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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 1 K 1292/04
Rechtsgebiete: UStG, InsO


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 3 Abs. 1
UStG § 9 Abs. 1
UStG § 9 Abs. 4 Nr. 8 Buchst. a
InsO § 80
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 1292/04

Umsatzsteuer 2001

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. April 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,

die Richterin am Finanzgericht Hübner,

die Richterin am Finanzgericht Gehlhaar,

die ehrenamtliche Richterin und

den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Im Betriebsvermögen der Klägerin befanden sich ein Grundstück in B., welches mit Grundschulden zugunsten der ...bank AG belastet war, sowie diverse Anlagen und Maschinen, die Zubehör des Grundstücks darstellten. Nachdem über das Vermögen der Klägerin zwar das Insolvenzverfahren eröffnet, das Grundstück nebst Zubehör aber vom Insolvenzverwalter ohne Modifikation freigegeben worden war, veräußerte die Klägerin im Oktober 2001 in zwei voneinander abhängigen Kaufverträgen das Grundstück an die C. GmbH i.G., vertreten durch deren Geschäftsführer Sch., und das Zubehör an die ... Vermietungsgesellschaft mbH, vertreten durch deren Geschäftsführerin Sch., beides unter Option zur und Ausweis einer Umsatzsteuer von insgesamt 120.574 DM. Diese setzte der Beklagte zunächst gegenüber dem Insolvenzverwalter, aufgrund einer geänderten Rechtsauffassung dann jedoch mit Bescheid vom 28. Januar 2004 gegenüber der Klägerin fest und wies deren fristgerechten Einspruch mit Bescheid vom 15. Juni 2004 als unbegründet zurück. Dagegen richtet sich die Klage vom 12. Juli 2004.

Die Klägerin meint, die Umsätze seien wegen direkter Weiterleitung der im November 2001 gezahlten Kaufpreise an die Bank und der damit verbundenen Entlastung der Insolvenzmasse nicht von ihr, sondern vom Insolvenzverwalter zu versteuern. Nachdem sie in einer vorangegangenen mündlichen Verhandlung beantragt hatte, unter Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2004 die Umsatzsteuer auf 0 EUR festzusetzen, ist ihr eine Ausschlussfrist gesetzt worden, um für die von ihr behauptete Weiterleitung des Bruttokaufpreises oder gegebenenfalls auch nur des Nettokaufpreises an die Bank und die dadurch bewirkte Entlastung der Masse Belege einzureichen oder Beweisangebote zu unterbreiten. Innerhalb der Frist hat die Klägerin nichts vorgetragen oder beigebracht und in der mündlichen Verhandlung ist für sie auch niemand aufgetreten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, die Klägerin sei infolge der Lieferung des Grundstücks nebst Zubehör und ihres Verzichts auf die Steuerbefreiung umsatzsteuerpflichtig. Dass die Umsatzsteuer (in Anlehnung an BFH, Urt. v. 16. August 2001, V R 59/99, BStBl. II 2003, 208) nicht ihr, sondern dem Insolvenzverwalter gegenüber festzusetzen sei, weil der erzielte Kaufpreis an Stelle des belasteten Grundstücks nebst Zubehör getreten sei, an die Grundpfandrechtsgläubigerin ausgekehrt worden sei und damit die Insolvenzmasse entlastet habe, sei den Akten nicht zu entnehmen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Er meint, er wisse nicht, welche Geldbeträge tatsächlich an die Grundpfandgläubigerin gezahlt worden seien. Daraus, dass der Beklagte die Umsatzsteuer immer noch geltend mache, schließe er, dass die Umsatzsteuer jedenfalls nicht durch eine dem Kaufvertrag entsprechende Abtretung des Vorsteuererstattungsanspruch beglichen worden sei. Von der IKB habe er aber nur erfahren, dass die Bank ihre gesamten Darlehensansprüche nebst den bestellten Sicherheiten mit Forderungskaufvertrag vom 25. September / bzw. Oktober 2001 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin veräußert habe. Ein Gesellschafter der Klägerin habe ihm bloß mitgeteilt, dass die Klägerin von den Erwerberinnen keinerlei Zahlungen erhalten habe, ihn aber wegen der ordnungsgemäßen Abwicklung der Verträge an seinen Prozessbevollmächtigten verwiesen. Dieser verfüge offenbar über die notwendigen Informationen, zumal er mit den Geschäftsführern der Erwerberinnen verwandt zu sein scheine, habe sie aber bislang von der Bezahlung einer ihm angeblich gegen die Klägerin zustehenden Forderung von rund 55.000 EUR abhängig gemacht.

