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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Saarland
Urteil verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: 2 K 269/00
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1
EStG § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG § 39d
AO 1977 § 170 Abs. 1
AO 1977 § 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 1
AO 1977 § 191 Abs. 3
AO 1977 § 191 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

wegen Lohnsteuerhaftung

hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken durch den Präsidenten des Finanzgerichts ... als Vorsitzender sowie der Richter am Finanzgericht ... und ... und der ehrenamtlichen Richter ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. März 2004

für Recht erkannt:

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit zweier gegenüber der Klägerin ergangenen Lohnsteuerhaftungsbescheide.

Die Klägerin ist eine juristische Person nach niederländischem Recht und hat ihren Sitz in den Niederlanden. Sie firmierte zunächst unter der Bezeichnung "D-B.V., ..., NL...", später unter der im Rubrum angegebenen Firma und der dort genannten Adresse. Sie ist eine Tochtergesellschaft der D-GmbH, die alle Anteile an der Klägerin hält. Die Lohnabrechnung betreffend die Jahre 1986 bis 1989 wurde für die Klägerin auf der Datenverarbeitungsanlage der Muttergesellschaft in S. abgewickelt. Während dieser Zeit waren unter anderem die Herren W., B. und L. Geschäftsführer der Muttergesellschaft und gleichzeitig auch Geschäftsführer der Klägerin.

In den Jahren 1990 und 1991 führte der Beklagte eine Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre 1986 bis 1989 durch. Dabei gelangte der Prüfer zu der Überzeugung, dass die Klägerin ihren Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung im Inland habe, und stützte sich auf Art. 3 Abs. 5 und Abs. 6 DBA-Niederlande i.V.m. § 10 AO. Nach den Feststellungen des Lohnsteueraußenprüfers beschäftigte die Klägerin im Prüfungszeitraum überwiegend niederländische und deutsche Arbeitnehmer, gelegentlich auch Arbeitnehmer aus Frankreich, Belgien und Großbritannien, und setzte sie sowohl auf niederländischen als auch auf deutschen Baustellen ein. Lohnsteuerliche Konsequenzen seien jedoch lediglich für die Arbeitnehmer mit Wohnsitz und Tätigkeit im Inland gezogen worden. Der Prüfer ermittelte für alle Arbeitnehmer der Klägerin Lohnsteuern in Höhe von 0.000,00 DM (1986), 00.000,00 DM (1987), 000.000,00 DM (1988) und 00.000,00 DM (1989), insgesamt 000.000,00 DM.

Der Beklagte schloss sich diesen Feststellungen an und erließ am 29. Juli 1991 einen Lohnsteuerhaftungsbescheid gegenüber der Klägerin, den er folgendermaßen adressierte: "Fa. D-BV, z.H. D-GmbH, Postfach 000, 0000 S.". Hiergegen legte die Klägerin am 28. August 1991 Einspruch ein. Darüber hinaus beantragte sie mit Schreiben vom 2. November 1992 beim Bundesamt für Finanzen die Durchführung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 22 DBA-Niederlande.

Im November 1994 führte der Beklagte eine weitere Lohnsteueraußenprüfung durch, und zwar für die Jahre 1990 bis 1992. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung, die der Prüfer in der vorhergehenden Außenprüfung geäußert hatte, ermittelte er Lohnsteuern in Höhe von 00.000,00 DM (1990) und in Höhe von 000,00 DM (1992) nebst 00,00 DM Solidaritätszuschlag für 1992, insgesamt 00.000,00 DM (BP, Bl. 74 f.). Der Beklagte schloss sich dem an und erließ am 29. März 1995 einen entsprechenden Lohnsteuerhaftungsbescheid (BP, Bl. 77). Diesen Bescheid adressierte der Beklagte an "Fa. D-GmbH, Postfach 0000, 00000 S." und versah ihn mit dem Zusatz "für Fa. D-B.V., ..., NL-...". Hiergegen legte die Klägerin am 20. April 1995 Einspruch ein.

