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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: 1 K 1137/07
Rechtsgebiete: InvZulG 2005, AO, GG


Vorschriften:

InvZulG 2005 § 2 Abs. 1
AO § 171 Abs. 10
GG Art. 19 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. Januar 2009

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,

die Richterin am Finanzgericht Hübner,

die Richterin am Finanzgericht Gehlhaar,

den ehrenamtlichen Richter ... und

die ehrenamtliche Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Klägerin im Jahre 2005 dem verarbeitenden Gewerbe im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Investitionszulagengesetz 2005 zuzuordnen war.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Klägerin begehrt Investitionszulage für das verarbeitende Gewerbe.

Die Klägerin gehört zur C.-Gruppe. Zu dieser Gruppe wiederum gehört unter anderem die C. GmbH. Die C. GmbH beschloss Ende 2004, in die Herstellung von Ersatzbrennstoffen zu investieren. Zu diesem Zwecke gründete sie am 03. Januar 2005 die Klägerin, die nach einem Beschluss vom 03. Februar 2005 von der C. GmbH die Anlage zur Aufarbeitung von Abfällen und zur Produktion von Brennstoffen übernehmen sollte. Am 16. Dezember 2004 hatte die C. GmbH die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu einer wesentlichen Änderung der Abfallsortieranlage (Erweiterung um eine Teilanlage zur Herstellung von Ersatzbrennstoffen) beantragt, den Antrag in der Folgezeit mehrfach ergänzt und am 14. Juli 2005 die Genehmigung erhalten. Im Jahre 2005 tätigte die Klägerin diverse Investitionen (Neubau Stahlhalle, Hof- und Wegebefestigung sowie verschiedene Großgeräte). Während die Klägerin Gebäude und Anlagen an die C. GmbH vermietete, übertrug mit Werkvertrag vom 01. September 2006 die C. GmbH der Klägerin das Recyceln von Abfällen. Der Landkreis ... als immissionsschutzrechtlich zuständige Behörde rechnete die Anlage weiterhin der C. zu.

Am 13. Januar 2006 beantragte die Klägerin für das Jahr 2005 Investitionszulage nach § 2 InvZulG 2005 in Höhe von insgesamt EUR 306.199,29 für Gebäude (Zulagensatz 12,5%) sowie bewegliche Wirtschaftsgüter (Zulagensatz 25%). Sie gab als ausgeübte Tätigkeit "Herstellung von Ersatzbrennstoffen" an.

Am 02. März 2006 stufte das Statistische Landesamt die Klägerin als Recyclingbetrieb nach der Klasse 3720 (Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen) und somit als Betrieb des verarbeitenden Gewerbes ein.

Der Beklagte führte eine Investitionszulage-Sonderprüfung durch und nahm Kontakt zum Statistischen Landesamt auf. Finanzverwaltung und Statistisches Landesamt kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Herstellung von Ersatzbrennstoffen kein Recycling sei, sondern als thermische Abfallbeseitigung (WZ 90.02.2) zu qualifizieren sei. Die Einstufung wurde nicht geändert.

Mit Bescheid vom 16./ 19. März 2007 lehnte der Beklagte die Festsetzung von Investitionszulage ab. Der am 05. April 2007 eingegangene Einspruch blieb erfolglos. Gegen den Einspruchsbescheid vom 24. Juli 2007 richtet sich die am 23. August 2007 eingegangene Klage.

Die Klägerin ist zuvörderst der Auffassung, die Herstellung von Ersatzbrennstoffen sei nach der in dem Streitjahr noch geltenden Rechtslage noch als Recycling einzustufen. Soweit der für Zuordnungsfragen zuständige Ausschuss "Task Force" beim Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften sie unter Abkehr von bisheriger Auffassung nunmehr der Abteilung 90 der Klassifikation zuordne, sei das nicht bindend.

