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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Saarland
Beschluss verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: 2 V 2434/06
Rechtsgebiete: KraftStG, StVZO, RL 70/156/EWG


Vorschriften:

KraftStG § 8 Nr. 2
KraftStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
KraftStG § 12 Abs. 2 Nr. 4
StVZO § 23 Abs. 6a
RL 70/156/EWG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland

2 V 2434/06

In dem Verfahren

hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Bilsdorfer als Vorsitzender sowie

die Richterinnen am Finanzgericht Hörndler und Dr. Morsch

am 7. November 2007

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Kraftfahrzeugsteuer für ein Kraftfahrzeug des Typs Ford Ranger Typ 2AW, Pick-up, Doppelkabine, ab 1. Mai 2005 streitig.

Im Juli 2005 erließ der Antragsgegner für das oben genannte Fahrzeug, dessen Halter der Kläger ist, einen geänderten Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer. Mit diesem Bescheid wurde der Jahresbetrag der Steuer mit Wirkung ab 1. Mai 2005 von bis dahin 172,31 EUR auf 683 EUR angehoben. Die Änderung wurde mit § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG wegen gesetzlich vorgeschriebenen Tarifwechsels (§ 23 Abs. 6a StVZO) begründet.

Dagegen legte der Antragsteller fristgerecht Einspruch ein, woraufhin der Antragsgegner den Bescheid, soweit er die zuvor festgesetzte Steuer überschritt, von der Vollziehung aussetzte.

Am 9. Oktober 2006 wurde die Aussetzung der Vollziehung widerrufen, nachdem der Antragsteller der Aufforderung, sein Fahrzeug vorzuführen, nicht nachgekommen war. Das Einspruchsverfahren ruht derzeit. Der Antragsteller hat sein Fahrzeug zum 29. Dezember 2006 abgemeldet, woraufhin der Antragsgegner im Januar 2007 einen geänderten Steuerbescheid erlassen hat, mit dem jedoch nicht die Höhe der Steuer, sondern nur der Besteuerungszeitraum geändert worden ist.

Bei beantragt der Antragsteller sinngemäß,

den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom Juli 2005 in Gestalt des Änderungsbescheides vom Januar 2007 von der Vollziehung auszusetzen, soweit die festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer den Betrag von 172,31 EUR p.a. übersteigt.

Er macht geltend, bei seinem Fahrzeug handele es sich um ein als Lkw offener Kasten (N1G) konzipiertes und homologisiertes Fahrzeug. Schon nach dem äußeren Erscheinungsbild sei es ein Lkw. Er benutze den Ford-Ranger als Nutzfahrzeug - entsprechend der europäischen Richtlinie 70/156/EWG Anhang II - zum Gütertransport. Die Zulassungsstelle habe das Fahrzeug auch genau so eingestuft. Eine Vorführung des Fahrzeugs erübrige sich daher. Die Ladefläche sei größer als die Bodenfläche des Führerhauses. Zur Einstufung des Fahrzeugs legte der Antragsteller neben einer Kopie des Kraftfahrzeugscheins weitere Unterlagen vor, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

Das KraftStG sei nach Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO (ab 1. Mai 2005) geändert worden, weshalb die höhere Steuer nachzufordern gewesen sei (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG). Der Antragsteller habe das Fahrzeug nicht vorgeführt, so dass von den bauartbedingten Merkmalen auszugehen sei. Danach handele es sich um einen Personenkraftwagen, da die zur Beförderung von Personen ausgelegte Bodenfläche größer sei als die Hälfte der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs (§ 23 Abs. 2a Satz 3 KraftStG).

II. Der zulässige Antrag ist unbegründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung unbillig ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, wenn bei der überschlägigen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aus-setzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfrage bewirken (vgl. BFH vom 31. Oktober 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, seit BFH vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182).

Hinsichtlich des Prozessstoffes ist das Gericht bei seiner Prüfung auf die ihm vorliegenden Unterlagen - insbesondere die Akten der Finanzbehörde - sowie auf die präsenten Beweismittel beschränkt. Weitere Sachverhaltsermittlung durch das Gericht ist nicht erforderlich.

2. Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Antragsgegner hat die Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug des Antragstellers im Ergebnis zutreffend mit Wirkung ab 1. Mai 2005 neu festgesetzt.

2. 1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Neufestsetzung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG oder - der Ansicht des FG Hamburg im Urteil vom 30. März 2007 (7 K 22/06, EFG 2007, 1368) folgend - gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG zu erfolgen hatte. Jedenfalls war mit Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO durch die Siebenundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 2. November 2004 (BGBl. I 2004, 2712) mit Ablauf des 30. April 2005 das Fahrzeug des Antragstellers nicht mehr zwingend als anderes Fahrzeug im Sinne von § 8 Nr. 2 KraftStG zu besteuern (vgl. BFH vom 21. August 2006 VII B 333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721).

