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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 20.02.2007
Aktenzeichen: 5 V 2721/07
Rechtsgebiete: InsO, AO


Vorschriften:

InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1
AO § 251 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

5 V 2721/07

Haftung für Lohnsteuer, Verfahren in Vollstreckungssachen,

Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 69 Abs.3 FGO

In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 5. Senat -

am 20. Februar 2007

durch

die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ...

den Richter am Finanzgericht ...

die Richterin am Finanzgericht ...

beschlossen:

Tenor:

1. Die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 29. August 2007 wird ausgesetzt bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsgegner - im Folgenden: Ag - gegen den Antragsteller - im Folgenden: Ast - den in Streit befindlichen Haftungsbescheid vom 29. August 2007 erlassen durfte.

Der Ast ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn H. Mit Beschluss des Amtsgerichts D vom 2. Februar 2006 wurde über das Vermögen des Herrn H das Insolvenzverfahren - Az.: 9 IN 1086/05 - eröffnet (Prozessakte - PA -, Bl.59). Zum Insolvenzverwalter wurde Herr Rechtsanwalt R aus F bestellt. In dem Eröffnungsbeschluss wurde dem Schuldner die Verfügung über sein gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen für die Dauer des Insolvenzverfahrens verboten und dem Insolvenzverwalter übertragen. Am 1. Juni 2006 zeigte der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht die drohende Masseunzulänglichkeit an.

Herr H war zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über sein Vermögen Geschäftsführer der Firma B Investitions-, Anlage- und Vermittlungsgesellschaft mbH, H-Gasse, B - im Folgenden: B GmbH -. Von Juni 2006 bis Dezember 2006 führte die B GmbH die von ihr geschuldete Lohnsteuer nebst der steuerlichen Nebenleistungen und der entstandenen Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 17.364,12 EUR nicht an den Ag ab (Prozessakte - PA -, Bl.17). Beitreibungsversuche bei ihr blieben ohne Erfolg. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bingen vom 5. Juli 2007 wurde über das Vermögen der B GmbH - Az.: 4 IN 16/07 - das Insolvenzverfahren eröffnet (PA, Bl.15).

Mit dem Insolvenzverwalter bekannt gegebenem Haftungsbescheid vom 29. August 2007 wurde der Ast in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners nach § 191 AO i.V.m. §§ 34, 69 AO in Haftung genommen (PA, Bl.12-18). In der Einleitung führte der Ag im Wesentlichen aus,

"dass der Bescheid an Sie als Verwalter im Insolvenzverfahren 9 IN 1086/05 über das Vermögen des Schuldners ergeht.

Die Festsetzung der lohnsteuerlichen Haftungsschuld betrifft deren Festsetzung als sonstige Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO; denn der Abgabeanspruch (hier: lohnsteuerliche Haftungsschuld), wurde erst nach der Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn H begründet. Die durch die Handlungen des Verwalters begründeten Abgabeforderungen (sonstige Masseverbindlichkeiten) sind vorweg zu begleichen (§ 53 InsO). Vorliegend sind die Verbindlichkeiten aus der Haftungsinanspruchnahme zwar nicht durch Handlungen des Insolvenzverwalters, jedoch "in anderer Weise" durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet worden.

Nach § 38 InsO erfasst die Insolvenzmasse das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Neuerwerb). Das Arbeitseinkommen rechnet zum Erwerb i. S. des § 35 InsO. Die Haftungsschuld des Herrn H rührt nicht aus einer insolvenzrechtlichen Tätigkeit her, sondern steht im Haftungszeitraum in direktem Zusammenhang mit dem laufendem Arbeitseinkommen. Es handelt sich somit um eine Masseverbindlichkeit. Außerdem beruht die in Rede stehende Haftungsschuld auf Lohnsteuern, die fast ausschließlich erst nach Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit am 1. Juni 2006 begründet worden sind. Das Finanzamt ist insoweit Neumassegläubiger.

Neumasseverbindlichkeiten sind in voller Höhe und vor den Altmasseverbindlichkeiten zu befriedigen. Der Massegläubiger, der eine titulierte Forderung aus der Zeit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit hat, darf grundsätzlich in die Masse vollstrecken (Umkehrschluss aus § 210 InsO und Busch/Hilbertz in LSW steuer-office 6/2000, 213 ff.)."