Zudem habe sie, die Klägerin, tatsächlich nicht nur Ersatzbrennstoffe hergestellt. Sie habe sich zunächst auf Ersatzbrennstoffe konzentrieren wollen. Sie habe dann aber, da sich auf den Lägern heizwertreiche Fraktionen gehäuft hätten, umgeplant und sich seit 2006 wieder auf das klassische Recycling konzentriert. Auch dafür diene die angeschaffte Technik. Wenn der Beklagte auch nur ansatzweise auf ihren Vortrag eingegangen wäre, hätte sie auch eine Wertschöpfungsquote ermittelt.

Schließlich - hilfsweise - macht die Klägerin geltend, dass der Investitionsbeginn für das gesamte Vorhaben vor März 2005 liege. Die Übergangsregelung des BMF-Schreibens vom 21. Februar 2005 (IV C 8 - InvZ 1271 - 7/05, BStBl. 2005 I 503) wirke daher zu ihren Gunsten. Wie bei baugenehmigungspflichtigen Vorhaben sei - dies in Fortführung der Grundsätze des Urteils des BFH vom 10. April 1992 (III R 142/90, BStBl. 1992, 632) - Investitionsbeginn die Antragstellung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG -. Die Anlage mit sämtlichen Wirtschaftsgütern, die Gegenstand des Investitionszulagenantrages seien, bedürfe der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Dass die C. GmbH den Antrag gestellt habe, sei unschädlich, da zum einen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung anlagebezogen sei, zum anderen die Klägerin das Ersatzbrennstoffgeschäft zivilrechtlich von der C. übernommen habe.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Klägerin im Jahre 2005 dem verarbeitenden Gewerbe im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Investitionszulagengesetz 2005 zuzuordnen war.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, die Herstellung von Ersatzbrennstoffen sei schon nach damaliger Rechtslage kein Recycling gewesen. Die Ermittlung der Wertschöpfungsquote könne unterbleiben, da angesichts der Angaben der Klägerin im Investitionszulagenantrag davon auszugehen sei, dass der Schwerpunkt auf der Herstellung von Ersatzbrennstoffen liege.

Die Übergangsregelung des BMF finde keine Anwendung. Zum einen könne die Antragstellung nach dem BImSchG den Investitionsbeginn lediglich für Gebäude bewirken, soweit sie nämlich die Baugenehmigung ersetze. Zum anderen habe nicht die Klägerin die Genehmigung beantragt bzw. erhalten. Der Beschluss, das Ersatzbrennstoffgeschäft von der C. GmbH auf die Klägerin zu übertragen, habe keine Drittwirkung.

Der im Rahmen der mündlichen Verhandlung angesprochenen Absicht, durch Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 FGO vorab über die Zulagenberechtigung der Klägerin zu entscheiden, haben die Beteiligten nicht widersprochen.

Dem Senat haben die bei dem Beklagten für die Klägerin geführte Investitionszulagenakte, eine Vertragsakte, die Arbeitsakte der Investitionszulage-Sonderprüfung sowie die Rechtsbehelfsakte vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat entscheidet durch Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 FGO vorab über die Frage, ob die Klägerin dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist und so eine der Voraussetzungen für die Festsetzung der Investitionszulage erfüllt.

Nicht entschieden ist damit die weitere Frage, ob auch die C. GmbH, der die Klägerin die betreffenden Wirtschaftsgüter überlassen hat, dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen sein muss und ist. Ebenfalls nicht entschieden ist über die Höhe des Investitionszulagenanspruchs. Der Senat erachtet es für sachgerecht, zunächst eine rechtskräftige Entscheidung über die Zugehörigkeit der Klägerin zum verarbeitenden Gewerbe als eine der grundlegenden Voraussetzungen der Investitionszulage herbeizuführen. Die Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen wird nach Aktenlage nicht ganz unerheblichen Aufwand erfordern. Auch die Investitionszulage-Sonderprüfung hatte sich mit diesen weiteren Punkten bisher nicht befasst. Es erscheint daher zweckmäßig, die Prüfung aufzuschieben, bis feststeht, dass sie entscheidungserheblich ist.

