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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 24.11.2008
Aktenzeichen: 1 K 1415/05
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 173 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. November 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,

den Richter am Finanzgericht Keilig,

die Richterin am Finanzgericht Gehlhaar,

den ehrenamtlichen Richter ... und

die ehrenamtliche Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid über die Änderung der Investitionszulage 2000 vom 1. Juli 2005 und der hierzu ergangene Einspruchsbescheid vom 15. September 2005 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin gehört zu den insgesamt 25 Firmen, die mit unterschiedlicher Beteiligung von den Mitgliedern der Familie B., deren Geschäfte aber alle faktisch von Prof. B. geführt werden. Sie betreibt seit 1994 in ... ein Dentallabor und mietete zu diesem Zweck bereits im Jahr 1998 von Prof. B. dort ein Grundstück nebst Gebäude.

Als sie an der Außenmauer eine einerseits öffentlichkeitswirksame, andererseits unternehmensbezogene Werbung anbringen wollte, entwarf Prof. B., von der Ausbildung her ..., ein Werbekonzept.

Allerdings leitete er es einer Firma ... GmbH (im Folgenden O.) zu, die zum Unternehmensgegenstand die Beratung für gewerbliche Maßnahmen und Marketingstrategien und zum Geschäftsführer damals ihn selbst hatte. Diese schätzte die Kosten für Konzept und Slogan auf 6.000 DM, für die Ausführungspläne auf 9.000 DM und für die Styropor- Musterteile auf 28.500 DM, mithin auf insgesamt 43.500 DM. Die O. übersandte das Werbekonzept am 14. Februar 2000 an die Klägerin, erhielt dafür am 26. Februar 2000 den Auftrag und ergänzte am 28. August 2000 maßgenaue Ausführungspläne. Sie berechnete der Klägerin aber bereits am 7. Juli 2000 pauschal den angekündigten Betrag.

Dessen ungeachtet unterbreitete die Firma ...mbH (im Folgenden W.), die zum Unternehmensgegenstand die Bausanierung, Denkmalpflege, Stuckarbeiten, Tischlerarbeiten und Haustechnik und als Geschäftsführerin damals die Ehefrau des Prof. B. hatte, der Klägerin ein weiteres Angebot, welches zwar auf das Werbekonzept namens der O. Bezug nahm, aber allein die Kosten für die Herstellung der 52 Einzelteile nunmehr mit 97.970 DM mehr als verdreifachte. Ungeachtet dessen nahm Frau B. dieses von ihr selbst unterschriebene Angebot am 30. Mai 2000 als mittlerweile eingesetzte Geschäftsführerin der Klägerin an. Dafür erstellte die W., vertreten durch ihren auf der Rechnung ausgewiesenen Geschäftsführer Prof. B., zwei Abschlagsrechnungen vom 5. Juli 2000 über netto 50.000 DM und vom 24. Juli 2000 über netto 40.000 DM.

Zunächst gewährte der Beklagte - trotz einer Investitionszulagensonderprüfung in Kenntnis aller drei Rechnungen - mit Bescheid vom 28. November 2002 in der Annahme einer Erstinvestition die beantragte 25% ige Investitionszulage u.a. für die als "Werbefläche Außenmauer" bezeichnete Investition nach der geltend gemachten Bemessungsgrundlage von 130.500 DM netto ohne Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Vollbetriebsprüfung versagte der Beklagte jedoch der Klägerin mit Bescheid vom 1. Juli 2005 die dafür gewährte Investitionszulage, soweit die Bemessungsgrundlage den seines Erachtens angemessenen Betrag von 60.000 DM netto überstieg, unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Außerdem wurde der Klägerin im Ursprungsbescheid antragsgemäß auch noch eine 25% ige Investitionszulage für ein Dürr- Vektor- Systempaket im Wert von 5.419 DM netto gewährt und erst im Änderungsbescheid nach der Vollbetriebsprüfung verwehrt, weil sich herausgestellt hatte, dass es bereits vor der Anlieferung an einen Zahnarzt K. weiterveräußert worden war. Den dagegen fristgerecht eingelegten aber bis dato nicht begründeten Einspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 15. September 2005 zurück. Dagegen richtet sich die Klage vom 26. September 2005.

Die Klägerin meint, der Beklagte sei wegen der Außenprüfung nicht zu einer Änderung des Bescheides berechtigt. Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zugestanden hat, dass als Änderungsvorschrift lediglich § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO mit seinen Einschränkungen in Abs. 2 infolge der Sonderprüfung in Betracht komme, argumentiert die Klägerseite nunmehr im Wesentlichen damit, dass die in Abs. 2 genannte Änderungssperre gerade nicht aufgrund eines Subventionsbetruges durchbrochen werden könne und dass im Übrigen auch gar kein Subventionsbetrug vorliege.

