis auf seine Beschlüsse vom 06. März 2003 (XI B 7/02 und XI B 76/02 -, BStBl. II 2003, 516 und 523) keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs. 3 EStG a.F.. Dies gilt auch im Fall sog. "echter" Verluste sowohl aus Vermietung und Verpachtung als auch aus Gewerbebetrieb, die nicht auf der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen beruhen (vgl. BFH, Beschluss vom 29. April 2005 - XI B 127/04 -, BStBl. II 2005, 609 und vom 25. Juni 2004 - XI B 20/03 -, BFH/NV 2005, 176; vgl. auch BFH, Beschlüsse vom 09. Mai 2001 XI B 151/00, BStBl. II 2001, 552 und vom 07. Juli 2004 XI B 231/02 -, BFH/NV 2005, 178). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an (ebenso jüngst FG Münster, Urteil vom 8.Februar 2006 1 K 5671/03 E, F,EFG 2006, 710).

b) § 2 Abs. 3 EStG a.F. begegnet auch im Hinblick auf das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Verbot, rückwirkend belastende Steuergesetze zu erlassen, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zwischen echter und unechter Rückwirkung bzw. Rückbewirkung der Rechtsfolgen und tatbestandlicher Rückanknüpfung zu unterscheiden. Erstere, die vorliegt, wenn der Eintritt nachteiliger Rechtsfolgen auf einen Zeitraum vor der Verkündung des Gesetzes erstreckt wird, ist nur in ganz engen Grenzen zulässig. Demgegenüber unterliegt die tatbestandliche Rückanknüpfung, d.h. die Einwirkung eines Gesetzes auf in der Vergangenheit begründete, aber noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft weniger strengen Beschränkungen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200 <257 f.>; vom 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44, 48/92 -, BVerfGE 95, 64 <86 f.>, und vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97 -, BVerfGE 97, 67 <79 f.>). Die Zulässigkeit einer solchen tatbestandlichen Rückanknüpfung ist vorrangig an den Grundrechten zu messen, die mit der Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandmerkmals vor Verkündung der Norm "ins Werk gesetzt" worden sind. In die damit erforderliche grundrechtliche Bewertung fließen die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, aber auch der Verhältnismäßigkeit ein. Es ist abzuwägen zwischen den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen, insbesondere dem Ausmaß des durch die Gesetzesänderung verursachten Vertrauensschadens und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das gemeine Wohl (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 1995 - 2 BvL 19/91, 2 BvR 1206, 1584/91 und 2601/93 -, BVerfGE 92, 277 <325, 344>). Bei sog. Verschonungssubventionen führt bereits die Annahme des "Subventionsangebots" durch entsprechende wirtschaftliche Dispositionen zu einer schutzwürdigen Vertrauensgrundlage. In diesem Fall berechtigen zwingende Gründe des gemeinen Wohls den Gesetzgeber, das Vertrauen des Einzelnen in die Aufrechterhaltung seiner Rechtsposition zu durchbrechen und zur sofortigen Abwehr offensichtlicher Gefahren und Missstände die geeigneten und notwendigen Maßnahmen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97 -, a.a.O.).

Die Kläger haben ihre grundlegende Investitionsentscheidung im Jahre 1993 getroffen und sie in den Jahren 1999 bis 2002 durch die Umbau- und Renovierungsmaßnahmen ergänzt. Sie können ihre aus diesen Investitionen herrührenden Werbungskosten-Überschüsse ab 1999 nicht mehr in vollem Umfang ausgleichen. Auf diese Beschränkung des Verlustausgleichs durch den am 31. März 1999 verkündeten § 2 Abs. 3 EStG sind daher die Regeln über die tatbestandliche Rückanknüpfung anzuwenden.