II. Die Klägerin ist dem verarbeitenden Gewerbe im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 2005 zuzuordnen, da das Statistische Landesamt sie entsprechend eingeordnet hat und diese Einordnung nicht offensichtlich falsch ist.

Der Senat stellt klar, dass die Zulagenberechtigung sich nicht bereits ohne weiteres und eindeutig aus den anderen, von der Klägerin vorgetragenen Erwägungen herleiten lässt. Ob die Auffassung der "Task Force" tatsächlich geltendem Recht widersprach, ist nicht gänzlich eindeutig. Ob die Klägerin neben der Herstellung von Ersatzbrennstoffen auch klassisches Recycling betrieben hat, ist zum einen streitig und führte zum anderen zu der Annahme eines Mischbetriebs, dessen Wertschöpfungsquoten zu ermitteln sind. Ob schließlich der Investitionsbeginn insgesamt über die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorverlagert werden und so zur Anwendung der Übergangsregelung des BMF-Schreibens führen kann, ist ebenfalls nicht zweifelsfrei. Zum einen sieht das Gesetz ausdrücklich eine Vorverlagerung des Investitionsbeginns lediglich für baugenehmigungspflichtige Vorhaben und nicht allgemein für Vorhaben vor, die einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung bedürfen. Auch die von Klägerseite herangezogene Entscheidung des BFH vom 10. April 1992 betrifft jedenfalls ausdrücklich nur Gebäude, auf die sich der immissionsschutzrechtliche Antrag mit seiner Konzentrationswirkung erstreckt. Zum anderen müsste die Antragstellung durch die C. GmbH auch für die von der Klägerin vorgenommenen Investitionen wirken, was in der Schnittstelle zwischen Baurecht und Immissionsschutzrecht ebenfalls nicht zweifelsfrei ist.

Der Senat stützt seine Entscheidung daher auf die Einordnung durch das Statistische Landesamt.

1. Der im InvZulG 2005 wie auch den Vorgängergesetzen nicht definierte Begriff des verarbeitenden Gewerbes wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH seit nunmehr über 30 Jahren in enger Anlehnung an die jeweiligen von dem Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verzeichnisse der Wirtschaftszweige vorgenommen. Denn diese entsprächen den Erkenntnissen fachlich kompetenter Gremien über die Grundsystematik der Wirtschaftszweige (grundlegend Urteil vom 14. Januar 1975, VIII R 148/71, BStBl. 1975 II 392 ff.; ferner Urteil vom 08. April 1976, III R 161/73, BStBl. 1976 II 410).

Zwar entscheide über die Einordnung grundsätzlich das Finanzamt. Liege aber eine Einordnung eines Statistischen Landesamts vor, so sei diese, wenn auch kein Grundlagenbescheid im Sinne von § 171 Abs. 10 Abgabenordnung - AO -, von den Finanzämtern in aller Regel bei der Entscheidung über die Gewährung der Investitionszulage zu übernehmen, soweit sie nicht offensichtlich falsch sei bzw. zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führe. Diesen Grundsatz hat der BFH zwar noch nicht in den Urteilen vom 14. Januar 1975 und vom 08. April 1976, wohl aber in seiner nachfolgenden Rechtsprechung, teils ausdrücklich, teils implizit aufgestellt und bis in jüngste Zeit aufrecht erhalten (Urteil vom 02. Mai 1980, III R 130/78, BStBl. 1980, 732; Urteil vom 09. Juli 1988, III R 23/84, BFH/NV 1989, 392; Urteil vom 29. Januar 1991, III R 55/89, BFH/NV 1991, 559; Urteil vom 11. April 1995, III R 77/91, BFH/NV 1995, 1090 zum BerlinFG; Urteil vom 06. August 1998, III R 28/97, BStBl. 2000 II 144, 149; Urteil vom 07. März 2002, III R 44/97, BStBl. 2002 II 545, 547; Urteil vom 23. Oktober 2002, III R 40/00, BStBl. 2003 II 360, 361; Urteil vom 23. März 2005, III R 20/00, BStBl. 2005 II 497; Urteil vom 25. Januar 2007, III R 69/06, BFH 2007, 1187; Urteil vom 10. Mai 2007, III R 54/04, BFH/NV 2007, 2146).