Ergänzend weist sie hinsichtlich des Werbekonzeptes noch darauf hin, dass der Beklagte seit der Vollbetriebsprüfung immer nur den Wert des Investitionsgutes in Frage stelle, obwohl dieser überhaupt keine Tatsache, sondern allenfalls eine Schlussfolgerung sei, und dass der Beklagte selbst diese Schlussfolgerung bisher nicht substantiiert widerlegt habe. Ebenso wenig habe er nachweisen können, dass die von ihm zugrunde gelegten Hilfstatsachen während der Sonderprüfung noch nicht hinreichend bekannt oder erkennbar gewesen seien. Hinsichtlich des Dürr- Vektorsystempaketes erläutert die Klägerin den von ihr durchaus zugestandenen Fehler bei der Antragstellung schlicht damit, dass man bloß nicht daran gedacht habe, den Gegenstand von der Investitionsliste zu nehmen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die Änderung der Investitionszulage 2000 vom 1. Juli 2005 und den Einspruchsbescheid vom 15. September 2005 aufzuheben sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für erforderlich zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hält eine Durchbrechung der Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO auch in Fällen des Subventionsbetruges für möglich. Und dass wegen der Werbeflächen ein Subventionsbetrug zu bejahen sei, leitet er ergänzend noch daraus ab, dass die Firma O. im betreffenden Zeitraum weder über ein Büro noch über Personal verfügt habe und dass die Firma W. im betreffenden Zeitraum keine Eingangsleistungen oder Lieferungen erhalten habe, die sich den hier streitigen Ausgangsrechnungen zuordnen ließen, sowie daraus, dass sich ihren Abrechnungen auch nicht entnehmen lasse, welche konkreten Leistungen sie zu derart hohen Beträgen berechtigen sollten. Hinsichtlich des Dürr- Vektorsystempaketes interpretiert der Beklagte die Ausführungen der Klägerin ohnehin als Geständnis eines Subventionsbetruges.

Dem Gericht haben die vom Beklagten über die Klägerin geführten Investitionszulageakten nebst Einspruchsvorgang vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Änderung des streitbefangenen Investitionszulagebescheides steht die durch die vorhergehende Investitionszulagesonderprüfung ausgelöste Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO entgegen. Diese kann zwar durch eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung wieder aufgehoben werden, nach Ansicht des Senats aber nicht durch ein - im Zusammenhang mit einer unrechtmäßig erlangten Investitionszulage allenfalls denkbares - Betrugs- oder Subventionsbetrugsdelikt.

Unabhängig von der Frage, ob eine Analogie hier nicht schon wegen der steuerbelastenden Wirkung selbst dieser nur verfahrensrechtlichen Regelung ausgeschlossen ist, hält der Senat eine Analogie jedenfalls mangels einer unbewußten Regelungslücke für nicht zulässig. § 7 Abs. 1 Satz 1 und § 9 InvZulG zeigen, dass sich der Gesetzgeber bei Abfassung des InvZulG durchaus Gedanken über das steuerliche Verfahrensrecht sowie über die Verfolgung von Straftaten gemacht hat, denn ersterer bestimmt, dass die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden sind, und letzterer bestimmt Entsprechendes für die Verfolgung von Straftaten nach § 264 StGB. Wenn diese Norm trotz der darüber gerade im Jahr 1985 intensiv geführten Diskussion (insbesondere zwischen Zinn, Kann ein aufgrund einer Außenprüfung ergangener Investitionszulagenbescheid nachträglich aufgehoben werden?, StBp 1985, 137 und Entgegnung auf die Erwiderung von Rößler, StBp 1985, 233 vs. Rößler, Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO bei Subventionsbetrug?, StBP, 1985, 232), trotz diverser eine Analogie ablehnender Finanzgerichtsurteile (vgl. Finanzgericht Rheinland- Pfalz, Urt. v. 17. Dezember 1984, 5 K 38/87, EFG 1985, 431; Niedersächsisches FG, Urt. v. 7. Mai 1992, II 216/89, EFG 1993, 248) und trotz der zahlreichen zwischenzeitlichen Änderungen des InvZulG unverändert erhalten blieb, verbietet sich nach Ansicht des Senates die Annahme einer unbewussten Regelungslücke. Das führt zwar dazu, dass der Täter eines Betruges oder Subventionsbetruges generell besser gestellt wird als der Täter eines Steuerdeliktes, obwohl sich das weder mit einer geringeren Strafschwere des Subventionsbetruges gegenüber den Steuerdelikten noch mit einer allein beim Subventionsbetrug auszumachenden wirtschafts- und arbeitsmarktfördernden Natur zufriedenstellend erklären lässt. Aber diese Ungewissheit über die Motive des Gesetzgebers hat das Gericht als Ausfluss des Gewaltenteilungsprinzips hinzunehmen, solange sich eine unbewusste Regelungslücke nicht positiv feststellen lässt, wie hier.

Im Ergebnis kann deshalb auch dahinstehen, ob wegen des Werbekonzeptes und/ oder des Dürr- Vektorsystempaketes tatsächlich ein Subventionsbetrug vorliegt.

Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die über Erstattungsfähigkeit der Kosten im Vorverfahren aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, wo es nur darauf ankommt, dass der Bevollmächtigte tatsächlich tätig geworden ist, und nicht etwa darauf, dass er erkennbar nach außen aufgetreten wäre, und die zur Vollstreckbarkeit aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt FGO zuzulassen, um die Frage nach einer unbewussten Regelungslücke höchstrichterlich klären zu lassen.

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Ende der Entscheidung

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