Der Ag setzte die in der Anlage aufgeführten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der B GmbH auf insgesamt 17.364,12 EUR fest und führte aus, dass die Ansprüche während der Geschäftsführertätigkeit von Herrn H, aber nach dem 2. Februar 2006 begründet worden seien.

Gemäß § 219 AO forderte der Ag den Insolvenzverwalter auf, die Haftungssumme in Höhe von 17.364,12 EUR bis zum 4. Oktober 2007 zu entrichten und begründete den Haftungsbescheid im Folgenden. Auf den Haftungsbescheid wird verwiesen (PA, Bl.61-66).

Ausweislich der dem Haftungsbescheid beigefügten Anlage handelte es sich bei den rückständigen Steuern um die Lohnsteuer Juni bis Dezember 2006, die steuerlichen Nebenleistungen hierzu in Höhe von insgesamt 16.453,12 EUR sowie Säumniszuschläge in Höhe von 911,- EUR (PA, Bl.67).

Mit Schriftsatz vom 21. September 2007 legte der Ast gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein und beantragte seine Vollziehung auszusetzen (Bl. 12 des vom Ast beigefügten Ordners). Die Aussetzung der Vollziehung lehnte der Ag mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 ab. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

Mit bei Gericht am 17. Dezember 2007 eingegangenem Antrag hat der Ast die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Dies hat er damit begründet, dass er als Insolvenzverwalter nicht tauglicher Adressat des Haftungsbescheides sei, weil die Insolvenzmasse nicht für die von dem Insolvenzschuldner nicht abgeführten Lohnsteuern hafte. Entgegen der Auffassung des Ag liege keine Masseverbindlichkeit im Insolvenzverfahren über das persönliche Vermögen des Schuldners vor. Er sei nicht Betreuer der natürlichen Person, sondern er sei Vollstreckungsperson und verwalte und verwerte in dieser Funktion schlicht das schuldnerische Vermögen. Wenn der Ag davon ausgehe, dass schließlich pfändbare Bezüge des Geschäftsführers zur Insolvenzmasse gehörten und deswegen dieser sog. Neuerwerb dazu führen müsse, dass die Insolvenzmasse auch für etwaige Schäden aufkommen müsse, die der Schuldner verursache, so sei diese Auffassung erstaunlich, weil sie sich in krassen Gegensatz zur gesamten Rechtsprechung und Literatur setze, die hierzu ergangen sei.

In seiner Entscheidung vom 7. April 2005 habe der BFH (BFH-Urteil vom 7. April 2005 - V R 5/04, BFH/NV 2005, 1724) darauf abgestellt, ob der Insolvenzschuldner zum Zwecke der Erwerbstätigkeit Gegenstände benutzt habe, die der Zwangsvollstreckung unterlegen und deshalb zur Insolvenzmasse gehört hätten. Wenn nämlich solche Gegenstände vorhanden seien, die der Schuldner nutze, liege in ihrer Überlassung an den Schuldner eine Handlung durch den Insolvenzverwalter. Diese Gegenstände seien nämlich von seiner Verwaltungs- und Vermögensbefugnis umfasst. Hier habe der Schuldner von ihm - dem Insolvenzverwalter - überhaupt keine Gegenstände überlassen bekommen, die dem Insolvenzbeschlag unterlegen hätten.

Der Auffassung des Ag folgend müsste die Insolvenzmasse haften, wenn ein angestellter Insolvenzschuldner eine Maschine seines Arbeitgebers zerstöre, weil auch der Neuerwerb aus der Tätigkeit des Schuldners, soweit er pfändbar sei, der Insolvenzmasse zufließe. Dies könne nicht sein und sei auch nicht so. Im Übrigen habe der Schuldner aus seiner Geschäftsführertätigkeit bei der Firma B GmbH keine Einkünfte erzielt. Es habe also kein Neuerwerb stattgefunden, der in die Insolvenzmasse geflossen sei. Wenn der Ag ihm als Insolvenzverwalter vorwerfe, er habe seine Sorgfalts- und Überwachungspflichten verletzt, so trete er dem entgegen. Er habe keinerlei rechtliche oder tatsächliche Möglichkeiten auf die Art und Weise einzuwirken, wie der Insolvenzschuldner als Geschäftsführer der B GmbH seiner Tätigkeit nachkomme. Überdies habe er keinen Einblick in Vermögensverhältnisse des Arbeitgebers des Schuldners.

Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Insolvenzmasse auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit massearm geworden sei, so dass auch die Massegläubiger im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht vollständig befriedigt werden könnten, sofern die Auffassung des Ag zutreffen sollte, dass die Haftung für nicht abgeführte Lohnsteuer gemäß hier streitgegenständlichem Bescheid Masseverbindlichkeit sei.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 29. August 2007 bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen,

hilfsweise,

den Aussetzungsantrag von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

Er trägt vor, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides bestünden nicht. Die InsO kenne drei verschiedene "Vermögensansprüche". Die bis zur Verfahrenseröffnung begründeten Verbindlichkeiten seien als Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle anzumelden, die nach Verfahrenseröffnung begründeten Verbindlichkeiten seien entweder als Masseverbindlichkeiten gegenüber der Insolvenzmasse, oder, wenn sie im insolvenzfreien Vermögen begründet worden seien, gegenüber dem Insolvenzschuldner festzusetzen. Weitere Vermögensmassen gebe es nicht. Nach § 35 Abs. 2 InsO könne der Insolvenzverwalter erklären, dass er die selbständige Tätigkeit aus der Insolvenzmasse freigebe. Insoweit handele es sich um insolvenzfreies Vermögen, das von der Beschlagnahmewirkung des Insolvenzverfahrens nicht mehr erfasst werde. Vorliegend sei eine solche Freigabe nicht erfolgt (bzw. sei auch nach § 35 Abs. 2 InsO nicht möglich gewesen). Mithin lägen hier Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor, die durch die Handlungen des Insolvenzverwalters oder "in anderer Weise" begründet worden seien. Unterlassungen des Insolvenzverwalters lösten ebenfalls Masseverbindlichkeiten aus.

Der Insolvenzschuldner falle mit seiner Geschäftsführertätigkeit in die Insolvenzmasse. Sein Arbeitslohn aus der Geschäftsführertätigkeit fließe in die Insolvenzmasse, während Ausgaben aus dieser Tätigkeit aus der Insolvenzmasse zu zahlen seien. Da der Insolvenzschuldner als Geschäftsführer die Lohnsteuer nicht abgeführt habe, hafte er persönlich und unbeschränkt. Die Haftungsschulden seien, weil sie Ausfluss aus der Arbeitnehmertätigkeit nach der Verfahrenseröffnung seien, sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Haftungsschulden seien durch den Ast als Insolvenzverwalter "in anderer Weise" (unzureichende Wahrnehmung der Aufsicht über die Geschäftsführertätigkeit des Insolvenzschuldners) im Rahmen der Verwaltung der Insolvenzmasse begründet worden. Das Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners rechne zum Erwerb im Sinne des § 35 InsO. Die Haftungsschuld rühre weder aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Insolvenzschuldners her, noch seien diese Verbindlichkeiten vor der Verfahrenseröffnung begründet worden. Es bestünden weder Forderungen gegenüber dem insolvenzfreien Vermögen noch Insolvenzforderungen nach § 38 InsO, so dass die nach Verfahrenseröffnung begründeten Verbindlichkeiten den Masseverbindlichkeiten zuzurechnen seien. Die Haftungsschuld stehe auch in einem direkten Zusammenhang mit laufendem Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners. Mithin handele es sich um eine sonstige Masseverbindlichkeit.