Der Beschluss vom 31. Januar 2008 (VII B 88/07, BFH/NV 2008, 991), mit dem der BFH eine Bindungswirkung der Einstufung verneint, bezieht sich nicht auf die Investitionszulage, sondern das Mineralölsteuergesetz.

2. Mit dieser Maßgabe ist die Klägerin, der Einstufung des Statistischen Landesamts folgend, dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen.

Das Statistische Landesamt hat am 02. März 2006 eine Entscheidung über die Einordnung der Klägerin in dem Sinne getroffen, dass sie dem Recycling und damit dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen sei. Die folgenden Gespräche mit Angehörigen der Finanzverwaltung enthielten keine abweichende Einordnung und hoben diese Einordnung auch nicht auf, sondern waren lediglich Meinungsäußerungen, die noch nicht einmal gegenüber der Klägerin kund getan wurden und folglich die am 02. März 2006 vorgenommene Einordnung nicht berührten. Diese Einordnung ist nicht offensichtlich falsch bzw. führt nicht zu offensichtlich falschen Ergebnissen.

a. An dieser Stelle kann dahingestellt bleiben, wie der Begriff "offensichtlich" im Sinne dieser Rechtsprechung im Detail abzugrenzen ist. Fest steht jedenfalls nach Wortlaut und Sinn, dass eine "offensichtlich" falsche Einstufung nicht bereits mit einer falschen Einstufung gleichzusetzen ist.

Zum einen bedeutet "offensichtlich falsch" nach allgemeinem und eindeutigem Sprachgebrauch, dass nicht jedweder Fehler, sondern allenfalls ein Fehler, den der rechtskundige Beobachter sofort sieht, der "offen" zutage liegt und auf den ersten Blick "sicht"bar ist, gemeint ist. Bedarf es umfangreichen Studiums von Rechtsnormen, Literatur und Rechtsprechung, um eine Entscheidung über die Richtigkeit einer Einordnung zu treffen, so ist die Einordnung nicht offensichtlich falsch. Zum anderen wäre bei einem derartigen Verständnis die gleichzeitige Orientierung an der Einordnung durch das Statistische Landesamt eine Leerformel. Denn im Hinblick auf die Frage, ob die Einordnung falsch ist, wäre dann stets eine Vollprüfung der Einordnung vorzunehmen.

b. Von einer offensichtlich falschen Einordnung kann vorliegend - offensichtlich - nicht die Rede sein.

Das verarbeitende Gewerbe ist in allen Klassen und Unterklassen gekennzeichnet durch die Herstellung eines anderen Produktes durch Be- und Verarbeitung im Sinne einer substantiellen Veränderung von Materien oder durch die Veredelung von Erzeugnissen, mithin eine erhebliche Veränderung der stofflichen Zusammensetzung (Urteil vom 07. März 2002, a.a.O., S. 546; Urteil des BFH vom 23. März 2005, a.a.O.; Urteil vom 24. Januar 2006, VII R 44/04, BFH/NV 2006, 1027; Urteil vom 24. März 2006, III R 49/04, BFH/NV 2006, 1709).

Die Klägerin unterhielt im Streitjahr einen Betrieb, in dem sie entweder Ersatzbrennstoffe herstellte oder klassisches Recycling - unstreitig dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen - betrieb oder auch beides tat. In beiden Fällen wandelte sie Abfall zu einem anderweit verwertbaren Stoff um, sei es zur Erzeugung thermischer Energie, sei es zu anderen Zwecken.

Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Energie und der damit einhergehenden potentiellen wirtschaftlichen Bedeutung von Energieträgern auf dem Markt liegt keineswegs auf der Hand, dass eine Aufbereitung von Abfall zu einem Energieträger keine Verarbeitung sein soll. Das gilt erst recht, wenn, wie hier, die Herstellung von Ersatzbrennstoffen in früherer Zeit dem verarbeitenden Gewerbe zugeordnet wurde. Wären allein die eingangs genannten Charakteristika des verarbeitenden Gewerbes (substantielle Veränderung von Materien oder Veredelung) als allgemein gefasste Tatbestandsmerkmale für die Einstufung maßgebend, so wäre die Herstellung von Ersatzbrennstoffen diesem möglicherweise sogar zuzuordnen. Zumindest wäre eingehend zu überprüfen, ob die Aufbereitung von Abfall zu brenn- und verbrennbaren Stoffen mit einer substantiellen Veränderung von Materien einhergeht. Hierfür bedürfte es näherer Untersuchung der in der Anlage stattfindenden Prozesse. Das bedeutet aber, dass zumindest nicht offensichtlich ist, dass eine solche substantielle Veränderung nicht stattfinde.

3. Der Senat will nicht verschweigen, dass er Schwierigkeiten grundsätzlicher Natur hat, der Rechtsprechung des BFH zu der Frage, ob und wieweit eine durch das Statistische Landesamt vorgenommene Einordnung für die investitionszulagenrechtliche Beurteilung maßgebend ist, in ihrer derzeitigen Ausgestaltung umfassend zu folgen.

Seine Bedenken betreffen das Postulat, dass die Einordnung durch das Statistische Landesamt im allgemeinen, sofern nicht offensichtlich falsch, zu übernehmen sei, indes kein Grundlagenbescheid im Sinne von § 171 Abs. 10 AO sei. Zwar enthielt die Rechtsprechung des BFH den zuletzt genannten Vorbehalt, es handele sich nicht um einen Grundlagenbescheid, anfänglich noch nicht. Das Urteil vom 23. März 2005 enthält ihn. Die beiden Urteile vom 25. Januar bzw. 10. Mai 2007 enthalten ihn nicht mehr. Sie haben sich davon jedoch auch nicht ausdrücklich distanziert, so dass der Senat davon ausgehen muss, dass es sich nach wie vor um den aktuellen Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt.

Nach Auffassung des Senats entsteht eine verfassungswidrige, nämlich Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG - widersprechende Rechtsschutzlücke, wenn eine Einordnung eines Statistischen Landesamts grundsätzlich zu übernehmen ist, ohne jedoch Grundlagenbescheid zu sein. Wenn und soweit von der Einordnung eines Betriebes in die Klassifikation der Wirtschaftszweige Rechte abhängen, hier die Investitionszulage, muss es möglich sein, die Richtigkeit der Einordnung auch vollen Umfangs gerichtlich überprüfen zu lassen.

a. Wenn im Investitionszulagenrecht eine Bindung an die Einordnung durch das Statistische Landesamt vorliegt, dann muss diese Einordnung der verwaltungsgerichtlichen Prüfung unterliegen. Dann handelt es sich allerdings auch denknotwendig um einen Grundlagenbescheid. Dann müsste er folgerichtig der Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Finanzgerichte entzogen sein.

Anders verhielte es sich nur, wenn man von einer gewissermaßen "weichen" Bindungswirkung auf einer Stufe unterhalb des Grundlagenbescheides ausgehen wollte. Darunter kann sich der Senat jedoch nichts vorstellen. Er weiß auch nicht, wie weit diese Bindung reichen soll.