Das im Jahr 1992 eingeleitete Verständigungsverfahren wurde im Jahr 1999 mit einer Verständigungsvereinbarung zwischen dem niederländischen Finanzministerium und dem Bundesamt für Finanzen beendet, wonach die Frage des Ortes der Geschäftsleitung der Klägerin nicht mehr erörtert werden sollte. Die niederländische Steuerbehörde wurden angewiesen, die in den Jahren 1988 und 1989 abgeführten Lohnsteuern an die Klägerin zu erstatten. Aufgrund der Vereinbarung erließ der Beklagte am 17. Juni 1999 einen geänderten Haftungsbescheid, in dem er nur noch Lohnsteuerbeträge für die Jahre 1988 (00.000,00 DM) und 1989 (00.000,00 DM) berücksichtigte und die Haftungssumme dementsprechend auf 000.000,00 DM herabsetzte. Der Bescheid wurde an die Klägerin unter ihrer Adresse in den D. (Niederlande) adressiert.

Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2000 wies der Beklagte die Einsprüche der Klägerin als unbegründet zurück.

Am 10. Juli 2000 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Ansprüche, die mit dem Lohnsteuerhaftungsbescheid für die Jahre 1986 bis 1989 geltend gemacht werden, seien verjährt. Denn ein Haftungsanspruch für nicht abgeführte Lohnsteuer könne nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Steueranspruch gegen den Steuerschuldner verjährt ist. Dies gelte auch dann, wenn der Steuerschuldner beschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Im Streitfall sei der Haftungsbescheid zwar rechtzeitig ergangen, jedoch sei er wegen Verstoßes gegen die Bekanntgabevorschriften nicht wirksam geworden. Auch der Lohnsteuerhaftungsbescheid betreffend die Lohnsteuern für 1990 bis 1992 sei rechtswidrig, weil auch insoweit Verjährung eingetreten sei.

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid vom 29. Juli 1991 über Lohnsteuer in der Fassung vom 17. Juni 1999 sowie den Haftungsbescheid vom 29. März 1995, beide jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 2000, aufzuheben,

hilfsweise, den Haftungsbescheid vom 29. Juli 1991 über Lohnsteuer in der Fassung vom 17. Juni 1999 und in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 2000, aufzuheben und unter Abänderung des Haftungsbescheids über Lohnsteuer vom 29. März 1995, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 2000, die Haftungssumme ohne Berücksichtigung der Lohnsteuerbeträge für 1990 neu festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung begründet der Beklagte seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass die Haftungsansprüche nicht verjährt seien. Auch liege kein Bekanntgabemangel vor, denn die inländische Muttergesellschaft sei als Bevollmächtigte der Klägerin anzusehen, so dass die Bescheide wirksam bekannt gegeben worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Behördenakten (drei Bände) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

Der Haftungsbescheid betreffend die Lohnsteuer für 1988 und 1989 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Haftungsbescheid betreffend die Lohnsteuer für 1990 und 1992 ist insoweit rechtswidrig, als die Klägerin für die Lohnsteuer 1990 in Anspruch genommen wird, und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, denn insoweit ist Festsetzungsverjährung eingetreten. Im Übrigen liegen jedoch die Voraussetzungen für die Haftung der Klägerin nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG vor.

1.1 Die auf der Grundlage des § 191 Abs. 1 Satz 1 AO ergangenen Haftungsbescheide sind wirksam geworden (§ 124 Abs. 1 AO).

Dabei kann offen bleiben, ob die D-GmbH als inländische Bevollmächtigte der Klägerin mit Duldungsvollmacht anzusehen ist, der gegenüber die Bescheide wirksam bekannt gegeben werden konnten (§ 122 Abs. 1 Satz 3 AO). Denn selbst wenn man von einem Bekanntgabemangel ausgehen wollte, wurde dieser in dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin tatsächlich Kenntnis von den Bescheiden erlangt hat, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 9 Abs. 1 VwZG geheilt.

Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, gilt nämlich folgendes: Ist der bekanntzugebende Verwaltungsakt an einen Bekanntgabeadressaten gerichtet, für den weder eine Zustellungsvollmacht noch eine sonstige Legitimation vorgelegen hat, ist der Bescheid erst wirksam bekanntgegeben, wenn ihn der Inhaltsadressat nachweislich erhalten hat (siehe zum Beispiel BFH, Urteile vom 13. Januar 1993 II R 62/90, BFH/NV 1993, 285; vom 3. Dezember 1998, III R 5/98, BStBl. II 1999, 227; vom 31. August 1999 VIII R 21/98, BFH/NV 2000, 555; vgl. auch Tipke/Kruse, AO/FGO, § 122 AO, Tz. 21; Klein/Brockmeyer, AO, 8. Aufl. 2003, § 122, Rdnr. 7; ablehnend Güroff in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 122 AO, Rdnr. 30). Im Streitfall steht die Tatsache der tatsächlichen Kenntnisnahme durch die Klägerin fest, nachdem die Klägerin selbst gegen die Haftungsbescheide Einspruch eingelegt hat.