Nach § 80 Abs. 1 InsO gehe das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. § 34 Abs. 3 AO nehme daher den Insolvenzverwalter als Vermögensverwalter in die Pflicht, soweit seine Verwaltung reiche. Steuerliche Pflichten des Schuldners wie die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärungen, aber auch die Pflicht zur Entrichtung der nach der Insolvenzeröffnung entstandenen Steuern gingen auf den Insolvenzverwalter über. Er habe nach Verfahrenseröffnung für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zu sorgen. Soweit das Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners aus seiner Tätigkeit bei der B GmbH hinsichtlich des den Pfändungsschutz gemäß § 850 ff. ZPO übersteigenden Anteils Neuerwerb gemäß § 35 InsO und somit Insolvenzmasse darstelle, müsse den Insolvenzverwalter auch insoweit eine Kontroll- und Überwachungsverpflichtung zur Vermeidung der die Masse belastenden Verbindlichkeiten aus einer geduldeten Arbeitstätigkeit treffen. Es könne nicht sein, dass der Ast den Insolvenzschuldner - Herrn H - unbekümmert und ohne Aufsicht im Geschäftsleben tätig werden lasse, ohne anschließend für steuerliche Verbindlichkeiten - hier die Nichteinbehaltung von Lohnsteuer bezüglich der B GmbH - verantwortlich sein zu müssen. Der Insolvenzverwalter hafte in voller Höhe, da er den Eintritt des Haftungsschadens bei sorgfältiger Überwachung der Geschäftsführertätigkeit des Insolvenzschuldners vollumfänglich hätte verhindern können.

Die Haftungsschuld beruhe auf Lohnsteuer, die fast ausschließlich nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 1. Juni 2006 begründet worden seien. Insoweit sei er als Neumassegläubiger vor Altmassegläubigern zu befriedigen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Aussetzung der Vollziehung auf Antrag erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift sind begründet, wenn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage und bei der Beschränkung auf präsente Beweismittel neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschieden- oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (st. Rspr. des BFH; vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 1986 - I B 22/86, BStBl II 1986, 656 m.w.N.). Ob die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes ernstlich zweifelhaft ist, muss im Aussetzungsverfahren nicht abschließend geprüft werden, sondern es reicht eine summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage aus. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu berücksichtigen (st. Rspr. des BFH; vgl. BFH-Beschluss vom 16. Oktober 1991 - I B 227 und 228/90, BFH/NV 1992, 341 m.w.N.). Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt hierbei nicht. Vielmehr muss die ernsthafte Möglichkeit bestehen, dass der Antragsteller mit seinem Begehren in der Hauptsache obsiegt. Wegen des summarischen Charakters des Aussetzungsverfahrens, bei dem das Gericht keine tiefgreifenden eigenen Nachprüfungen anstellen muss, liegt es im Interesse des Antragstellers, dass er seinen Antrag begründet und die für die Aussetzung der Vollziehung sprechenden Umstände substantiiert darlegt (vgl. Koch in: Gräber, FGO Kommentar, 6. Aufl. (2006), § 69 Rn. 62).

2. Ein unbillige nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes wirtschaftliche Nachteile drohen, die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (st. Rspr. des BFH; vgl. BFH-Beschluss vom 2. Juni 2005 - III S 12/05, BFH/NV 2005, 1836 m.w.N.). Die Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte ist zudem nur dann geboten, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (BFH-Beschlüsse vom 18. April 1994 - IX S 1/94, BFH/NV 1995, 222 und vom 21. Oktober 1993 - IV S 4/93, BFH NV 1994, 788). Darüber hinaus muss der Antragsteller die Umstände, aus denen sich die unbillige Härte nach seiner Ansicht ergibt, konkret vortragen. Hierzu muss er auch seine Vermögenslage eingehend darlegen.

3. Der sog. Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerrecht besagt lediglich, dass Steuerforderungen gegen den Insolvenzschuldner oder die Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur nach den Regeln der Insolvenzordnung geltend gemacht werden können (vgl. Bringewat/Waza, Insolvenzen und Steuern, 6. Aufl. (2004), Rz. 143). Allein nach dem Steuerrecht richtet sich aber, wann die Steuer (als Rechtsgrund im Sinne der Insolvenzordnung) entsteht: Entsteht sie nach Verfahrenseröffnung, so ist die Steuerverbindlichkeit Masseverbindlichkeit (BFH-Urteil vom 29. August 2007 IX R 4/07, BFH/NV 2007, 2429). Steueransprüche, die vor Insolvenzeröffnung entstehen, sind durch Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO als Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle anzumelden. Bei Steuerforderungen, die Masseverbindlichkeiten (Masseforderungen) darstellen, handelt es sich um eine sonstige Masseverbindlichkeit, die vorweg aus der Masse zu befriedigen ist. Liegt tatsächlich eine Masseverbindlichkeit vor, ist der Insolvenzschuldner als Träger der Masse Schuldner. Bekanntgabeadressat ist der Insolvenzverwalter in seiner Eigenschaft als Verwalter der Masse (vgl. Bringewat/Waza, Insolvenzen und Steuern, 6. Aufl. (2004), Rz. 311). Liegt eine Masseverbindlichkeit vor, kann nur in die Masse und nicht in das insolvenzfreie Vermögen vollstreckt werden, denn der Insolvenzverwalter kann den Insolvenzschuldner wirksam nur insoweit verpflichten, wie seine Rechtsmacht, die sich gegenständlich auf die Insolvenzmasse beschränkt, reicht.