Das Institut eines "weichen" Grundlagenbescheids mit einer zwar noch vorhandenen, aber geringeren Bindungswirkung als derjenigen eines echten Grundlagenbescheides löst keinerlei Probleme, sondern schafft zusätzliche Probleme in Gestalt erheblicher und unnötiger Rechtsunsicherheit. Auch ein "weicher" Grundlagenbescheid müsste der gerichtlichen Kontrolle unterliegen, soweit seine Bindungswirkung reicht. Das wirft die weitere Frage auf, wie weit diese reicht. Es führt ferner dazu, dass sowohl die Verwaltungsgerichte - soweit nämlich die Bindungswirkung reicht - als auch die Finanzgerichte - soweit sie nicht (mehr) reicht - zur Überprüfung der Einordnung berufen wären. Das ist keine sachgerechte Konstruktion.

Der Senat erkennt nicht, zu welchem Zwecke im Investitionszulagenrecht ein Zwitter zwischen einem Grundlagenbescheid und einer schlichten - nicht bindenden - Rechtsauffassung einer anderen Behörde geschaffen werden soll. Statt die Einordnung in die Klassifikationen gänzlich den - sachnäheren - Statistischen Landesämtern zu übertragen, wie es einem echten Grundlagenbescheid entspräche, und so die Finanzämter und Finanzgerichte von der Überprüfung dieser Einordnung zu befreien, hätten auf diese Weise die Finanzämter und Finanzgerichte eine vorhandene Einordnung in zwei Stufen zu überprüfen, zum einen auf die Reichweite ihrer Bindungswirkung, zum anderen auf ihre sachliche Richtigkeit.

b. Umgekehrt gilt, dass die Annahme, es handele sich nicht um einen Grundlagenbescheid, denknotwendig eine voll umfängliche Prüfung der Einordnung eines Betriebes in die Klassifikationen durch Finanzämter und Finanzgerichte nach sich ziehen müsste.

Die Einordnung durch das Statistische Landesamt als sachnähere Behörde könnte unter dieser Prämisse als Beweisanzeichen oder Indiz für die zutreffende Einordnung herangezogen werden, mehr hingegen nicht. Insbesondere wäre unter dieser Prämisse die Prüfungspflicht im Investitionszulageverfahren nicht auf die Frage offensichtlicher Unrichtigkeiten beschränkt, sondern umfasste sämtliche Sach- und Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit der Einordnung in die Klassifikationen stellen können. Diese Vorstellung widerspricht aber wiederum der Maßgabe, die Einordnung sei nur dann nicht zu übernehmen, wenn sie offensichtlich falsch ist.

c. Wenn es hingegen dabei bliebe, eine Einordnung zu übernehmen, wenn sie nicht offensichtlich falsch ist, ihr andererseits die Qualifikation als Grundlagenbescheid zu versagen, bliebe dem Anspruchsteller Rechtsschutz gegen falsche, jedoch nicht offensichtlich falsche Einordnungen durch das Statistische Landesamt verschlossen. Das widerspräche Art. 19 Abs. 4 GG.

Erschwerend für den Investor tritt hinzu, dass das Statistische Landesamt jedenfalls in Sachsen-Anhalt die Auffassung vertritt, die vorgenommenen Einordnungen in die Klassifikation der Wirtschaftszweige seien keine Verwaltungsakte. Sie beanspruchten lediglich Geltung für statistische Zwecke. Andere Rechte seien daraus nicht abzuleiten.

Auf Grund der Tatsache, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Einordnung des Statistischen Landesamts zu übernehmen ist, sofern sie nicht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt, hat das Verwaltungsgericht ... in einem bisher nach Wissen des Senats unveröffentlichten Urteil vom 26. September 2007 (...) entschieden, dass die Einordnung durch das Statistische Landesamt eine Regelung mit Außenwirkung und daher ein Verwaltungsakt sei, der mittels Verpflichtungsklage eingeklagt werden könne. Gegen das Urteil wurde Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht des Landes ... eingelegt (...), wo der Rechtsstreit nach Kenntnis des Senats noch anhängig ist. Der entsprechende Rechtsstreit um die Investitionszulage ist bei dem erkennenden Senat unter 1 K 1727/06 anhängig, jedoch im Hinblick auf den verwaltungsgerichtlichen Streit um die Zuordnungsentscheidung des Statistischen Landesamts ruhend gestellt.

