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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Saarland
Urteil verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: 2 K 183/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 2
EStG § 12 Nr. 3
EStG § 32 Abs. 4
EStG § 70 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland

2 K 183/05

Kindergeld 2004

In dem Rechtsstreit [...]

hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken

unter Mitwirkung

des Präsidenten des Finanzgerichts Hansjürgen Schwarz als Vorsitzender, der Richter am Finanzgericht Günter Berwanger und Dr. Roberto Bartone sowie der ehrenamtlichen Richter Dr. Wolfgang Roth (Chefarzt) und Dipl.Kauffrau Margit Schäfer (Leiterin Finanzbuchhaltung)

aufgrund der mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Vater des am 24. Dezember 1978 geborenen Sohnes Jörg, für den Kindergeld festgesetzt war, weil er sich in Berufsausbildung befand.

Mit Bescheid vom 25 April 2005 hat die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für 2004 gemäß § 70 Abs. 4 EStG aufgehoben, weil die Einkünfte und Bezüge von Jörg den für 2004 maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680,00 EUR überschreiten würden. Gleichzeitig wurde das Kindergeld in Höhe von (12 Monate a 154,00 EUR =) 1.848,00 EUR gemäß § 37 Abs. 2 AG vom Kläger zurückgefordert (BI. 93-96 KG).

Hiergegen hat der Kläger am 17. Mai 2005 Einspruch eingelegt (BI. 97 KG), den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 als unbegründet zurückgewiesen hat (BI. 98-102 KG). Mit Schreiben vom 8. Juni 2005 hatte die Beklagte den Kläger bereits zuvor darauf hingewiesen, dass der Grenzbetrag auch überschritten sei, wenn die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung von den Einkünften und Bezügen abgezogen würden (BI. 108-109 KG).

Am 28. Juni 2005 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er geltend macht, nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 (DStR 2005, 911 ) sei der Bruttoarbeitslohn seines Sohnes auch um die Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer zu ermäßigen, weil diese Gelder ihm ebenfalls zur Lebensführung nicht zur Verfügung gestanden hätten.

Der Kläger beantragt,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 25. April 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG beim Kindergeld unter anderem berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchender gemeldet ist oder noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird.

Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG wird ein Kind aber nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Was "Einkünfte" sind, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 EStG, wobei bei Land- und Forstwirtschaft und selbständiger Arbeit der Gewinn (§§ 4 bis 7k EStG), bei den anderen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a EStG) maßgeblich ist. Auf das Einkommen (§ 2 Abs. 4 EStG) oder das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) kommt es hingegen nicht an (BFH, Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 66/99, BFH/NV 2005,24).

Der Begriff "Bezüge" erfasst alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung berücksichtigt werden, also nicht steuerbare sowie durch besondere Vorschriften (z.B. § 3 EStG) für steuerfrei erklärte Einnahmen sowie nach §§ 40, 40a EStG pauschal besteuerter Arbeitslohn. Zu den Bezügen gehören auch steuerfreie Gewinne nach den §§ 14, 16 Abs. 4, § 17 Abs. 3 und § 18 Abs. 3 EStG, die nach § 19 Abs. 2 und § 20 Abs. 4 EStG steuerfrei bleibenden Einkünfte sowie Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen, soweit sie die höchstmöglichen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG übersteigen. Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, bleiben hierbei außer Ansatz (§ 32 Abs. 4 Satz 4 und 5 Halbsatz 1 EStG).

Die in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enthaltene Einschränkung, dass nur solche Einkünfte und Bezüge schädlich sind, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, galt nach h.M. lediglich für die Bezüge (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 4. November 2003 VIII R 59/03, BStBI II 2004, 584). MitBeschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 (DStR 2005,911 ) hat das BVerfG hiervon abweichend entschieden, dass diese Einschränkung grundsätzlich auch für die Einkünfte gilt. Dabei hat das BVerfG allerdings offen gelassen, in welchen Fällen der Relativsatz im Einzelfall auf Einkünfte anzuwenden ist. Jedenfalls seien diejenigen Beträge, die, wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge, von Gesetzes wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar sind und deshalb keine Entlastung bewirken können, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung des Unterhalts zu dienen bestimmt sind, nicht in die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen (Abschn. B. II. 3 Abs. 1 des o.a. Beschlusses).

2. Im Anschluss daran hat das FG Brandenburg mit Urteil vom 9. März 2006 6 K 2092/01 (Revision: III R 32/06; Leitsatz in StEd 2006, 406) entschieden, dass die von dem Kind im jeweiligen Streitjahr tatsächlich gezahlte Einkommensteuer ebenfalls nicht in die Berechnungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen sei, weil es sich hierbei um Beträge handele, die von Gesetzes wegen dem Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar seien und deshalb keine Entlastung bei den Eltern bewirken könnten, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung von Unterhalt zu dienen bestimmt seien.

Der erkennende Senat vermag dieser Auffassung schon deshalb nicht zu folgen, weil ihr § 12 Nr. 3 EStG entgegensteht. Danach dürfen u.a. die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern sowie die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, soweit in § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, 6, 7 und 9, § 10a, § l0b und den §§ 33 bis 33c EStG nichts anderes bestimmt ist. § 32 EStG gehört nach dieser Aufzählung aber nicht zu denjenigen Vorschriften, die einen Abzug der Steuern vom Einkommen und sonstigen Personensteuern vorsehen können.

Eine andere Betrachtung würde auch der vom BVerfG im Beschluss vom 11. Januar 2005 (a.a.O.) ausdrücklich betonten "tradierten steuerrechtlichen Terminologie", wie sie im Wortlaut und im systematischen Zusammenhang der Norm zum Ausdruck kommt, zuwiderlaufen.

3. Demnach erweist sich die Klage als unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Zur Zulassung der Revision bestand bei der gegebenen Sach- und Rechtslage keine Veranlassung.



Ende der Entscheidung

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