Sonstige Masseverbindlichkeiten können gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch Handlungen des Insolvenzverwalters und auch "in anderer Weise" begründet werden. Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Massekosten für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse nicht nur solche Ausgaben sind, die durch die Amtstätigkeit des Insolvenzverwalters ausgelöst werden (BFH-Urteil vom 7. April 2005 V R 5/04, BStBl II 2005, 848 m.w.N.). Mit Urteil vom 7. April 2005 hatte der BFH darüber zu entscheiden, ob die dort streitbefangenen Umsatzsteuerschulden "durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse" begründet wurden. Als Verwertung der Masse war - so der BFH - auch die ertragbringende Nutzung der zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände anzusehen. Deshalb war im vom BFH entschiedenen Fall zu prüfen, ob der Insolvenzschuldner in seinem neuen Betrieb Gegenstände einsetzte, die zur Insolvenzmasse gehörten und hielt fest, dass das Insolvenzverfahren nach § 35 InsO das gesamte Vermögen erfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens - der sog. Neuerwerb - erlangt (Insolvenzmasse). Nicht zur Insolvenzmasse gehören - so der BFH - aber Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 Abs. 1 S. 1 InsO), mit deren Hilfe der Schuldner aber steuerpflichtige Leistungen erbringt. Zum Neuerwerb gehört grundsätzlich auch der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens, d.h. das Arbeitsentgelt (vgl. Bäuerle in: Braun, Insolvenzordnung-Kommentar, 2. Aufl. (2004), § 35 Rn. 83 f.). Hingegen gehört die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners, anders als das hieraus erzielte Entgelt, nicht zur Insolvenzmasse (vgl. Bäuerle in: Braun, Insolvenzordnung-Kommentar, 2. Aufl. (2004), § 35 Rn. 85).