4. Um den Konflikt unter Vermeidung einer verfassungswidrigen Rechtsschutzlücke aufzulösen, folgt der Senat der Rechtsprechung des BFH insoweit, als er grundsätzlich die Einordnung durch das Statistische Landesamt für bindend erachtet. Er folgt ihr nicht, als diese Einordnung kein Grundlagenbescheid sei. Der Senat erachtet sie für einen Grundlagenbescheid.

a. Es ist im Allgemeinen zweckmäßig, Vorfragen von derjenigen Behörde (bindend) entscheiden zu lassen, in deren Ressort sie fallen. Es ist ebenso zweckmäßig, da folgerichtig, Streit über solche Vorfragen von derjenigen Gerichtsbarkeit entscheiden zu lassen, zu der die jeweilige Behörde gehört. Es ist daher zweckmäßig, die Frage der Eingruppierung eines Betriebes in einen bestimmten Wirtschaftszweig den Statistischen Landesämtern zu überlassen, die Fachbehörden für derartige klassifikatorische Fragen sind.

Zwar nimmt das InvZulG 2005 - wie auch die Vorgängergesetze - im Rahmen der Vorschriften über bestimmte Wirtschaftszweige nicht ausdrücklich eine Anknüpfung an einen entsprechenden Bescheid des Statistischen Landesamtes vor. Es ist insoweit anders gefasst als eine Reihe von Tatbeständen im Vorgängergesetz, die die Investitionszulageberechtigung an bestimmte bauplanungsrechtlich definierte Gebiete anknüpften und jeweils ausdrücklich den Nachweis durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde verlangten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 - Belegenheit in der Innenstadt -; § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b sowie § 3a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 - Belegenheit im Sanierungsgebiet, Erhaltungssatzungsgebiet oder Kerngebiet -). Insofern spräche der Wortlaut des Gesetzes im Vergleich mit jenen Bestimmungen möglicherweise dafür, der Einordnung des Statistischen Landesamts keine Grundlagenbescheidswirkung und damit auch keine Bindungswirkung, sondern lediglich Indizwirkung zuzumessen.

Andererseits ist das InvZulG 2005 wie auch die Vorgängergesetze der letzten Jahrzehnte vor dem Hintergrund einer Rechtsprechung und ihr folgender Verwaltungsauffassung entstanden, die seit 1975 die Einordnung in Wirtschaftszweigklassen in enger Anlehnung an die Klassifikation, seit 1980 darüber hinaus in Anknüpfung an die Einordnung durch das Statistische Landesamt vornimmt. Hätte der Gesetzgeber diese Anknüpfung beenden und die Klassifizierung für Investitionszulagezwecke nicht mehr von der Einordnung durch das Statistische Landesamt abhängig machen wollen, hätte er dies ausdrücklich getan. Tat er es nicht, ist davon auszugehen, dass es nach der Konzeption des Gesetzes bei dieser Anknüpfung bewenden sollte.

b. Der Senat hält jedoch die Einordnung durch das Statistische Landesamt für einen (normalen) Grundlagenbescheid im Sinne von § 171 Abs. 10 AO. Nur unter dieser flankierenden Voraussetzung ist die Bindung an diese Einordnung mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar.