Bei der gebotenen Abwägung hat im Streitfall das auf den Fortbestand der bisherigen Gesetzeslage gerichtete Vertrauen der Kläger zurückzutreten. Zwar ist das Vertrauen der Kläger in die Verlässlichkeit und Beständigkeit der Rechtsordnung grundsätzlich schutzwürdig. Der Gesetzgeber war aber aus zwingenden Gründen des gemeinen Wohls gehalten, den Verlustausgleich zu beschränken. Dies war erforderlich, um im Einkommensteuerrecht wieder Belastungsgleichheit herzustellen, die nicht zuletzt wegen der zu steuerlichen Verlusten führenden Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nicht mehr gegeben war, und um einem weiteren Rückgang des Aufkommens an veranlagter Einkommensteuer entgegenzuwirken. Die Beschränkung des Verlustausgleichs ist eine hierfür geeignete Maßnahme, die sich in einem maßvollen Rahmen hält. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass § 2 Abs. 3 EStG nicht dazu führt, dass die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten versagt wird. Der Abzug wird vielmehr nur zeitlich gestreckt. Die Abziehbarkeit der Verluste im Verlustentstehungsjahr bleibt in Höhe von 100.000 DM zuzüglich der Hälfte der diesen Betrag übersteigenden positiven anderen Einkünfte im Vergleich zur früheren Gesetzeslage unverändert. Die im Verlustentstehungsjahr nicht ausgeglichenen Verluste gehen nicht verloren, sondern mindern das Einkommen späterer Veranlagungszeiträume. Wirtschaftlich betrachtet wird die Einkommensteuer-Zahlung der Kläger vorgezogen und sie erleiden durch die Neuregelung einen Zinsnachteil. Dieser Nachteil ist angesichts der Bedeutung des Anliegens des Gesetzgebers aber in Kauf zu nehmen.

Auch eine Übergangsregelung war nicht vom Gesetzgeber zu verlangen. Das Ziel der vertikalen Verlustbeschränkung lag darin, der übermäßigen Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen aufgrund des Fördergebietsgesetzes sofort entgegenzuwirken. Eine Übergangsregelung hätte die Intention des Gesetzgebers konterkariert, da diese Subventionsregelung ausgelaufen ist.

c) § 2 Abs. 3 EStG a.F. verstößt ferner nicht gegen den Grundsatz der Gleichwertikeit einzelner Einkunftsarten ("synthetische Einkommensteuer"), denn die Einkunftsarten werden gleichbehandelt. Eine Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Einkunftsarten findet nicht statt (vgl. BFH, Beschluss vom 09. Mai 2001 - XI B 151/00 -, a.a.O.).

d) Entgegen der Auffassung der Kläger verstößt § 2 Abs. 3 EStG a.F. auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwingt das Bestimmtheitsgebot den Gesetzgeber nicht, einen Tatbestand mit genau erfassbaren Merkmalen zu umschreiben. Gesetzliche Vorschriften brauchen nur so bestimmt zu sein, wie dies nach der Eigenart der zu regelnden Sachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Dabei ist es als ausreichend zu erachten, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87 -, BVerfGE 87, 234 <263> und Beschluss vom 18. Mai 1988 - 2 BvR 579/84 -, BVerfGE 78, 205 <212>). Als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips im Bereich des Abgabenwesens fordert der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, dass steuerbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann (vgl. BFH, Beschluss vom 16. Juni 2005 - VII R 10/03 -, BFH/NV 2005, 1876 m.w.N. auf die Rspr. des BVerfG). Soweit § 2 Abs. 3 EStG a.F. im Streitfall relevant ist, ist er verständlich und praktikabel. Der Zweck der Regelung, eine Mindestbesteuerung für bestimmte positive Einkünfte herbeizuführen, ist klar erkennbar (vgl. BFH, Beschluss vom 09. Mai 2001 - XI B 151/00 -, a.a.O.). Welche Berechnungen nach § 2 Abs. 3 EStG a.F. zur Ermittlung der ausgleichsfähigen und nicht ausgleichsfähigen Verluste vorzunehmen sind, ist zwar nicht einfach, aber dennoch nachvollziehbar. Tatsächlich besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit, dass und in welchen Schritten der Beklagte den nicht ausgleichsfähigen Verlust ermittelt hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Finanzverwaltung § 2 Abs. 3 EStG a.F. nicht vollziehen würde, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