4. Unter Zugrundelegung dessen ist die Rechtmäßigkeit des dem Insolvenzverwalter in seiner Eigenschaft als Verwalter der Masse bekannt gegebenen Haftungsbescheides vom 29. August 2007 bei der gebotenen summarischen Prüfung schon deshalb ernstlich zweifelhaft, weil der Ag die vom Insolvenzschuldner gemäß § 191 AO i.V.m. §§ 34, 69 AO als haftender Geschäftsführer der B GmbH geschuldete Lohnsteuer für die Anmeldungszeiträume Juni 2006 bis Dezember 2006 als "in anderer Weise" vom Insolvenzverwalter - hier dem Ast - begründete Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO behandelt hat. Ob die rückständigen Lohnsteuern und steuerlichen Nebenleistungen aber tatsächlich durch die Verwaltung des Insolvenzverwalters "in anderer Weise" begründet worden sind, weil er versäumt hat, auf die Geschäftsführung des Insolvenzschuldners bei der B GmbH Einfluss zu nehmen und so nicht verhindert hat, dass dieser seine Pflichten als ihr gesetzlicher Vertreter im Sinne der §§ 34, 69 AO nicht erfüllt hat, ist bei der gebotenen summarischen Prüfung jedoch schon ernsthaft fraglich. Zwar gehört das Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners, soweit es gemäß §§ 850 ff. ZPO pfändbar ist, als Neuerwerb gemäß § 35 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse. Eine aus einer solchen Arbeitnehmertätigkeit begründete Schadenersatzverpflichtung - wozu letztlich auch die mit Schadenersatzcharakter versehene Haftungsnorm der §§ 34, 69 AO gehört (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2005 VII B 124/05, VII B125/05, DStRE 2006, 560) - hat indes nicht zur Folge, dass sie als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren ist. Zum Schadenersatz verpflichtende oder den Haftungstatbestand der §§ 34, 69 AO begründende Handlungen des Insolvenzschuldners können nicht über das in § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz InsO geregelte Tatbestandsmerkmal "in anderer Weise" als Verwertung oder Verwaltung der Insolvenzmasse verstanden werden. So wie nicht zur Insolvenzmasse gehörende Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 Abs. 1 S. 1 InsO), fällt auch die körperliche oder geistige Arbeitskraft des Insolvenzschuldners als solche nicht in die Insolvenzmasse (vgl. BFH-Urteil vom 7. April 2005 V R 5/04, BStBl II 2005, 848). Die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners gehört nämlich, anders als die hieraus erzielten Entgelte, nicht zur Insolvenzmasse (vgl. Bäuerle in: Braun, Kommentar zur InsO, 2. Aufl. (2004), § 36 Rn. 85). Ist die Arbeitskraft aber - entgegen der Auffassung des Ag - nicht Bestandteil der Insolvenzmasse können aus dieser zum Schadenersatz oder zur steuerlichen Haftung führende Handlungen nicht dadurch gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO "in anderer Weise" zur Masseverbindlichkeit werden, weil es der Insolvenzverwalter unterlassen hat, die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners zu kontrollieren bzw. zu beaufsichtigen. Die Rechtsmacht des Insolvenzverwalters ist nämlich - wie oben dargelegt - gegenständlich auf die Insolvenzmasse beschränkt.

In diesem Zusammenhang hat der Ast zu Recht darauf hingewiesen, dass er auch nicht befugt ist, ein Angestelltenverhältnis des Schuldners aufzulösen und ihn in ein anderes Arbeitsverhältnis zu zwingen, um seine Arbeitskraft besser zu nutzen. Er kann auch für die Beschädigung einer dem Arbeitgeber des Schuldners gehörenden Maschine nicht allein schon deshalb zum Schadenersatz verpflichtet sein, weil der Neuerwerb aus der Tätigkeit des Insolvenzschuldners, soweit er pfändbar ist, in die Insolvenzmasse fließt. Schließlich weist der Ast zu Recht darauf hin, dass er nicht deshalb, weil er Insolvenzverwalter über das Vermögen einer natürlichen Person ist, die zugleich Organ einer juristischen Person ist, für die steuerlichen Pflichten der juristischen Person verantwortlich sein kann. Nicht die Arbeitskraft der natürlichen Person, sondern - wie dargelegt - allein ihr Arbeitsentgelt rechnet zur Insolvenzmasse. Korrespondierend hierzu gehören Schadenersatz- oder Haftungsansprüche auslösende Handlungen des Insolvenzschuldners, die durch seine körperliche oder geistige Arbeitskraft verursacht werden, nicht zu den Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

5. Der Hilfsantrag des Ag, im Falle einer Aussetzung gemäß § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO vom Ast eine Sicherheitsleistung zu verlangen, hat ebenfalls keinen Erfolg. Da es sich bei der Haftungsschuld des Insolvenzschuldners von vornherein um keine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO gehandelt hat, und diese mithin nicht aus der Insolvenzmasse zu befriedigen ist, kommt auch eine Aussetzung gegen Sicherheitsleistung nicht in Betracht. Im Übrigen setzt auch der vom Ag angesprochene § 209 Abs. 1 InsO, der in Nr. 2 und Nr. 3 InsO das Rangverhältnis von Masseverbindlichkeiten regelt, die vor und nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) begründet worden sind, voraus, dass tatsächlich eine Masseverbindlichkeit - was hier nicht der Fall ist - vorliegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde gegen den Beschluss wird zugelassen (§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Der Frage, ob es sich bei der Haftungsschuld des Insolvenzschuldners um eine "in anderer Weise" durch den Insolvenzverwalter begründete Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO handelt, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.

...

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten nach § 128 Abs. 1 FGO die Beschwerde zu.

...



Ende der Entscheidung

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