Dem Gericht haben neben den für die Klägerin geführten Akten auch die für den Beigeladenen geführten Akten vorgelegen

Entscheidungsgründe:

Das Gericht war nach § 91 Abs. 2 FGO trotz Ausbleibens der Klägerseite und des Beigeladenen an einer Entscheidung nicht gehindert, weil die Ladung ordnungsgemäß gewesen ist und darin auf die Folgen eines Ausbleibens hingewiesen worden ist.

Die Klage ist unbegründet, denn der Umsatzsteuerbescheid ist rechtmäßig gegenüber der Klägerin ergangen.

Die Lieferung des Grundstücks nebst Zubehör ist nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1, 4 Nr. 8 Buchst. a UStG umsatzsteuerpflichtig. Die Klägerin ist trotz des laufenden Insolvenzverfahrens weiterhin Unternehmerin und mit dem Grundstück nebst Zubehör auch durchaus in der Lage, umsatzsteuerbare Lieferungen bzw. Leistungen nach § 3 Abs. 1 UStG zu erbringen. Zwar ging ihre Befugnis, ihr zur Insolvenzmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Aber aus § 80 InsO ist zugleich abzuleiten, dass der Insolvenzverwalter einen zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand auch wieder aus der Insolvenzbefangenheit freigeben und die Sache dem Gemeinschuldner zu dessen freier Verfügung überlassen kann. Erforderlich dazu ist lediglich eine entsprechende Willenserklärung gegenüber dem Schuldner. Davon hat der Insolvenzverwalter im vorliegenden Fall mit einem Schreiben vom 30. März 2001 sowohl bezüglich des Grundstücks als auch ausdrücklich bezüglich des Zubehörs Gebrauch gemacht, indem er im Wege einer sog. uneingeschränkten Freigabe die Sachen selbst wie auch ihren wirtschaftlichen Wert ohne jede Einschränkung aus den Händen gab und sie der der Gemeinschuldnerin überließ, ohne dabei in irgendeiner Weise den Willen erkennen zu lassen, der Insolvenzmasse wenigstens ihren wirtschaftlichen Wert zu erhalten.

Der Senat lässt es dahin stehen, ob bereits diese uneingeschränkte Freigabe des Grundstücks nebst Zubehör zur Folge hat, dass die auf die Lieferung entfallende Umsatzsteuer außerhalb des Insolvenzverfahrens gegenüber der Klägerin geltend zu machen ist, oder ob zusätzlich noch abzuprüfen ist, ob an die Stelle des Grundstücks nicht ein Erlös getreten ist, der vereinbarungsgemäß an einen absonderungsberechtigten Insolvenzgläubiger ausgekehrt wurde und die Insolvenzmasse in entsprechender Höhe entlastete.

Bei Anlehnung an die (im Urt. v. 12. Mai 1993, XI R 49/90, BFH/ NV 1994, 274) zum Ausdruck gekommene Ansicht des XI. Senats des Bundesfinanzhofes wäre die Rechtmäßigkeit des an die Klägerin gerichteten Umsatzsteuerbescheides nämlich bereits wegen der uneingeschränkten Freigabe des Grundstücks nebst Zubehör zu bejahen. Zur Begründung führt dieser Senat (a.a.O.) an, dass die betreffenden Sachen bei einer uneingeschränkten Freigabe eigentlich wieder insolvenzfreies Vermögen geworden sind und die bei ihrer Lieferung entstandenen Forderungen - einschließlich der hier streitigen Umsatzsteuer - sich damit nicht mehr als Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 InsO bzw. sonstige Massekosten nach § 55 InsO einordnen lassen, weil es sich streng genommen weder um Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der "Masse" handelt noch um Ansprüche, welche aus Geschäften oder Handlungen des Insolvenzverwalters entstehen. Dies würde nach Ansicht des XI. Senates (a.a.O.) sogar selbst dann gelten, wenn das Entgelt aus der Lieferung der insolvenzfreien Sachen durch den Gemeinschuldner wieder der Insolvenzmasse zufließt, weil nicht die Vereinnahmung des Geldes, sondern die Lieferung der Umsatzsteuer unterliege.