Im Streitfall wurde der Haftungsbescheid an die vermeintliche Zustellungsbevollmächtigte gerichtet, wobei der Beklagte allerdings durch die Adressierung beider Haftungsbescheide hinreichend deutlich gemacht hat, wer Inhaltsadressat und damit Empfangsberechtigter im Sinne von § 9 Abs. 1 VwZG sein sollte. Damit legt lediglich ein heilbarer Bekanntgabemangel und kein unheilbarer Adressierungsmangel vor (vgl. hierzu BFH, Urteile vom 8. Dezember 1988 IV R 24/87, BStBl II 1989, 346; vom 4. Oktober 1989 V R 39/84, BFH/NV 1990, 409; vom 25. September 1990 IX R 84/88, BStBl. II 1991, 120; vom 3. Dezember 1998, III R 5/98, BStBl. II 1999, 227). Dabei ist es nach Auffassung des Senates für die Anwendung des § 9 Abs. 1 VwZG unerheblich, ob die Bekanntgabe mit einfachem Brief gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO oder förmlich gemäß § 122 Abs. 5 AO i.V.m. §§ 2 ff. VwZG erfolgte. Denn wenn schon bei der strengeren, weil an bestimmte Formalien gebundenen förmlichen Zustellung Bekanntgabemängel geheilt werden können, gilt dies nach Auffassung des erkennenden Senates erst recht für die einfache Zustellung, so dass § 9 Abs. 1 VwZG im letztgenannten Fall entsprechend anzuwenden ist (vgl. hierzu auch Klein/Brockmeyer, AO, 8. Aufl. 2003, § 122, Rdnr. 7).

1.2 Die Klägerin ist als ausländische Verleiherin im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen, denn sie überließ ihre Arbeitnehmer der D-GmbH gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung im Inland. Sie war nicht inländische Arbeitgeberin, denn sie hatte im maßgeblichen Zeitraum weder ihren Sitz (§ 11 AO) noch den Mittelpunkt der Geschäftsleitung (§ 10 AO) im Inland. Hinsichtlich dieser Frage ist das Gericht nicht an die Verständigungsvereinbarung zwischen den Finanzverwaltungen der Bundesrepublik Deutschland und des Königreichs der Niederlande gebunden, denn es handelt sich dabei nicht um einen Akt der Rechtssetzung, der allgemeinverbindliche Rechtsnormen hervorbringen kann. Das Gericht ist indessen lediglich an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Dass die wesentlichen Entscheidungen in den Niederlanden getroffen wurden und nicht im Inland hat die Klägerin überzeugend dargetan. Danach hat die nunmehrige Geschäftsführerin und damalige Bevollmächtigte der Klägerin ... die wesentlichen unternehmerischen Tätigkeiten entfaltet und Entscheidungen getroffen, insbesondere Acquisition von neuen Aufträgen, Vertragsverhandlungen, Kalkulation der Aufträge, Kundenbetreuung, Überwachung der Auftragsabwicklung, Einstellung und Entlassung von Personal, Verhandlungen und Korrespondenz mit den niederländischen Behörden. Demgegenüber treten nach Auffassung des Senats die im maßgeblichen niederländischen Handelsregister eingetragenen Einschränkungen betreffend die Veräußerung von Grundstücken, die Aufnahme von Krediten und die Unterzeichnung von Wechseln dahinter zurück. Nach der Ansicht des Senats konnten die formell bestellten Geschäftsführer, die gleichzeitig die Geschäftsführer der D-GmbH waren, faktisch die wesentlichen laufenden Geschäftsführungsmaßnahmen nicht von D. aus ausführen, sondern sich lediglich auf formelle Akte, wie die Leistung von Unterschriften, beschränken.