e) § 2 Abs. 3 S. 2 ff. EStG a.F. verstößt schließlich auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Zwar fällt die Belastung mit Steuern in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie. Ihre Gewährleistung ist betroffen, wenn Steuerpflichten wie im Einkommensteuerrecht an den Hinzuerwerb von Eigentum anknüpfen. Steuergesetze stellen sich als rechtfertigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) der Eigentumsgarantie dar. Zwar ist dem Gesetzgeber bei der Auferlegung von Steuerlasten eine Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Diese Gestaltungsfreiheit wird bei der Schrankenbestimmung durch Auferlegung von Steuerlasten aber durch die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Aus dem Eigentumsgrundrecht lässt sich keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze - etwa in der Nähe einer hälftigen Teilung ("Halbteilungsgrundsatz") - ableiten. Dem in diesem Zusammenhang zu beachtenden Übermaßverbot kann keine zahlenmäßig zu konkretisierende allgemeine Obergrenze der Besteuerung entnommen werden. Die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen darf für den Regelfall allerdings nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt. Das Einkommensteuerrecht ist auch für hohe Einkommen gegenwärtig aber nicht so ausgestaltet, dass eine übermäßige Steuerbelastung und damit eine Verletzung der Eigentumsgarantie festgestellt werden könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2006 - 2 BvR 2194/99, DStR 2006, 555). Dies gilt auch im Hinblick auf die Verlustabzugsbeschränkung des § 2 Abs. 3 S. 2 ff. EStG a.F.. Die Kläger unterliegen insoweit keinem unzumutbaren und damit unverhältnismäßigen Steuerzugriff. Denn ihnen bleibt auch nach Abzug der Einkommensteuer ein bedeutender Ertrag ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit. Der Umstand, dass den Klägern im Streitjahr "nur" ca. 40.000 DM verblieben, beruht nicht auf dem Zugriff des Steuerstaates, sondern auf den zuvor getroffenen Investitionsentscheidungen.

Danach war die Klage abzuweisen, denn die Kläger verfügten aus dem von ihnen im Streitjahr 1999 Erworbenen noch über die zur Bestreitung des Existenzminimums notwendigen Mittel. Die Summe der positiven Einkünfte belief sich auf 867.993 DM, die Summe der negativen Einkünfte auf 717.851 DM. Damit verblieb den Klägern unter Einbeziehung der im Streitjahr nach § 2 Abs. 3 EStG a.F. nicht ausgleichsfähigen Verluste und nach Abzug der festgesetzten Steuer in Höhe von 70.448 DM, der Sonderausgaben in Höhe von 30.845 DM nebst Kirchensteuer in Höhe von 6.070 DM und des Solidaritätszuschlags in Höhe von 3.632 DM ein Betrag von 39.146 DM, womit aber die Steuerfreistellung des existenznotwendigen Bedarfs sichergestellt ist. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang vortragen, auch die von ihnen vorgenommenen Darlehenstilgungen seien zu berücksichtigen mit der Folge, dass das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet und die Steuer aus der Substanz zu entrichten sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn bei der Tilgung von Darlehen handelt es sich um die Umschichtung auf der Vermögensebene. Bei der Prüfung der Frage, ob dem Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum von seinem im Veranlagungszeitraum Erworbenen zumindest das Existenzminimum verbleibt, können aber nur die jeweiligen positiven und negativen Einkünfte des betreffenden Veranlagungszeitraums berücksichtigt werden, während Veränderungen auf der Vermögensebene nicht einzubeziehen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Juni 2004 XI B 20/03, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist zuzulassen, weil der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 S. 2 ff. EStG a.F. im Hinblick auf so genannte "echte Verluste" grundsätzliche Bedeutung zukommt (§115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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