2. 2. Bis dahin waren auf Grund des Urteils des BFH vom 31. März 1998 (VII R 116/97, BFHE 185, 511, BStBl II 1998, 487) sogenannte Kombinationskraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t ohne Rücksicht auf Typ und Erscheinungsbild nicht als PKW zu besteuern, sondern wurden wie ein LKW nach Gewicht besteuert. Mit Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO, der im Jahr 1969 aus - inzwischen nicht mehr relevanten - straßenverkehrsrechtlichen Gründen geschaffen worden war, sind auch diese Fahrzeuge nach Bauart und Einrichtung zu beurteilen (BFH vom 7. November 2006 VII B 79/06, BFH/NV 2007, 778).

Danach ist das Fahrzeug des Antragstellers als PKW einzustufen.

2. 3. Entgegen der Ansicht des Antragstellers lässt sich aus der Richtlinie 70/156/EWG nichts für die Einteilung eines Fahrzeugs im Inland herleiten, auch wenn der neu eingeführte § 2 Abs. 2a KraftStG darauf Bezug nimmt. Denn die Richtlinie beinhaltet nur die Harmonisierung der technischen Merkmale verschiedener Fahrzeuge für die Betriebserlaubnis. Darüber hinausgehend enthält sie keine die Mitgliedstaaten und ihre Verwaltungen bindenden Regelungen (EuGH vom 13. Juli 2006 C-83/05 - Voigt - Sammlung EuGH-Rechtsprechung I-06799; BFH vom 21. August 2006 VII B 333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721 undvom 7. November 2006 VII B 80/06, BFH/NV 2007,780).

Ebenso wenig kommt es darauf an, wie das Fahrzeug von der Zulassungsstelle eingestuft wird (vgl. BFH vom 30. September 1982 II R 56/78, BFHE 134, 367, BStBl II 1982, 82) oder wie es der Antragsteller tatsächlich nutzt (vgl. BFH 5. Mai 1998 VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489). Die für die Einstufung relevanten Merkmale sind hingegen z.B. die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Ladung, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Seitenfenster bzw. deren Verblechung, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung einschließlich der damit erreichbaren Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und die Konzeption des Herstellers (BFH vom 7. November 2006 a.a.O. unter Bezug auf BFH vom 26. November 1991 VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414;vom 5. Mai 1998 VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489;vom 26. Juni 1997 VII R 12/97, BFH/NV 1997, 810 undvom 8. August 2000 VII R 26/99, BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72).

Bei Fahrzeugen wie dem des Antragstellers kommt dem Verhältnis der Ladefläche zum Fahrgastraum eine besondere Bedeutung zu (vgl. jetzt § 1 Abs. 2a Satz 3 KraftStG, in Umsetzung der bisherigen Rechtsprechung). Um eine praktikable und vorhersehbare Einstufung zu ermöglichen, ist typisierend davon auszugehen, dass Fahrzeuge nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche oder ihr Laderaum nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht (BFH vom 1. August 2000, BFH/NV 2001, 345). Nach den Angaben des Herstellers - entsprechende Unterlagen hat der Antragsteller dem Antragsgegner selbst mit Schreiben vom 17. Juli 2006 vorgelegt - ist die Ladefläche des Ford Ranger Pick-up mit Doppelkabine 1,53 m lang, der Fahrgastraum ist beim Fahrzeug mit Doppelkabine jedoch - wie aus den Bildern erkennbar - länger. Entsprechend hat der BFH mit Beschluss vom 7. November 2006 (VII B 79/06, BFH/NV 2006, 778) die Entscheidung des FG Brandenburg bestätigt, mit dem ein baugleiches Fahrzeug für die Kraftfahrzeugsteuer ebenfalls als PKW eingeordnet wurde.

Eine entscheidungserhebliche Abweichung ergibt sich nicht aus den zur Änderung am Fahrzeug des Antragstellers nach § 19 Abs. 3 StZVO vorgelegten Unterlagen. Durch die Anbringung einer Anhängerkupplung ist es zwar grundsätzlich möglich, mit einem Anhänger bei einer Fahrt mehr zu transportieren. Dadurch wird jedoch der Charakter der Fahrzeugs nicht geändert.

2. 4. Die Änderung der Steuerfestsetzung stößt auch nicht deshalb auf rechtliche Bedenken, weil das KraftStG am 21. Dezember 2006 mit Geltung ab 1. Mai 2005 hinsichtlich der Kombinationsfahrzeuge durch Einfügung von Absatz 2a geändert worden ist. Denn auch ohne die Neuregelung im KraftStG ist das Fahrzeug des Antragstellers - wie oben dargelegt - bereits auf Grund des Wegfalls von § 23 Abs. 6a StVZO durch die noch im Jahr 2004 verkündete Siebenundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 2. November 2004 (BGBl. I, 2712) ab 1. Mai 2005 als PKW zu besteuern (ebenso zu einem Toyota Landcruiser FG Hamburg vom 30. März 2007 7 K 22/06, EFG 2007, 1368).

3. Da der Antrag keinen Erfolg hat, ergeht die Kostenentscheidung nach § 135 Abs. 1 FGO zu Lasten des Antragstellers.

Die Beschwerde war in entsprechender Anwendung des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Frage der Rückwirkung der Änderungen im KraftStG von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Ende der Entscheidung

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