Die Stellung der Klägerin als ausländische Verleiherin von Arbeitnehmern ergibt sich aus folgendem: Sie hatte keine eigenen Baustellen im Inland, sondern ihre Arbeitnehmer wurden ausschließlich auf Baustellen der D-GmbH für diese tätig. Sie hatte dazu eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern beantragt und erhalten.

1.3 Die Klägerin hatte für diejenigen ausländischen und damit nur beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer gemäß § 39d EStG Lohnsteuer einzubehalten, anzumelden und abzuführen, die ihre Arbeitsleistung im Inland erbracht haben. Dies stimmt mit der Regelung des Art. 10 Abs. 1 DBA-Niederlande überein, wonach dem Ausübungsstaat das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zusteht, sofern der Arbeitnehmer sich nicht nur vorübergehend, das heißt weniger als 183 Tage im Laufe eines Kalenderjahres im Ausübungsstaat aufgehalten hat (vgl. Art. 10 Abs. 2 Nr. 1 DBA-Niederlande).

Dem hat der Beklagte durch die Herabsetzung der jeweiligen Haftungssummen in der Einspruchsentscheidung Rechnung getragen. Der Senat hat keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Beträge zutreffend ermittelt wurden. Ihre Höhe wurde von der Klägerin auch nicht beanstandet.

1.4 Soweit sich die Klägerin auf die Festsetzungsverjährung beruft, kann sie damit nur hinsichtlich der Haftung für die Lohnsteuerbeträge des Jahres 1990 durchdringen. Denn nur insoweit ist Festsetzungsverjährung eingetreten.

Nach § 191 Abs. 3 Satz 1 AO gelten die Vorschriften über die Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO) für den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend. Die grundsätzlich vierjährige Festsetzungsfrist (§ 191 Abs. 3 Satz 2 AO) beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Haftungstatbestand verwirklicht worden ist (§ 191 Abs. 3 Satz 3 AO). Wenn die Steuer, für die gehaftet werden soll, noch nicht festgesetzt ist, endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuer geltenden Festsetzungsfrist (§ 191 Abs. 3 Satz 4 AO).

1.4.1 Die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid hinsichtlich der Lohnsteuer für 1990 ist abgelaufen, bevor der Haftungsbescheid erlassen wurde. Denn hinsichtlich der Lohnsteuer-/Einkommensteueransprüche der beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer ist Festsetzungsverjährung eingetreten, so dass ein Haftungsbescheid nicht mehr ergehen konnte (§ 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO).

Die vom laufenden Arbeitslohn einbehaltene Einkommensteuer, die Lohnsteuer (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG), ist keine eigene Steuerart, sondern lediglich eine Erhebungsform der Einkommensteuer. Die Einkommensteueransprüche, die im Jahr 1990 entstanden sind, sind mit Ablauf des 31. Dezember 1994 verjährt.

Die Festsetzungsfrist hierfür begann gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Entstehungsjahres, also mit Ablauf des 31. Dezember 1990. Eine sogenannte Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO trat nicht ein, denn für beschränkt Steuerpflichtige, deren Steuer mit dem Steuerabzug nach § 50 Abs. 5 EStG abgegolten ist, besteht keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung (vgl. auch § 56 Satz 1 EStDV).

Ob gegenüber der Klägerin eine Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO eingetreten ist, weil sie eine Lohnsteuer-Anmeldung abzugeben hatte (vgl. § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) kann daher im Hinblick auf § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO dahinstehen, nachdem jedenfalls die Hauptschuld der Arbeitnehmer verjährt ist.

Der Haftungsbescheid vom 29. März 1995 erging, soweit er sich auf die Lohnsteuer für 1990 erstreckte, erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist und ist daher mangels einer bestehenden Hauptschuld (vgl. § 47 AO) rechtswidrig.

1.4.2 Im übrigen ist keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn der Haftungsbescheid vom 29. Juli 1991 ist hinsichtlich der Lohnsteuer für 1988 und 1989, auf die er sich zuletzt noch erstreckt, noch innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen. Denn für die Lohnsteuer (Einkommensteuer) für 1988 trat die Festsetzungsverjährung im Hinblick auf die Ausführungen unter 1.4.1 erst mit Ablauf des 31. Dezember 1992, für die Lohnsteuer (Einkommensteuer) für 1989 mit Ablauf des 31. Dezember 1993 ein.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage sah der Senat keine Veranlassung zur Zulassung der Revision § 115 Abs. 1 und Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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