Bei Anlehnung an die (im Urt. v. 16. August 2001, V R 59/99, BStBl. II 2003, 208) zum Ausdruck gekommene Ansicht des V. Senats des Bundesfinanzhofes ließe sich die Rechtmäßigkeit des an die Klägerin gerichteten Umsatzsteuerbescheides hingegen nicht allein auf die uneingeschränkte Freigabe des Grundstücks nebst Zubehör stützen. Zur Begründung führt dieser Senat (a.a.O.) an, dass alle Ausgaben im Zusammenhang mit der für Rechnung der Insolvenzmasse durchgeführten Verwertung einer Sache - sei es durch den Insolvenzverwalter, sei es durch einen Absonderungsberechtigten oder sei es durch den zur Verwertung ermächtigten Gemeinschuldner - zu den Massekosten gehören. Damit lasse sich auch die angefallene Umsatzsteuer für die Lieferung eines unbedingt freigegebenen Grundstücks bei wertender Betrachtung zumindest dann noch den Massekosten zurechnen, wenn der Erlös an die Stelle des Grundstücks getreten ist, vereinbarungsgemäß an einen absonderungsberechtigten Insolvenzgläubiger ausgekehrt wurde und deshalb die Insolvenzmasse in dieser Höhe entlastet habe, weil der wirtschaftliche Wert des Grundstücks der Insolvenzmasse - ungeachtet der konkreten Ausgestaltung der Freigabeerklärung - erhalten geblieben sei und der Gemeinschuldner dann letztlich auch nur insolvenzbefangenes Vermögen im weitesten Sinne verwertet habe.

Gleichwohl ist auch nach Ansicht des V. Senats (a.a.O.) im vorliegenden Fall der an die Klägerin gerichtete Umsatzsteuerbescheid rechtmäßig, weil die Klägerin die von ihr behauptete und ihr günstige sowie ihrer Beweisnähe unterliegende Tatsache, der Erlös des Grundstücks nebst Zubehör sei im November an die Bank weitergeleitet worden und habe deshalb die Insolvenzmasse in dieser Höhe entlastet, trotz Ausschlussfrist nicht hinreichend substantiiert geschweige denn bewiesen hat.

Insofern kann dahinstehen, ob die Ansichten der beiden Senate des Bundesfinanzhofes zur uneingeschränkten Freigabe durch den Verwalter zum heutigen Zeitpunkt und angesichts der mittlerweile geltenden InsO überhaupt noch auseinander gehen.

Da die Klägerin schon für die von ihr behauptete Weiterleitung an die Bank keinerlei Beweisangebote unterbreitet hat, kommt es auch nicht mehr darauf an, ob der V. Senat des Bundesfinanzhofes bei seiner Prüfung einer "vereinbarungsgemäßen" Auskehrung an einen absonderungsberechtigten Insolvenzgläubiger nur Vereinbarungen zwischen Gemeinschuldner und Insolvenzverwalter gelten ließe oder auch die zwischen dem Gemeinschuldner und dem Insolvenzgläubiger anerkennen würde, was ansonsten im vorliegenden Fall fraglich wäre, weil die Klägerin weder dargetan hat, ob und gegebenenfalls mit wem sie die Weiterleitung vereinbart haben will, noch erläutert hat, inwiefern die Bank nach Abtretung ihrer Forderungen an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin überhaupt noch Insolvenzgläubiger gewesen sein soll.

Entsprechendes gilt für die Frage, ob der V. Senat bei seiner Prüfung einer dadurch bewirkten Entlastung der Insolvenzmasse jegliche unter Umständen auch nur rechnerische Entlastung (bspw. um nicht mehr werthaltige Forderungen) genügen ließe oder ob er eine tatsächliche wirtschaftliche Entlastung (bspw. durch einen entsprechenden Geldzufluss) meinte, aus der sich dann auch die aus dem Rechtsgeschäft entstehenden Verbindlichkeiten bezahlen lassen, was ansonsten im vorliegenden Fall problematisch wäre, weil die Kaufverträge zumindest hinsichtlich der Umsatzsteuer gar keine Geldzahlung, sondern lediglich eine Verrechnung mit der Vorsteuer vorsehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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