Einen dieser Auslegung entgegenstehenden Widerspruch zu der Konzeption des Gesetzes, das nach den soeben dargestellten Grundsätzen im Lichte der vorausgegangenen jahrzehntelangen Rechtsprechung des BFH zu verstehen ist, sieht der Senat in diesem Punkte nicht. Zum einen ist der maßgebende Kern dieser Rechtsprechung nicht die mehr begleitend anmutende Aussage, die Einordnung sei kein Grundlagenbescheid, sondern die Aussage, die Einordnung sei bindend, sofern nicht offensichtlich falsch. Zum anderen wäre einer Gesetzeskonzeption, die zu einer verfassungsrechtlich nicht akzeptablen Rechtsschutzlücke führte, auch nicht zu folgen. Vielmehr wäre das Gesetz, soweit es die anerkannten Auslegungsgrundsätze ermöglichen, in verfassungskonformer Weise auszulegen bzw. darf nicht in verfassungswidriger Weise ausgelegt werden. Insoweit wäre eine Abweichung von der Gesetzeskonzeption nicht nur vertretbar, sondern geboten.

Der Senat sieht auch keinen Grund, im Hinblick auf die Befürchtung, einzelne Verwaltungsgerichte könnten der Auffassung des Statistischen Landesamts folgen und Rechtsschutz gegen die Einordnung verweigern, diesen Rechtsschutz an sich zu ziehen und allein aus derartigen zweckgerichteten Erwägungen der Einordnung den Charakter des Grundlagenbescheids abzusprechen. Zum einen zeigt das in Sachsen-Anhalt anhängige Verfahren, dass diese Befürchtung nicht generell gerechtfertigt ist. Zum anderen wäre ein derartiger negativer Konflikt über die Rechtsschutzgewährung über den Gemeinsamen Senat auszutragen, nicht aber in vorauseilender Weise von einer Gerichtsbarkeit, hier der Finanzgerichtsbarkeit, durch Entscheidungen wider die eigene Rechtsauffassung schon im Ansatz zu vermeiden.

c. Die in der Rechtsprechung stets wiederholte Einschränkung, die Einordnung eines Statistischen Landesamts sei nur zu übernehmen, soweit sie nicht offensichtlich falsch sei bzw. zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führe, widerspricht dem Verständnis als Grundlagenbescheid nicht.

Sie ist damit vielmehr ohne weiteres in Einklang zu bringen, wenn der Ausnahmetatbestand "offensichtlich" so verstanden wird, dass er sich neben Unrichtigkeiten im Sinne von § 129 AO auf offenkundige Fehler im Sinne von § 125 AO bezieht. Es bliebe bei der Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids, die so weit reicht, als dieser Grundlagenbescheid wirksam (nicht unbedingt rechtmäßig) ist. Dies hätte auch den Vorteil, den abgabenrechtlichen Sprachgebrauch um einen weiteren mit "offen..." zusammengesetzten Begriff und das Abgabenrecht um weitere Abgrenzungsprobleme zu erweitern. In jedem Falle hat ein Begriff wie "offensichtlich" zum Ziel, gröbste Fehler auszuschließen. Das sind aber Fehler, die häufig auch zur Nichtigkeit oder zur offenbaren Unrichtigkeit führen können. Es wäre unnötig, durch divergierende Abgrenzungen im Randbereich der Begriffe zusätzliche Schwierigkeiten zu schaffen, statt einen Begriff so auszulegen, dass er sich in die Systematik des Abgabenrechts einfügt.

d. Nicht zu verkennen sind zwar angesichts der Rechtsauffassung zumindest des hiesigen Statistischen Landesamts die praktischen Schwierigkeiten, eine fehlerhafte Einstufung ändern zu lassen. Während dem Anspruchsteller noch der Weg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, bleibt der Finanzverwaltung lediglich der verwaltungsinterne Weg. Insoweit verhält es sich allerdings nicht anders als bei den bauplanungsrechtlichen Grundlagenbescheiden. Auch dort ist das Remonstrationsverfahren der richtige Weg, fehlerhafte Grundlagenbescheide überprüfen und aufheben zu lassen. Diese Schwierigkeit hat die Verwaltung hinzunehmen.

III. Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs. 1, 2 Nrn. 1 und 2 FGO zugelassen.

IV. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da das Zwischenurteil das Verfahren nicht beendet.

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Ende der Entscheidung

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